Ein Gruppenfoto bildet die Ausnahme im Werk des Deutschen Albrecht Tübke, der der jüngeren Generation der künstlerischen Fotografen angehört. Der dokumentarische Porträtfotograf kehrte für die Fotoserie "Dalliendorf" von 2000 in sein Heimatdorf zurück.
Während des letzten Jahrzehnts fotografierte Tübke mehrere Porträtserien: Einerseits in ländlicher Umgebung wie in Dalliendorf oder im toskanischen Pulica, andererseits im urbanen Bereich (Citiziens, Donna).
Tübke geht es um das "Wesen" der Person, das durchaus auch künstlich sein kann. Er lenkt den Blick auf den Einzelnen mit seiner künstlerisch kreierten Oberfläche und - vor allem in den urbanen Serien - modischen Inszenierung. Die ausgewählten Passanten dürfen für die Kamera posieren und sich in eigener Kleidung in Szene setzen. Dabei kann das persönliche Styling und dessen öffentliche Präsentation die Identität verstärken oder verbergen und maskieren.
Ich habe nur die wenigen Bilder mit Hund ausgewählt, doch auch für sie gilt der frontale Blick der Porträtierten in die Kamera. Tübke dokumentiert ohne zu werten und ohne Interesse an gesellschaftlichen Studien. Seine Art die Menschen einzufangen ist auch unabhängig von deren Alter oder Geschlecht. Gemeinsam ist allen allerdings ihre "Präsenz", mit der sie der Kamera begegnen.
Die Serie Donna, die in italienischen Städten aufgenommen wurde, zeigt auch deutlich den Einfluss der Mode - und der Schönheitschirurgie - in der italienischen Gesellschaft. Wie kann man sich noch inszenieren, wie kann man seine Persönlichkeit unter den städtischen Stereotypen und den modischen Tribes der westlichen Gesellschaft herausstreichen? Der Hund wird zum modischen Accessoire, die Bekleidungsbranche für den urbanen Hund boomt.
Das letzte Bild ist auch deshalb interessant, da es uns Auskunft über das moderne Mensch-Tier-Verhältnis gibt. Nichts spricht dagegen, dass die Frau ihren kleinen Hund wirklich gerne hat und nur das Beste für ihn will. Niemals würde sie eine Jacke aus Chihuahua-Fell anziehen oder Chihuahua-Brust auf Rucola-Salatbett essen. Gleichzeitig findet sie allerdings nichts dabei, einen Pelzmantel zu tragen, für den -zig Tiere unter grausamsten Bedingungen leben und sterben mussten.
Tübkes Bild scheint mir - ohne dass er diese Aussage beabsichtigt hätte - wie die Illustration zu Melanie Joys Buch "Why We Love Dogs, Eat Pigs, and Wear Cows". Am 12. März hatte ich in Wien Gelegenheit einen Vortrag der Amerikanerin zu hören, der genau diese Problematik behandelte. Eine ihrer Präsentationen vom Februar 2012 in englischer Sprache finden Sie auch auf youtube.
alle Fotos © Albrecht Tübke
Für die Freunde der Fotografie schreibt Albrecht Tübke seit kurzem auch den Blog Albrecht Tübke-Photography.