20. November 2023 - 10:59

Self Portrait with Louise © Sabrina Bockler

 

Sehen Sie die kleine geschälte Orange? Ein Vanitas-Motiv, wie es auch in den niederländischen Stillleben des Goldenen Zeitalters vorkommt. Dieses kleine Detail zeigt wohin die künstlerische Reise geht! Die amerikanische Malerin Sabrina Bockler ersetzt in ihren aktuellen Arbeiten die menschliche Figur durch Blumen, Lebensmittel und Rassehunde.

Zurzeit sind ihre sorgfältig ausgearbeiteten stilisierten Gemälde mit illustrativem Charakter von der Stilllebenmalerei inspiriert. Sie bezieht sich auf KünstlerInnen des 17. Jahrhunderts wie Balthasar van der Ast und Rachel Ruysch und ist von Malern der Neuen Sachlichkeit wie Franz Sedlacek, Christian Schad und der Fotografin Aenne Biermann beeinflusst. Dabei liegt ihr Interesse in der Spannung zwischen dem Traditionellen, den traditionellen Tropen, und dem Unheimlichen, Surrealen. Dieser Ansatz fordert die Betrachtenden dazu auf über die traditionelle Ästhetik hinauszudenken und sich in dem Chaos innerhalb eines dekorativen Stilllebens zu verlieren. Bockler erschafft demzufolge dekadente Szenen des Überflusses, die zum genauen Hinsehen einladen. Doch es ist nicht alles so, wie es auf den ersten Blick erscheint!

Während die niederländischen Stillleben des Goldenen Zeitalters lediglich reiche und aufwändige Tischdekorationen zeigen, die mit einer Fülle von Gegenständen wie Blumen, teuren Gläsern, Silberbesteck, tropischen Früchten, Muscheln und sogar lebenden Tieren wie Affen oder Papageien ausstaffiert waren, stört Bockler die Opulenz. Ihre Haustiere treiben Unfug und zerstören die Dekorationen: die Krustentiertürme, die perfekt geschnittene Melone und die Blumensträuße, die aus ihren Vasen fallen.

 

A La Carte, 2023 © Sabrina Bockler

 

In "A la Carte" erzählt die Künstlerin von Sinnlichkeit, Begehren, Weiblichkeit und Fruchtbarkeit, dargestellt durch aphrodisierende Lebensmittel wie Granatäpfel, Feigen, Trauben und Austern. Der Hummer, rot und auffällig, war das Symbol der Surrealisten für Erotik und sexuelle Ausschweifung. Er liegt neben dem Pfau, dessen leuchtende Farben und komplizierte Muster mit Stolz, Luxus und Raffinesse in Verbindung gebracht werden und der seinerseits zu dem Hund schaut, dessen Körper bescheiden ins Bild ragt.

 

Venus and Mars, 2021 © Sabrina Bockler

Decadence and Disaster, 2023 © Sabrina Bockler

 

Titelgemäß geht es in "Decadence and Disaster" schon wilder zu! Zwei kleine Papillons mit langem, seidigem Haar haben den eleganten Tisch bereits erobert und Unheil angerichtet. Die Erdbeerschale wurde umgestoßen, Blumen aus dem Bouquet gerissen, ein Cremetortenstück zerquetscht. Während einer noch im Obstkorb herumstochert, hat der andere bereits einen Fisch im Maul.

 

Table Manners, 2022 © Sabrina Bockler

 

An Tischmanieren mangelt es in "Table Manners" nicht nur, die ganze Tischlandschaft ist vielmehr aus den Fugen geraten: Kräftige Kiefer packen den Schinken, die Krabbe wird heruntergerissen!

 

Old Fruit, 2022 © Sabrina Bockler

Garland Of Flowers With Greyhounds, 2023 © Sabrina Bockler

The Voyeur, 2021 © Sabrina Bockler

 

"Garland Of Flowers With Greyhounds" und "The Voyeur" sind nicht nur Hommagen an die Rokokokünstlerin Rachel Ruysch, deren Werke für ihre exquisite Schönheit und Präzision bekannt waren, sondern es zeigt auch Bocklers humoristischen Sinn: Sie baut Rassehunde in die Mitte des Blütenkranzes.

 

Intrusive Thoughts, 2023 © Sabrina Bockler

 

Ein Papillon in "Intrusive Thoughts" sieht uns teilnahmslos an, während er auf eine Blumenvase uriniert. Die Komposition ist in einer häuslichen Umgebung angesiedelt. Das Markieren kann als ein dreister und rücksichtsloser Akt der Behauptung von Privilegien gelesen werden.

 

Eclipse, 2023 © Sabrina Bockler

Borzois In Moonlight, 2023 © Sabrina Bockler

Hounds, 2023 © Sabrina Bockler

 

Auch die "Hounds" - königliche Windhunde - sind von häuslicher, privilegierter Opulenz umgeben. Ihr Prunk, ihre Eleganz und Anmut haben beinahe etwas Unnatürliches an sich. Gezüchtet um bestimmte ästhetische Standards zu erfüllen, wirken sie wie Dekorationsobjekte für die Wohnung.

Bocklers detailreiche Acrylbilder bestechen durch versierte Eleganz und Stilsicherheit. Sie imitiert, übertreibt, überspitzt, karikiert die traditionelle Stilllebenmalerei,  wodurch ihre Arrangements und Kompositionen etwas Beunruhigendes, Groteskes erhalten.

 

ein Hund der Künstlerin © Sabrina Bockler

 

Sabrina Bockler lebt mit ihrem Partner Kevin und ihren Hunden Louise und Rae. Oft verbringen sie Zeit mit ihr im Atelier.

Noch bis zum 2. Dezember 2023 stellt die Künstlerin in der Galerie Duran/Mashaal in Montreal aus.

Sabrina Bockler (1987) ist eine amerikanische Künstlerin, die in Brooklyn, New York, lebt und arbeitet. Im Jahr 2011 erwarb Bockler einen Bachelor-Abschluss in Fine Arts an der Parsons New School of Design.

Quellen: Galerie Duran/Mashaal, Galerie Beers London, Galerie Hashimoto Contemporary, Colossal, Art of Choice

alle Bilder © Sabrina Bockler

 

Ausstellung, Malerei

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