Die Fotografin Corinne Rozotte zeigt in ihrer Arbeit verschiedene Arten von Beziehungen zwischen Mensch und Tier: Gefangenschaft der Tiere unter dem Vorwand des Schutzes und Mitgefühls; deren kontrollierte oder tolerierte Freiheit in städtischen Gebieten; das Tier als Attraktion bei öffentlichen Aufführungen oder bei Tierkämpfen; das Tier als Begleiter des Menschen; sein Leben in der Welt der industrialisierten Landwirtschaft und Viehzucht.
Meist ist das Verhältnis des Menschen zum Tier von Macht und Unterdrückung bestimmt. Als "passeur-photographe" will uns Corinne Rozotte daran erinnern, dass Tiere auch empfindungsfähige Wesen sind.
Es gelingt ihr nicht nur inhaltlich unser Augenmerk auf das Leid der Tiere zu lenken, auch mit formalen Mittel macht sie deren Empfindungsfähigkeit deutlich. Ihre "melancholischen" Kühe erscheinen so leicht und transparent, als wären sie nicht massige Materie, sondern reine Seele.
Der Thematik meines Blogs entsprechend wähle ich nur Aufnahmen ihrer Serien mit Hunden aus. Die ersten Beispiele sind aus der Serie "Dogs Road Movie", die Straßenhunde in Thailand zeigt. Auf ihrer Homepage sehen Sie, wie Corinne Rozotte die Hundeaufnahmen durch Aufnahmen architektonischer Elemente und Detailaufnahmen einer Stadtlandschaft zu atmosphärischer Dichte ergänzt.
Noch Mitte der 1980er Jahre wurden in Bukarest unter Nicolae Ceausescu auf mehreren hundert Hektar Bewohner aus ihren innerstädtischen Häusern abgesiedelt, um Platz für das palastartige Parlament zu schaffen. In neue Plattenbauten umgesiedelt, ließen sie tausende Hunde auf den Straßen zurück, die sie in die neuen Wohnungen nicht mitnehmen durften. In der Serie "Je suis le Chien errant sur la Terre #1" kombiniert Rozotte Ansichten von Bukarest mit den Aufnahmen von Straßenhunden. Erst in der Gesamtschau kommt die Poesie der Serie vollends zur Geltung.
Auch in der Serie "Je suis le Chien errant sur la Terre #2 & #3" kombiniert sie urbane und rurale Momente mit den Tieraufnahmen. Unschärfe, Bewegung und vor allem unterschiedliche Farbstimmungen eröffnen uns eine geheimnisvolle thailändische Welt.
Zwei Hunde aus der Serie "La Vie Moderne", die einen Blick auf tierliches Leben im 21. Jahrhundert wirft. Ich habe den Hund ausgewählt, da er mich an Rocco erinnert.
Die Serie "Les Passagers - Bestiaire post-moderne" basiert auf Corinne Rozottes Beobachtung, dass der Mensch die vollkommene Kontrolle über Leben und Sterben von Tieren hat. In Doppel- oder Mehrfachbelichtungen kombiniert sie Fotos aus Europa und Asien, um auf die globale Gültigkeit dieses Faktums hinzuweisen.
Neben ihrer Homepage mit künstlerischer Fotografie setzt sich Corinne Rozotte auf Ihrer Website Animal dokumentarisch mit dem Leben und Sterben von Tieren auseinander. In der Serie "The Passengers (into the refuge), Part I" erfolgt unser Blick auf Hunde und Katzen in Tierasylen durch das Gitter der Käfige, das fast allen Bildern gemeinsam ist. Der Blick der Tiere heraus auf uns ist in seiner Traurigkeit und Unbegreiflichkeit kaum zu ertragen.
In vielen Serien geht sie dem Leben der "Nutztiere" nach, etwa dem der Schafe bei der Schur oder dem der Milchkühe in Burgund. Immer ist das Tier nur Mittel zum Zweck des Verdienstes und sei er noch so gering, (2-3 € bringt das geschorene Fell eines Schafs, es wird in China weiterverarbeitet), nie wird es als Individuum, als Subjekt begriffen. Corinne Rozotte zeigt uns die Verfügungsgewalt über die Tiere, ganz alltäglich und trotzdem erschütternd.
In weiteren Fotoserien beschäftigt sie sich mit den thailändischen Hahnenkämpfen oder dem Leben der Elefanten in Gefangenschaft, die zur illegalen Arbeit verwendet werden und deren Verletzungen durch menschliche Misshandlungon in Elefantenhospitälern behandelt werden. Wir lernen ein Königskobradorf mit Showdarbietungen und dem Verkauf von Heilkräutern und Gegenmitteln ebenso kennen wie Pferderennen im Hippodrome de Longchamp, bekommen Einblick in das Leben von Zuchtschweinen sowie in den Lebensweg vom Küken zum geschlachteten Huhn.
Obwohl diese Serien starken dokumentarischen Charakter haben, sind sie dennoch immanent künstlerisch, wenngleich es nicht einfach ist, das Künstlerische hervorzuheben, da der Inhalt die formal-ästhetischen Elemente in den Hintergrund drängt. Corinne Rozotte beschreibt selbst ihren Zugang in der Dokumentarfotografie als Reflexion über die ästhetische Konzeption des Bildes als Rekonstruktion von Wirklichkeit. Ihr roter Faden ist der subjektive Blick auf alles, was leicht übersehen und vergessen werden könnte.
Corinne Rozotte (geb. 1969) studierte Gesundheitssoziologie bevor sie 2005 zu fotografieren begann. Seit 2012 legt sie ihren Arbeitsschwerpunkt auf die Fotografie des Tieres. Sie lebt und arbeitet in Paris.
alle Fotos © Corinne Rozotte