Mense, Carlo

17. Februar 2025 - 10:55

1925 prägte der junge Mannheimer Kunsthallen-Direktor Gustav F. Hartlaub mit seiner legendären Ausstellung den Begriff "Neue Sachlichkeit" und bezeichnete damit den kulturellen Aufbruch in Kunst, Architektur und Literatur, der als Reaktion auf die großen politischen und sozialen Umwälzungen der 1920er Jahre gelten kann. Zurzeit findet in Mannheim die Ausstellung "Die Neue Sachlichkeit - ein Jahrhundertjubiläum" statt, die Hartlaubs Leistung würdigt, aber auch um das Schaffen von Künstlerinnen ergänzt.

Dass in der Neuen Sachlichkeit auch Hunde immer wieder Thema waren, habe ich schon am Beispiel des Österreichers  Franz Sedlaczek gezeigt. Doch auch die deutschen Maler zeigten das Alltags- und Familienleben mit Hund. Den "Beweis" dafür lieferte mir Sofie Morin, die mich auf die Mannheimer Ausstellung aufmerksam machte und mir zwei Bilder von Fred Goldberg und Carlo Mense schickte.

Vor über 100 Jahren unterschied  Gustav F. Hartlaub zwei Flügel der Neuen Sachlichkeit: eine konservative, "rechte", an Renaissance, Klassizismus und den Nazarenern orientierte Malerei, und eine  "linke", veristisch-sozialkritische Richtung, als deren Hauptvertreter George Grosz und Otto Dix gelten. Sowohl Fred Goldberg als auch Carlo Mense zählen zu den Klassizisten.

Zu Fred Goldberg habe ich sehr wenig Information gefunden. Er wurde  1889  in  Berlin geboren und lebte dort als autodidaktischer Maler  und Graphiker. Als jüdischer Künstler flüchtete er vor den Nazis nach Shanghai und emigrierte nach dem 2. Weltkrieg in die USA, nach San Francisco. Er starb 1973.

 

Sonntagnachmittag, 1930 © Fred Goldberg

 

Sein Gemälde "Sonntagnachmittag" von 1930 zeigt ein nüchternes Spießer-Idyll, bei dem sich der messerscharfe Realismus der Darstellung bis ins kleinste Detail erstreckt: Die im Vordergrund angeschnittene Zeitung gab es wirklich; es ist die im Deutschen Verlag, Berlin, erschienene "Sonntagszeitung für Stadt und Land" mit dem Titel "Die Grüne Post", deren Ausgabe Nr. 25 tatsächlich den röhrenden Hirsch auf dem Titelblatt zeigte. Auch die Ausgehkleidung des älteren Ehepaars (Eheringe) ist mit abnehmbarem Stehkragen, Melone, Stockschirm, Damenhut und Kombineige gut getroffen. Die Frau liest, Mann und Hund schauen in die Ferne. Der Hund scheint angespannt und zum Sprung bereit. Angeordnet ist die Szene in Dreiecks- bzw. pyramidaler Komposition.

 

Familienbild, 1925 © Carlo Mense

 

Nach Jahren der bildnerischen Experimente und formaler Innovationen wendet sich Carol Mense in den zwanziger Jahren der Gegenständlichkeit zu. Bei seinem "Familienbild" von 1925 ist der Anklang an die Renaissance mit ihren Mariendarstellungen in Dreieckskomposition auffällig. Auch die Kleidung ist zeitlos und madonnenhaft. Formal setzt er auf fast schablonenhafte Vereinfachung. Die Dargestellten sind durch maskenhafte Stilisierung und emotionale Erstarrung gekennzeichnet. In dieser Familie ist jegliche Beziehung verloren gegangen -  alle vier haben eine unterschiedliche Blickrichtung. Die aufziehende Dunkelheit korrespondiert mit der Verlorenheit der Figuren.

Unten sehen sie ein Foto von Carlo Mense mit seinem Hund von 1928. Gut möglich, dass der jüngere Hund Modell für das Familienbild stand. Das Foto stammt von hier.

 

Carlo Mense mit Hund, 1928

 

Carlo Mense (*1886 in Rheine/D - †1965 in Königswinter) studierte von 1906 bis 1908 an der Kunstakademie Düsseldorf und schloss 1910 nach Studienaufenthalten in Berlin, Weimar und München seine Ausbildung ab. Ab 1912 begann eine rege Ausstellungstätigkeit, ab 1914 war er Soldat im Ersten Weltkrieg. 1920 zog er nach München, hielt sich aber oft in Italien auf. Von 1925 bis 1932 wirkte Carlo Mense als Professor an der Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau und leitete bis zur Schließung der Akademie mehrere Fachklassen.

Im Nationalsozialismus war er zunächst weiterhin erfolgreich tätig, galt aber ab 1937 als "entartet" und zahlreiche seiner Gemälde wurden aus öffentlichen Sammlungen entfernt und vernichtet. Als Soldat aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrt, musste Mense 1944 aus dem Nichts eine neue Existenz aufbauen, da sein Kölner Atelier vollständig zerstört worden war. Er zog sich nach Bad Honnef am Rhein zurück, wo er ein eher durchschnittliches Spätwerk schuf.

Die Ausstellung "Die Neue Sachlichkeit" ist noch bis zum 9. März 2025 in der Kunsthalle Mannheim zu sehen.

 

Ausstellung, Malerei