März 2012

30. März 2012 - 13:37

Albrecht Tübke, Serie Dalliendorf

 

Ein Gruppenfoto bildet die Ausnahme im Werk des Deutschen Albrecht Tübke, der der jüngeren Generation der künstlerischen Fotografen angehört. Der dokumentarische Porträtfotograf kehrte für die Fotoserie "Dalliendorf" von 2000 in sein Heimatdorf zurück.

Während des letzten Jahrzehnts fotografierte Tübke mehrere Porträtserien: Einerseits in ländlicher Umgebung wie in Dalliendorf oder im toskanischen Pulica, andererseits im urbanen Bereich (Citiziens, Donna).

 

Albrecht Tübke, Serie Bolgheri

Albrecht Tübke, Serie Bolgheri

Albrecht Tübke, Serie Pulica

Albrecht Tübke, Serie Pulica

 

Tübke geht es um das "Wesen" der Person, das durchaus auch künstlich sein kann. Er lenkt den Blick auf den Einzelnen mit seiner künstlerisch kreierten Oberfläche und - vor allem in den urbanen Serien - modischen Inszenierung. Die ausgewählten Passanten dürfen für die Kamera posieren und sich in eigener Kleidung in Szene setzen. Dabei kann das persönliche Styling und dessen öffentliche Präsentation die Identität verstärken oder verbergen und maskieren.

 

Albrecht Tübke, Walther Collection

 

Ich habe nur die wenigen Bilder mit Hund ausgewählt, doch auch für sie gilt der frontale Blick der Porträtierten in die Kamera. Tübke dokumentiert ohne zu werten und ohne Interesse an gesellschaftlichen Studien. Seine Art die Menschen einzufangen ist auch unabhängig von deren Alter oder Geschlecht. Gemeinsam ist allen allerdings ihre "Präsenz", mit der sie der Kamera begegnen.

 

Albrecht Tübke, Serie Citizien

Albrecht Tübke, Serie Donna

 

Die Serie Donna, die in italienischen Städten aufgenommen wurde, zeigt auch deutlich den Einfluss der Mode - und der Schönheitschirurgie - in der italienischen Gesellschaft. Wie kann man sich noch inszenieren, wie kann man seine Persönlichkeit unter den städtischen Stereotypen und den modischen Tribes der westlichen Gesellschaft herausstreichen? Der Hund wird zum modischen Accessoire, die Bekleidungsbranche für den urbanen Hund boomt.

Das letzte Bild ist auch deshalb interessant, da es uns Auskunft über das moderne Mensch-Tier-Verhältnis gibt. Nichts spricht dagegen, dass die Frau ihren kleinen Hund wirklich gerne hat und nur das Beste für ihn will. Niemals würde sie eine Jacke aus Chihuahua-Fell anziehen oder Chihuahua-Brust auf Rucola-Salatbett essen. Gleichzeitig findet sie allerdings nichts dabei, einen Pelzmantel zu tragen, für den -zig Tiere unter grausamsten Bedingungen leben und sterben mussten.

Tübkes Bild scheint mir - ohne dass er diese Aussage beabsichtigt hätte - wie die Illustration zu Melanie Joys Buch "Why We Love Dogs, Eat Pigs, and Wear Cows". Am 12. März hatte ich in Wien Gelegenheit einen Vortrag der Amerikanerin zu hören, der genau diese Problematik behandelte. Eine ihrer Präsentationen vom Februar 2012 in englischer Sprache finden Sie auch auf youtube.

alle Fotos © Albrecht Tübke

Für die Freunde der Fotografie schreibt Albrecht Tübke seit kurzem auch den Blog Albrecht Tübke-Photography.

 

27. März 2012 - 8:10

Keith Arnatt, Notes from Jo, 1990-1994, © Keith Arnett

 

Was Sie hier sehen, ist nicht die fotografierte Verschriftlichung einer Hundeschelte, was im Hund und Kunst-Blog ja durchaus vorstellbar wäre, sondern eine fotografierte und vergrößerte Notiz von Frau Arnatt.

Keith Arnatt stellte aus einer Auswahl dieser Notizen, die seine Frau an ihn geschrieben hatte, bevor sie 1996 an einer Krebserkrankung starb, eine Foto-Serie zusammen. Isoliert und ohne zeitliche und räumliche Einordnung wirken diese Notizzettel surreal; das Wissen um den Tod seiner Frau macht daraus ergreifende Erinnerungsstücke eines gemeinsamen Lebens.

In dieser Arbeit der 1990er Jahre spürt man noch den konzeptuellen Ansatz, mit dem der 1930 geborene Arnatt immer arbeitete und der es so schwierig macht, ihn in der Fotografiegeschichte einzuordnen.

Als Konzeptkünstler, dem es ja "naturgemäß" um das Konzept, die Idee geht, wollte er das Kunstwerk und konsequenterweise sich selbst 1969 zum Verschwinden bringen. Die Fotos dieser programmatischen Aktion - er gräbt sich immer mehr in die Erde ein - "Self Burial" - wurden im WDR ohne zeitgleiche Erklärung gesendet. Aus heutiger Sicht bemerkenswert ist die Rolle des Fernsehens als Vermittlungsmedium für Avantgardekunst und nicht als Teil einer Verblödungsmaschinerie.

 

Keith Arnatt, Self Burial, 1969

 

Arnatt war also anfangs ein Konzeptkünstler, der das Medium Fotografie verwendete und wandelte sich zum Fotografen, der konzeptuell dachte. Als Fotograf blieb ihm die Bekanntheit großteils verwehrt - er verkaufte wenig und arbeitet Zeit seines Lebens als Lehrer.

Arnett, der 2008 in Wales starb, arbeitete vorwiegend in Serien. Die Frage nach der Identität war eines seiner Themen, das auch "Walking the Dog" von 1976-1979 bestimmt. Womit ich endlich bei unserem gemeinsamen Interesse angelangt wäre: dem Hund und seiner Beziehung zum Menschen.

 

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, 1© The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

Keith Arnatt, Walking the Dog  1976-79, © The estate of Keith Arnatt

 

Sicher versuchten Sie auch sofort die Ähnlichkeit zwischen Hund und Halter zu erkennen. Besonders die Mundpartien finde ich oft überraschend übereinstimmend. Jeder, der seinen Hund fotografiert, weiß, wie schwer es ist, dessen Aufmerksamkeit zu erreichen und zu halten; ihn dazu zu bringen, in die Kamera zu schauen. Da das Rufen des Namens oft nicht ausreichte, hat Arnatt durch Bellen und Knurren das Interesse der Hunde erweckt Bei manchen Fotos sieht man richtig, wie sie die Ohren spitzen und den Kopf fragend und neugierig schief legen.

Arnatts Fotografien wirken witzig, charmant, berührend. Niemals machen sie sich über ihren Gegenstand lustig.

Die ganze Foto-Serie "Walking the Dog" können Sie in der Tate Collection genießen.

Mehr zu Keith Arnatt bei Galerie Maureen Paley.

alle Fotografien © Keith Arnatt Estate

 

Fotografie
24. März 2012 - 9:49

Vor ein paar Tagen war ich in der Wiener Albertina und habe mir die wunderbare und umfangreiche Ausstellung der Zeichnungen, Aquarelle und Pastelle der Impressionisten angesehen. Es sind Hunderte Arbeiten zu sehen und ich hatte nicht die Geduld, wirklich alle genau zu betrachten, aber es war eine Ausstellung ohne gezeichnete Hunde. Ein Aquarell von Berthe Morisot war dabei und da sie jetzt auch eine Retrospektive im Pariser Musée Marmottan hat, möchte ich mich ihr widmen. Sie hat und ein paar sehr moderne, über den Impressionismus hinaus weisende Bilder mit Hund gemalt.

 

Berthe Morisot, Sur l'Herbe, 1874

 

Berthe Morisot (1841-1895) war die erste Frau in der Gruppe der Impressionisten. Sie entstammte einer wohlhabenden französischen Familie und erhielt gemeinsam mit ihrer Schwester privaten Kunstunterricht, wie es für bürgerliche und adelige Töchter üblich war. Kunstakademien standen den Frauen zu dieser Zeit noch nicht offen. Erst 1897 gab die École des Beaux-Arts als erste Kunstakademie Frankreichs der großen Nachfrage von Frauen für ein Kunststudium nach. Ab 1860 begann Camille Corot die beiden Schwestern zu unterrichten.

Nach der Heirat ihrer Schwester schloss Berthe enge Freundschaft mit Édouard Manet, der sie zwischen 1868 und 1874 wiederholt porträtierte. Dass sie für ihn Modell saß, war ungewöhnlich, denn Töchter respektabler Familien ließen sich zwar von Kunstmalern porträtieren, dienten dabei aber nicht als eigentliches Modell und Sujet eines Künstlers.

Seit 1864 stellte Morison im offiziellen Salon aus. Nachdem sie auf Einladung von Degas 1874 an der ersten Impressionistenausstellung teilnahm, interessierte sie der Wettbewerb im offiziellen Salon nicht mehr. Sie gehörte nun zur Avantgarde der französischen Kunst und nahm an fast allen Ausstellungen teil.

1877 heiratete sie Eugène Manet, den Bruder Édouard Manets. Im Folgejahr wurde ihre Tochter Julie Manet geboren. 1891, im Todesjahr ihres Mannes, hatte sie ihre erste Einzelausstellung in Paris. Drei Jahre später erkrankte sie bei der Pflege ihrer Tochter und starb mit 54 Jahren.

 

Berthe Morisot, Jeune Fille et Chien

 

Berthe Morisot malte bevorzugt Familienszenen, Frauen- und Kinderporträts, Interieurs und Landschaften. Dabei trieb sie die malerischen Entwicklung voran. Zweifellos war ihr Thema die Malerei und nicht das Abbilden.

Wie eigenständig und modern ihr Werk unter den Impressionisten ist, merkt man besonders im Werk der 1890er Jahre. Bei Jeune Fille au Chien von 1892 erkennt man gut, dass Sie auch eine völlig neue Farbtransparenz und eine eigene Palette an Silber-, Weiß-, Rosa-, Blau- und Grüntöne in die Ölmalerei bringt.

 

Berthe Morisot, Jeune Fille au Chien, 1892

Berthe Morisot, Bois de Boulogne, 1893

 

Das Werk unten von 1893, Berthe Morisot hat hier ihre Tochter porträtiert, erinnert mich sehr an Edvard Munch, nicht an ein konkretes Bild, sondern an seine Darstellungen pubertierender Mädchen und Madonnen: Wallendes Haar in langen Pinselstrichen gemalt, die kurvige Linie und der Umriss kehren zurück! Die Wiederbetonung der Linie korrespondiert mit Morisots Interesse an der Zeichnung.

 

Berthe Morisot, Julie Manet et sa levrette Laerte, 1893

Berthe Morisot, Jeune Fille Tenant un Chien dans ses Bras, 1892

Berthe Morisot, Mädchen mit Windhund, 1893

 

Und sie ist auch eine Meisterin des Pastells und Aquarells.

 

Ausstellung, Malerei, Zeichnung
21. März 2012 - 9:22

"Peredwischinki - Maler des russischen Realismus" heißt eine Ausstellung, die in den Kunstsammlungen Chemnitz gezeigt wird. Die Peredwischinki wandten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrunderts gegen die traditionelle, inhaltlich und formal erstarrte Akademiemalerei. Im Gegensatz zu deren dunkler Farbpalette wählten die Sezessionisten eine Malweise mit helleren Farben und zeigten die Menschen in Beziehung zu ihrer Umgebung. Von 1871 bis 1922 organisierten die Peredwischniki 48 Wanderausstellungen, um ihre Kunst auch außerhalb von Moskau und Sankt Petersburg der Bevölkerung näher zu bringen.

Valentin Serov, ein Schüler Repins, ist der bedeutendste Porträtist der zweiten Generation dieser russischen Künstlergemeinschaft. Er ist mit zwei Bildern in der Ausstellung vertreten, die beide auch Hunde zeigen. Welch ein Glück! Das eine ist das Bildnis des Grafen Felix Sumarokow-Elston und späteren Fürsten Jussupow (1887-1967). Fürst Jussupow ist Ihnen vielleicht nicht bekannt, Sie kennen aber sicherlich sein Opfer, Grigori Rasputin, den Wanderprediger und Zarengünstling. Jussupow war einer seiner Mörder.

 

Valentin Serov, Bildnis des Grafen Felix Sumarokow-Elston, 1903

 

Das zweite ist das Bildnis der Mutter des Fürsten und Erbin unermesslichen Reichtums, Fürstin Sinaida Jussupowa.

 

Valentin Serov, Bildnis der Fürstin Sinaida Jussupowa, 1902

 

Die Adelsfamilie lebte von immensen Gold- und Edelsteinvorkommen Sibiriens. 1925 wurden beim Umbau des prunkvollen Sankt Petersburger Jussupow-Palastes in einem Versteck mehr als 250 Diamantbroschen und bergeweise Armbänder entdeckt. Felix Jussupow und seine Frau Irina führten im Pariser Exil ein Modehaus. Ihre Tochter gehört heute mit ihrem märchenhaften Vermögen zur internationalen High Society. Dieses Society-Wissen habe ich übrigens von der Chemnitzer Morgenpost.

Unten sehen Sie noch zwei flotte Windhund-Zeichnungen von Serov und ein Gemälde mit Peter I. Die Hunde sind übrigens Barsois, Hunde der Zaren, die für die Hetzagd gezüchtet wurden, da sie zu den schnellsten Landtieren überhaupt zählen.

 

 

Valentin Serov, Windhunde, 1901

 

Valentin Serov, Windhunde, 1902

 

Valentin Serov, Peter I. auf der Jagd, 1902

 

 

Die Ausstellung, die 41 Künstler zeigt, ist eine Koproduktion mit dem Russischen Museum Sankt Petersburg, der Tretjakow-Galerie Moskau und dem Nationalmuseum Stockholm. Sie ist noch bis bis zum 26. Mai 2012 zu sehen.

 

Ausstellung, Malerei, Zeichnung
19. März 2012 - 12:10

Miguel Macaya, 1

Miguel Macaya, 2

Miguel Macaya, 3

Miguel Macaya, 4

Miguel Macaya, 5

Francisco de Goya, El Perro (1820-1823)
Francisco de Goya: El Perro (1820-1823)

Miguel Macaya, 6

Miguel Macaya, 7

Miguel Macaya, 8

Miguel Macaya, 9

Miguel Macaya, 10
Und das ist ein Eisbär!

Da ich nicht Spanisch kann und ich sogar für den Titel des Beitrags die Google-Übersetzungshilfe brauchte, lasse ich diesmal (fast) nur die Bilder zu Ihnen sprechen. Der spanische Maler Miguel Macaya wurde 1964 in Santander geboren und malt neben diesen wunderbar altmeisterlich anmutenden Hunden auch andere Tiere (bevorzugt Pferde, Vögel), Szenen aus Stierkämpfen, Stierkämpfer und Stillleben. Während diese Malerei einen gediegenen und ernsthaften Eindruck vermittelt, erscheinen mir seine Menschendarstellungen befremdlich, skurril und dicknasig. Er malt Menschen mit Halskrausen, eigenartigen Kappen, wehenden Krawatten.

 

Unter Macayas Hundeporträts habe ich ein Bild von Goya geschummelt, was Sie sicher gleich bemerkt haben. Hier wurde ich auf diese Ähnlichkeit aufmerksam gemacht. Macayas Malerei mit ihrem oftmaligen Einsatz des extremen Hell-Dunkel-Kontrastes ist tief in der Kunstgeschichte verwurzelt.

 

Auf diesen Seiten finden Sie viele seiner Werke: The quiet man, Artstormer sowie Galerie Lilly Zeligman

 

Alle Bilder © Miguel Macaya

 

Malerei
16. März 2012 - 12:19

Jo Taylor, The Rescue I, 2009

Jo Taylor, The Rescue II, 2009

 

Für uns, die wir die Hunde und ihre Darstellung lieben, ist es schade, dass die britische Künstlerin Jo Taylor eine hundertprozentige Pferdemalerin ist. An den zwei Hundezeichnungen oben ist leicht zu erahnen, was uns entgeht! Vielleicht ist Bubble, den sie öfters gezeichnet hat, ihr Hund. Obwohl er immer ruhend dargestellt ist, erkennt man die Dynamik ihres Striches und dass sie nach dem lebenden Hundemodell und nicht nach Fotos arbeitet.

 

Jo Taylor, Bubble 2, 2011

Jo Taylor, Bubble 3, 2011

Jo Taylor, Bubble 5, 2011

Jo Taylor, Bubble 6, 2011

Jo Taylor, Bubble 10, 2011

Jo Taylor, Bubble 11, 2011

Jo Taylor, Bubble 13, 2011

 

Ganz ohne Pferdebilder will ich diesen Blogbeitrag doch nicht beenden. Sehen Sie hier eine Aufnahme der Galerie McMaster Tims Contemporary Art in Dorset/England mit Arbeiten von Jo Taylor.

 

Zwei Hunde vor Jo Taylors Pferdebildern
© McMaster Tims Contemporary Art

Zur Zeit stellt Jo Taylor in der Victoria Gallery & Museum in Liverpool aus. An der Liverpooler Universität war sie acht Jahre lang Artist in Residence an der tierärztlichen Fakultät.

alle Hundezeichnungen © Jo Taylor

Auf Jo Taylor aufmerksam gemacht wurde ich durch the white hotel.

 

Ausstellung, Malerei, Zeichnung
13. März 2012 - 13:50

Im Blogeintrag über Jack Goldstein kam John Baldessari als dessen Lehrer am California Institute of the Arts vor. Grund genug, kurz auf John Baldessari einzugehen. In seiner inzwischen mehrere Jahrzehnte währenden künstlerischen Arbeit findet sich natürlich der eine oder andere Hund.

1970 hat der Konzeptkünstler John Baldessari sein bisher entstandenes malerisches Schaffen im "Creation Project" verbrannt, um sich neuen Technologien zu widmen. Seither beschäftigt sich der Künstler mit medienbezogenen Malereien, Fotoarbeiten, Videoperformances und Filmen. In allen Arbeiten stehen Medien- und Sprachbezüge im Vordergrund: Malerei und Fotografie, Bild und Sprache werden miteinander verknüpft. 

 

John Baldessari, Standbild aus

 
In Title von 1971 folgen minimale Bilder ohne hierarchische oder narrative Struktur aufeinander. Der konventionelle Film wird in seine Bestandteile zerlegt, um die Grammatik des Films offen zu legen, um deutlich zu machen, wie im Film Bedeutung, Raum und Zeit konstruiert werden.
 
 

John Baldessari, Man, Dog (Blue), Canoe/Shark Fins (One Yellow), Capsized Boat,

John Baldessari, Dog, Egg, Chicken, 2009

John Baldessari, Path, Shadow, Person, Dog and Tree, 2010

John Baldessari, The Set-up, 2010

 

 

 

 

Baldessari benutzt Bilder aus Filmen und Zeitungen und schafft etwas Neues, in dem er sie beschneidet oder zu Collagen zusammensetzt und den Betrachter auffordert, sich intensiver mit Bildern aus Massenmedien auseinander zu setzen.

Die Bild-Text-Montage trägt einen Titel, der nicht im Zusammenhang mit dem Dargetellten steht, sondern Titel eines Films ist. In obigem Beispiel handelt es sich um den Boxer-Film "The Set-up" von Robert Wise von 1949.

Möchten Sie mehr über John Baldessari erfahren, gebe ich einen Tipp weiter, den ich von meinem Leser Mariko erhalten haben. Auf Artsy finden Sie ein umfassende Seite zu John Baldessari.

 

Film, Malerei
10. März 2012 - 13:16

2003 schied Jack Goldstein durch Selbstmord aus dem Leben, ohne dass sein Werk zu Lebzeiten den Stellenwert bekommen hätte, der ihm zustünde. Der amerikanische "Künstler-Künstler" beeinflusste besonders andere Künstler, ein breites Publikum fand er nie.

Während seines Studiums am neu gegründeten California Institute of the Arts in Valencia in der berühmten "Post Studio Art" - Klasse von John Baldessari stellte er minimalistiche Skulpturen her. Später versuchte er den Minimalismus von der bildenden Kunst auf andere Kunstbereiche zu übertragen und weiterzuentwickeln. Er beschäftigte sich mit Film, Performance, Audio- und Textproduktionen. 1976 entstanden die ersten Schallplatten, die Goldstein sowohl als Kunstobjekte/Skulpturen als auch als Tonträger verwendete.

Bei seinen Experimentalfilmen, die hauptsächlich Mitte bis Ende der 1970er Jahre entstanden, filmte er mit der Standkamera ein einzelnes isoliertes Motiv ab, meist "Requisiten" aus der Filmindustrie: unspektakuläre Alltagsgegenstände oder dressierte Tiere, wie einen auf Kommando bellenden Schäferhund (Shane, 1975). Alle Filme wurden auf 16mm-Material gedreht und orientierten sich eher an theatralischen Inszenierungen als an einer gleichzeitig entstehenden Videoästhetik.

 

 

In den 1980er Jahren galt Goldstein neben Richard Prince, Sherrie Levine, Robert Longo und David Salle als einer der vielversprechendsten Künstler der so genannten Post-Pop-Art. Er war 1982 mit Filmen und Gemälden auf der Dokumenta 7 und 1987 mit Akustischer Poesie auf der Dokumenta 8 vertreten. In den 1990er Jahren zog er sich vom Kunstbetrieb zurück.

Erst in den Nullerjahren unseres Jahrhunderts wurde er wieder vermehrt rezipiert und ausgestellt: 2002 im Kunstverein Hamburg und 2009 im Museum moderner Kunst in Frankurt am Main. Eine kurze Zeitspanne konnte er also seine Wiederentdeckung miterleben.

Einen guten Überblick über Jack Goldsteins filmisches Schaffen sehen sie auf UBUWEB. Einen sehr informativen Text über Leben und Werk schrieb Sebastian Frenzel 2009 für das monopol-Magazin.

 

Film, Performance, Skulptur
7. März 2012 - 15:14

Martin Creed, Work 748

Martin Creed, Work 1094

Martin Creed, Work No. 1095

 

Was wie ein kleines Musikvideo daherkommt, ist ein ausgewachsenes Stück Kunst. Kommt es doch vom Konzeptkünstler Martin Creed, der beides ist - bildender Künstler und Bandleader - und der beides gleich wichtig und ernst nimmt.

 

 

Sparky, ein Chihuahua, und Orson, ein irischer Wolfshund, repräsentieren im Video Thinking und Not Thinking. In einem Interview vergleicht Creed das Denken mit dem Versuch wichtig zu sein, was zu dem kleinen Sparky passt, und das Nicht-Denken mit dem eher ungeschickten Orson. Die beiden kommen ins Bild und verlassen das Bild, ganz so wie es der Liedtext und der eingängige Beat vorgeben.

Creed stieß in Los Angeles zufällig auf die Hunde und fand, dass sie wie ein Ready-made, wie eine Skulptur aussahen. Da Creed immer wieder mit Gegensätzen gearbeitet hatte (Licht an/aus, schwarz/weiß ...) und die Hunde größenmäßig an den beiden Enden der Rasseskala standen, nahm er Filmmaterial mit ihnen auf. Erst als er den Song hatte, fügte er Lied und Film zusammen und fertigte dieses stimmige Werk.

 

Martin Creed, Cover, 2011

 

 

Martin Creed, Inlay, 2011

 

 

Der in Glasgow aufgewachsene Künstler verwendet eine Vielzahl von Medien für seine Kunst: Malerei, Film, Video, Skulptur, Installation usw. Seit 1987 nummeriert er seine Kunstwerke, Thinking/Not Thinking ist Nummer 1090. 2001 gewann er - nicht unumstritten - den Turner-Preis mit einer sehr minimalistischen Idee: Das Licht in einem leeren Raum geht an und aus. Seine gesamte Kunst ist im minimalistischen und konzeptuellen Bereich angesiedelt und als Kunst schwer verständlich. Für viele Kritiker thematisiert Creed das Lächerliche in der zeitgenössischen Kunst, für andere zeigt er den lächerlichen Zustand, den die zeitgenössische Kunst erreicht hat. Sein Werk Nummer 88 z.B. ist ein zum Ball zerknülltes A4 Blatt (natürlich "künstlerisch" zusammengeknüllt und in einer von Creed selbst entworfenen Verpackung in geschredderten Papierstreifen aufgehoben).

 

Martin Creed, Work No. 88, A sheet of A4 paper crumpled into a ball, 1995

Martin Creed, Work No. 88, A sheet of A4 paper crumpled into a ball, 1995
Martin Creed: Work No. 88,
A sheet of A4 paper crumpled into a ball, 1995

 

Sparky, der kleine Hund ist inzwischen tot. Orson setzte sich auf ihn und brach ihm ein Bein. Bei der Operation kam es zu Komplikationen. Seit ich das gelesen habe, kann ich mir das Video nicht mehr unbeschwert anschauen. Musste hier ein Hund sterben, weil ein Mensch mit einem skurrilen Hundepärchen leben wollte?

 

Die CD & DVD können Sie (ebenso wie das zerknüllte Papier) im Online-Shop auf Martin Creeds Homepage erwerben.

 

alle Bilder © Martin Creed

 

 

Fotografie, Film, Musik, Video
4. März 2012 - 12:22

Erkennt nicht irgendein Amerikaner alle paar Wochen Jesus, Maria oder Elvis Presley auf einem verschimmelten Stück Käse und verkauft dann diese "Reliquie" auf ebay? Das war die erste Assoziation, die Tibi Tibi Neuspiels Werk bei mir auslöste.

 

Tibi Tibi Neuspiel, Morality Sandwich, 2010
Tibi Tibi Neuspiel: Morality Sandwich, 2010; Lassie als moralische Instanz

 

Mein zweiter Gedanke war: Wie bringt er die Gesichter auf den Toast? Bestreicht er manche Stellen dick mit Butter, damit sie im Toaster schön braun gebrannt werden, oder müssen im Gegenteil die hellen Stellen mit Fett bestrichen werden? Fragen über Fragen!

Erst in dem Blog The Museum of Ridiculously Interesting Things fand ich Antworten. Die "Toastbrote" sind kleine Wachsskulpturen: "beautifully crafted encaustic wax sculptures". Für den Begriff "encaustic" habe ich keine Übersetzung gefunden, die mich dem Entstehungsprozess näherbrachte - ich selbst bin keine Bastlerin und kenne mich mit handwerklichen Techniken nicht aus. Aber anscheinend stellt Tibi Tibi Neuspiel kleine Wachsskulpturen her, die er dann akribisch bemalt. Seine Arbeit geht freilich über das Kunsthandwerkliche hinaus. Folgt man Rachel Anne Farquharson Argumentation, dann steht Tibi Tibi Neuspiel in einer Tradition - begonnen mit Duchamps Ready-mades - in der Objekte politische, soziale und kulturelle Inhalte transportieren, wenngleich im ersten Moment das Humorvolle und vermeintlich Lächerliche, das Absurde im Vordergrund steht.

Es gibt auch Toasts mit den Porträts von van Gogh etc. sowie Toasts, die "Assassination Sandwich" - Serie (2009, 2010), bei denen nur der Käse Attentäter und Opfer trennt: Princip/Kronprinz Ferdinand oder Ray/Martin Luther King.

 

Tibi Tibi Neuspiel, Assassination Sandwich, 2009

 

Wenn sie mehr über den kanadischen Künstler und sein Werk erfahren wollen, schauen Sie sich dieses Video-Interview an.

 

alle Bilder © Tibi Tibi Neuspiel

 

Skulptur
1. März 2012 - 10:59

Zur Zeit findet eine große Werkschau der britischen Künstlerin Zarina Bhimji in der Londoner Whitechapel Gallery statt. Die Künstlerin hatte schon bei der Documenta 11 (2002) ausgestellt und war für den Turner-Preis der Tate Gallery (2007) nominiert worden.

Zarina Bhimji wurde 1963 in Uganda geboren, ihre Eltern waren indischer Abstammung. 1974 verließen sie gemeinsam die ostafrikanische Heimat, zwei Jahre nachdem Idi Amin begonnen hatte, Inder und andere Asiaten, die seit der britischen Kolonialzeit dort lebten, aus Uganda zu vertreiben. Bhimji beschäftigt sich in ihrem Werk - großformatigen Fotoinstallationen und Film - mit Vertreibung, Migration, Exil.

Sie findet auf Grund eines wunderbaren Fotos Eingang in meinen Blog, das mich jedesmal aufs Neue berührt, wenn ich es sehe: Rado Watch, Such Western Precision (2006), Teil der Werkgruppe Love (1998 – 2006).

 

Zarina Bhimji, Rado Watch, Such Western Precision, 2006
Zarina Bhimji, Rado Watch, Such Western Precision, 2006; © Zarina Bhimji

 

Seit ich Bhimjis Beschreibung dieser Fotoserie gelesen habe, weiß ich, dass mein Gefühl mit ihrer Absicht übereinstimmt: Schönheit und Zärtlichkeit auszudrücken.

I work in a way where information and research become a crucial starting point in my work. This allows me to put certain myths and realities to the test.

It is important the work expresses beauty and tenderness. The spaces have special atmosphere and the space around it has an intense beauty. It is sad and has a subdued air about it. For me the earth was coming off its hinges.

A landscape mediated through a solitary individual. A little sunlight and big sky with the edges of plantain trees and the puffy clouds bring thunder, lightning and brief, pounding rain. The atmosphere of weeping sky. I need to understand large scale betrayal, grief, love, violence, spirituality.

Hauptdarsteller ihrer Kunst sind meist verlassenen Orte, Räume, architektonische Oberflächen, unbewohnt und menschenleer. Bhimji ist die Forscherin und Archäologin dieser Orte, die nichts Konkretes preisgeben, deren Schönheit die Gewalt überlagert, der sie ausgesetzt waren.

Rado Watch bildet insofern eine Ausnahme, als es eine Geschichte erzählt: Der Hund liegt auf der Veranda eines Regierungsgebäudes, durch das Schild assistant quartermaster definiert, Überbleibsel britischer Bürokratie und Verwaltung.

Das Zitat Bhimjis "A photograph cannot give you concrete information" habe ich vom Blog Africa is a country.

Vom 1. Juni bis 2. September 2012 stellt Bhimji im Kunstmuseum Bern aus.

 

Fotografie, Film, Installation