Im Magazin Monopol war kürzlich eine Aufstellung der am teuersten lebenden Künstler zu lesen. Platz 9 nimmt Zeng Fanzhis "The Last Supper" mit 23,3 Millionen US-Dollar ein.
Das teuerste jemals versteigerte Gemälde ist der "Salvator Mundi" von (vielleicht?!) Leonardo da Vinci für 450 Millionen. Die Hommage an Leonardos Abendmahl vom chinesischen Maler Zheng Fanzhi erzielte nur ungefähr ein Zwanzigstel dieser Summe. Allerdings ist das immer noch ziemlich teuer für einen Tisch mit maskierten jungen Kommunisten, die ein Wassermelonenmassaker veranstalten. (zit.n.Monopol)
Zeng Fanzhi? Tief in meiner Erinnerung vergraben, fiel mir ein Ordner mit Arbeiten seiner Masken-Serie ein, den ich vor Jahren angelegt hatte. Zu einem Blogeintrag kam es nicht, mir waren seine Bilder zutiefst unangenehm. Ohne näher darüber reflektiert zu haben, empfand ich wahrscheinlich deren unterschwellige Gewalt und psychologische Spannung. Nachdem ich mich inzwischen in Fanzhis Werk eingelesen habe, sehe ich auch die Männer hinter den Masken anders, empfinde ich nahezu Mitgefühl mit ihnen, gleichzeitig habe ich meine Abneigung verloren, die Arbeiten sind für mich "schöner" geworden.
Fanzhis Werk ist sehr vielfältig und stilistisch uneinheitlich. Ich beschränke mich auf seine Langzeitserie Mask (1994-2004), da bei dieser Serie manchmal ein Hund dabei ist.
Wir sehen Männer am Strand oder in nicht oder nur karg möblierten Innenräumen. Die Settings sind sauber, glatt und poppig eingefärbt, aber auch flach und unnatürlich, sie spiegeln die polierte Erscheinung der Figuren wider. Der Kontrast zwischen diesen überschwänglich leuchtenden Farben und den traurigen angstbesetzten Figuren erzeugt Spannung und Unbehagen.
Köpfe und Hände sind übergroß, die Gesichter tragen Masken, die an Stelle der Figuren Gefühle zeigen. Zu bedrohlich scheint die Entblößung der eigenen Emotionen, die Offenbarung des wahren Selbst zu sein. Die Masken stehen dementsprechend sowohl für An- als auch Abwesenheit der Emotion.
Die unbeholfenen Hände sind expressiv gemalt und erinnern teilweise an rohes Fleisch, an ihnen wird die Verletzlichkeit der Protagonisten deutlich. Die Augen blicken leer, passiv, doch erwartungsvoll auf den Betrachter.
Die jungen Männer sind elegant gekleidet, die Haare sorgfältig frisiert: Eleganz als Rüstung und Schutz vor einer unsicheren Welt. Anfang und Mitte der 1990er Jahre, in einer Zeit der rasanten Modernisierung Chinas, stieg die Zahl der wohlhabenden jungen Städter stark an. Sie lebten in urbanen Zusammenhängen, ohne ihren Platz gefunden zu haben.
Der Hund könnte auch eine Katze oder eine Tasche sein, er ist nicht mehr als ein modisches Accessoire, ein Ausstattungsdetail. Nicht seine Existenz als Hund wird verhandelt, er ist lediglich Projektionsfläche der konsumorientierten aufsteigenden Gesellschaft. Auch als tierischer Partner spiegelt er nur die Gefühle des Menschen: Der traurige Mann im ersten Bild ist in Tränen aufgelöst, auch der Hund weint um seinetwillen.
Die Masken sind Metaphern für Verlust und Entfremdung. Sie verbergen den Schmerz und die Agonie hinter einem sozial akzeptablen Gesicht, beschönigen die chinesischen Gesellschaft, in der niemand ohne Maske auftritt.
Gleichzeitig üben seine Maskenbilder Kritik am Sozialistischen Realismus als einzig erlaubtem figurativen Stil, der nur idealisierte Bilder von glücklichen und gesunden Bürgern zeigte.
Neben der politischen und psychologischen Dimension hat die Serie, mit der sich Fanzhi zehn Jahre auseinandersetzte, auch eine persönliche Komponente: 1993 zieht er von Wuhan nach Peking. Bereits 1994 beginnt er mit der Maskenserie als Reaktion auf Gefühle der Einsamkeit und auf die Verwerfungen, die ein Leben in existenzieller Sorge in einer oberflächlichen urbanen Umwelt mit sich bringt. Mit der Maskenserie visualisiert er eine Zeit des persönlichen Umbruchs sowie eine Zeit beschleunigter gesellschaftlicher Veränderungen.
Zeng Fanzhi (*1964 in Wuhan/China) schließt sein Studium der Malerei am Hubei Institute of Fine Arts in Wuhan im Jahr 1991 ab. Während seiner frühen Ausbildung in Wuhan beschäftigt er sich mit westlicher Kunst, Philosophie und der New-Wave-Art-Bewegung, die nach Jahren des Sozialistischen Realismus zeitgenössischen Impulsen der globalen Kunstwelt nachspürte und die chinesische Kunst internationalisierte. Auch Zeng Fanzhi sucht nach einer neuen, konzeptuelleren Bildsprache, er räumt dem Konzept bis heute Vorrang gegenüber dem Bild ein.
Seit über drei Jahrzehnten übt Zeng Fanzhi nun mit seiner Kunst Kritik am zeitgenössischen chinesischen Leben und stellt gleichzeitig einen Dialog zwischen östlichen und westlichen künstlerischen Traditionen her. Er lebt und arbeitet in Peking.
Zu den Porträts, die Fanzhi im Laufe seiner Karriere entwickelt hat, gehören auch "unmaskierte" Bildnisse von Freunden und von ihm geschätzter Künstler. Einer davon war Lucian Freud. Fanzhi malte ihn nach Fotos, um den lange Bewunderten seinen Respekt zu erweisen.
Und weil dieses Gemälde mit Hund so bezaubernd ist … eine "Zugabe" mit Fuchs!
Quellen:
Hauser & Wirth, Widewalls, Gagosian, The Art Story, Sotheby's
alle Bilder © Zeng Fanzhi Studio