Zeichnung

24. Januar 2023 - 12:22

Endlich habe ich wieder einen Künstler entdeckt, der sich in seiner Arbeit hauptsächlich mit Hunden beschäftigt. Der italienische Künstler Velasco Vitali zeichnet Hunde und stellt Skulpturen her, die er auch abseits der Galerien in Gebäuden mit für ihn besonderer Bedeutung ausstellt. Das Material für seine Skulpturen stammt von verwaisten Baustellen.

Hier ein paar Beispiele seiner Zeichnungen.

 

Cane, 2009 © Velasco Vitali

Cane, 2007 © Velasco Vitali

Cane, 2007 © Velasco Vitali

Cane, 2009 © Velasco Vitali

Kitezh, 2010 © Velasco Vitali

Kitezh 2010  © Velasca Vitali

 

Velasco Vitalis Zeichnungen dienen ihm als Ausgangspunkt für die Skulpturen. Er fertigt aus dem Gedächtnis Skizzen an, wobei er die Maße und die Haltung des Hundes bestimmt. Dann führt er die Skulptur aus, indem er zunächst eine Armierung konstruiert, die dann mit Blech, Zement oder Teer überzogen wird. Die Bronze wird mit dem Wachsausschmelzverfahren hergestellt und am Ende mit einer Säureätzung gefärbt.

Der Künstler "missbraucht" die Baumaterialien Zement, Teer, Blech, Blei etc., die seine Phantasie, Inspiration und Experimentierfreudigkeit anregen, für künstlerischen Zwecke.

 

Al Bara, 2010 © Velasco Vitali

Serjilla, 2010 © Velasco Vitali

Bechyovinka, 2008 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

 

Velasco Vitali verzichtet auf eine realistische Darstellung der Tiere, vielmehr inszeniert er sie in einer faszinierenden und befremdlichen Weise. Vitalis Hundeskulpturen sind fast immer lebensgroß. Durch Verformungen und fast pathetische oder verblüffende Körperhaltungen drücken die Hunde eine Spannung und ein seltsames Gefühl von plastischer Einsamkeit aus. Diese Einsamkeit bleibt auch dann bestehen, wenn der Künstler ein ganzes Rudel auf engem Raum versammelt.

 

Torre, 2007 © Velasco Vitali

Torre, 2005 © Velasco Vitali

Torre, 2008 © Velasco Vitali

 

Schlank und mit großen hängenden Ohren ähneln seine Hunde den italienischen Bracken, wenngleich er von streunenden und freilaufenden Hunden inspiriert ist. Die Hunde kauern, stehen, liegen, drehen sich auf eine Seite, schauen nach unten oder oben. Sie gehen unsicher mit angewinkelten Beinen und gestreckter oder eingeklappter Rute. Nie sind seine Hunde in Bewegung oder aggressiv dargestellt, sondern eher resigniert, taumelnd, fassungslos und desorientiert.

 

Arco, 2010 © Velasco Vitali

 

Die Haltungen auf Schemeln, Stahlgerüsten und fragilen Türmen scheinen unpassend und gezwungen, symbolisieren Instabilität, Zerbrechlichkeit und Unsicherheit, als ob sie die Unzulänglichkeit der Tiere in dieser Gesellschaft, die im Grunde auch die von uns Menschen ist, zum Ausdruck bringen sollen. "Ich glaube, dass der Zustand von Hunden dem unseren sehr ähnlich ist, wenn wir überhaupt vorgeben, besser zu sein", kommentiert Velasco.

 

Hawks Nest, 2013 © Velasco Vitali

Mologa, 2010 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

Angkor, 2010 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

San Zhi, 2010 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

Mohenjo-Daro, 2010 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

Galeria, 2005 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

Pripjat, 2008 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

 

Neun bronzene und eiserne Hunde aus dem aus über 50 Skulpturen bestehenden Rudel "Branco" waren 2022 in der Galleria Doris Ghetta zu sehen.

 

Ausstellungsansicht Galerie Doris Ghetta, Foto Galerie Doris Ghetta

Kalydon, 2015 © Velasco Vitali, Foto Galerie Doris Ghetta

Vertigine, 2022 © Velasco Vitali, Foto Galerie Doris Ghetta

 

"Branco" (ab 2005) ist eine Installation, die sich auf die Gruppen streunender Hunde bezieht, die in den Städten des Mittelmeerraums unter prekären und improvisierten Bedingungen leben. Sie untersucht die  Anpassungsfähigkeit an Orte und das Überlebensgleichgewicht innerhalb der Gruppe. Für den Künstler ist jeder Hund das Ergebnis einer Mischung aus verschiedenen Rassen, von denen jede ihre Fähigkeit unterstreicht, dank des Rudels an jedem Ort und zu jeder Zeit zu überleben.

 

Branco, 2009 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

Branco, 2005-2010 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

 

Das Rudel ist für Vitali  eine Metapher für eine Zivilisation: Jedem dieser Streuner hat er den Namen einer von über 400 über den Planeten verstreuten Geisterstädte, aufgegebenen Orten gegeben.

Jeder dieser Namen zeugt von der Parabel des Wachstums und des Niedergangs eines Ortes: Africo, Agdam, Agyra, Al Bara, Alta, Amendolea, Anadyrsk, Ani, Animas Forks, Antelope, Antuni, Apice, Arena, Arltunga, Armero, Asang, Ashio, Ashopton, Avi, Ayuttaya ...

Es sind verlassene urbane Landschaften, in denen Velasco die Bedeutung von Prekarität untersucht. An diesen Orten finden sich Rudel wilder Hunde zusammen, die durch die Landschaft und verlassene Gebiete ziehen und eine verlorene Form der Sozialität wiederherzustellen.

Da Velasco Vitali sein Hunderudel Branco als mobile skulpturale Gruppe versteht, kann die Aufstellung der Skulpturen mit ihren Posen, Gesten und Blicken immer neu kombiniert werden.

Er hat seine Installation Branco an zahlreichen geschichtsträchtigen Orten ausgestellt. Auf seiner Homepage findet sich ein reich bebilderter Überblick. Ich greife nur zwei Beispiele der letzten Jahre heraus.

Monument to Resistance (2020) ist ein Projekt, das auf zwei Ausstellungsorte aufgeteilt ist: den Mart Sculpture Garden und das Castel Ivano. Auch hier ist der Ausgangspunkt für die Entstehung der Serie die Beobachtung der nicht genehmigten Bauten und unvollendeten Projekte in Italien: bedrohlich, neugierig, schweigsam. Die Herden übertragen die Debatte über die Zerbrechlichkeit der Landschaft und ihren Schutz auf eine sehr menschliche Ebene. Der im Titel erwähnte Widerstand scheint also eine Form der Anpassung zu sein, die das Publikum einlädt, seine Beziehung zur Natur mit Empathie zu betrachten.  (vgl. Velasco Vitali)

 

Branco © Vescalo Vitali, Monumento alla resistenza, Castel Ivano

 

2021 belebt sein Rudel den Kreuzgang des Polizeipräsidiums und das Ucciardone-Gefängnis, Spazi Capaci - Comunità Capaci, in Palermo (vgl. Velasco Vitali hier und hier)

 

Branco, 2021 © Velasco Vitali, Spazi Capaci, Palermo, Foto Santi Caleca

Branco, 2021 © Velasco Vitali, Spazi Capaci, Palermo

 

Wie Velascos "Kreaturen" entstehen, kann man im Dokumentarfilm "Il gesto delle mani“ ("Scultura – Hand. Werk. Kunst") Italien, 2015, des Regisseurs und Kunstwissenschaftlers Francesco Clerici sehen. Der Film verfolgt den Entstehungsprozess einer Skulptur von Velasco Vitali von Wachs zu emaillierter Bronze in der Fonderia Artistica Battaglia in Mailand. (vgl. taz)

Gleicht die Werkstatt, in der Velasco Vitali an der Vorlage zu einer seiner überzeugenden Hundeskulpturen arbeitet, noch einem Atelier, so folgt der Film der Skulptur entlang der Arbeitsschritte in immer archaischer anmutende Räume. Die Erstellung der Gussform, das eigentliche Gießen, die Polierarbeiten an der fertigen Bronze – all das vollzieht sich heute noch in den gleichen Abläufen wie vor 2500 Jahren.

 

Atelier von Velasco Vitali

Atelieransicht von hier

Velasco Vitali (*1960 in Bellano/Italien, 1960) lebt und arbeitet in Mailand. Er begann seine Tätigkeit als Autodidakt in den späten 1970er Jahren und arbeitete mit Grafik, Zeichnung und Malerei. Er hat seine Arbeiten auf der Biennale von Venedig (2011) und auf der Biennale Gherdëina (2014) ausgestellt.

 

Alle Bilder © Velasco Vitali

 

Installation, Skulptur, Zeichnung
7. März 2022 - 10:58

Das ist Luca! Die Hündin der Künstlerin Kirstin Kolb 2010.

 

Luca, Zeichnung, 2010 © Kirstin Kolb

Luca, Zeichnung, 2010 © Kirstin Kolb

Luca, Zeichnung, 2010 © Kirstin Kolb

 

In jenem Jahr entscheidet sich Kirstin Kolb ihre Arbeit als Apothekerin aufzugeben und nur mehr künstlerisch tätig zu sein. Sie fertigt auch einen Aluminimguss von Luca an.

 

Luca, Detail, Aluminium, 2010 © Kirstin Kolb Luca, Aluminium, 2010 © Kirstin Kolb

Luca, Aluminium, 2010 © Kirstin Kolb Luca, Aluminium, 2010 © Kirstin Kolb

 

2015 folgt ein Bronzeguss einer Hundegruppe.

 

Hundegruppe, Bronze, 2015 © Kirstin Kolb

 

2016 und 2017 entstehen Gipsskulpturen von Tiergruppen mit Hund, Eule, Krähe, Fasan u.a.

Neben den Hunden, die ich Ihnen zeige, findet Kirstin Kolb ihre Motive meist in der heimischen und exotischen Tierwelt, aber auch der Mensch ist ein Thema. Die Anatomie wird akribisch studiert. Deshalb bestechen ihre in Bronze oder Aluminium gegossenen lebensgroßen Skulpturen durch ihren Realismus - die Künstlerin arbeitet nur gegenständlich - und erfreuen durch ihre Schönheit und Ästhetik.

Während Luca schwebend und zwischen Entspannen und Strecken, jedenfalls in vollkommenem Wohlbehagen und mit einem Lächeln dargestellt ist - in Wirklichkeit wird sie sich wohl gewälzt haben - ertragen die Gipshunde im doppelten Wortsinn ihre Bestimmung: der eine aufjaulend, der andere sie annehmend.

 

o T., Gips, 2016 © Kirstin Kolb

o T., Gips, 2017 © Kirstin Kolb

o T., Gips, 2017 © Kirstin Kolb

 

Neben der Bildhauerei prägen Malereien und Zeichnungen in und auf alten Büchern Kirstin Kolbs Werk. Dabei weiß sie nie, wie die Buntstifte, Acrylfarben und Tusche auf den Buchumschlägen, Buchrücken und Vorsatzpapieren aussehen werden, wie die Textilien und Papiere mit ihren Alters- und Gebrauchsspuren auf die neuen Farbmittel reagieren. Die Ästhetik und formalen Kriterien der antiquarischen Bücher hinsichtlich Farbigkeit, Ornamentik und Typographie werden von Kirstin Kolb ebenso in die neue Komposition miteinbezogen, wie die Buchtitel, die durch die Malerei konterkariert oder ergänzt werden.

In vielen Werken geht sie der Frage nach, wie viel Menschliches im Tier bzw. wie viel Tierisches im Menschen steckt.

 

Münchnerinnen, Zeichnung auf Büchern, 2021 © Kirstin Kolb
Münchnerinnen, Zeichnung auf Büchern, 2021

 

Werden oben die biertrinkenden Münchner von den Hunde-Münchnerinnen ergänzt?

 

Figaros Hochzeit, Zeichnung auf Büchern, 2019 © Kirstin Kolb
Figaros Hochzeit, Zeichnung auf Büchern, 2019

 

Shakespeare, Zeichnung auf Büchern, 2018 © Kirstin Kolb
Shakespeare, Zeichnung auf Büchern, 2018
 

Eine Fuchsjagdszene, die sich über 18 Bände Shakespeare erstreckt?

 

Windhund, Zeichnung auf Büchern, 2018 © Kirstin Kolb
Windhund, Zeichnung auf Büchern, 2018

 

Dürer, Zeichnung auf Büchern, 2019 © Kirstin Kolb
Dürer, Zeichnung auf Büchern, 2019

 

Das Werk heißt Dürer und das Buch Cultur der Renaissance: Spielt die Künstlerin mit dem Cyborg auf den Erfindungsreichtum der Renaissance und auf die Schöpfungskraft des humanistischen Künstlers an? Oder bezieht sich der Begriff Renaissance auf die Gegenwart? Ist der Cyberdog die moderne Wiedergeburt des Hundes als Roboter, der den vierbeinigen Freund und Partner als Therapie- und Pflegeroboter ersetzen will?

 

Daneben lieben, Zeichnung auf Büchern, 2020 © Kirstin Kolb
Daneben lieben, Zeichnung auf Büchern, 2020

 

Daneben lieben wird durch eine Mesalliance, eine unglückliche Verbindung von Partnern, die nicht zueinander passen oder zu passen scheinen, dargestellt. Der Wolf hat das Schaf sicher zum Fressen gern.

 

o.T., Zeichnung auf Büchern, 2020 © Kirstin Kolb
o.T., Zeichnung auf Büchern, 2020

 

Bismarck, Acrylfarbe, Tusche und Buntstifte auf Bucheinband, 2019 © Kirstin Kolb
Bismarck, Acrylfarbe, Tusche und Buntstifte auf Bucheinband, 2019
 

Militaer, Acrylfarbe, Tusche und Buntstifte auf Bucheinband, 2020 © Kirstin Kolb
Militaer, Acrylfarbe, Tusche und Buntstifte auf Bucheinband, 2020 © Kirstin Kolb

 

Statt Orden und Epauletten tragen die Hunde Chanel, Versace, Armani als Halsketten und Halsbänder. Sie scheinen die tierische Entsprechung zum Offizier von Eduard Thöny sein, einem Ulanen, der bis zum Ersten Weltkrieg an Wehrkraft eingebüßt hat und hoffnungslos unterlegen ist.

Seine durch die Rangabzeichen grotesk überhöhte Erscheinung und sein einfältig-verständnisloser Blick werden durch die glotzenden Rassehunde mit ihren Markenaccessoires zusätzlich unterstrichen. Ob der Träger in eine strenge militärische oder Hierarchie der Labels und Logos eingegliedert ist, ist ziemlich einerlei: Das Individuum verschwindet hinter seinen Rang- und Markenzeichen.

Kristin Kolb (*1962 in Braunschweig/D) studierte Pharmazie und arbeitete von der Approbation 1989 bis 2010 in Braunschweig und Berlin als Apothekerin. Seit frühester Kindheit galt ihr Interesse der Kunst, die immer mehr Raum einnahm, bis sie schließlich 2011 zur ausschließlichen Tätigkeit wurde. Mittlerweile lebt und arbeitet sie als freischaffende autodidaktische Künstlerin mit den Schwerpunkten Malerei und Zeichnung sowie Bildhauerei in Berlin.

 

Quelle: Homepage der Künstlerin, Kunkel Fine Art

alle Bilder © Kirstin Kolb
 

Malerei, Skulptur, Zeichnung
3. März 2022 - 10:24

Die in der Schweiz ansässige Künstlerin Jill Wäber nimmt sich der Beziehung zwischen Mensch und Hund an und bearbeitet das Thema in unterschiedlichen zeichnerischen Techniken und Formaten. Das Ergebnis ihrer intensiven Auseinandersetzung ist im Künstlerhaus S11 an der Schmiedengasse in Solothurn/Schweiz bis zum 5. März 2022 zu sehen.

 

© Jill Wäber

© Jill Wäber

© Jill Wäber

 

Auf den zweiten Blick erkennt man, dass sich neben den Hundeköpfen keine Pfoten, sondern menschliche Hände in verschiedenen Gesten befinden. Sind es nun anthropomorphe Pfoten der Hunde oder sind es menschliche Hände, die den Hunden zur Seite gestellt werden?  In der Tat ein "rätselhafter Moment des Zusammenkommens" (vgl. Vernissagerede von Martin Rohde).

 

© Jill Wäber

© Jill Wäber

© Jill Wäber

 

Zwölf kleinformatige Ölpastell-Zeichnungen drücken das Zusammenspiel von Mensch und Hund aus: Unterschiedliche Hunderassen in unterschiedlichen Bewegungen sind nur als Umriss mit Gesicht präsentiert, die Menschen sind farbenfroh als liegende, umfassende und beschützende Schatten wiedergegeben. Offensichtliche enge Zuneigung wird als Umarmung dargestellt,  Beziehungen werden ausgelotet. Dabei zeigt sich eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen Tier und Mensch aber auch eine gewisse Balance.

 

Porträt © Jill Wäber, Foto Hanswerner Bärtschi

Porträt © Jill Wäber

Porträt © Jill Wäber

 

Für die Ausstellung hat die Künstlerin auch ältere Monotypien mit Kreide überarbeitet. Eine Spurensuche für die Betrachtenden, die aus dem Liniengewirr - sie verdichten sich im Innern und verlaufen zu den Rändern - die Form des Hundes erst herauslösen müssen (vgl. ebd.). Auch wenn diese  Porträts nicht mit Ähnlichkeit arbeiten, versucht die Künstlerin Wesenszüge und Bewegung herauszuarbeiten.

 

© Jill Wäber

 

Der maskierte Hund auf rotem Untergrund trägt menschliche Züge. Die charmante Künstlerin präsentiert sich maskenlos.

 

Jill Wäber, Foto Hanspeter Bärtschi

 

Ein Stückchen gezeichnetes Fell!

 

© Jill Wäber, Foto Hanswerner Bärtschi

 

Jill Wäber (*1945 in Schottland) absolvierte von 1963–1967 die Glasgow School of Art. Ende der1960er Jahre hielt sie sich längere Zeit in der Elfenbeinküste und den USA auf. 2004 erhielt sie den sechsmonatigen Gastaufenthalt im Künstleratelier des Kunstvereins Olten in Genua. 2009 und 2011 folgten mehrmonatige Aufenthalte in Jiuquan, China. 1990 erhielt die Künstlerin den Werkjahrbeitrag des Kanton Solothurns und im Jahr 2000 den Preis des Kantons Solothurn für Malerei. In Solothurn, im Kanton und in der größeren Region war sie immer wieder mit Einzel- und Gruppenausstellungen präsent. Jill Wäber lebt und arbeitet in Basel.

Fotoquellen: S11, Solothurner Zeitung

 

Ausstellung, Zeichnung
22. März 2021 - 10:35

© Douglas Wirls

 

Was auf den ersten Blick wie ein Stachelschwein aussieht, ist ein Hund, der sich schüttelt.

 

© Douglas Wirls

 

Rhythmisch wälzen sich die Hunde. Mit schwungvoller Gestik gezeichnet, schütteln sie ihr Fell trocken. Zeichnungen im Fluss bilden Reigen an Hundekörpern, sich gegenseitig belauernd. Sie umkreisen einander abwartend, im Wissen darum, dass die Stimmung gleich umschlagen kann. Es kann laut werden und stürmisch zugehen. Der verwischte Hintergrund, aus dem Stellen frei radiert wurden, verstärkt die Dynamik des Geschehens. Mit fließenden Linien in Kohle, Rötel, Sepia sind seine Arbeiten kraftvoll, wild, dynamisch, aber auch lyrisch zart. Traditionell ist Douglas Wirls in seiner Kenntnis der Anatomie und in seiner genauen Naturbeobachtung.

 

© Douglas Wirls

© Douglas Wirls

© Douglas Wirls

© Douglas Wirls

 

Die Körper füllen den Raum aus, es gibt nichts daneben oder dahinter, und doch gehen die Zeichnungen weit über Hundestudien hinaus. Es gelingt dem Künstler über die Körpersprache der Hunde deren Interaktion und Kommunikation genau zu beschreiben: das gleichzeitige Stattfinden von abwarten, beobachten, auffordern, wegdrängen – ein Ritual des Kräftemessens. Mit Intensität und Sensibilität fängt er die emotionale Essenz einer Situation ein.

 

© Douglas Wirls

 

Der Hund unten gefällt mir besonders gut, obwohl seine Proportionen nicht richtig wirken: Der Kopf - vielleicht ein Dobermann - gehört zu einem sehr kompakten Körper, der Hals erscheint zu kurz. Vielleicht ist der Hund aber auch nur in die Jahre gekommen. Die verwischte Kohle bei der intimen, bis in die verborgenen Einzelheiten vordringenden Darstellung verstärkt einen unbeholfenen, unsicheren Eindruck.

 

© Douglas Wirls

 

Douglas Wirls (*1951 in Cleveland, Ohio/USA) hat in Philadelphia am Tyler College of Fine Art studiert. Er lebt seit mehreren Jahrzehnten in New York, wo er Grafik und Malerei  am Pratt Institute in Brooklyn unterrichtet.

alle Bilder © Douglas Wirls

 

Zeichnung
8. März 2021 - 10:53

Schon vor Jahren ist mir Bärbel Rothhaar mit ihren Bienenprojekten im Internet begegnet. Da diese nicht zu meinem Blogthema passten, blieb es bei der Speicherung eines Links. Manchmal stöbere ich in meiner viele Jahre alten Linksammlung und spüre einzelnen KünstlerInnen nach. Und siehe da: Bei Bärbel Rothhaar habe ich Patti gefunden!

 

Patti, 2015 © Bärbel Rothhaar

 

Das Bild ist aus vordergründig disparaten Elementen zusammengesetzt: formlosen wässrigen Flächen und lasierenden Flächen, die Schatten bilden; konzentrischen Linien, die auf eine Wasserlacke hindeuten; dem Hund und den Pflanzen. Die Wörter, es handelt sich um botanische Begriffe, verweisen auf das Dargestellte: Google erklärt es näher. Eustoma grandiflorum ist der großblütige Prärieenzian, früher als Lisianthus bekannt. Stamina (Mz.), die Staubblätter, sind die Pollen erzeugenden Organe bei zwittrigen oder rein männlichen Blüten der Bedecktsamer. Das Stigma (die Narbe) dient der Aufnahme des männlichen Pollen. Der Stylus (der Griffel) in einer Blüte ist der Teil eines Fruchtblatts oder Stempels, der die Narbe trägt.

Die gelbgrünen Formen sind die Pollen, hoch ästhetische Gebilde, die seit der Erfindung des Mikroskops nicht nur WissenschaftlerInnen, sondern auch KünstlerInnen immer wieder faszinieren.

Patti, ein Whippet, kratzt mit der Pfote im Wasser. Malerischer Zufall und wissenschaftliche Genauigkeit ergänzen einander in dieser auf Braun- und Grüntöne beschränkten Arbeit. Auch wenn ein Teil des Bildrätsels gelöst ist, bleibt die Kombination der Teile in dieser Malerei doch geheimnisvoll und unergründlich.

Bärbel Rothhaar arbeitet oft in Serien, wobei ihre Themen (Natur, Naturwissenschaften und Ökologie) bei unterschiedlichsten Kunstprojekten vorkommen und Querverbindungen mit anderen Werken, wie Skulpturen oder Performances, eingehen.

So bildeten Aspekte von Symbiosen zwischen Lebewesen 2015 den Ausgangspunkt eines Kunstprojekts im Botanischen Museum in Berlin. Auch hier richtete sich der Blick der Künstlerin auf die Pollen der Pflanzen - auf Ihre Rolle in der Symbiose zwischen Pflanzen- und Tierwelt und natürlich auf die enorm wichtige Rolle der Bienen bei der Bestäubung.

 

Patti, 2020 © Bärbel Rothhaar

 

In einem perspektivisch uneindeutigen Raum sitzt Patti auf einem nach vorne geneigten roten Hocker, von dem sie eigentlich herunterrutschen müsste. Den oberen Bildraum nimmt eine Art Brücke ein. Die Verbindung von Innen und Außen bleibt unklar. Auch hier wirkt die Zusammenfügung von Gegensätzen - ornamentalen und informellen Bildteilen - charmant und anziehend.

Unten ein kleines Bild (30 x 40 cm) eines Kojoten, der in einer flachen Kuhle liegt: Drückt er schlafend die bunten Blumen zusammen oder wurde er, der Verstorbene, mit Blumen bekränzt? Ich tendiere zu Letzterem. Vielleicht wurde er von einem Auto angefahren und blieb leblos am Straßenrand liegen. Und die Künstlerin hat ihn malerisch zur Ruhe gebettet.

 

Kojote, 2020 © Bärbel Rothhaar

 

Inzwischen kenne ich die Erzählung hinter "Kojote, 2020". Er lebte in der kalifornischen Mojave-Wüste und war einer der zahlreichen Kojoten in dieser Gegend: Ein räudiges, krankes Tier, das von Nathini, der Tochter der Künstlerin, versorgt wurde. Sie gab ihm gelegentlich Wasser und Futter, das mit Medikamenten gegen Räude gemischt war.

 

An einem Ostersonntag ging das Leben des Kojoten aber dann doch zu Ende und er hat sich dafür die Terrasse ihres Hauses ausgesucht, um dort in der Nacht zu sterben. Das Foto mit den Wüstenblumen ist bei der Kojoten-Beerdigung entstanden und es hat mich so sehr berührt, dass ich es malen wollte. (Bärbel Rothhaar)

 

Beides, sowohl das Bild als auch die Geschichte, berührt auch mich. Ein Kojote, der so großes Vertrauen zu einem Menschen hat, dass er dessen Terrasse als Rückzugsort zum Sterben wählt. Eine Frau, die nicht gleichgültig gegen das Leid eines Tieres ist, ihm im Leben hilft und auch nach dessen Tod seine Würde achtet, indem sie ihn mit Zuneigung zu Grabe trägt. Und eine Künstlerin, die die Erinnerung an "Kojote" festhält.

Hunde kommen auch in Bärbel Rothhaars Arbeiten auf Papier vor, in Mischtechnik oder mit Tusche.

 

Quiet Hour, 2020 © Bärbel Rothhaar

Hund, 2018 © Bärbel Rothhaar

 

Weniger emotional herausfordernd ist eine Serie von Aquarellen auf A4-Papier, die ab Sommer 2020 enstand und Mensch-Tier-Metamorphosen zum Inhalt hat, darunter vier mit Hunden. Der Mensch ist schon so lange mit dem Hund verbunden, dass die beiden Spezies eine große Nähe und gegenseitiges Verstehen entwickelt haben. Ja es kommt sogar zu physiognomisch frappierenden Ähnlichkeiten. Das bringt die Künstlerin mit viel Humor und genauer Beobachtung z.B. bei "Dog Lady" oder "Bulldog Man" zum Ausdruck. Hätte Letzterer andere Ohren, würde ich meinen Onkel erkennen!

 

Bulldog Man, 2020 © Bärbel Rothhaar

Dog Dancer, 2020 © Bärbel Rothhaar

Dog Lady, 2020 © Bärbel Rothhaar

Hundemetamorphose, 2020 © Bärbel Rothhaar

 

 

Bärbel Rothhaar widmet sich in ihrer Arbeit als bildende Künstlerin experimentellen Kunstformen, wie beispielsweise prozesshaften Arbeiten im Bereich Kunst und Natur, u.a. Kunstprojekten mit Bienenvölkern. Sie zeichnet (analog und digital), malt und beschäftigt sich mit Enkaustik, der Malerei mit erhitztem, pigmentiertem Wachs.

In den Jahren der Auseinandersetzung mit Bienen spielten für Bärbel Rothhaar viele Faktoren und Ereignisse eine Rolle, die den künstlerischen Prozess motiviert und in Gang gehalten haben:

Zuerst beschäftigte sie sich mit der überaus vielfältigen Bienensymbolik in allen Kulturen. Ab 1999 begann sie mit lebenden Bienenvölkern zu experimentieren. Sie setzte unterschiedliche Objekte - Zeichnungen, Knochen, Metallobjekte - in die Bienenkästen ein und ließ sie von den Bienen verändern und überbauen. Es ging bei dieser "Wildwuchs" genannten Kooperation um den Dialog ihrer eigenen künstlerischen Intention mit natürlichen Prozessen, die nicht immer kontrollierbar waren.

Einige Methoden ihrer Arbeit näherten sich fast der naturwissenschaftlichen Forschung an, ohne das Gleiche zu sein. Dazu gehören Fragestellungen als Motivation und Ausgangspunkt der Arbeit, Interesse am Prozessualen, aber auch Versuchsreihen und Selbstversuche. In "Sleeping in a Beehive" lebte die Künstlerin einige Wochen mit einem Bienenvolk in ihrer Wohnung.

Näheres über Bärbel Rothhaars Bienenprojekte können Sie auf ihrem Blog oder auf ihrer Homepage nachlesen.

Bärbel Rothhaar (*1957 in Rockenhausen/D) hat Bildende Kunst an der Universität der Künste Berlin studiert und anschließend am Whitney Museum Independent Study Program in New York teilgenommen. Sie erhielt zahlreiche Stipendien, u.a. von der Studienstiftung des Deutschen Volkes, dem DAAD, der Karl-Hofer-Gesellschaft Berlin sowie dem Hanse-Wissenschaftskolleg. Seit 1980 stellt sie im In- und Ausland aus und führt Projekte durch.

 

alle Bilder © Bärbel Rothhaar

 

Malerei, Skulptur, Zeichnung
5. Februar 2021 - 12:43

Dog 1, 2017 © Sabine Moritz

 

Der immer gleiche Hund läuft, sich umschauend, in einer verlassenen Stadt herum. Die Rollläden sind heruntergelassen. Die Geisterstadt ist in unterschiedlichen Abstraktionsgraden gemalt.

Im ersten Bild ist der Hund groß dargestellt, er spiegelt sich in den Wasserlacken, der Umraum ist nur gestisch expressiv bestimmt. Aussehen und inneres Erleben des Hundes scheinen in allen vier Bildern unverändert, nur äußere Stimmungs- und Wetterlagen ändern sich. Im zweiten Bild scheint etwas Ruhe eingekehrt, die Luft ist klarer.

 

Dog 2, 2017 © Sabine Moritz

Ghost Town I, 2016 © Sabine Moritz

 

Ghost Town I und II zeigen fast denselben Bildausschnitt, wobei sich der Hund in der unteren Darstellung nahezu in Farbschlieren auflöst, er noch abstrahierter, entmaterialisierter und düsterer ist.

In dieser expressiveren Variante hat der Hund die gleiche Farbigkeit wie seine Umgebung. Neben dieser kalten Farbgebung bringt die Unschärfe etwas Geheimnisvolles, Lebendiges, aber auch Bedrohliches ins Bild.

Ich habe nach Spuren gesucht, die mir verraten, wieso mich diese Bilder an Asien denken lassen, etwa an ein verlassenes chinesisches oder japanisches Dorf. Welche Spuren habe ich gefunden: Der Bildtitel "Ghost Town" klingt nach einem Thriller aus dem Fernen Osten, einem Eastern. Zeigen sich vielleicht Schriftzeichen im expressiven Duktus? Könnte nicht der blinde Samurai gleich zwischen den Häusern hervortreten?

 

Ghost Town II, 2016 © Sabine Moritz

 

Ganz falsch lag ich mit meiner Spurensuche nicht, denn die Bilder zeigen eine japanische evakuierte Stadt. Die deutsche Künstlerin Sabine Moritz hat die Bilder fünf Jahre nach dem Reaktorunglück von Fokushima nach einem alten Zeitungsfoto gemalt. Da die Einheimischen ihre Tiere zurücklassen mussten, blieb nur der verwaiste Hund im Bild. Die alte Heimat wurde für die ehemaligen BewohnerInnen und die Zurückgelassenen zur Gefahrenzone in dreckigem Katastrophengrau.

 

Dog, 2019 © Sabine Moritz

 

Sabine Moritz malt von Motiven, die ihr wichtig sind, mehrere Versionen, wobei sie den Bildausschnitt unterschiedlich skaliert oder die Bildwirkung durch die Wahl der Farben ändert. Damit dekontextualisiert sie das vorgegebene Motiv. Anstatt den Reaktorunfall zu malen, stellt sie dessen Auswirkungen dar und lässt uns im Unklaren darüber, was passiert ist.

 

Dog, 2017 © Sabine Moritz

 

Die Künstlerin wurde 1969 Quedlinburg in Ostdeutschland geboren und kam 1985 mit 16 Jahren in den Westen. Sie studierte zunächst an der Hochschule für Gestaltung Offenbach, bevor sie in die Kunstakademie Düsseldorf eintrat. Schon während des Studiums begann sie aus dem Gedächtnis zu zeichen, etwa die Plattenbausiedlung Lobeda nahe Jena, wo sie aufgewachsen war. Später zog sie für ihre Bilder auch Familienschnappschüsse, eigene Fotos und Zeitungsquellen zur Ergänzung der Erinnerung heran.

Und um Erinnerung geht es in vielen ihrer Werke: die Erinnerung an Ihren Vater, der bei einem Arbeitsunfall starb, als sie gerade vier Jahre alt war, die Erinnerung an die DDR, die ihr verloren schien und Heimweh verursachte, nachdem die Familie 1985 von Jena nach Darmstadt ausreisen durfte. In ihrer Malerei konkretisieren sich Moritz' Untersuchungen darüber, wie man sich erinnert und wie die Erinnerungen einer ständigen Veränderung und Verzerrung unterzogen sind, ja einem Verblassen anheimfallen. Mit ihren figurativen Bildern malt sie gegen das bevorstehende Vergessen an und erzählt gleichzeitig von persönlichen Erfahrungen, die Teil einer kollektiven Geschichte sind.

 

Ruin, 2017 © Sabine Moritz

Screenshot von Dog I-III, 2012 © Sabine Moritz
Screenshot von Marian Goodman Gallery

 

Ich war in meiner Bildersuche und Internet-Recherche schon weit fortgeschritten, als ich las, dass Sabine Moritz seit 1996 die Ehefrau von Gerhard Richter ist. Zuvor war sie seine Studentin in Düsseldorf. Das hat mich insoferne überrascht, als ich noch nie etwas von dieser großartigen und vielschichtigen Künstlerin gehört hatte.

Vielleicht hatte ich erwartet, dass ihr als Frau des weltberühmten Gerhard Richter viele Türen offen stünden. Doch das Gegenteil scheint hier der Fall zu sein. Vielleicht will niemand in Verdacht geraten, sie aufgrund ihres Ehemanns zu protegieren. Wie anders ist es zu erklären, dass es vergleichsweise wenig mediale Resonanz auf ihre Bilder gibt, obwohl ihre Arbeiten in Deutschland unter anderem in der Kunsthalle Rostock, Kunsthalle Bremerhaven, Von der Heydt Kunsthalle Wuppertal und international in London und Paris ausgestellt wurden. Allerdings ist ihr Werk in einer großen Anzahl von Katalogen präsent.

Bis zum 27. März 2021 zeigt die Galerie Pilar Corrias in London ihre Arbeiten in der Einzelausstellung ‘Mercy’. Neben großformatiger abstrakter Malerei und Zeichnung wird erstmals ihr fotografisches Werk ausgestellt. Sehr umfassend werden ihre Arbeiten auf der Homepage der Galerie gezeigt.

Die Künstlerin lebt und arbeitet in Köln.

Quellen: Marian Goodman Gallery, Galerie Pilar Corrias, Felix Ringel Galerie

alle Bilder © Sabine Moritz

 

Ausstellung, Malerei, Zeichnung
7. Oktober 2020 - 16:29

aus der Serie

 

Hat der kleine Chihuahua etwas gehört oder gerochen, das ihn in der Nacht aufstehen ließ, um in die Dunkelheit zu sehen? Fest steht er da und mutig blickt er ins Ungewisse.

 

aus der Serie Nachts kommen die Füchse, Öl auf Leinwand, 30 x 20 cm, 2018 © C

 

Vielleicht hat er sich weiter vorgewagt, bis zum Vorhang, die Ohren auf Empfang gestellt. Große Augen machen auch die seltsamen Köpfe der grotesken Wandmalerei, die das Interieur aus dem Gewöhnlichen, Vertrauten herausheben, es mit Rätselhaftigkeit erfüllen. Sieht er vielleicht auf die blaue Couch, auf der sein Mensch liegt? Setzt er sich wachend, bewachend und beobachtend dazu?

(…) Wie ein Schatten wandert er durch den Bildraum, wandelt ganz selbstverständlich durch private Räume. Ein kleiner Schoßhund und doch scheint der Betrachter nie so ganz zu wissen, was er im Schilde führt,

schreibt die Künstlerin über den kleinen Hund.

 

aus der Serie

 

Hier hat er sich zusammengerollt, die Augen fragend offen. Findet er keinen Schlaf in der blauen Stunde? Ist er unruhig, überkommt ihn gar die Melancholie ob seiner Grundeinsamkeit? Weder Pfotenbett noch Knochendecke können ihm Geborgenheit geben, Unbeschwertheit und Spiel gehören wie der angeschnittene Fußball der Sphäre des Tages an.

 

aus der Serie Nachts kommen die Füchse, Öl auf Leinwand, 30 x 20 cm, 2018 © C

 

Ich zeige Ihnen nur die Bilder mit Hund, die in Caroline Salfingers Serie "Nachts kommen die Füchse" immer wieder als Motiv auftauchen. Ich habe zu den Bildern eine kleine Geschichte assoziiert. Mit ihrer Serie, die einer Erzählung des niederländischen Autors Cees Nooteboom entlehnt ist, zeigt die Künstlerin allerdings eine bildnerische Narration, die eine Welt erschafft, in der sich Episoden, Ereignisse und Beobachtungen lose aneinanderreihen.

Damit der durch die Nacht des Bewusstseins irrende Geist nicht den Füchsen anheimfällt, passt der Hund in seiner mythologischen Rolle als Grenzgänger und Wächter auf. Er vermittelt zwischen den Welten und führt einen durch die Dunkelheit, sodass man sich nicht in ihr verliert und den eigenen Füchsen ausliefert. Dennoch wird sich nur derjenige, der seinen Hund gut behandelt, auch seine animalischen Bedürfnisse respektiert und ihn nicht mit brutaler Härte zu formen versucht, auf ihn verlassen können.

Lesen Sie hier Caroline Salfingers vollständigen Text zu "Nachts kommen die Füchse".

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aus der Serie Nachts kommen die Füchse, Öl auf Leinwand, 120 x 80 cm, 2018 ©

 

In "Follow me" verflicht die Künstlerin die Thematiken des Kontrollverlusts, der Bewusstseinserweiterung, der ins Unterbewusstsein verdrängten wüsten, animalischen Seite der menschlichen Psyche und des Todes mit Elementen der mesoamerikanischen Mythologie. Sie bezieht sich dabei auf die Arbeit "Untilled" des niederländischen Künstlers Pierre Huyghe, die er 2012 bei der dOCUMENTA (13) gezeigt hat.

Huyghe installierte in der Kasseler Karlsaue eine Anordnung pflanzlicher, mineralischer, tierischer und menschlicher Elemente. Inmitten einer üppigen Flora aus psychoaktiven Pflanzen stapelten sich auf dem schlammigen Boden Betonplatten und andere Baustoffe. Auch eine Betonskulptur fand sich auf dem von zwei Hunden durchstreiften Gelände.

Vielleicht können sie sich an Fotos des weißen Podencos mit dem rechten rosa Vorderbein erinnern, wahrscheinlich eines der meist fotografierten Motive dieser dOCUMENTA.

 

Follow me, Öl auf Leinwand, 100 x 80 cm, 2017

 

Durch den Konsum psychoaktiver Pflanzen wie der Salbeiart Salvia Divinorum oder dem Peyote-Kaktus glaubten die Azteken mit der Götterwelt in Verbindung treten zu können und auf der langen Reise durch die Unterwelt wurde man ihrer Vorstellung nach von einem Hund geführt. (…) Erst mit einem Hund an seiner Seite kam man in der Unterwelt weiter – nur wer dem Instinktiven vertraut, sich vom Animalischen leiten lässt, gelangt in die unteren Schichten des Bewusstseins. Dem Hund zu folgen und damit die Kontrolle abzugeben, hieße sich auf Verdrängtes einzulassen und nur wer sich diesem stellt, kann zur Ruhe kommen. (Caroline Salfinger hier)

 

In Salfingers Paraphrase wird aus dem Podenco ein Chihuahua. Das gefällt mir ganz besonders gut, dass dieser kleine unterschätzte Hund, der aber alle Wesensmerkmale seiner großen Artgenossen hat, zum Führer durch die Unterwelt wird. Wir müssen ihm nur folgen und vertrauen, wir müssen uns ihm nur anvertrauen, wenn wir sein Terrain betreten.

Auch zu diesem Werk können Sie das vollständige Konzept hier nachlesen.

 

© Caroline Salfinger

 

Caroline Salfinger (*1991 in Grieskirchen/Österreich) studierte zwischen 2010 und 2018 Bildende Kunst, Malerei und Grafik sowie Angewandte Kultur- und Kunstwissenschaften an der Kunstuniversität Linz. Sie lebt und arbeitet in Oberösterreich.

alle Bilder © Caroline Salfinger

 

Malerei, Zeichnung
6. Juli 2020 - 11:02

Karl Weschke, Feeding Dog, 1976-77 © The Estate of Karl Weschke

 

Ein Hund steht hinter einem Stück Fleisch, als würde er es bewachen. Es ist Dankoff, der Borsoi des Künstlers Karl Weschke, der in den 1960er und 1970er Jahren eine Reihe von Gemälden mit Pferden oder Hunden malte. Der Künstler selbst hat das Bild als "ein Hund in einer bestimmten Landschaft unter bestimmten Umständen" ('a dog in a particular landscape in a given circumstance' ) beschrieben. Der Hund hat eine symbolische Rolle für ihn übernommen und starke Erinnerungen an bestimmte Ereignisse in seiner Kindheit hervorgerufen. Er symbolisiert einen Kampf ums Überleben, wobei die karge Landschaft ein Gefühl der Abwehr und Isolation verstärkt.

Dankoff steht auf der Klippe beim Haus des Künstlers in Cape Cornwall, einem Ort, der in Weschkes Werk immer wieder auftaucht, z.B.in Feeding Dog von 1976-77.

 

Karl Weschke, Portrait of a Dog, 1975-78 © © The Estate of Karl Weschke 
 

1960 zog der gebürtige Deutsche, der nach der Kriegsgefangenschaft in Großbritannien blieb, in dieses kleine abgelegene Haus. Die umgebende Landschaft war rau und abweisend, öde Moore auf der einen Seite und die Weite des Atlantiks auf der anderen. Der Blick aus seinem Atelier schweifte über den trostlosen Landstrich mit seinen Farnkraut- oder Ginsterkulturen und über den Atlantik. Weschke liebte und respektierte das Meer, sowohl als Taucher als auch als Künstler, und malte es in vielen Stimmungen.

Hier fand Weschke die Nähe zur Natur, die seine Arbeit zweifellos beeinflusst hat. Die selbst auferlegte Isolation von Cape Cornwall hat auch Weschkes Selbstidentifikation als künstlerischen Außenseiter und als Exilanten verstärkt.

Auch oben wird Dankoff gänzlich ohne Sentimentalität gemalt, die Darstellung des Borsoi ist das Ergebnis von Weschkes genauer Beobachtung des Hundes.

Weschkes Landschaften sind trostlose, elementare Orte: bedrohlich oder Angst einflößend, Lebewesen erscheinen marginalisiert und isoliert. Die einsame Präsenz von Figur, Tier oder Baum ist das wiederkehrende Motiv in seinem Werk und suggeriert eine Affinität zum Existenzialismus. Seine Landschaften, das Alltägliche und Mythische artikulieren große einfache Wahrheiten. Individuelles Erleben übersetzt er in Bilder von universeller Bedeutung.

 

Karl Weschke, Dog Dankoff, 1969 © Jonathan Clark & Co
 

Für einen Großteil seines Lebens dominieren Erdfarben seine Malereien, erst seine Reisen nach Ägypten in den 1990er Jahren befreiten Weschkes Sinn für Farbe. Auch Dankoff fügt sich farblich in die hügelige Umgebung ein, die ihn fast zu erdrücken scheint. Der schlanke Borsoi ist monumental, voluminös und mit expressiven Pinselstrichen gemalt.

Karl Weschke (*1925 in Taubenpreskeln/D, gest. 2005 in Cornwall/GB) hat ein bewegendes und bemerkenswertes Leben geführt.

Er wächst in zerrütteten Familienverhältnissen auf, lebt als Straßenkind, wird in die Hitlerjugend aufgenommen und tritt in die Luftwaffe ein. 1945-48 verbringt er in britischer Kriegsgefangenschaft. Er beginnt zu malen und Skulpturen herzustellen. 1949 war er ein Semester lang Kunststudent in St. Martin und beschloss dann, seinen eigenen autodidaktischen Weg zu gehen. Danach lebt er kurz in Spanien und Schweden, bevor er sich 1955 in der Grafschaft Cornwall niederlässt, zuerst in Zennor, ab 1960 in Cape Cornwall. Ab 1958 stellt er in Einzel- und Gruppenausstellungen aus. 1998 erscheint die erste Monographie über sein Werk. Ein Jahr vor seinem Tod findet in seiner Wahlheimat in der Tate St. Ives eine Retrospektive statt und eine breitere Öffentlichkeit wird auf sein Werk aufmerksam. In Deutschland ist er bis heute kaum bekannt.

 

Karl Weschke, Woman and Dog, 1971 ©  © Belgrave St Ives

Karl Weschke, Portrait of Dog Dankoff, c 1975 © Jonathan Clark & Co

 

Im Anschluss noch Links zu ausführlichen und lesenswerten Beschreibungen von Weschkes Leben und Werk:

Independent, The Telegraph, Ben Tufnell, Der Spiegel, johnathan clark fine art

 

Malerei, Zeichnung
9. November 2019 - 10:53

Heute schauen wir uns gemeinsam die Bilder von Nettle Grellier an!

 

© Nettle Grellier

 

In ihren früheren Arbeiten - Stillleben im Übergang zu Interieurs - versammelt Nettle Grellier Menschen und Hunde oft um den Küchentisch oder auf dem Sofa, um deren Beziehung zueinander zu erforschen.

Sie widmet aber nicht nur den Lebewesen viel Aufmerksamkeit, auch die Gegenstände wirken fast beseelt. Die Künstlerin, die vom Stillleben kommt - sie malte Früchte, Gemüse, Küchenutensilien - zeigt uns Dinge, die ihr am Herzen liegen, Keramiken, die Freunde angefertigt haben und Bücher, die ihr wichtig sind. Sie kommen als Referenz ins Bild.

Ergänzt werden Mensch, Tier und Requisiten durch ein Sammelsurium an Texturen und Stoffmustern, gemeinsam dargeboten in verzerrter, aufgeklappter Perspektive und expressiver Farbigkeit. Trotz der Buntheit entstehen verträumte Bilder, die kleine Geschichten vom Zuhause erzählen.

 

© Nettle Grellier

© Nettle Grellier

One about how it won't stop doing that kind of snow that doesn't even settle © N

 

Zwei Menschen und zwei Hunde ins Bild gedrängt; barfüßige Körper füllen die Leinwand aus; ein Gewirr an Armen und Beinen bringt Unruhe in die untere Bildhälfte, während die obere Hälfte durch die Ruhe der berührenden und beschützenden Hände bestimmt ist.

In diesem für Nettle Grellier ganz typischen Bild, wird deutlich, worum es ihr geht: Sie möchte uns Menschen (und Hunde) zeigen, die sich in der Nähe des anderen wohl- und auch sicherfühlen: Freundschaften sollen in einer komplexen, reizüberfluteten, individualisierten Welt ein Gefühl der Sicherheit und Gemeinschaft geben, uns gegen die Turbulenzen in einer zerrütteten Welt wappnen.

Und sie möchte auch, dass wir Betrachter das aus ihren Bildern mitnehmen und in unserem Leben umsetzen. Ihre Bilder sind Handlungsanweisungen, die uns zu Freundlichkeit, Gemeinschaftssinn und gegenseitiger Unterstützung ermutigen sollen.

 

You and you and you and me © Nettle Grellier

Daybed © Nettle Grellier

 

Jedes ihrer Gemälde wird von einem universellen Gefühl bestimmt. Sie beginnt einen Körper in das Skizzenbuch zu zeichnen und dann einen anderen mit ihm zu verbinden, dann weiter zu überarbeiten und Körper hinzuzufügen, bis sie mit der Komposition zufrieden ist.

Bei den Ölbildern beschränkt sie sich entweder auf eine Palette, die sich überwiegend aus fleischigem Pink, Rottönen und erdigem Braun und Grün zusammensetzt. Oder sie wählt eine begrenzte Farbpalette, die den Gefühlen zwischen den Figuren entspricht.

 

Whittling Will could not sit still he whittled and whittled at table © Nettle Gr

The closer you get, 2019 © Nettle Grellier

 

Ein Kreis an Berührungen! Die Menschen berühren sowohl einander als auch die Hunde. Jeder darf da sein und hat Platz, das Miteinanderleben ist entspannt und unangestrengt. Die zarten Gemälde von Nettle Grellier zeigen, wie alle den Raum gleichberechtigt einnehmen können.

 

Give bees a chance, 2019 © Nettle Grellier

Where we went to dance © Nettle Grellier

Drawing © Nettle Grellier

Yeah alright © Nettle Grellier

To do to do © Nettle Grellier

© Nettle Grellier

© Nettle Grellier

Ow, fuck off I love you (an ode to Frida) © Nettle Grellier

 

Nette Grellier erzählt in ihren Bildern Geschichten von Nähe und Intimität und sie erzählt Geschichten vom Zuhause, das immer dort ist, wo uns andere schützend und gütig umgeben.

 

Loves Asleep in Llanrhystud © Nettle Grellier

Drawing © Nettle Grellier

 

Hello and Goodbye!

 

A Picture of Frieda's bedtime routine which involves a lot of wriggling © Nettle

 

Nettle Grellier (*Stroud/ Gloucestershire/GB) - sie kommt aus einer künstlerischen Familie - hat an der Universität Brighton Malerei studiert. 2015 ist sie mit ihrem Freund George Lloyd-Jones in einem umgebauten Lastwagen nach Europa gereist und hat sich auf einem alten Bauernhof in Spanien niedergelassen. 2017 kehrten die beiden mit ihrem geretteten Hund Patata nach England zurück. Hier kam auch die Hündin Frida zur Familie.

 

Quellen: It's Nice That, Young Space, Irina & Silviu

alle Bilder © Nettle Grellier

Malerei, Zeichnung
13. Juni 2019 - 10:50

Rodney van den Beemd arbeitet sehr schnell - wie in einem Fluss - und expressiv, wenn er seine Tusche-Skizzen von Fotos anfertigt. Dabei abstrahiert er stark und setzt sich mit der Frage auseinander, wann die Malerei fertig ist. Soll man daran weiterarbeiten, noch mehr Information hinzufügen, auf die Gefahr hin, dass die Spontaneität und Frische verloren geht?

Während die ähnlichen Grauwerte bei der unteren Arbeit eine Gemeinsamkeit des Paares mit dem Hund erzeugen - gemeinsam gehen sie ins nicht näher bezeichnet Diffuse, wendet sich der klar konturierte Black Dog von seinem menschlichen Begleiter ab. Die starke formale Abgegrenztheit korrespondiert mit seiner Autonomie.

o.T. © Rodney van den Beemd

 

Black Dog © Rodney van den Beemd

 

Und während ein Hund in Bewegung begriffen ist und sich die flächig aufgetragene Tusche nach hinten zur Linie auflöst, steht der andere so kompakt und stabil, dass wir seinen Schatten sehen!

Rodney selbst meint, dass der Schatten nicht dem Hund entspricht und wie der Schatten eines Deutschen Schäferhundes aussieht. Von alleine wäre mir das nicht aufgefallen, aber wenn man genau hinsieht, merkt man, dass der Schatten die Ohren spitzt. Ob er horcht, was sein Schöpfer sagt?

o.T. © Rodney van den Beemd

o.T. © Rodney van den Beemd

 

Ich habe Rodney schon einmal vorgestellt, manchmal schickt er mir nun einen gezeichneten Gruß. Ich glaube ich habe ihn dazu angeregt vermehrt Hunde zu zeichnen. Über beides freue ich mich sehr!

 

alle Bilder © Rodney van den Beemd

 

Malerei, Zeichnung