Ausstellung

20. November 2023 - 11:59

Self Portrait with Louise © Sabrina Bockler

 

Sehen Sie die kleine geschälte Orange? Ein Vanitas-Motiv, wie es auch in den niederländischen Stillleben des Goldenen Zeitalters vorkommt. Dieses kleine Detail zeigt wohin die künstlerische Reise geht! Die amerikanische Malerin Sabrina Bockler ersetzt in ihren aktuellen Arbeiten die menschliche Figur durch Blumen, Lebensmittel und Rassehunde.

Zurzeit sind ihre sorgfältig ausgearbeiteten stilisierten Gemälde mit illustrativem Charakter von der Stilllebenmalerei inspiriert. Sie bezieht sich auf KünstlerInnen des 17. Jahrhunderts wie Balthasar van der Ast und Rachel Ruysch und ist von Malern der Neuen Sachlichkeit wie Franz Sedlacek, Christian Schad und der Fotografin Aenne Biermann beeinflusst. Dabei liegt ihr Interesse in der Spannung zwischen dem Traditionellen, den traditionellen Tropen, und dem Unheimlichen, Surrealen. Dieser Ansatz fordert die Betrachtenden dazu auf über die traditionelle Ästhetik hinauszudenken und sich in dem Chaos innerhalb eines dekorativen Stilllebens zu verlieren. Bockler erschafft demzufolge dekadente Szenen des Überflusses, die zum genauen Hinsehen einladen. Doch es ist nicht alles so, wie es auf den ersten Blick erscheint!

Während die niederländischen Stillleben des Goldenen Zeitalters lediglich reiche und aufwändige Tischdekorationen zeigen, die mit einer Fülle von Gegenständen wie Blumen, teuren Gläsern, Silberbesteck, tropischen Früchten, Muscheln und sogar lebenden Tieren wie Affen oder Papageien ausstaffiert waren, stört Bockler die Opulenz. Ihre Haustiere treiben Unfug und zerstören die Dekorationen: die Krustentiertürme, die perfekt geschnittene Melone und die Blumensträuße, die aus ihren Vasen fallen.

 

A La Carte, 2023 © Sabrina Bockler

 

In "A la Carte" erzählt die Künstlerin von Sinnlichkeit, Begehren, Weiblichkeit und Fruchtbarkeit, dargestellt durch aphrodisierende Lebensmittel wie Granatäpfel, Feigen, Trauben und Austern. Der Hummer, rot und auffällig, war das Symbol der Surrealisten für Erotik und sexuelle Ausschweifung. Er liegt neben dem Pfau, dessen leuchtende Farben und komplizierte Muster mit Stolz, Luxus und Raffinesse in Verbindung gebracht werden und der seinerseits zu dem Hund schaut, dessen Körper bescheiden ins Bild ragt.

 

Venus and Mars, 2021 © Sabrina Bockler

Decadence and Disaster, 2023 © Sabrina Bockler

 

Titelgemäß geht es in "Decadence and Disaster" schon wilder zu! Zwei kleine Papillons mit langem, seidigem Haar haben den eleganten Tisch bereits erobert und Unheil angerichtet. Die Erdbeerschale wurde umgestoßen, Blumen aus dem Bouquet gerissen, ein Cremetortenstück zerquetscht. Während einer noch im Obstkorb herumstochert, hat der andere bereits einen Fisch im Maul.

 

Table Manners, 2022 © Sabrina Bockler

 

An Tischmanieren mangelt es in "Table Manners" nicht nur, die ganze Tischlandschaft ist vielmehr aus den Fugen geraten: Kräftige Kiefer packen den Schinken, die Krabbe wird heruntergerissen!

 

Old Fruit, 2022 © Sabrina Bockler

Garland Of Flowers With Greyhounds, 2023 © Sabrina Bockler

The Voyeur, 2021 © Sabrina Bockler

 

"Garland Of Flowers With Greyhounds" und "The Voyeur" sind nicht nur Hommagen an die Rokokokünstlerin Rachel Ruysch, deren Werke für ihre exquisite Schönheit und Präzision bekannt waren, sondern es zeigt auch Bocklers humoristischen Sinn: Sie baut Rassehunde in die Mitte des Blütenkranzes.

 

Intrusive Thoughts, 2023 © Sabrina Bockler

 

Ein Papillon in "Intrusive Thoughts" sieht uns teilnahmslos an, während er auf eine Blumenvase uriniert. Die Komposition ist in einer häuslichen Umgebung angesiedelt. Das Markieren kann als ein dreister und rücksichtsloser Akt der Behauptung von Privilegien gelesen werden.

 

Eclipse, 2023 © Sabrina Bockler

Borzois In Moonlight, 2023 © Sabrina Bockler

Hounds, 2023 © Sabrina Bockler

 

Auch die "Hounds" - königliche Windhunde - sind von häuslicher, privilegierter Opulenz umgeben. Ihr Prunk, ihre Eleganz und Anmut haben beinahe etwas Unnatürliches an sich. Gezüchtet um bestimmte ästhetische Standards zu erfüllen, wirken sie wie Dekorationsobjekte für die Wohnung.

Bocklers detailreiche Acrylbilder bestechen durch versierte Eleganz und Stilsicherheit. Sie imitiert, übertreibt, überspitzt, karikiert die traditionelle Stilllebenmalerei,  wodurch ihre Arrangements und Kompositionen etwas Beunruhigendes, Groteskes erhalten.

 

ein Hund der Künstlerin © Sabrina Bockler

 

Sabrina Bockler lebt mit ihrem Partner Kevin und ihren Hunden Louise und Rae. Oft verbringen sie Zeit mit ihr im Atelier.

Noch bis zum 2. Dezember 2023 stellt die Künstlerin in der Galerie Duran/Mashaal in Montreal aus.

Sabrina Bockler (1987) ist eine amerikanische Künstlerin, die in Brooklyn, New York, lebt und arbeitet. Im Jahr 2011 erwarb Bockler einen Bachelor-Abschluss in Fine Arts an der Parsons New School of Design.

Quellen: Galerie Duran/Mashaal, Galerie Beers London, Galerie Hashimoto Contemporary, Colossal, Art of Choice

alle Bilder © Sabrina Bockler

 

Ausstellung, Malerei
28. Juni 2023 - 14:40

Dolce, 2023. © Irena Posner

 

Es gibt zwei Möglichkeiten, sich dem skulpturalen Werk der britischen Künstlerin Irena Posner, die noch bis zum 29. Juli 2023 in der Wiener Galerie Kandlhofer ausstellt, zu nähern: eine formale und eine inhaltliche.

Formal interessant ist, dass Posner ihre Skulpturen aus Marmor - genauer Carraramarmor - herstellt. Also aus dem Material, aus dem Michelangelo seinen heroischen "David" gehauen hat. "Carrara-Marmor ist ja kein Stein mehr, das ist geradezu ein Edelstein. Ein Edelstein honoris causa", wie Claudia Aigner in der Wiener Zeitung schreibt.

Die Geschichte der Malerei ist immer auch die Geschichte dessen, was als darstellungswürdig erachtet wurde. Irena Posner stellt die Frage der Darstellungswürdigkeit im Bereich der Marmorskulptur, wenn sie kopulierende Hunde in Stein bannt.

Dieses Werk, "Dolce" betitelt, ist eine Anspielung auf Berninis Vergewaltigungsdarstellung "Raub der Proserpina". Die Berninis Skulptur innewohnende Gewalt und Brutalität wird durch den Marmor zusätzlich ästhetisiert. Indem Irena Posner eine kurze Hundepaarung in dauerhaften Stein festhält, rekontextualisiert sie den Marmor und nutzt das Material als Testfeld für die impliziten Vorurteile, die der Marmor als Material der Verehrung und Unterwerfung mit sich bringt.

 

There are strong opinions about what can and can’t be represented in marble. That frustration or perception that the material is used ‘improperly’ is kind of the sweet spot for me. It complicates our perception of what we thought was an innocuous piece of stone.  Suddenly we are asking questions about value and what is worthy of being re-presented in marble. (Posner  zit. n.  Galerie Kandlhofer)

Es gibt starke Meinungen darüber, was in Marmor dargestellt werden kann und was nicht. Diese Frustration oder der Eindruck, dass das Material „unangemessen“ verwendet wird, ist für mich der springende Punkt. Es verkompliziert unsere Wahrnehmung von etwas, von dem wir dachten, es sei ein harmloses Stück Stein. Plötzlich stellen wir Fragen über den Wert und darüber, was es wert ist, in Marmor dargestellt zu werden. (übersetzt mit DeepL)

 

Dolce, 2023 © Irena Posner, Foto Petra Hartl

Dolce, 2023 © Irena Posner, Foto Petra Hartl

Dolce, 2023 © Irena Posner, Foto Petra Hartl

 

Ein Rückblick auf die Darstellung von Haustieren in der Marmorskulptur zeigt, dass es eine lange Tradition von Tierdarstellungen am Fuße von Königsgräbern gab. Das Hundemotiv war typisch für weiblichen Grabschmuck (Löwen für Männer) als Symbol der Hingabe und Treue. Letztlich stellen die Werke von Irena Posner sowohl die Erwartungen an Marmor als auch die Idealisierung und Memorialisierung von Tieren in Frage. (vgl. Galerie Kandlhofer)

Inhaltlich geht es bei ihren Werken für "Best in Show" um durch Tierdiskurse dargestellte Machtstrukturen, selektive Zucht und Fetisch. Grundsätzlich bewegen sich die Arbeiten Irena Posners im Bereich der Allegorie, des Spiels und des Humors.

Der direkt auf den Marmor geschweißte Stahlmaulkorb, die abgeschnittenen spitzen Ohren und der kupierte Schwanz des Dobermanns in ihrer Skulptur "No tongue can tell, no tail can wag" sind Gestaltungsmerkmale und Signifikanten des kuratierten Stammbaums. Abgerichtet und mit Maulkorb versehen, verschafft sich der Hund einen Status unter anderen Tieren. Posner bezieht sich auf Donna Haraways "When Species Meet", in dem Hundetrainingsregime die ständige Zügelung der Begierden eines Hundes beinhalten, bis die "Tugend" der Selbstbeherrschung gefestigt ist - eine eindeutig menschliche Tugend, die wir unseren Haustieren einimpfen.

 

No tongue can tell, no tail can wag, 2023 © Irena Posner

No tongue can tell, no tail can wag, 2023 © Irena Posner, Foto Petra Hartl

No tongue can tell, no tail can wag, 2023 © Irena Posner, Foto Petra Hartl

No tongue can tell, no tail can wag, 2023 © Irena Posner, Foto Petra Hartl

No tongue can tell, no tail can wag, 2023 © Irena Posner, Foto Petra Hartl

 

Donna Haraways Texte tauchen bei der Rezeption zeitgenössischer Kunst immer wieder auf. 2021 wurde sie vom Kunstmagazin Monopol zur einflussreichsten Person der Kunstwelt gewählt. Grund genug endlich das Merve-Bändchen "Manifest für Gefährten" herzunehmen, das ihren Text von 2003 übersetzt und sich selbstverständlich in der Bibliothek meines Mannes befindet.

 

Am Beispiel der Beziehung zu ihrem Hund Cayenne untersucht die Autorin in „Das Manifest für Gefährten“ das Verhältnis von Mensch und Tier. Dort verwebt sie ebenso klug wie ungewöhnlich persönliche Erfahrungen mit wissenschaftlicher Analyse und kritischer Reflexion. Auf evolutionsbiologischer, geschichtlicher und persönlicher Ebene beschreibt Haraway die Entwicklung der „Gefährt*innen-Spezies“ nicht als einen einseitig vom Menschen dominierten, domestizierenden Prozess, sondern als wechselseitiges, gemeinsames Lernen und Werden von Mensch und Tier. Sie analysiert die historischen und politischen Dimensionen des Machtverhältnisses (beispielsweise den Einsatz von Hunden in Vollzugsanstalten und zur Grenzsicherung) und plädiert für einen liebe- und verantwortungsvollen Umgang mit der „signifikanten Andersartigkeit". (zit. n. Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen)

 

Irena Posner hat einen Master in Bildhauerei vom Royal College of Art. Sie wurde 2023 mit dem Harlow Sculpture Town Artist in Residence ausgezeichnet und erhielt 2021 den Gilbert Bayes Sculpture Award. Sie war in der engeren Auswahl für den Kenneth Armitage Award 2022 und hat Aufenthalte in Carrara/Italien und Weymouth/England, absolviert. Sie arbeitet in Carrara und London.

 

Irena Posner bei der Arbeit
Irena Posner bei der Marmorbearbeitung, Foto RCA

 

Quellen: Galerie Kandlhofer, RCA, Wiener Zeitung

 

Ausstellung, Skulptur
5. Juni 2023 - 13:46

In der Gruppenausstellung "Cherries On Top" in der Galerie Judith Andreae in Bonn sind noch bis zum 1. Juli 2023 Werke junger Künstler und Künstlerinnen zu sehen, darunter auch Tobias Vetter. Von ihm möchte ich Ihnen ein Gemälde mit Hund zeigen, das ich auf seiner Homepage entdeckt habe.

 

Privileg, 2020 © Tobias Vetter

 

Während Tobias Vetter unterschiedlichste Materialien als Bildträger für seine mittel- bis großformatigen figürlichen Malereien verwendet, bleibt er in seiner Farbauswahl beständig: Sie reicht von Türkis-Grün über Indigo bis zu Rosé-Tönen. Beständig ist er auch in der Gesichtslosigkeit vieler Figuren. Die Köpfe sind nicht nur gesichtslos, sondern leer, der Hintergrund dringt in den Kopfraum vor.

Die anonymen Protogonisten seiner Öl- und Acrylbilder finden sich in unwirtlichen (triste Umgebung in kalten Farben) und unwirklichen Situationen wieder: Eine Frau scheint über einem Hund zu schweben. Der Dobermann ist der Einzige, dessen Kopf ausgearbeitet ist, der bodenständig, kraftvoll, verwurzelt wirkt. Unwillkürlich dachte ich sofort an die Bronzeplastik "Der Engel der Stadt" von Marino Marini, wenngleich dort ein Mann auf einem Pferd sitzt.

Eine zweite Figur, in eine Art Poncho gewandet, "beobachtet" dieses martialisch anmutende Setting. In welcher Beziehung stehen die Figuren zueinander? Ist deren einzige Gemeinsamkeit, dass sie Gegenwart und Leinwand teilen? Erzählt das Werk von emotionaler Distanziertheit oder sozialer Distanz der Protagonisten? Erzählt es von Vorrechten - schließlich heißt das Werk "Privileg" - und Diskriminierung?

Tobias Vetter verweigert sich einer Einordnung:

 

I want to capture the tensions which are created by contradiction . I want to visualize the tarnished core of our very existence. (zit. n. hier)

(Ich möchte die Spannungen einfangen, die durch Widersprüche entstehen. Ich möchte den trüben Kern unseres Daseins sichtbar machen).

 

Tobias Vetter (*1985 im Allgäu/D) studierte Illustration und Grafikdesign an der Hochschule für Bildende Künste und Kunsttherapie in Bochum und zog 2011 nach Berlin. Nachdem Vetter mit seinen monochromen Tattoo-Kunstwerken bekannt wurde, wechselte er 2019 zur Malerei und Bildhauerei. Er lebt und arbeitet in Berlin.

 

Bild © Tobias Vetter

 

Ausstellung, Malerei
1. Juni 2023 - 12:11

Sollten Sie im Sommer London besuchen wollen, kann ich Ihnen folgende Ausstellung ans Herz legen: Großartige Hundeporträts - über die Jahrhunderte hinweg - sind noch bis zum 15. Oktober 2023 in der Londoner Wallace Collection zu sehen. Die mit Spannung erwartete Ausstellung war coronabedingt verschoben worden.

Anhand von sorgfältig ausgewählten Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen und sogar Tierpräparaten beleuchtet die Ausstellung "Portraits of Dogs: From Gainsborough to Hockney" die einzigartige Verbindung zwischen Menschen und ihren vierbeinigen Partnern.

Hunde sind nicht nur die besten Freunde des Menschen, sie gehören auch zu seinen besten Musen. Seit Jahrhunderten lassen sich Künstler und Künstlerinnen von ihren vierbeinigen Familienmitgliedern inspirieren. Sie fertigten  Porträts an, um Gefühle auszudrücken und Momente in Erinnerung zu behalten. Die Zeitlosigkeit dieser Zuneigung wird durch die große Auswahl an Werken in der Wallace Collection unterstrichen.

Hundeporträts entwickelten sich als künstlerische Gattung zeitgleich mit ihren menschlichen Gegenstücken - Hunde sind auf den frühesten Höhlenmalereien neben Menschen dargestellt - und erlebten ihre Blütezeit, insbesondere in Großbritannien ab dem 17. Jahrhundert. Mehr als jede andere Nationalität haben die Briten Hundeporträts in Auftrag gegeben und gesammelt.

Bei der Auswahl der Werke wurde bewusst darauf geachtet, dass kein Mensch zu sehen ist. Trotz dieser Abwesenheit verraten die in Auftrag gegebenen Porträts ebenso viel über die Besitzer wie über die Hunde selbst, denn die Persönlichkeit der Besitzer spiegelt sich im Charakter ihres geliebten Haustiers wider. Hinter jedem dargestellten Hund steckt eine menschliche Geschichte - manchmal oberflächlich, manchmal traurig.

 

Unknown artist, Roman, The Townley Greyhounds, 1st-2nd century CE © The Trustees
Unknown artist, Roman, The Townley Greyhounds, 1st-2nd century CE
© The Trustees of the British Museum

 

Das älteste Exponat der Ausstellung ist eine römische Marmorskulptur aus dem späten ersten Jahrhundert, die zwei Windhunde zeigt und eine Leihgabe des Britischen Museums ist. Die als "Townley Greyhounds" bekannte Skulptur zeigt die emotionale Verbindung zweier liebevoll umschlungener Hunde, was angesichts ihres frühen Datums vielleicht überrascht - und ist möglicherweise die früheste Darstellung des "Vertragus"-Hundes, einer keltischen Rasse, die als Vorläufer des Windhundes gilt und von den Römern sehr geschätzt wurde.

 

Leonardo da Vinci, Studies of a Dog's Paw (verso), National Galleries of Scotlan
Leonardo da Vinci, Studies of a Dog's Paw (verso), National Galleries of Scotland.
Purchased by Private Treaty Sale with the aid of the Art Fund 1991
© National Galleries of Scotland

 

Die um 1490-95 entstandene Metallstiftzeichnung von Leonardo da Vinci zeigt vermutlich die linke Vorderpfote eines Hirschhundes. Auf dieser wissenschaftlich-künstlerischen Zeichnung konzentriert sich Leonardo da Vinci auf die Anatomie der Hundepfote, die Gelenkigkeit der Sehnen, die Art und Weise wie die beiden scharfen Vorderkrallen eng beieinander liegen und die weichen, haarlosen, stoßdämpfenden Ballen darunter.

 

Unknown artist, Dog lying on a ledge, 1650-80 © Ashmolean Museum
Unknown artist, Dog lying on a ledge, 1650-80 © Ashmolean Museum

 

Der Hund auf einem Felsvorsprung ist eine wunderbar einfühlsame Hommage an den einfachen Straßenhund - im Gegensatz zur üblichen Darstellung von Jagdhunden oder höfischen Schoßhündchen. Sein äußerst realistisches Aussehen und die emotionale Intensität der dunklen Atmosphäre, die ihn umgibt, lassen vermuten, dass der Künstler durch stundenlanges genaues Betrachten eine enge Verbindung zu dem Hund entwickelte. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dieses Gemälde Zurbarán und später Velázquez zugeschrieben. Der Künstler könnte ein Genueser gewesen sein, und es wird eine Zuschreibung an Giovanni Agostino Cassana (geb. nach 1659-1720) vorgeschlagen.

 

Jean-Jacques Bachelier, Dog of the Havana Breed, 1768, oil on canvas, French Sch
Jean-Jacques Bachelier, Dog of the Havana Breed, 1768, oil on canvas, French School,
© The Bowes Museum, Barnard Castle

 

Hundeporträts können auch eine sehr persönliche Hommage an geliebte Haustiere sein. Zwerghunde, Miniaturrassen, die nur wegen ihrer Gesellschaft geschätzt wurden, sind häufig auf diese Weise dargestellt worden, insbesondere im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Jean-Jacques Bachelier malte einen verwöhnten Havaneser auf seinen Hinterbeinen stehend, der eine hübsche rosa Schleife trägt. Anscheinend hat er beim Versuch einen Schlapfen in seine samtene luxuriöse Hundebehausung zu tragen, ein kleines Durcheinander angestellt. Niemand wird ihm böse sein! Man ist versucht, sich einen solchen Hund bei Madame de Pompadour oder Marie-Antoinette vorzustellen.

 

Thomas Gainsborough, Tristram and Fox, c.1775–85 © Tate Images
Thomas ç Tristram and Fox, c.1775–85 © Tate Images

 

Thomas Gainsborough, einer der großen britischen Maler der 18. Jahrhunderts, besaß eine große Liebe und enge Beziehung zu Hunden und stellte sie in zahlreichen Porträts und Landschaftsbildern dar. Auch seine eigenen Haustiere, der Spaniel Tristram und der Collie Fox, durften für ihn Porträt sitzen. Doch ob Tristam und Fox, die er um 1775 auf der Leinwand verewigte, wirklich so lange stillsitzen konnten? Vermutlich malte er sie eher aus dem Gedächtnis heraus. Dass das Gemälde über dem Kamin im Haus des Künstlers hing, lässt vermuten, dass er die Hunde als Familienmitglieder betrachtete. Gelegentlich gab sich der Künstler als Fox aus, wenn er seiner Frau nach ihren Meinungsverschiedenheiten Entschuldigungsbriefe schrieb, die er an Tristram adressierte.

 

James Ward, Fanny, A Favourite Dog, 1822. By courtesy of the Trustees of Sir Joh
James Ward, Fanny, A Favourite Dog, 1822.
By courtesy of the Trustees of Sir John Soane’s Museum, London

 

Fanny, der kleinen Manchesterterrier des Architekten John Sloane, sitzt inmitten einer klassizistischen Fantasielandschaft. Sloane hatte sich nach dem Verlust seiner Frau mit dem Hund angefreundet und gab dieses Gemälde bei James Ward in Auftrag, nachdem auch Fanny verstorben war.

 

Edwin Landseer, Doubtful Crumbs, 1858-1859 © The Trustees of The Wallace Collect
Edwin Landseer, Doubtful Crumbs, 1858-1859 © The Trustees of The Wallace Collection

 

Edwin Landseer war ein Meister der Tiermalerei und ist vor allem für seine Fähigkeit bekannt, Hundeporträts mit Bedeutung und Moral zu versehen, wie es im 19. Jahrhundert üblich war. In "Doubtful Crumbs" spielt er auf den armen Lazarus aus dem Lukas-Gleichnis an. Es zeigt einen hungrigen Straßenterrier, der sich nach einem Bissen der Mahlzeit eines Bernhardiners sehnt, der nach dem Essen eingedöst ist. Diese Symbolik ist den viktorianischen Reformern nicht entgangen, die sich der sozialen Ungleichheit sehr bewusst waren und das Wohlergehen der verarmten städtischen Arbeiter verbessern wollten.

 

Edwin Landseer, Hector, Nero and Dash with the Parrot Lory, 1838 Royal Collectio
Edwin Landseer, Hector, Nero and Dash with the Parrot Lory, 1838
Royal Collection Trust © His Majesty King Charles III, 2022

 

In der Ausstellung wird die Liebe der Briten zu Hunden bis zu Königin Victoria zurückverfolgt, die ihre Spaniels so sehr liebte, dass sie als Amateurin selbst Bleistift- und Aquarellskizzen anfertigte und regelmäßig Gemälde von ihnen und den Hunden ihrer engsten Freunde in Auftrag gab.

 

Edwin Landseer, Old Shepherds Chief Mourner, 1837
Edwin Landseer, Old Shepherds Chief Mourner, 1837

 

Die enge Bindung, die wir im Leben zu Hunden aufbauen, führt dazu, dass wir nach ihrem Tod oft überwältigende Gefühle des Verlusts empfinden. Landseer, überträgt den menschlichen Trauerprozess geschickt auf einen Collie, der zeigt, dass auch Hunde über den menschlichen Verlust trauern und über den Tod hinaus loyal sind. In der zutiefst bewegenden Szene in klarer und ausdrucksstarker Bildsprache ruht der Hund mit seinem schweren Kopf auf dem Sarg seines Herrn, so als ob er über das Leben allein nachdenken würde. Von menschlichen Trauernden verlassen, bleibt der Hund ein treuer Begleiter.

 

Rosa Bonheur, Brizo, A Shepherd's Dog, 1864 © The Trustees of The Wallace Collec
Rosa Bonheur, Brizo, A Shepherd's Dog, 1864 © The Trustees of The Wallace Collection

 

Obwohl sie vor allem für ihre Pferdebilder bekannt war, liebte Rosa Bonheur alle Arten von Tieren, einschließlich der Hunde. Es wird vermutet, dass Brizo, ein Otterhund, ihr eigener Hund war. Der Hinweis auf einen Schäferhund im Titel stammt aus dem ersten Katalog der Gemälde der Wallace Collection, der im Jahr 1900 veröffentlicht wurde.

Rosa Bonheur hat Brizos individuellen Charakter wiedergegeben: Mit sorgfältigen Details, sanfter Lichtsetzung und wachen Augen, die hinter dem zerzausten Haar hervorlugen, erschuf sie ein lebensnahes Porträt dieser aufgeweckten und zielstrebigen Hundepersönlichkeit. Brizo ist der Name einer antiken griechischen Göttin, die von den Frauen auf Delos als Beschützerin der Seeleute und Fischer verehrt wurde.

Die grobe Qualität und die schiefe Anordnung des Wortes "Brizo" über dem Hund spiegeln nicht die sorgfältige Arbeit wider, die Bonheur in ihre Gemälde gesteckt hat. Der Name "Brizo" wurde vermutlich dem Gemälde hinzugefügt, nachdem es Bonheurs Hände verlassen hatte.

 

David Hockney, Dog Painting 41, 1995 © David Hockney. Photo Credit Richard Schmi
David Hockney, Dog Painting 41, 1995 © David Hockney.
Photo Credit Richard Schmidt Collection The David Hockney Foundation

 

Mehrere Gemälde zeigen David Hockneys Dackel Stanley und Boodgie, die er 1987 adoptierte. Sie sind ein rührendes und eindrucksvolles Zeugnis für die Rolle, die die Hunde in seinem Leben spielten: 1995 präsentierte er eine Serie von fünfundvierzig Ölgemälden seiner pelzigen Gefährten! Indem Hockney die beiden Hunde schlafend oder auf ihrem farbenfrohen Kissen sitzend darstellt, schafft er ein starkes Gefühl von Intimität und Unmittelbarkeit. Obwohl der Dackel ruhig sitzt, habe ich doch den Eindruck, er horcht gespannt und schielt wachsam herüber, bereit für ein neues Abenteuer!

Die Ausstellung wird von einem 155-seitigen, reich illustrierten Katalog begleitet: Faithful and Fearless: Portraits of Dogs, ISBN 978-1913875015

Quellen: The Wallace Collection, artuk

 

Ausstellung, Malerei, Skulptur, Zeichnung
16. Mai 2023 - 11:26

Wolf, 2016 © Irmela Maier

 

Mir ist die Auseinandersetzung mit dem lebenden Modell wichtig. Immer wieder, wenn ich ein Tier, einen Menschen zeichne, beobachte, gibt es einen Augenblick, der bleibt und wichtig ist. Wenn ich Glück habe, kann ich etwas davon festhalten (Irmela Maier zit. n. Dr. Sabine Heilig hier).

 

Diese Auseinandersetzung mit den Tieren findet in Tiergärten statt. Irmela Maier beobachtet deren Verhalten, Eigenarten, Blicke und Gebärden, studiert die Physiognomie und Anatomie, hält die Eindrücke ihrer Anschauung in Zeichnungen und Fotografien fest.

Affen, Elefanten, Wölfe sind ihre bevorzugten Modelle, weil sie mit dem Menschen in ihrem Sozialverhalten vergleichbar sind. Ihre Betrachtungen ergänzt sie um das Wissen aus Büchern und Abhandlungen. Sie will mehr über das Wesen der Tierarten erfahren, denen sie sich künstlerisch nähert und nicht auf die Auseinandersetzung mit deren Äußerlichkeit beschränkt bleiben.

Erst dann wendet sie sich dem plastischen Schaffen zu. Die kleineren Figuren führt die Künstlerin ganz in Ton aus. Für die annähernd lebensgroßen Darstellungen sind Kopf, Hände und Füße in Ton modelliert. Ihr Körper entsteht mit Maschendraht um ein Gerüst, gefüllt mit Fundstücken und Abfall (Kronkorken, Medikamentenbehälter, Kupferdrähte, Kunststoffe), die ihr als Recyclingmaterialien dienen. Der Körper ist z.B. umhüllt von einem Fell aus Drahtspänen.

 

Wolf, 2016 © Irmela Maier

 

Während die Künstlerin in der Modellierung von Gesicht, Händen und Füßen ganz in der Tradition des Porträts und des physiognomischen Ausdrucks arbeitet, sind in den Formen und Materialien des Körpers Anklänge an arte povera und trash art als künstlerischem Kontext zu erkennen. Ein Verweis auf die Vermüllung der Welt, die auch das Leben der Tiere beeinflusst?

 

Ausstellung Wald.Wolf.Wildnis © Irmela Maier, Foto Irmela Maier

Ausstellungsansicht Hin und weg - Vier aus Ettlingen, Foto Tillema Kees

Ausstellungsansicht Wald.Wolf.Wildnis, Neue Galerei im Haus Beda, Foto UB-S

 

Der Wolf zog die Künstlerin schon zu Beginn ihrer Tätigkeit als bildnerisches Motiv an. Ihm werden in unserer Gesellschaft ambivalente Gefühle entgegengebracht. Irmela Maier stellt ihn als emotionales, kommunikatives und soziales Wesen dar und stellt ihn auf fahrbare Unterbauten, um zu zeigen, dass er von uns Menschen je nach Bedarf hin- und hergeschoben wird.

 

Ausstellungsansicht Hin und weg - Vier aus Ettlingen, Foto Tillema Kees

Ausstellungsansicht Hin und weg - Vier aus Ettlingen, Foto Tillema Kees

Ausstellungsansicht Hin und weg - Vier aus Ettlingen, Foto Tillema Kees

 

In der Installation "Spur" begleiten wir einen Wolf, dessen Spur aus Spiegelscherben gelegt ist. Je nach der eingenommenen Perspektive sehen wir in der einen oder anderen Scherbe einen kleinen Ausschnitt seines Spiegelbildes oder des Ausstellungsraums. Wir gehen ein Stück mit in der Spur auf die Pirsch nach dem, was der Wolf eigentlich ist oder sein könnte, was sich immer nur in fragmentarischen Reflexionen, in der Geschichte, in Naturbeobachtungen, in Mythen, Märchen und Legenden als gelegte Spuren mit der Zeit findet (vgl. Eröffnungsvortrag Werner Meyer).

 

Ausstellungsansicht Wald.Wolf.Wildnis, Kunststation Kleinsassen, 2022

 

Die tierliche Schönheit und die Ästhetik des Ausdrucks bleiben immer wichtiger Teil von Irmela Maiers Gesamtaussage, wenngleich in jeder Figur durchaus Melancholie und Schmerz über ein verloren gegangenes Paradies mitschwingen (vgl. Dr. Sabine Heilig hier).

Irmela Maiers genaue Beobachtung impliziert eine Empathie und offene Hinwendung zum tierischen Individuum sowie ein aufmerksames, liebevolles und staunendes Nachdenken über das andere, fremde und doch verwandte Dasein und Körperbewusstsein. (vgl .Dr. Kirsten Claudia Voigt hier)

Irmela Maier (*1956 in Bad Waldsee/D) studierte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Es folgten Studienaufenthalte an der Académie des Beaux-Arts in Paris und dem Central Saint Martins College of Art and Design in London. Seit 1988 ist sie Mitglied der Ateliergemeinschaft Wilhelmshöhe Ettlingen.

Bis zum 18. Juni 2023 ist ihre Arbeit im Museum Abtei Liesborn im Zuge der Ausstellung Wald.Wolf.Wildnis zu sehen.

Quellen: Kunstverein Wilhelmshöhe, Eröffnungsvortrag Kunstverein Wilhelmshöhe, Galerie in der Lände - Vier aus Ettlingen

alle Bilder © Irmela Maier

 

Ausstellung, Installation, Skulptur
5. September 2022 - 10:15

Der kleine Hund gehört bald mir!

 

Miniature Sculpture -  Snow Edition II © Maisa Majakka

 

Er ist ein Unikat aus einer Serie von Miniaturen, die die finnische Künstlerin Maisa Majakka für die Galerie Snow in Berlin angefertigt hat. So winzig sind die Hunde, und trotzdem spürt man den gestalterischen Aufwand, die zahlreichen Glasuren und Brennvorgänge an jedem der kleinen Hundekörper (Maisa Majakka hat auch Katzen und Luchse in ihrem Repertoire).

 

Miniature Sculpture -  Snow Edition II © Maisa Majakka

Miniature Sculpture -  Snow Edition II © Maisa Majakka

Miniature Sculpture -  Snow Edition II © Maisa Majakka

Miniature Sculpture -  Snow Edition II © Maisa Majakka

Miniature Sculpture -  Snow Edition II © Maisa Majakka

Miniature Sculpture -  Snow Edition II © Maisa Majakka

 

Stiller Glanz (schon wieder) kennzeichnet die leisen sensiblen Miniaturen. Sorgfalt, Präzision, ernsthafte jahrelange Auseinandersetzung mit ihrem geliebten Material sind jedem kleinen Tier eigen. Subtile Farbgebung - schauen Sie wie zart das Auge "meines" Hundes verläuft, sein goldenes Ohr - und Anleihe an einzelnen Rassen lassen ein ganzes, wunderbar lebendiges Hundeuniversum entstehen.

Die Einzelstücke werden modelliert, gebrannt und von Hand bemalt. Welch ein Unterschied zu keramischer Massenware!

 

Miniature Sculpture - Snow Edition 1 © Maisa Majakka

Miniature Sculpture - Snow Edition 1 © Maisa Majakka

 

Ein kleines Tier kann in einem Blumentopf, in einem Puppenhaus oder auf der Fensterbank leben. Es kann das Zimmer von einem Regal aus beobachten, als Maskottchen auf dem Schreibtisch dienen oder sich in eine Sammlung von Dekorationsartikeln einfügen. Ein kleines Tier ist am schönsten, wenn es von einem anderen kleinen Tier begleitet wird, schlägt die Künstlerin hier vor. (übersetzt mit DeepL)

 

Das gefällt mir, die kleinen Objekte wertzuschätzen und sie liebevoll im Zuhause zu verorten - ganz ohne Animalismus.

Vom 2. bis zum 29. September 2022 präsentiert nun die Galerie Snow mit "After party" die erste Einzelausstellung der finnischen Keramikerin in Deutschland. Sie ist bekannt für ihre ausdrucksstarken figurativen Steingutskulpturen, die von persönlichen Erfahrungen inspiriert sind. Ihre Geschichten werden in Form von Skulpturen, Wandfliesen und Installationen erzählt.

 

Doggy, 2021 © Maisa Majakka

Doggy, Detail, 2021 © Maisa Majakka

Doggy, Detail, 2021 © Maisa Majakka

 

Maisa Majakka stellt also kleine Keramikfiguren von Menschen in verschiedenen alltäglichen Situationen her. Dabei verhandelt sie die Themen Menschsein, Identität, Verbindung und Nähe, Verlust und Liebe. In letzter Zeit hat sie sich insbesondere mit Freundschaften und den Erfahrungen des Müßiggangs im Leben junger Erwachsener beschäftigt.

Ihre Keramikskulpturen beruhen auf Erlebnissen, auf Dingen, die sie gesehen und getan hat, auf menschlichen Begegnungen. Aber auch in ihren Träumen, Tagebüchern und Fotografien sucht sie das Atmosphärische für neue Arbeiten.

Die Werke frieren einen Lebensmoment ein, in den jeder so viel oder so wenig hineinlesen kann, wie er will, ja sie laden förmlich dazu ein, auch unsere Erinnerungen zu wecken, eine Geschichte um sie herum zu konstruieren, in der man vielleicht sogar etwas aus dem eigenen Leben und seinen Träumen wiedererkennt.

 

Juggle, 2021 © Maisa Majakka

Juggle, 2021 © Maisa Majakka

Juggle, 2021 © Maisa Majakka

You Don't Always Have to be a Good Dog, 2021 © Maisa Majakka

You Don't Always Have to be a Good Dog, Detail, 2021 © Maisa Majakka

 

Die Vorliebe der Künstlerin für das keramische Medium entspringt ihrem Respekt für dessen altehrwürdige Traditionen sowie ihrer Liebe zu dessen Unmittelbarkeit, Formbarkeit und großer ästhetischer Bandbreite.

Schon als Kind hat es sie gereizt, Tiere im Ofen aus Polymermasse herzustellen. Aufgrund einer Krankheit nahm sie als Jugendliche an einem Rehabilitationsprogramm teil, wo sie mit Ton arbeiten und erste Grundlagen erlernen konnte. Während ihrer anschließenden Kunstschulzeit hat sie mit Bronze, Beton, Gips, Holz-und Steinbearbeitung sowie 3D-Drucken experimentiert, ist aber immer wieder zur Keramik zurückgekehrt. Danach studierte sie an der Akademie der Bildenden Künste, die Beschäftigung mit Keramik wurde zum Lebensinhalt. Endlich konnte sie so viele Keramikarbeiten machen, wie sie wollte.

 

Big Dog, 2019 © Maisa Majakka

 

In mehreren Interviews spürt man ihre Leidenschaft, wenn sie über das Material und ihren Arbeitsprozess spricht: Keramik sei das perfekte Material, da es langlebig und praktisch unveränderlich ist.

 

Das Beste an der Keramik ist jedoch ihre Formbarkeit: die Verarbeitbarkeit des Tons und die unendlichen Kombinationsmöglichkeiten der Oberflächengestaltung. Der Ton beugt sich meinem Ausdruck mit einer Bereitschaft und Einfachheit, die meiner Hand absolut treu ist. Es erfordert keine Kraft, nur Geduld und Verständnis für die Materie. Lehm kann jede Form annehmen, in jeder Größe. (zit.n. Emma)

 

Dog Moon Rising, 2021 © Maisa Majakka

 

Maisa Majakka variiert die Oberflächenstrukturen und plant verschiedene Kombinationen: etwas Glänzendes, etwas Mattes, die natürliche Farbe des Tons, verschiedene Schlieren, Gold. Sie arbeitet meistens mit bloßen Händen, aber auch mit Messern und Nägeln, wenn sie in die Oberfläche kratzt. Das mehrmalige Brennen der glasierten dünnwandigen Skulpturen folgt zwar chemischen Gesetzen, birgt aber auch eine Chance auf positive und negative Überraschungen. Deshalb besteht für die Künstlerin die einzige Schwierigkeit darin, die ständige Spannung zu ertragen, wie etwas aus dem Ofen kommt.

 

A Sign, 2018 © Maisa Majakka

 

Maisa Majakka (*1989) hat ihren Master of Fine Arts an der Akademie der Bildenden Künste gemacht und lebt mit ihrer vierköpfigen Familie und dem rumänischen Hund Manta in Käpylä, Helsinki.

Quellen: Museum Emma, Marcy, Galerie Snow

alle Bilder © Maisa Majakka

 

Ausstellung, Skulptur
3. März 2022 - 11:24

Die in der Schweiz ansässige Künstlerin Jill Wäber nimmt sich der Beziehung zwischen Mensch und Hund an und bearbeitet das Thema in unterschiedlichen zeichnerischen Techniken und Formaten. Das Ergebnis ihrer intensiven Auseinandersetzung ist im Künstlerhaus S11 an der Schmiedengasse in Solothurn/Schweiz bis zum 5. März 2022 zu sehen.

 

© Jill Wäber

© Jill Wäber

© Jill Wäber

 

Auf den zweiten Blick erkennt man, dass sich neben den Hundeköpfen keine Pfoten, sondern menschliche Hände in verschiedenen Gesten befinden. Sind es nun anthropomorphe Pfoten der Hunde oder sind es menschliche Hände, die den Hunden zur Seite gestellt werden?  In der Tat ein "rätselhafter Moment des Zusammenkommens" (vgl. Vernissagerede von Martin Rohde).

 

© Jill Wäber

© Jill Wäber

© Jill Wäber

 

Zwölf kleinformatige Ölpastell-Zeichnungen drücken das Zusammenspiel von Mensch und Hund aus: Unterschiedliche Hunderassen in unterschiedlichen Bewegungen sind nur als Umriss mit Gesicht präsentiert, die Menschen sind farbenfroh als liegende, umfassende und beschützende Schatten wiedergegeben. Offensichtliche enge Zuneigung wird als Umarmung dargestellt,  Beziehungen werden ausgelotet. Dabei zeigt sich eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen Tier und Mensch aber auch eine gewisse Balance.

 

Porträt © Jill Wäber, Foto Hanswerner Bärtschi

Porträt © Jill Wäber

Porträt © Jill Wäber

 

Für die Ausstellung hat die Künstlerin auch ältere Monotypien mit Kreide überarbeitet. Eine Spurensuche für die Betrachtenden, die aus dem Liniengewirr - sie verdichten sich im Innern und verlaufen zu den Rändern - die Form des Hundes erst herauslösen müssen (vgl. ebd.). Auch wenn diese  Porträts nicht mit Ähnlichkeit arbeiten, versucht die Künstlerin Wesenszüge und Bewegung herauszuarbeiten.

 

© Jill Wäber

 

Der maskierte Hund auf rotem Untergrund trägt menschliche Züge. Die charmante Künstlerin präsentiert sich maskenlos.

 

Jill Wäber, Foto Hanspeter Bärtschi

 

Ein Stückchen gezeichnetes Fell!

 

© Jill Wäber, Foto Hanswerner Bärtschi

 

Jill Wäber (*1945 in Schottland) absolvierte von 1963–1967 die Glasgow School of Art. Ende der1960er Jahre hielt sie sich längere Zeit in der Elfenbeinküste und den USA auf. 2004 erhielt sie den sechsmonatigen Gastaufenthalt im Künstleratelier des Kunstvereins Olten in Genua. 2009 und 2011 folgten mehrmonatige Aufenthalte in Jiuquan, China. 1990 erhielt die Künstlerin den Werkjahrbeitrag des Kanton Solothurns und im Jahr 2000 den Preis des Kantons Solothurn für Malerei. In Solothurn, im Kanton und in der größeren Region war sie immer wieder mit Einzel- und Gruppenausstellungen präsent. Jill Wäber lebt und arbeitet in Basel.

Fotoquellen: S11, Solothurner Zeitung

 

Ausstellung, Zeichnung
25. Februar 2022 - 11:44

Sleeping Child with Dog in a Landscape, 2021 © Sula Rubens
Sleeping Child with Dog in a Landscape, 2021, Wilderness and Civilization
(Homage to "Satyr mourning a Nymph" by Piero di Cosimo in the National Gallery, London

 

Ein Flüchtlingskind schläft an einem Seeufer, hält sein Stofftier schützend im Arm und ist von ornamentalen Tüchern bedeckt. Für die Künstlerin ist ein schlafendes Kind in der Natur unter freiem Himmel gleichbedeutend mit Wildnis. Erst durch die wärmende Decke und den treuen wachenden Hund entsteht Zivilisation. (vgl. Homepage der Künstlerin)

Das Gemälde gehört thematisch zu einer Serie mit dem Arbeitstitel "Kin" (Kinship = Verwandtschaft), an dem Sula Rubens seit fünf Jahren arbeitet. Sie handelt von der aktuellen Vertreibung vieler Menschen und der Traurigkeit, von seinem eigenen Land, seiner früheren Sicherheit und seiner Zivilisation entfernt zu sein. Obwohl es in den Arbeiten keinen direkten Bezug zur Vertreibung und zum Leid der Flüchtlinge gibt, sind einige der porträtierten Menschen Vertriebene, die um ihr Überleben und den Schutz ihrer Verwandten kämpfen. Sie porträtiert sie im Freien, verletzlich gegenüber dem Meer und dem Himmel und manchmal mit Bergen in der Ferne, die ein Gefühl für die fernen Länder vermitteln, aus denen sie gekommen sein könnten. (vgl. Chappel Galleries)

Inspiriert wurde sie von Piero di Cosimos Bild: "A Satyr mourning over a Nymph" von 1495.

 

Piero di Cosimo, A Satyr mourning over a Nymph, 1495, Nationalgalerie London
Piero di Cosimo, A Satyr mourning over a Nymph, 1495, Nationalgalerie London

 

Eine Nymphe - ein mythologischer Naturgeist, den man sich als junge Frau vorstellt - liegt auf einer Grasfläche im Vordergrund, das Blut strömt aus Wunden an Hals und Hand. Ein Satyr, halb Mensch und halb Ziege, kniet neben ihr, streichelt ihr zärtlich über die Stirn und beklagt ihren Tod. Zu ihren Füßen sitzt ein großer Hund, der formal und gegengleich die gebeugte Gestalt des Satyrs aufnimmt und ebenfalls zu trauern scheint, denn er blickt aufmerksam auf das tote Mädchen. Er ist dem mythischen Protagonisten als eigenständige und wichtige Figur gleichgestellt. Sein Anblick rührt zutiefst. Cosimos elegisches Gemälde ist eine ins Visuelle übersetzte Nänie, eine Totenklage.

Das Gemälde stellt vermutlich eine Episode aus den "Metamorphosen" des Ovid dar. In diesem Fall wäre die schöne Nymphe Procris, die versehentlich von ihrem Mann Cephalus getötet wurde. In einer Bearbeitung der Metamorphosen aus dem fünfzehnten Jahrhundert - dem um 1480 geschriebenen Theaterstück Fabula di Cephalo - wurde der Satyr hinzugefügt, der bei Ovid nicht erwähnt wird. Möglicherweise hat Piero di Cosimo dieses Stück als Quelle verwendet und nicht Ovids Original.

Die Abmessungen des Gemäldes lassen vermuten, dass es Teil eines Möbelstücks oder in eine Holzvertäfelung eingefügt war. Piero di Cosimo spezialisierte sich auf die Herstellung solcher Gemälde, die als Spalliere bekannt sind.

 

 

Sula Rubens in ihrem Atelier

 

Sula Rubens hat 1989 die Central/St. Martin's School of Art abgeschlossen und ist seither als Malerin und Grafikerin tätig. Sie hat in zahlreichen Städten gelebt, gearbeitet und ausgestellt und viele Gegenden bereist. Sie wurde vielfach ausgezeichnet und ihr Werk ist in Sammlungen im In- und Ausland vertreten.

Bis zum 27. Februar 2022 ist ihre Ausstellung "Kinship" in den Chappel Galleries, in Chappel/Essex/UK zu sehen.

Der Tipp zu diesem Blogbeitrag kam von Bettina Reiter, einer langjährigen Leserin meines Blogs. Vielen Dank dafür!

 

21. Februar 2022 - 11:12

Erst vor wenigen Wochen habe ich Ihnen den ghanaischen Künstler Hamid Nii Nortey vorgestellt. Der Zufall will es, dass am 14. Februar 2022 in der Wiener Galerie Kandlhofer seine erste europäische Einzelausstellung "Faith in Strangers" gezeigt wird.

Im ersten Post über Nortey ging es um die beträchtlichen Veränderungen in Accra, der Hauptstadt von Ghana, und um Norteys Darstellung der oberen Mittelschicht in ihren urbanen Häusern, Interieurs und Gärten.

Sein neuestes Werk befasst sich mit den vielfältigen sozio-politischen Verwicklungen der Migration, die von historischen Bezügen über Auswanderung bis hin zu politischer Verfolgung reichen.

Die Ausstellung "Faith in Strangers" ist in zwei Abschnitte gegliedert, wobei sich der erste auf historische und zeitgenössische Aspekte der afrikanischen und afroamerikanischen Migration konzentriert. So beschreibt die Great Migration die Bewegung von sechs Millionen Afroamerikanern aus den ländlichen Gebieten der Südstaaten in die städtischen Gebiete der Nordstaaten zwischen 1916 und 1970. Die Flüchtenden wollten der rassistischen Gewalt entkommen und wirtschaftliche und bildungsbezogene Chancen im Norden wahrnehmen. Der Hund kam natürlich mit!

 

The Great Migration 1, 2021 © Hamid Nii Nortey, Foto Galerie Kandlhofer

The Great Migration 2, 2021 © Hamid Nii Nortey, Foto Galerie Kandlhofer

 

Der zweite Abschnitt konzentriert sich auf die Gegenüberstellung von erzwungener Migration und Freizeitreisen, um die erheblichen Unterschiede zwischen der westlichen Wahrnehmung und der afrikanischen Realität aufzuzeigen.  (vgl. Pressetext der Galerie Kandlhofer)

Die Ausstellung in der Galerie Kandlhofer ist noch bis zum 19. März 2022 zu sehen.

Bilder © Hamid Nii Nortey, Fotos Galerie Kandlhofer

 

Ausstellung, Malerei
6. Januar 2022 - 11:14

His Master's Virus, 30x50cm, 2021 © Chantalle Demierre

 

Kommt Ihnen das Bild auch surreal vor ? Was kann es bedeuten? Die Hunde stehen wie vor einer Kulisse oder einem Bühnenbild; einer der beiden steckt seine Schnauze in eine Art schwebenden Doppeltrichter!

Unten kommen schon realere Versuche: Tierversuche?

 

His Master's Virus, 30x50cm, 2021 © Chantalle Demierre

Coronadog, 75x90cm, 2020 © Chantalle Demierre

His Master's Virus, 30x50cm, 2021 © Chantalle Demierre

 

Ausnützung des Spieltriebs! Coronaspürhunde stecken ihre Schnauzen in Trichter, in denen sich Stoffstückchen mit dem Schweiß der Testpersonen befindet. Zuvor wurden sie darauf trainiert, Corona anhand des menschlichen Geruchs festzustellen.

 

Trainiert werden die Hunde ähnlich wie für die Suche nach Drogen oder Vermissten: Man präsentiert ihnen zuerst den Geruch, den sie sich merken sollen. Später sollen sie ihn wiedererkennen. Gelingt das, werden sie belohnt. Im Falle der Virensuche laufen sie an einer Apparatur mit negativen und positiven Proben entlang und schnüffeln sie nacheinander ab. Sobald sie den gesuchten Duft identifizieren, setzen sie sich hin. Bei einem Treffer gibt es eine Belohnung.
(zit. n. ZEITonline, Seite 1)

 

Die Trainingsapparatur hat die Künstlerin in kalten Farben und sehr steril und artifiziell anmutend widergegeben. Vorlagen dazu fand sie in analogen und digitalen Medien und auf YouTube.

 

Trackingdog, 130x165cm, 2020 © Chantalle Demierre

 

Das Interesse der Künstlerin an Hunden und Wölfen hält seit vielen Jahren unverändert an, wenngleich sie auch vermutet, dass sie als Künstlerin weniger ernst genommen wird, weil sie sowohl gegenständlich als auch Tiere malt.

Da Chantale Demierre zurzeit ohne eigenen Hund lebt, borgt sie sich manchmal den braunweißen Mischling eines Freundes aus, der früher als mazedonischer Straßenhund lebte. "Arbeitslos" schläft er eingerollt.

 

Schlafender Hund, 40x40cm, 2020 © Chantalle Demierre

 

Die Bieler Künstlerin nimmt zurzeit an der "Cantonale Berne Jura" (2021/22) teil, einem Zusammenschluss von zehn Ausstellungsinstitutionen, die das Kunstschaffen der Kantone Bern und Jura in einer gemeinsamen Jahresausstellung  präsentieren. Ihre Arbeiten sind im Kunsthaus Interlaken und in der Kunsthalle Bern zu sehen.

Chantale Demierre (*1982 in Biel/Schweiz) hat von 2003-2006 an der Hochschule der Künste Bern Kunst studiert und 2013-2015 ihren Master an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel gemacht. Sie lebt und arbeitet in Nidau.

Quellen zu den Coronaspürhunden: FAZ, ZEITonline, Deutsche Apotheker Zeitung

alle Bilder © Chantale Demierre

 

Ausstellung, Malerei