April 2018

18. April 2018 - 11:49

Ein Tischtuch, bei dem die Kanten der ehemaligen Faltung noch erkennbar sind und das an Trompe-l’œil-Malerei erinnert, vier Totenschädel in unterschiedlichen Perspektiven und nicht zuletzt ein schwermütig dreinblickender Hund, der über seine Zukunft zu sinnieren scheint: Das sind die meisterlich gemalten Elemente eines Bildes, auf das ich ganz zufällig bei meiner Bildersuche gestoßen bin und das ich ihnen nicht vorenthalten will.

 

Cave canum © Alicia Czechowski

 

Die obere Hälfte dieses wundervollen Gemäldes zeigt uns ein typisches Stilllebenmotiv: vier tierische Totenköpfe - Vanitasmotive - als Sinnbild der Vergänglichkeit. Den unteren Teil nimmt ein liegender Windhund ein. "Cave canum" nennt die Künstlerin ihr Werk, doch ich vermute sie meint "Cave canem", die lateinische Warnung "Hüte dich vor dem Hund!", die erstmals auf einem Fußbodenmosaik in Pompeji auftaucht, auf dem ein angeketteter schwarzer Hund in Drohgebärde zu sehen ist. Doch auch unser anmutiger Windhund wird den Weg alles Irdischen gehen und einst die Reihe der Totenschädel ergänzen.

Die Künstlerin, Alicia Czechowski, ist in Detroit aufgewachsen und hat schon als Kind in der Sammlung des Detroit Institute of Arts Kopien von Kunstwerken, darunter ein Stillleben von Claesz, angefertigt. Auch später wollte sie mit dem Kopieren von Frans Hals, Rubens, Van Dyke u.a. etwas von deren Virtuosität und Expressivität im Umgang mit dem Medium Malerei aufnehmen:

 

Being at work with your brushes and colors in front of a living, breathing painting by one of the greats, like Hals or Velasquez, is the most potent learning experience. It's is the best way to learn to paint, almost like journeying back in time and actually watching them at work at their easels. (zit. n. hier)

 

Heute beschäftigt sich die Künstlerin vor allem mit der menschlichen Figur. Schade, es wäre zweifelsohne spannend, mehr Hundeporträts von ihr zu sehen.

Homepage der Künstlerin Alicia Czechowski

 

Malerei
13. April 2018 - 12:22

Die deutsche Künstlerin Yvette Kießling malt Landschaftsbilder und bevorzugt dabei kleine Formate. Das Bild, das ich in einem Stiegenhaus des MdbK Leipzig zufällig entdeckt habe, scheint demnach eine Ausnahme zu sein (Große Lichtung, 170 x 190 cm, Öl auf Leinwand). Hunde sind in diesem klar komponierten, horizontbetonten und durch Hell-Dunkel-Kontrast bestimmten Bild auf einer Lichtung zu sehen.

 

Yvette Kießling, Große Lichtung mit Hunden, 2013, Foto: Petra Hartl

 

In ihren Landschaftsbildern, in denen nur manchmal Tiere und selten Menschen vorkommen, versucht Yvette Kießling das Wesenhafte der Landschaft herauszufiltern und zu bündeln. Bei ihrem Arbeitsprozess wendet sie dabei anscheinend gegensätzliche Methoden an: das genaue Naturstudium und die tachistische Malerei.

Zuerst zeichnet sie, oftmals auf Wanderungen oder Reisen, detailliert und topografisch genau, um die Landschaft zu erfassen. Die eigentlichen Gemälde entstehen danach im Atelier, wobei sie sich dem Nebeneinandersetzen von Flächen widmet, um zu einer freieren Auffassung der Landschaft zu kommen. Dabei geht es um den Ausdruckswert an- und absteigender Linien - die rhythmischen Bewegungen des Pinsels bleiben als Spuren erkennbar -, das Nebeneinander von Farben sowie das Wechselspiel von Flächigkeit und Tiefe. Das Schütten der dünnflüssigen Farbe gehört ebenso zum Malprozess.

Großartig auch ihre Lichtgestaltung. Die Landschaft unten scheint von innen heraus zu leuchten.

 

Yvette Kießling, Albedo, 2012

Yvette Kießling, Boxer, 2012

Yvette Kießling, Sprung, 2012

 

Die Farbe wird also unter Verzicht der Nachahmung als Material eingesetzt oder um in manchen Bildbereichen Gegenständlichkeit (Menschen, Tiere und Vegetation) zu erzeugen. Beides - das Loslösen von und Zurückgreifen auf Gegenständlichkeit - verleiht den Bildern Spannung, Reiz und Lebendigkeit.

Yvette Kießling fügt Elemente zur realen Landschaft dazu, lässt anderes weg, verändert in Hinblick auf ihre Komposition. Ihre Landschaften bieten keine heroischen, romantischen der auch nur naturalistischen Anblicke: Ihre künstlerische Position setzt vielmehr auf Präsenz statt auf Repräsentation.

Yvette Kießling  (*1978 / Ilmenau/D) studierte von 1997 bis 2003 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig in der Klasse für Malerei bei Arno Rink. Anschließend absolvierte sie bis 2007 ihr Meisterschülerstudium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Arno Rink. Darüber hinaus übernahm sie dort von 2004 bis 2009 eine Lehrtätigkeit an der Abendakademie. Sie lebt und arbeitet in Leipzig.

Ein ausführliches Interview zu ihrer Arbeitsweise und ihrem druckgrafischen Werk finden sie auf Griffelkunst, weitere Arbeiten auf den Seiten der Galerie Leuenroth und Galerie Hafenrand.

alle Bilder © Yvette Kießling

 

Malerei
6. April 2018 - 12:26

Vor kurzem bin ich von einem dreitägigen Leipzig-Aufenthalt nach Wien zurückgekehrt. Ich bin in Leipzig nicht nur im Auwald spazieren gegangen, sondern habe mir auch Ausstellungen angesehen und vom Museum der bildenden Künste bis zur Spinnerei so einiges besichtigt.

Die "Hundedichte" im Museum der bildenden Künste Leipzig ist gar nicht gering. Von der gotischen Malerei bis zu den Niederländern des 17. Jahrhunderts: Fast überall begleiten die Hunde ihre Menschen. Doch auch bei der zeitgenössischen Kunst wurde ich fündig! Sehr interessant war Carina Brandes Foto-Ausstellung, die den Hund schon im Titel führt: "Zwischen Hunden und Wölfen".

Die in Leipzig lebende Künstlerin Carina Brandes (*1982/Braunschweig) fotografiert analog und schwarz-weiß. Dabei inszeniert sie sich selbst, teilweise mit Requisiten, interagiert mit anderen Frauen oder Tierskulpturen und fotografiert mit Selbstauslöser. Es entstehen Szenen an außergewöhnlichen und düsteren Orten, die mitunter eine surreale Atmosphäre vermitteln. Die Aufnahmen belichtet die Künstlerin selbst, manchmal entstehen Doppelbelichtungen.

 

Carina Brandes, 2017, Foto: Petra Hartl

 

Im Vergleich zu vielen Fotoausstellungen, die oft sehr große Farbfotos zeigen, ist das Ausstellungsdesign im MdbK schlicht und unpathetisch, die Hängung wirkt durch die Ungerahmtheit der Exponate sehr einfach. Die unterschiedlich großen, aber trotzdem allgemein relativ kleinen Abzüge auf Barytpapier, werden ohne erklärenden Text präsentiert. Diese unspektakuläre Präsentation korrespondiert meiner Meinung nach perfekt mit dem vorausgegangenen Herstellungsprozess der Arbeiten.

Carina Brandes zeichnet ihre Ideen und stellt dann diese Zeichnungen für die Aufnahmen nach. Da dieses Nachstellen nicht immer nach Plan funktioniert, wirken die fotografischen Ergebnisse dieser Inszenierungen durchaus auch zufällig und spielerisch, wie eingefrorene Bewegungen, Momentaufnahmen eines Prozesses, einer unklaren Handlung. Vielleicht ist es dieses durchgehend analoge Verfahren, das die Fotos sehr künstlerisch, aber nicht digital-künstlich wirken lässt.

Nicht immer ist die Künstlerin auf den Fotos klar erkennbar: Haare, Kleidungsstücke oder Requisiten wie ein Hundepräparat verdecken Gesicht oder Teile des Körpers. Auch wenn die Arbeiten in der Tradition fotografischer Selbstinszenierungen stehen, sind es keine Selbstporträts, die gesellschaftliche Geschlechterbilder oder Rollenklischees hinterfragen. Carina Brandes will primär nichts über sich oder ihr Umfeld aussagen, sondern verwendet ihren Körper nur als weiteres ästhetisches Material, weiteres Requisit, mit dem sie inszeniert.

 

Der Körper ist für mich ein Gegenstand, den ich immer mit mir herumtrage. Ich war Kunstturnerin, mich interessiert der Körper im Zusammenspiel mit Form und Gegenstand. (Carina Brandes, zit.n. db-artmag)

 

Carina Brandes, Foto: Petra Hartl

 

Immer wieder maskiert sich Brandes als Tier oder posiert mit Tierskulpturen. Durch ihre Inszenierungen wirken die Tiere beseelt und treten scheinbar auch mit Mensch und Raum in Beziehung, sie werden Teil einer rätselhaften Erzählung.

 

Ich sehe die ausgestopften oder in Bronze gegossenen Tiere als etwas Lebendiges an, ich hauche ihnen Leben ein. (Carina Brandes, zit. n. db-artmag)

 

Ihre Arbeiten werden immer wieder im Zusammenhang mit Cindy Sherman und Francesca Woodman, aber auch mit surrealistischer Fotografie gesehen. Es gibt sicher Anknüpfungspunkte, allerdings finden sich in Brandes Arbeiten weniger mystische, esoterische oder psychoanalytische Andeutungen, sie sind nicht bedeutungsschwer, sondern leicht und ironisch.

Die Arbeiten unten, die ich noch bei der Bildsuche gefunden habe, waren bei anderen Ausstellungen zu sehen:

 

Carina Brandes, 2014, Courtesy BQ, Berlin
Carina Brandes, 2014, Foto : BQ-Berlin

Carina Brandes, 2012
Carina Brandes, 2012, Foto: Galerie Bernd Kluger

Carina Brandes
Carina Brandes, 2015, Foto: Fürstenberg Zeitgenössisch

 

hilfreiche Quellen: ArtMag by Deutsche Bank, Museum der bildenden Künste Leipzig

alle Bilder © Carina Brandes

 

Ausstellung, Fotografie