"Wer sich auf die Bilder von Levke Leiß einlässt, beginnt einen inneren Monolog, an dessen Ende er stets klüger ist als vorher", lese ich auf artnow.
Levke Leiß präsentiert in ihren Arbeiten auf den ersten Blick unspektakuläre Situationen, die mit kleinen inhaltlichen Eingriffen surrealistisch reflektiert werden. Sie fügt Menschen, Landschaften, Objekte und Tiere zu Bildwelten zusammen, denen eine Störung innewohnt. Erwartungen werden nicht eingelöst, da die Wirklichkeit, die sie darstellt, surreal aufgebrochen wird. Die BetrachterInnen sind aufgefordert, diese Bruchstellen zu suchen und zu hinterfragen.
Ich begebe mich also auf die Suche und sehe mir Levke Leiß‘ Buntstiftzeichnung "Eden" näher an: Ich erkenne eine Wüstenlandschaft mit charakteristischen Erhöhungen. Es ist nicht schwierig, die Landschaft als das Monument Valley mit seinen gewaltigen Felsen - roten vereinzelt aufragenden Tafel- und Restbergen - von einer leeren Wüste umgeben, zu identifizieren. Es ist ein für die Navajo Nation heiliger Ort und befindet sich im nördlichen Teil des großen Reservats in der Four Corners Area, wo vier Bundesstaaten - Utah, Colorado, Arizona und New Mexico - aufeinandertreffen.
Im Vordergrund auf einem Plateau steht ein Mops, der stirnrunzelnd nach oben blickt: die erste Irritation. Würden wir nicht eher einen Coyoten in dieser kargen Umgebung, in dieser Urlandschaft, in dieser präzivilisierten Welt, in diesem "Eden" vermuten? Gibt es einen größeren Gegensatz zur Natur ohne menschliche Eingriffe als den hochgezüchteten Mops?
Die zweite Irritation: Der Mops erblickt einen Pfeil, der ihn zu treffen droht. Ein genauerer Blick zeigt, er würde kurz vor seinen Zehen in den Boden eindringen. Doch woher kommt der Pfeil, da wir doch keinen Schützen sehen? Aus dem Nichts, den unendlichen Weiten?
Die Zeichnung gibt es auch als Offsetedition nach Buntstiftzeichnung, dann allerdings unter dem Titel "Mopswestern". Hätte dieser Titel andere Assoziationen ausgelöst?
Die unendliche Weite und Tiefe wird durch das Weiß des Papiers erzeugt, das für Levke Leiß eine wichtige Rolle spielt. (vgl. Levke Leiß)
Foto © Dearwork
Die hyperrealistischen, perfekt ausgeführten Zeichnungen entstehen mit Buntstift auf Papier. Dabei nutzt die Künstlerin die verschiedenen Farbstrukturen der Buntstifte, deren teils milchige, teils diaphane Qualitäten und entwickelt eine Technik, die die klassisch altmeisterliche Lasurmalerei in die Buntstiftzeichnung übersetzt. Präzision, Klarheit, Detailschärfe, aber auch Samtigkeit entstehen durch das zeitaufwändige Übereinanderlagern vieler Bunststiftschichten.
Beim Aufbau ihrer Bilder "spielen Gesetze eine große Rolle: Komposition, Gleichgewicht, Spannung, goldener Schnitt, Verhältnis von Hell- und Dunkel, Kontrast, Formfolge. Diese Aufgaben laufen alle parallel mit dem Ziel ein geschlossenes Konstrukt zu ergeben. Auf der kompositorischen Ebene ist es eine mathematische Aufgabe, insbesondere das Verhältnis von Strukturen und Oberflächen". (vgl. Interview auf Dearwork)
Levke Leiß (*1982 in Flensburg/D) studierte von 2002 bis 2007 Malerei und Grafik an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden. Sie erhielt ein Erasmusstipendium an der Académie Royale des Beaux-Arts de Bruxelles und ein Stipendium der Uhrenmanufaktur NOMOS in Glashütte/ Sachsen und gründete noch während des Studiums mit Karla Helene Hecker eine Werkstatt für ihre gemeinsame Malerei - Lecker & Heiss, ein Projekt, das bis heute fortgeführt wird. Nach dem Diplom schloss sie von 2007 bis 2010 ein Meisterschülerstudium an. Sowohl ihre Buntstiftzeichnungen als auch die gemeinsamen Bilder mit Karla Helene Hecker waren bereits in zahlreichen Ausstellungen in Berlin, Dresden, Chemnitz, Potsdam, Karlsruhe und Miami vertreten. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Berlin.
Homepage der Künstlerin: hier und hier
"Eden" © Levke Leiß