Skulptur

12. Juni 2023 - 9:31

Winter, 2020 © Hannes Mussner

 

Schon auf den ersten Blick erinnerten mich Hannes Mussners figürliche Holzarbeiten an die Skulpturen von Stephan Balkenhol. Ich war also wenig überrascht, als ich las, dass er bei ihm Meisterschüler ist.

Und doch gibt es einen Unterschied zu den Arbeiten seines Lehrers: Seine Menschen sind fragiler, sehnsüchtiger, suchender.

 

Winter, Detail, 2020 © Hannes Mussner

 

Der Mann in "Winter" sieht aus, als wäre er gerade erwacht, als würde ihm gerade Leben eingehaucht. Aufrecht steht er da, mit großen fragenden Augen und staunend geschürzten Lippen, mit einem existenzialistischen schwarzen Rollkragenpullover und aufgestelltem Mantelkragen für das Leben förmlich "gerüstet". Was wird aus ihm werden?

Mussners Menschen sind Individuen, gemeinsam ist ihnen das noch Unbestimmte, das sie zum Träger existenzieller Fragen werden lässt.

Neben den selbstbezogenen menschlichen Figuren sind auch Hunde ein Thema für Hannes Mussner, weshalb er Eingang in diesen Blog findet. Da meine ersten beiden Hunde Mittelschnauzer waren, freut es mich besonders, dass er diese Rasse in Holz und Bronze verewigt hat. Der "Schauzer im Schnee" und der wesentlich kleinere schwarze "Abraxas" sehen sich sehr ähnlich. Dazu der Künstler in einem Interview:

 

Ich mag Hunde sehr gern. Der Schnauzer wirkt bedrohlich, ist aber im Grunde ein sehr braver Hund. Die schneeweißen Pfoten verweisen auf seinen verspielten Charakter. Sein kleineres Spiegelbild in Schwarz erfüllt dagegen die Klischees eines Höllenhundes, obwohl Abraxas als mythologischer Ursprung eines göttlichen Urwesens gilt. Durch den Vergleich der beiden Figuren provoziere ich Vorurteile zu reflektieren und sie vielleicht sogar zurechtzurücken.

 

Schnauzer im Schnee, 2022, Zirbelkieferholz, Acrylfarbe © Hannes Mussner

 

Abraxas, 2022, Bronze © Hannes Mussner

 

Als Bildhauer verwendet er in seiner Formsuche Ton, Wachs, Gips, Kunstharz und andere Materialien, am wichtigsten ist ihm aber Holz, weil,

 

Holz in seinen Eigenschaften und  in seiner Komplexität, als einmal lebendige Materie, sein Wachstum, die Zeit, Fasern, Knoten und Wunden, die es in sich trägt, dem Menschen und Tieren als Material am ähnlichsten ist. (Mussner hier)

 

Meistens modelliert er zuerst kleine Modelle in Ton oder Wachs, bevor er mit der Gestaltung in Holz beginnt. Mit jeder Holzart kann er seinen Skulpturen unterschiedlichen Ausdruck verleihen. Das raue Pappelholz verwendet er, wenn er eine expressive materialbetonte Oberflächenbehandlung erreichen will, Lindenholz hingegen für glatte Haut. Natürlich ist der Schnauzer mit seinem rauen Haarkleid aus Pappelholz.

 

Abraxas, 2020, Pappelholz, Acryl © Hannes Mussner

 

Hannes Mussner (*1989 in Bozen/Italien) lebt und arbeitet zwischen Wolkenstein in Gröden/Italien (ITA) und Karlsruhe. In St. Ulrich in Gröden besuchte er einen Spezialisierungslehrgang für Holzbildhauer und sammelte Erfahrungen im Atelier des Künstlers Aron Demetz. Seit 2017 studiert er Freie Kunst an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe in der Klasse von Stephan Balkenhol, dessen Meisterschüler er 2023 wird.

Quellen: Schabel Kultur-Blog, Galerie OH, Galerie Schmalfuss Berlin

alle Bilder © Hannes Mussner

 

Skulptur
1. Juni 2023 - 11:11

Sollten Sie im Sommer London besuchen wollen, kann ich Ihnen folgende Ausstellung ans Herz legen: Großartige Hundeporträts - über die Jahrhunderte hinweg - sind noch bis zum 15. Oktober 2023 in der Londoner Wallace Collection zu sehen. Die mit Spannung erwartete Ausstellung war coronabedingt verschoben worden.

Anhand von sorgfältig ausgewählten Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen und sogar Tierpräparaten beleuchtet die Ausstellung "Portraits of Dogs: From Gainsborough to Hockney" die einzigartige Verbindung zwischen Menschen und ihren vierbeinigen Partnern.

Hunde sind nicht nur die besten Freunde des Menschen, sie gehören auch zu seinen besten Musen. Seit Jahrhunderten lassen sich Künstler und Künstlerinnen von ihren vierbeinigen Familienmitgliedern inspirieren. Sie fertigten  Porträts an, um Gefühle auszudrücken und Momente in Erinnerung zu behalten. Die Zeitlosigkeit dieser Zuneigung wird durch die große Auswahl an Werken in der Wallace Collection unterstrichen.

Hundeporträts entwickelten sich als künstlerische Gattung zeitgleich mit ihren menschlichen Gegenstücken - Hunde sind auf den frühesten Höhlenmalereien neben Menschen dargestellt - und erlebten ihre Blütezeit, insbesondere in Großbritannien ab dem 17. Jahrhundert. Mehr als jede andere Nationalität haben die Briten Hundeporträts in Auftrag gegeben und gesammelt.

Bei der Auswahl der Werke wurde bewusst darauf geachtet, dass kein Mensch zu sehen ist. Trotz dieser Abwesenheit verraten die in Auftrag gegebenen Porträts ebenso viel über die Besitzer wie über die Hunde selbst, denn die Persönlichkeit der Besitzer spiegelt sich im Charakter ihres geliebten Haustiers wider. Hinter jedem dargestellten Hund steckt eine menschliche Geschichte - manchmal oberflächlich, manchmal traurig.

 

Unknown artist, Roman, The Townley Greyhounds, 1st-2nd century CE © The Trustees
Unknown artist, Roman, The Townley Greyhounds, 1st-2nd century CE
© The Trustees of the British Museum

 

Das älteste Exponat der Ausstellung ist eine römische Marmorskulptur aus dem späten ersten Jahrhundert, die zwei Windhunde zeigt und eine Leihgabe des Britischen Museums ist. Die als "Townley Greyhounds" bekannte Skulptur zeigt die emotionale Verbindung zweier liebevoll umschlungener Hunde, was angesichts ihres frühen Datums vielleicht überrascht - und ist möglicherweise die früheste Darstellung des "Vertragus"-Hundes, einer keltischen Rasse, die als Vorläufer des Windhundes gilt und von den Römern sehr geschätzt wurde.

 

Leonardo da Vinci, Studies of a Dog's Paw (verso), National Galleries of Scotlan
Leonardo da Vinci, Studies of a Dog's Paw (verso), National Galleries of Scotland.
Purchased by Private Treaty Sale with the aid of the Art Fund 1991
© National Galleries of Scotland

 

Die um 1490-95 entstandene Metallstiftzeichnung von Leonardo da Vinci zeigt vermutlich die linke Vorderpfote eines Hirschhundes. Auf dieser wissenschaftlich-künstlerischen Zeichnung konzentriert sich Leonardo da Vinci auf die Anatomie der Hundepfote, die Gelenkigkeit der Sehnen, die Art und Weise wie die beiden scharfen Vorderkrallen eng beieinander liegen und die weichen, haarlosen, stoßdämpfenden Ballen darunter.

 

Unknown artist, Dog lying on a ledge, 1650-80 © Ashmolean Museum
Unknown artist, Dog lying on a ledge, 1650-80 © Ashmolean Museum

 

Der Hund auf einem Felsvorsprung ist eine wunderbar einfühlsame Hommage an den einfachen Straßenhund - im Gegensatz zur üblichen Darstellung von Jagdhunden oder höfischen Schoßhündchen. Sein äußerst realistisches Aussehen und die emotionale Intensität der dunklen Atmosphäre, die ihn umgibt, lassen vermuten, dass der Künstler durch stundenlanges genaues Betrachten eine enge Verbindung zu dem Hund entwickelte. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dieses Gemälde Zurbarán und später Velázquez zugeschrieben. Der Künstler könnte ein Genueser gewesen sein, und es wird eine Zuschreibung an Giovanni Agostino Cassana (geb. nach 1659-1720) vorgeschlagen.

 

Jean-Jacques Bachelier, Dog of the Havana Breed, 1768, oil on canvas, French Sch
Jean-Jacques Bachelier, Dog of the Havana Breed, 1768, oil on canvas, French School,
© The Bowes Museum, Barnard Castle

 

Hundeporträts können auch eine sehr persönliche Hommage an geliebte Haustiere sein. Zwerghunde, Miniaturrassen, die nur wegen ihrer Gesellschaft geschätzt wurden, sind häufig auf diese Weise dargestellt worden, insbesondere im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Jean-Jacques Bachelier malte einen verwöhnten Havaneser auf seinen Hinterbeinen stehend, der eine hübsche rosa Schleife trägt. Anscheinend hat er beim Versuch einen Schlapfen in seine samtene luxuriöse Hundebehausung zu tragen, ein kleines Durcheinander angestellt. Niemand wird ihm böse sein! Man ist versucht, sich einen solchen Hund bei Madame de Pompadour oder Marie-Antoinette vorzustellen.

 

Thomas Gainsborough, Tristram and Fox, c.1775–85 © Tate Images
Thomas ç Tristram and Fox, c.1775–85 © Tate Images

 

Thomas Gainsborough, einer der großen britischen Maler der 18. Jahrhunderts, besaß eine große Liebe und enge Beziehung zu Hunden und stellte sie in zahlreichen Porträts und Landschaftsbildern dar. Auch seine eigenen Haustiere, der Spaniel Tristram und der Collie Fox, durften für ihn Porträt sitzen. Doch ob Tristam und Fox, die er um 1775 auf der Leinwand verewigte, wirklich so lange stillsitzen konnten? Vermutlich malte er sie eher aus dem Gedächtnis heraus. Dass das Gemälde über dem Kamin im Haus des Künstlers hing, lässt vermuten, dass er die Hunde als Familienmitglieder betrachtete. Gelegentlich gab sich der Künstler als Fox aus, wenn er seiner Frau nach ihren Meinungsverschiedenheiten Entschuldigungsbriefe schrieb, die er an Tristram adressierte.

 

James Ward, Fanny, A Favourite Dog, 1822. By courtesy of the Trustees of Sir Joh
James Ward, Fanny, A Favourite Dog, 1822.
By courtesy of the Trustees of Sir John Soane’s Museum, London

 

Fanny, der kleinen Manchesterterrier des Architekten John Sloane, sitzt inmitten einer klassizistischen Fantasielandschaft. Sloane hatte sich nach dem Verlust seiner Frau mit dem Hund angefreundet und gab dieses Gemälde bei James Ward in Auftrag, nachdem auch Fanny verstorben war.

 

Edwin Landseer, Doubtful Crumbs, 1858-1859 © The Trustees of The Wallace Collect
Edwin Landseer, Doubtful Crumbs, 1858-1859 © The Trustees of The Wallace Collection

 

Edwin Landseer war ein Meister der Tiermalerei und ist vor allem für seine Fähigkeit bekannt, Hundeporträts mit Bedeutung und Moral zu versehen, wie es im 19. Jahrhundert üblich war. In "Doubtful Crumbs" spielt er auf den armen Lazarus aus dem Lukas-Gleichnis an. Es zeigt einen hungrigen Straßenterrier, der sich nach einem Bissen der Mahlzeit eines Bernhardiners sehnt, der nach dem Essen eingedöst ist. Diese Symbolik ist den viktorianischen Reformern nicht entgangen, die sich der sozialen Ungleichheit sehr bewusst waren und das Wohlergehen der verarmten städtischen Arbeiter verbessern wollten.

 

Edwin Landseer, Hector, Nero and Dash with the Parrot Lory, 1838 Royal Collectio
Edwin Landseer, Hector, Nero and Dash with the Parrot Lory, 1838
Royal Collection Trust © His Majesty King Charles III, 2022

 

In der Ausstellung wird die Liebe der Briten zu Hunden bis zu Königin Victoria zurückverfolgt, die ihre Spaniels so sehr liebte, dass sie als Amateurin selbst Bleistift- und Aquarellskizzen anfertigte und regelmäßig Gemälde von ihnen und den Hunden ihrer engsten Freunde in Auftrag gab.

 

Edwin Landseer, Old Shepherds Chief Mourner, 1837
Edwin Landseer, Old Shepherds Chief Mourner, 1837

 

Die enge Bindung, die wir im Leben zu Hunden aufbauen, führt dazu, dass wir nach ihrem Tod oft überwältigende Gefühle des Verlusts empfinden. Landseer, überträgt den menschlichen Trauerprozess geschickt auf einen Collie, der zeigt, dass auch Hunde über den menschlichen Verlust trauern und über den Tod hinaus loyal sind. In der zutiefst bewegenden Szene in klarer und ausdrucksstarker Bildsprache ruht der Hund mit seinem schweren Kopf auf dem Sarg seines Herrn, so als ob er über das Leben allein nachdenken würde. Von menschlichen Trauernden verlassen, bleibt der Hund ein treuer Begleiter.

 

Rosa Bonheur, Brizo, A Shepherd's Dog, 1864 © The Trustees of The Wallace Collec
Rosa Bonheur, Brizo, A Shepherd's Dog, 1864 © The Trustees of The Wallace Collection

 

Obwohl sie vor allem für ihre Pferdebilder bekannt war, liebte Rosa Bonheur alle Arten von Tieren, einschließlich der Hunde. Es wird vermutet, dass Brizo, ein Otterhund, ihr eigener Hund war. Der Hinweis auf einen Schäferhund im Titel stammt aus dem ersten Katalog der Gemälde der Wallace Collection, der im Jahr 1900 veröffentlicht wurde.

Rosa Bonheur hat Brizos individuellen Charakter wiedergegeben: Mit sorgfältigen Details, sanfter Lichtsetzung und wachen Augen, die hinter dem zerzausten Haar hervorlugen, erschuf sie ein lebensnahes Porträt dieser aufgeweckten und zielstrebigen Hundepersönlichkeit. Brizo ist der Name einer antiken griechischen Göttin, die von den Frauen auf Delos als Beschützerin der Seeleute und Fischer verehrt wurde.

Die grobe Qualität und die schiefe Anordnung des Wortes "Brizo" über dem Hund spiegeln nicht die sorgfältige Arbeit wider, die Bonheur in ihre Gemälde gesteckt hat. Der Name "Brizo" wurde vermutlich dem Gemälde hinzugefügt, nachdem es Bonheurs Hände verlassen hatte.

 

David Hockney, Dog Painting 41, 1995 © David Hockney. Photo Credit Richard Schmi
David Hockney, Dog Painting 41, 1995 © David Hockney.
Photo Credit Richard Schmidt Collection The David Hockney Foundation

 

Mehrere Gemälde zeigen David Hockneys Dackel Stanley und Boodgie, die er 1987 adoptierte. Sie sind ein rührendes und eindrucksvolles Zeugnis für die Rolle, die die Hunde in seinem Leben spielten: 1995 präsentierte er eine Serie von fünfundvierzig Ölgemälden seiner pelzigen Gefährten! Indem Hockney die beiden Hunde schlafend oder auf ihrem farbenfrohen Kissen sitzend darstellt, schafft er ein starkes Gefühl von Intimität und Unmittelbarkeit. Obwohl der Dackel ruhig sitzt, habe ich doch den Eindruck, er horcht gespannt und schielt wachsam herüber, bereit für ein neues Abenteuer!

Die Ausstellung wird von einem 155-seitigen, reich illustrierten Katalog begleitet: Faithful and Fearless: Portraits of Dogs, ISBN 978-1913875015

Quellen: The Wallace Collection, artuk

 

Ausstellung, Malerei, Skulptur, Zeichnung
16. Mai 2023 - 10:26

Wolf, 2016 © Irmela Maier

 

Mir ist die Auseinandersetzung mit dem lebenden Modell wichtig. Immer wieder, wenn ich ein Tier, einen Menschen zeichne, beobachte, gibt es einen Augenblick, der bleibt und wichtig ist. Wenn ich Glück habe, kann ich etwas davon festhalten (Irmela Maier zit. n. Dr. Sabine Heilig hier).

 

Diese Auseinandersetzung mit den Tieren findet in Tiergärten statt. Irmela Maier beobachtet deren Verhalten, Eigenarten, Blicke und Gebärden, studiert die Physiognomie und Anatomie, hält die Eindrücke ihrer Anschauung in Zeichnungen und Fotografien fest.

Affen, Elefanten, Wölfe sind ihre bevorzugten Modelle, weil sie mit dem Menschen in ihrem Sozialverhalten vergleichbar sind. Ihre Betrachtungen ergänzt sie um das Wissen aus Büchern und Abhandlungen. Sie will mehr über das Wesen der Tierarten erfahren, denen sie sich künstlerisch nähert und nicht auf die Auseinandersetzung mit deren Äußerlichkeit beschränkt bleiben.

Erst dann wendet sie sich dem plastischen Schaffen zu. Die kleineren Figuren führt die Künstlerin ganz in Ton aus. Für die annähernd lebensgroßen Darstellungen sind Kopf, Hände und Füße in Ton modelliert. Ihr Körper entsteht mit Maschendraht um ein Gerüst, gefüllt mit Fundstücken und Abfall (Kronkorken, Medikamentenbehälter, Kupferdrähte, Kunststoffe), die ihr als Recyclingmaterialien dienen. Der Körper ist z.B. umhüllt von einem Fell aus Drahtspänen.

 

Wolf, 2016 © Irmela Maier

 

Während die Künstlerin in der Modellierung von Gesicht, Händen und Füßen ganz in der Tradition des Porträts und des physiognomischen Ausdrucks arbeitet, sind in den Formen und Materialien des Körpers Anklänge an arte povera und trash art als künstlerischem Kontext zu erkennen. Ein Verweis auf die Vermüllung der Welt, die auch das Leben der Tiere beeinflusst?

 

Ausstellung Wald.Wolf.Wildnis © Irmela Maier, Foto Irmela Maier

Ausstellungsansicht Hin und weg - Vier aus Ettlingen, Foto Tillema Kees

Ausstellungsansicht Wald.Wolf.Wildnis, Neue Galerei im Haus Beda, Foto UB-S

 

Der Wolf zog die Künstlerin schon zu Beginn ihrer Tätigkeit als bildnerisches Motiv an. Ihm werden in unserer Gesellschaft ambivalente Gefühle entgegengebracht. Irmela Maier stellt ihn als emotionales, kommunikatives und soziales Wesen dar und stellt ihn auf fahrbare Unterbauten, um zu zeigen, dass er von uns Menschen je nach Bedarf hin- und hergeschoben wird.

 

Ausstellungsansicht Hin und weg - Vier aus Ettlingen, Foto Tillema Kees

Ausstellungsansicht Hin und weg - Vier aus Ettlingen, Foto Tillema Kees

Ausstellungsansicht Hin und weg - Vier aus Ettlingen, Foto Tillema Kees

 

In der Installation "Spur" begleiten wir einen Wolf, dessen Spur aus Spiegelscherben gelegt ist. Je nach der eingenommenen Perspektive sehen wir in der einen oder anderen Scherbe einen kleinen Ausschnitt seines Spiegelbildes oder des Ausstellungsraums. Wir gehen ein Stück mit in der Spur auf die Pirsch nach dem, was der Wolf eigentlich ist oder sein könnte, was sich immer nur in fragmentarischen Reflexionen, in der Geschichte, in Naturbeobachtungen, in Mythen, Märchen und Legenden als gelegte Spuren mit der Zeit findet (vgl. Eröffnungsvortrag Werner Meyer).

 

Ausstellungsansicht Wald.Wolf.Wildnis, Kunststation Kleinsassen, 2022

 

Die tierliche Schönheit und die Ästhetik des Ausdrucks bleiben immer wichtiger Teil von Irmela Maiers Gesamtaussage, wenngleich in jeder Figur durchaus Melancholie und Schmerz über ein verloren gegangenes Paradies mitschwingen (vgl. Dr. Sabine Heilig hier).

Irmela Maiers genaue Beobachtung impliziert eine Empathie und offene Hinwendung zum tierischen Individuum sowie ein aufmerksames, liebevolles und staunendes Nachdenken über das andere, fremde und doch verwandte Dasein und Körperbewusstsein. (vgl .Dr. Kirsten Claudia Voigt hier)

Irmela Maier (*1956 in Bad Waldsee/D) studierte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Es folgten Studienaufenthalte an der Académie des Beaux-Arts in Paris und dem Central Saint Martins College of Art and Design in London. Seit 1988 ist sie Mitglied der Ateliergemeinschaft Wilhelmshöhe Ettlingen.

Bis zum 18. Juni 2023 ist ihre Arbeit im Museum Abtei Liesborn im Zuge der Ausstellung Wald.Wolf.Wildnis zu sehen.

Quellen: Kunstverein Wilhelmshöhe, Eröffnungsvortrag Kunstverein Wilhelmshöhe, Galerie in der Lände - Vier aus Ettlingen

alle Bilder © Irmela Maier

 

Ausstellung, Installation, Skulptur
24. Januar 2023 - 12:22

Endlich habe ich wieder einen Künstler entdeckt, der sich in seiner Arbeit hauptsächlich mit Hunden beschäftigt. Der italienische Künstler Velasco Vitali zeichnet Hunde und stellt Skulpturen her, die er auch abseits der Galerien in Gebäuden mit für ihn besonderer Bedeutung ausstellt. Das Material für seine Skulpturen stammt von verwaisten Baustellen.

Hier ein paar Beispiele seiner Zeichnungen.

 

Cane, 2009 © Velasco Vitali

Cane, 2007 © Velasco Vitali

Cane, 2007 © Velasco Vitali

Cane, 2009 © Velasco Vitali

Kitezh, 2010 © Velasco Vitali

Kitezh 2010  © Velasca Vitali

 

Velasco Vitalis Zeichnungen dienen ihm als Ausgangspunkt für die Skulpturen. Er fertigt aus dem Gedächtnis Skizzen an, wobei er die Maße und die Haltung des Hundes bestimmt. Dann führt er die Skulptur aus, indem er zunächst eine Armierung konstruiert, die dann mit Blech, Zement oder Teer überzogen wird. Die Bronze wird mit dem Wachsausschmelzverfahren hergestellt und am Ende mit einer Säureätzung gefärbt.

Der Künstler "missbraucht" die Baumaterialien Zement, Teer, Blech, Blei etc., die seine Phantasie, Inspiration und Experimentierfreudigkeit anregen, für künstlerischen Zwecke.

 

Al Bara, 2010 © Velasco Vitali

Serjilla, 2010 © Velasco Vitali

Bechyovinka, 2008 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

 

Velasco Vitali verzichtet auf eine realistische Darstellung der Tiere, vielmehr inszeniert er sie in einer faszinierenden und befremdlichen Weise. Vitalis Hundeskulpturen sind fast immer lebensgroß. Durch Verformungen und fast pathetische oder verblüffende Körperhaltungen drücken die Hunde eine Spannung und ein seltsames Gefühl von plastischer Einsamkeit aus. Diese Einsamkeit bleibt auch dann bestehen, wenn der Künstler ein ganzes Rudel auf engem Raum versammelt.

 

Torre, 2007 © Velasco Vitali

Torre, 2005 © Velasco Vitali

Torre, 2008 © Velasco Vitali

 

Schlank und mit großen hängenden Ohren ähneln seine Hunde den italienischen Bracken, wenngleich er von streunenden und freilaufenden Hunden inspiriert ist. Die Hunde kauern, stehen, liegen, drehen sich auf eine Seite, schauen nach unten oder oben. Sie gehen unsicher mit angewinkelten Beinen und gestreckter oder eingeklappter Rute. Nie sind seine Hunde in Bewegung oder aggressiv dargestellt, sondern eher resigniert, taumelnd, fassungslos und desorientiert.

 

Arco, 2010 © Velasco Vitali

 

Die Haltungen auf Schemeln, Stahlgerüsten und fragilen Türmen scheinen unpassend und gezwungen, symbolisieren Instabilität, Zerbrechlichkeit und Unsicherheit, als ob sie die Unzulänglichkeit der Tiere in dieser Gesellschaft, die im Grunde auch die von uns Menschen ist, zum Ausdruck bringen sollen. "Ich glaube, dass der Zustand von Hunden dem unseren sehr ähnlich ist, wenn wir überhaupt vorgeben, besser zu sein", kommentiert Velasco.

 

Hawks Nest, 2013 © Velasco Vitali

Mologa, 2010 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

Angkor, 2010 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

San Zhi, 2010 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

Mohenjo-Daro, 2010 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

Galeria, 2005 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

Pripjat, 2008 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

 

Neun bronzene und eiserne Hunde aus dem aus über 50 Skulpturen bestehenden Rudel "Branco" waren 2022 in der Galleria Doris Ghetta zu sehen.

 

Ausstellungsansicht Galerie Doris Ghetta, Foto Galerie Doris Ghetta

Kalydon, 2015 © Velasco Vitali, Foto Galerie Doris Ghetta

Vertigine, 2022 © Velasco Vitali, Foto Galerie Doris Ghetta

 

"Branco" (ab 2005) ist eine Installation, die sich auf die Gruppen streunender Hunde bezieht, die in den Städten des Mittelmeerraums unter prekären und improvisierten Bedingungen leben. Sie untersucht die  Anpassungsfähigkeit an Orte und das Überlebensgleichgewicht innerhalb der Gruppe. Für den Künstler ist jeder Hund das Ergebnis einer Mischung aus verschiedenen Rassen, von denen jede ihre Fähigkeit unterstreicht, dank des Rudels an jedem Ort und zu jeder Zeit zu überleben.

 

Branco, 2009 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

Branco, 2005-2010 © Velasco Vitali, Foto Oliviero Toscani

 

Das Rudel ist für Vitali  eine Metapher für eine Zivilisation: Jedem dieser Streuner hat er den Namen einer von über 400 über den Planeten verstreuten Geisterstädte, aufgegebenen Orten gegeben.

Jeder dieser Namen zeugt von der Parabel des Wachstums und des Niedergangs eines Ortes: Africo, Agdam, Agyra, Al Bara, Alta, Amendolea, Anadyrsk, Ani, Animas Forks, Antelope, Antuni, Apice, Arena, Arltunga, Armero, Asang, Ashio, Ashopton, Avi, Ayuttaya ...

Es sind verlassene urbane Landschaften, in denen Velasco die Bedeutung von Prekarität untersucht. An diesen Orten finden sich Rudel wilder Hunde zusammen, die durch die Landschaft und verlassene Gebiete ziehen und eine verlorene Form der Sozialität wiederherzustellen.

Da Velasco Vitali sein Hunderudel Branco als mobile skulpturale Gruppe versteht, kann die Aufstellung der Skulpturen mit ihren Posen, Gesten und Blicken immer neu kombiniert werden.

Er hat seine Installation Branco an zahlreichen geschichtsträchtigen Orten ausgestellt. Auf seiner Homepage findet sich ein reich bebilderter Überblick. Ich greife nur zwei Beispiele der letzten Jahre heraus.

Monument to Resistance (2020) ist ein Projekt, das auf zwei Ausstellungsorte aufgeteilt ist: den Mart Sculpture Garden und das Castel Ivano. Auch hier ist der Ausgangspunkt für die Entstehung der Serie die Beobachtung der nicht genehmigten Bauten und unvollendeten Projekte in Italien: bedrohlich, neugierig, schweigsam. Die Herden übertragen die Debatte über die Zerbrechlichkeit der Landschaft und ihren Schutz auf eine sehr menschliche Ebene. Der im Titel erwähnte Widerstand scheint also eine Form der Anpassung zu sein, die das Publikum einlädt, seine Beziehung zur Natur mit Empathie zu betrachten.  (vgl. Velasco Vitali)

 

Branco © Vescalo Vitali, Monumento alla resistenza, Castel Ivano

 

2021 belebt sein Rudel den Kreuzgang des Polizeipräsidiums und das Ucciardone-Gefängnis, Spazi Capaci - Comunità Capaci, in Palermo (vgl. Velasco Vitali hier und hier)

 

Branco, 2021 © Velasco Vitali, Spazi Capaci, Palermo, Foto Santi Caleca

Branco, 2021 © Velasco Vitali, Spazi Capaci, Palermo

 

Wie Velascos "Kreaturen" entstehen, kann man im Dokumentarfilm "Il gesto delle mani“ ("Scultura – Hand. Werk. Kunst") Italien, 2015, des Regisseurs und Kunstwissenschaftlers Francesco Clerici sehen. Der Film verfolgt den Entstehungsprozess einer Skulptur von Velasco Vitali von Wachs zu emaillierter Bronze in der Fonderia Artistica Battaglia in Mailand. (vgl. taz)

Gleicht die Werkstatt, in der Velasco Vitali an der Vorlage zu einer seiner überzeugenden Hundeskulpturen arbeitet, noch einem Atelier, so folgt der Film der Skulptur entlang der Arbeitsschritte in immer archaischer anmutende Räume. Die Erstellung der Gussform, das eigentliche Gießen, die Polierarbeiten an der fertigen Bronze – all das vollzieht sich heute noch in den gleichen Abläufen wie vor 2500 Jahren.

 

Atelier von Velasco Vitali

Atelieransicht von hier

Velasco Vitali (*1960 in Bellano/Italien, 1960) lebt und arbeitet in Mailand. Er begann seine Tätigkeit als Autodidakt in den späten 1970er Jahren und arbeitete mit Grafik, Zeichnung und Malerei. Er hat seine Arbeiten auf der Biennale von Venedig (2011) und auf der Biennale Gherdëina (2014) ausgestellt.

 

Alle Bilder © Velasco Vitali

 

Installation, Skulptur, Zeichnung
4. Januar 2023 - 10:30

Dominika Bednarsky wählt Motive aus der Natur und verfremdet sie auf humorvolle Weise. Ihre Installationen und Arrangements aus glasierter Keramik sind eigenwillig und barock-opulent. Sie erforscht die ambivalente Beziehung zwischen Tier und Mensch, indem sie Körperteile, Lebewesen und Pflanzen zu neuen Figurationen verschränkt.

Unten drei Beispiele ihrer kuriosen, detailreichen und handwerklich meisterhaft gearbeiteten Skulpturen.

 

Vögel, 2020 © Dominika Bednarsky, Foto Jakob Otter

Oktopus, 2020 © Dominika Bednarsky, Foto Jakob Otter

Affe und Hase, 2020 © Dominika Bednarsky

 

Zum chinesischen Jahr des Hundes entstanden 2018 ihre Hundekeramiken, die weitaus realistischer sind.

 

Chinese Year of the Dog, 2018 © Dominika Bednarsky, Foto Jakob Otter

Chinese Year of the Dog, 2018 © Dominika Bednarsky, Foto Jakob Otter

Chinese Year of the Dog, 2018 © Dominika Bednarsky, Foto Jakob Otter

Chinese Year of the Dog, 2018 © Dominika Bednarsky

Chinese Year of the Dog, 2018 © Dominika Bednarsky, Foto Wolfgang Günzel

Chinese Year of the Dog, 2018 © Dominika Bednarsky

Chinese Year of the Dog, 2018 © Dominika Bednarsky, Foto Wolfgang Günzel

Chinese Year of the Dog, 2018 © Dominika Bednarsky

Chinese Year of the Dog, 2018 © Dominika Bednarsky, Foto Jakob Otter

 

Die Installationsansichten sind von der Ausstellung DOCH! in der  Galerie Anita Beckers in Frankfurt am Main.

Dominika Bednarsky (*1994 in Schweinfurt/D)  studiert an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main Malerei bei Heiner Blum und Mike Bouchet.

Homepage der Künstlerin

 

Skulptur
31. Oktober 2022 - 18:10

"I try to stage silence", sagt der belgische Künstler Hans Op de Beeck, er versuche in seiner Kunst die Stille zu inszenieren, deshalb stellen seine lebensgroßen Skulpturen meist Momente der Ruhe oder einfache, ruhige, alltägliche Handlungen dar, die von der Beschaulichkeit des Vergehens der Zeit erzählen. (vgl. monopol)

So auch der "Sleeping Dog" (Polyester, Beschichtung) von 2019. Vielleicht ist er ein junger molliger Labrador, kaum dem Welpenalter entwachsen, der seinen weichen Bauch gegen den Boden drückt, während er schläft.

 

Dog, Sculpture, 2019 © Hans Op de Beeck

 

Sein seidiges Haar ist akribisch dargestellt, die Augen sind fest geschlossen. Vor allem der graue Farbton, der dem farblosen Fußboden des Ausstellungsraums ähnelt, erzeugt eine ruhige Atmosphäre, als wäre die Zeit zu einem Moment angehalten. Oder wird die Zeit zur Ewigkeit ausgedehnt, wird die lange Pause, die der Hund einlegt, niemals enden.

Hans Op de Beeck lockt uns in seine melancholische Bildwelten zwischen Traum und Wirklichkeit. Er schafft räumliche Bildsituationen der Stille, Abgeschiedenheit und Zeitlosigkeit.

 

Dog, Sculpture, 2019 © Hans Op de Beeck

 

Wie alle Installationen und Skulpturen Op de Beecks ist auch "The Boatman" (2020) in Grau gefasst. Er zeigt uns eine lebensgroße Skulptur eines Mannes in einem kleinen Ruderboot, der das Boot scheinbar von einem Ufer wegschiebt. Neben seinem Hund und einem Huhn erkennen wir einen Rucksack, Kanister, persönliche Gegenstände und Waren in Körben, die er zum Verkauf oder Tausch anbieten kann. Ist das Huhn Gefährte wie der Hund oder zum Tausch bestimmt?

Woher kommt der Einzelgänger, wohin fährt er? Ist es eine Reise, um der Vergangenheit zu entkommen und eine andere Zukunft anzusteuern? Ist er heimatlos und ein ständig Reisender, ziellos Herumfahrender?

 

The Boatman, Sculpture, 2020 © Hans Op de Beeck

 

Op de Beeck ist bekannt für seine großformatigen Rauminstallationen und hyperrealistischen, spektakulären Skulpturen, die einen Moment einfrieren. Die Frauen, Männer, Kinder und Hunde, die in seinem Atelier Modell stehen, posieren für fiktive Figuren, für eine künstliche Welt, in der unsere komplexe Welt reflektiert wird und Fragen von Existenz und Sterblichkeit, Zeit und Zeitlosigkeit verhandelt werden.

 

Im Allgemeinen versuche ich, eine künstliche Welt zu evozieren, eine verdichtete Version der Realität, die von uns als Menschen spricht und unser Leben, unsere Beziehungen zu anderen, unsere Umwelt und unsere Sterblichkeit oft unbeholfen in Szene setzt. (zit.n. artbooms, übersetzt mit deepL)

 

The Boatman, Sculpture, 2020 © Hans Op de Beeck

The Boatman, Sculpture, 2020 © Hans Op de Beeck

The Boatman, Sculpture, 2020 © Hans Op de Beeck

The Boatman, Sculpture, 2020 © Hans Op de Beeck

 

Sein fast monochromes Werk wird ergänzt durch Gemälde, Animationen, Texte, Zeichnungen, Fotografien, Videos, Opern und Theater, wobei er sich auf vielfältige Weise zwischen verschiedenen Medien bewegt.

Hans Op de Beeck (*1969 in Turnhout/Belgien), lebt und arbeitet in Brüssel. Er ist nicht nur bildender Künstler, sondern auch Regisseur, Komponist, Choreograf, Kurator, Bühnenbildner. Seine Werke werden weltweit in Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt.

alle Bilder © Hans Op de Beeck

 

Installation, Skulptur
4. Oktober 2022 - 9:57

Presence of Animals, 2011 © Veikko Hirvimäki

 

"Presence of animals is important because they do not convert anything into money"

 

Als ich nach dem finnischen Künstler Veikko Hirvimäki gegoogelt habe, fand sich an erster Stelle ein Wikipedia-Eintrag zu einem anscheinend namensgleichen Künstler, der 1941 geboren war. Sein Vater war also auch schon Künstler, war mein erster Gedanke. Erst nach weiteren Recherchen merkte ich, dass es sich um "meinen" Veikko Hirvimäki handelt. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, dass diese formal (nicht inhaltlich) witzigen, heiteren Arbeiten von einem alten Mann stammen.

 

Veikko Hirvimäki vor seinem Werk Demonstration von 2016, Foto Angel Gil
Veikko Hirvimäki vor "Demonstration" von 2016, Foto: Angel Gil

 

Veikko Hirvimäki hat vor Jahrzehnten als Maler begonnen, wobei er in unterschiedlichen Stilrichtungen arbeitete. Er wandte sich dann der abstrakten Bronze- und Steinskulptur zu und arbeitete in den 1980er Jahren vor allem für den öffentlichen Raum in Helsinki. Erst mit der Jahrtausendwende begann er mit seinen ausdrucksstarken und liebenswerten Holzskulpturen, die ich Ihnen hier zeige.

Trotz ihres ernsten Themas strahlen seine Tierskulpturen Individualität, Wärme und skurrilen Humor aus. Er porträtiert Tiere, oft mit anthropomorphen Eigenschaften ausgestattet, als ob sie eine stumme Kritik an der menschlichen Dummheit und Hybris üben würden.

Folgende Überlegung des Künstlers geht der tierischen Werkgruppe voraus:

 

Since decades I woke up wondering if art for art was enough for me. I came to the conclusion that it should include an underneath message. A message which refers to the roots of man, to the time where he had no weapons to disrupt the state of nature.

When men went painting on the walls of caves, it was a ritual for asking and thanking nature. Here are our roots. Man became a dictator on our planet, starting to rule everything with artificial intelligence based on profit and destroying the equilibrium of nature for our consumers fever, our wellbeing and our comfort.

Animals in my work are messengers. They are at once demonstrators and revolutionaries who react against the destruction of NATURE.

This is why I call this ensemble Demonstration of Nature. (hier)

Seit Jahrzehnten frage ich mich, ob Kunst um der Kunst willen für mich genug ist. Ich kam zu dem Schluss, dass sie eine Botschaft enthalten sollte. Eine Botschaft, die sich auf die Wurzeln des Menschen bezieht, auf die Zeit, als er noch keine Waffen hatte, um den Zustand der Natur zu stören.

Als die Menschen an die Wände der Höhlen malten, war das ein Ritual, um die Natur zu bitten und ihr zu danken. Hier sind unsere Wurzeln. Der Mensch wurde zum Diktator auf unserem Planeten und begann, alles mit künstlicher Intelligenz zu regieren, basierend auf Profit und der Zerstörung des Gleichgewichts der Natur für unser Konsumfieber, unser Wohlbefinden und unseren Komfort.

Tiere sind in meiner Arbeit Boten. Sie sind gleichzeitig Demonstranten und Revolutionäre, die sich gegen die Zerstörung der NATUR wehren.

Deshalb nenne ich dieses Ensemble Demonstration der Natur. (übersetzt mit DeepL)

 

We need to talk, Detail, 2018 © Veikko Hirvimäki
We need to talk, 2018, Teil eines Triptychon

 

Hirvimäki wendet sich also dem Thema Natur und Tier zu und stellt seine Tierskulpturen zu Triptychen, aber auch zu rudelartigen Installationen zusammen. Wölfe, Füchse, Elche, Vögel und Reptilien erinnern uns an die Verwundbarkeit der Natur und daran, dass der Mensch ehemals Teil der ihn umgebenden Natur war, mit den Jahreszeiten und Tieren koexistierte.

Wenn seine Tiere jetzt "demonstrieren", dann deshalb, weil ihr Lebensraum in Gefahr ist. "We need to talk", fordert uns der Wolf auf, während er den menschlichen Galerieraum durchbricht. Er symbolisiert nicht die mehr die Wildnis, sondern deren Gefährdung; erhebt seine Stimme, um eine gemeinsame Lösung zu finden und uns zum Handeln aufzurufen.

Die Skulpturen, die direkt an den Wänden angebracht sind, erinnern nur im ersten Moment an Jagdtrophäen, denn Hirvimäki stellt die Tiere ganz lebendig und spürbar präsent dar.
 

 

Demonstration, 2020 © Veikko Hirvimäki

 

Hirvimäkis Kunst drückt eine große Sorge über die Umweltkrise und die Zukunft unseres Planeten aus: Der Titel der Skulptur unten "On Thin Ice" kann als Verweis auf die riskante Lage der Menschheit und der Tierwelt interpretiert werden, die beide buchstäblich auf immer dünnerem Eis laufen.

 

On Thin Ice, 2017 © Veikko Hirvimäki

 

Seine Skulpturen erscheinen grob und unfertig, ihre Form folgt so weit wie möglich der Form des Holzes. Mit einer kleinen Axt bearbeitet, bleiben Äste, Unebenheiten und knorrige Strukturen sichtbar, ihre raue unbehandelte Oberfläche wird mit einer lebendigen Farbschicht überzogen. Das Holz erwacht in der Skulptur zu neuem Leben.

 

Smell of man I, 2015 © Veikko Hirvimäki

 

Schamanismus und Mythologie inspirieren seine Skulpturen. Auf den ersten Blick erinnern Hirvimäkis Werke an die finnisch-ugrische Volkstradition, doch scheint er in seinen Arbeiten Fragmente verschiedener Kulturen und Zeitabschnitte zu Bildern universeller Natur zu verbinden. Seine Werke sind erdig, mystisch und primitiv und vermitteln das Interesse des Künstlers an der Natur, ihrer Bedeutung und ihrer Erhaltung.

 

Man and wolf, 2021 © Veikko Hirvimäki

 

Die bizarren Kreaturen führen ein Eigenleben, zeigen und behaupten sich an ungewohnten Plätzen; ragen aus der Wand, recken sich auf dem Boden oder zeigen sich in bunter Verkleidung.

 

 

Grass snake nightmare, 2017 © Veikko Hirvimäki

Howling I, 2013 © Veikko Hirvimäki

Flight, 2011 © Veikko Hirvimäki

 

"Images of memory" nennt der Künstler seine Installationen, die er aus mehreren Einzelstücken an Wände drapiert und die seine Erinnerungen verkörpern.

"Song" besteht aus 24 Einzelobjekten bzw. Erinnerungsstücken: verkohlten Werkzeugteilen, einem Spielzeugauto sowie Utensilien, die nicht auf direkte Nutzanwendung abzuzielen scheinen. Er ergänzt diese Gegenstände mit Tieren, die sich auf der Wand winden oder sich einen Weg aus der Wand bahnen.

Urtümliches Material und zeitgenössische Form der Installation treffen hier aufeinander, Wie traditionelle Vanitas-Stillleben verkörpern die Erinnerungsbilder die Vergänglichkeit allen Seins und aller Materie.  (vgl. Dr. Sonja Lechner)

 

Song, 2011 © Veikko Hirvimäki

 

Um einen Eindruck von der Größe seiner Arbeiten zu bekommen, zeige ich Ihnen eine Ansicht der Ausstellung "Veikko's Wild Friends" in München, 2021.

 

Veikko Hirvimäki in der Galerie Stefan Vogdt, 2021

 

Veikko Hirvimäki (*1941 in Petäjävesi/Finnland) stellt europaweit aus. Seine Arbeiten sind in bedeutenden öffentlichen Sammlungen Finnlands vertreten. Hirvimäki lebt in Ballaigues, Schweiz, und verbringt die Sommermonate in seinem Atelier in der Nähe seines Elternhauses in Petäjävesi.

 

Quellen: Galerie Forsblom, Galerie Stefan Vogdt, Auszug aus der Rede der Kunsthistorikerin Dr. Sonja Lechner

 

Installation, Skulptur
5. September 2022 - 9:15

Der kleine Hund gehört bald mir!

 

Miniature Sculpture -  Snow Edition II © Maisa Majakka

 

Er ist ein Unikat aus einer Serie von Miniaturen, die die finnische Künstlerin Maisa Majakka für die Galerie Snow in Berlin angefertigt hat. So winzig sind die Hunde, und trotzdem spürt man den gestalterischen Aufwand, die zahlreichen Glasuren und Brennvorgänge an jedem der kleinen Hundekörper (Maisa Majakka hat auch Katzen und Luchse in ihrem Repertoire).

 

Miniature Sculpture -  Snow Edition II © Maisa Majakka

Miniature Sculpture -  Snow Edition II © Maisa Majakka

Miniature Sculpture -  Snow Edition II © Maisa Majakka

Miniature Sculpture -  Snow Edition II © Maisa Majakka

Miniature Sculpture -  Snow Edition II © Maisa Majakka

Miniature Sculpture -  Snow Edition II © Maisa Majakka

 

Stiller Glanz (schon wieder) kennzeichnet die leisen sensiblen Miniaturen. Sorgfalt, Präzision, ernsthafte jahrelange Auseinandersetzung mit ihrem geliebten Material sind jedem kleinen Tier eigen. Subtile Farbgebung - schauen Sie wie zart das Auge "meines" Hundes verläuft, sein goldenes Ohr - und Anleihe an einzelnen Rassen lassen ein ganzes, wunderbar lebendiges Hundeuniversum entstehen.

Die Einzelstücke werden modelliert, gebrannt und von Hand bemalt. Welch ein Unterschied zu keramischer Massenware!

 

Miniature Sculpture - Snow Edition 1 © Maisa Majakka

Miniature Sculpture - Snow Edition 1 © Maisa Majakka

 

Ein kleines Tier kann in einem Blumentopf, in einem Puppenhaus oder auf der Fensterbank leben. Es kann das Zimmer von einem Regal aus beobachten, als Maskottchen auf dem Schreibtisch dienen oder sich in eine Sammlung von Dekorationsartikeln einfügen. Ein kleines Tier ist am schönsten, wenn es von einem anderen kleinen Tier begleitet wird, schlägt die Künstlerin hier vor. (übersetzt mit DeepL)

 

Das gefällt mir, die kleinen Objekte wertzuschätzen und sie liebevoll im Zuhause zu verorten - ganz ohne Animalismus.

Vom 2. bis zum 29. September 2022 präsentiert nun die Galerie Snow mit "After party" die erste Einzelausstellung der finnischen Keramikerin in Deutschland. Sie ist bekannt für ihre ausdrucksstarken figurativen Steingutskulpturen, die von persönlichen Erfahrungen inspiriert sind. Ihre Geschichten werden in Form von Skulpturen, Wandfliesen und Installationen erzählt.

 

Doggy, 2021 © Maisa Majakka

Doggy, Detail, 2021 © Maisa Majakka

Doggy, Detail, 2021 © Maisa Majakka

 

Maisa Majakka stellt also kleine Keramikfiguren von Menschen in verschiedenen alltäglichen Situationen her. Dabei verhandelt sie die Themen Menschsein, Identität, Verbindung und Nähe, Verlust und Liebe. In letzter Zeit hat sie sich insbesondere mit Freundschaften und den Erfahrungen des Müßiggangs im Leben junger Erwachsener beschäftigt.

Ihre Keramikskulpturen beruhen auf Erlebnissen, auf Dingen, die sie gesehen und getan hat, auf menschlichen Begegnungen. Aber auch in ihren Träumen, Tagebüchern und Fotografien sucht sie das Atmosphärische für neue Arbeiten.

Die Werke frieren einen Lebensmoment ein, in den jeder so viel oder so wenig hineinlesen kann, wie er will, ja sie laden förmlich dazu ein, auch unsere Erinnerungen zu wecken, eine Geschichte um sie herum zu konstruieren, in der man vielleicht sogar etwas aus dem eigenen Leben und seinen Träumen wiedererkennt.

 

Juggle, 2021 © Maisa Majakka

Juggle, 2021 © Maisa Majakka

Juggle, 2021 © Maisa Majakka

You Don't Always Have to be a Good Dog, 2021 © Maisa Majakka

You Don't Always Have to be a Good Dog, Detail, 2021 © Maisa Majakka

 

Die Vorliebe der Künstlerin für das keramische Medium entspringt ihrem Respekt für dessen altehrwürdige Traditionen sowie ihrer Liebe zu dessen Unmittelbarkeit, Formbarkeit und großer ästhetischer Bandbreite.

Schon als Kind hat es sie gereizt, Tiere im Ofen aus Polymermasse herzustellen. Aufgrund einer Krankheit nahm sie als Jugendliche an einem Rehabilitationsprogramm teil, wo sie mit Ton arbeiten und erste Grundlagen erlernen konnte. Während ihrer anschließenden Kunstschulzeit hat sie mit Bronze, Beton, Gips, Holz-und Steinbearbeitung sowie 3D-Drucken experimentiert, ist aber immer wieder zur Keramik zurückgekehrt. Danach studierte sie an der Akademie der Bildenden Künste, die Beschäftigung mit Keramik wurde zum Lebensinhalt. Endlich konnte sie so viele Keramikarbeiten machen, wie sie wollte.

 

Big Dog, 2019 © Maisa Majakka

 

In mehreren Interviews spürt man ihre Leidenschaft, wenn sie über das Material und ihren Arbeitsprozess spricht: Keramik sei das perfekte Material, da es langlebig und praktisch unveränderlich ist.

 

Das Beste an der Keramik ist jedoch ihre Formbarkeit: die Verarbeitbarkeit des Tons und die unendlichen Kombinationsmöglichkeiten der Oberflächengestaltung. Der Ton beugt sich meinem Ausdruck mit einer Bereitschaft und Einfachheit, die meiner Hand absolut treu ist. Es erfordert keine Kraft, nur Geduld und Verständnis für die Materie. Lehm kann jede Form annehmen, in jeder Größe. (zit.n. Emma)

 

Dog Moon Rising, 2021 © Maisa Majakka

 

Maisa Majakka variiert die Oberflächenstrukturen und plant verschiedene Kombinationen: etwas Glänzendes, etwas Mattes, die natürliche Farbe des Tons, verschiedene Schlieren, Gold. Sie arbeitet meistens mit bloßen Händen, aber auch mit Messern und Nägeln, wenn sie in die Oberfläche kratzt. Das mehrmalige Brennen der glasierten dünnwandigen Skulpturen folgt zwar chemischen Gesetzen, birgt aber auch eine Chance auf positive und negative Überraschungen. Deshalb besteht für die Künstlerin die einzige Schwierigkeit darin, die ständige Spannung zu ertragen, wie etwas aus dem Ofen kommt.

 

A Sign, 2018 © Maisa Majakka

 

Maisa Majakka (*1989) hat ihren Master of Fine Arts an der Akademie der Bildenden Künste gemacht und lebt mit ihrer vierköpfigen Familie und dem rumänischen Hund Manta in Käpylä, Helsinki.

Quellen: Museum Emma, Marcy, Galerie Snow

alle Bilder © Maisa Majakka

 

Ausstellung, Skulptur
13. Juni 2022 - 10:38

o.T. © Willy Verginer

 

Der italienische Bildhauer Willy Verginer schafft hyperrealistische Holzskulpturen, die durch die Kombination seiner Frauen-, Männer- und Kinderfiguren mit "unpassenden" Tieren und Gegenständen oft surreal anmuten.

Er schnitzt seine Skulpturen mit größtmöglicher Präzision und Detailgenauigkeit aus einem einzigen Lindenstamm. Die Kenntnisse zur Holzbearbeitung eignete er sich bereits als Jugendlicher durch das Erlernen lokaler Handwerkstraditionen an, seine Ambitionen gingen jedoch bald über das Kunsthandwerkliche hinaus, wurden umfassender und universeller.

Seit 2008 trägt er großflächig Acrylfarbe auf seine Skulpturen auf, um eine Veränderung der Wahrnehmung auszulösen. Die Farbe erscheint wie beiläufig und willkürlich aufgetragen und hat keinen logischen oder konventionellen Bezug zum skulpturalen Volumen der Figuren. Die in kühnen Bahnen aufgetragene Farbe erzeugt starke Kontraste und verstärkt die surreale Wirkung der Skulpturen.

In vielen Arbeiten setzt er sich mit ökologischen und umweltpolitischen Fragen auseinander, thematisiert er die Beziehungen zwischen Menschen und fragiler Natur. Beispiele sehen sie unten als Cover dreier Kataloge.

 

Buchcover Willy Verginer - Rayuela

Buchcover Willy Verginer

Buchcover Willy Verginer - After Industry

 

Willy Verginer (*1957 in Brixen/Italien) besuchte das Kunstinstitut von St. Ulrich, wo er Malerei studierte. Nach seinem Abschluss arbeitete er in verschiedenen Holzbildhauerwerkstätten in Gröden. Ab 2005 zeigt er figurative Skulpturen, die eine originelle plastische Sprache entwickeln, kombiniert mit einer Acrylfarbe mit künstlichen Farbnuancen. 2011 vertritt er Trentino-Südtirol bei der 54. Biennale in Venedig. Einen genauen Überblick über seinen künstlerischen Werdegang und seine Ausstellungstätigkeit finden Sie auf Willy Verginers Homepage. Willy Verginer lebt und arbeitet in St. Ulrich im Grödnertal.

 

alle Bilder © Willy Verginer

 

Skulptur
7. März 2022 - 10:58

Das ist Luca! Die Hündin der Künstlerin Kirstin Kolb 2010.

 

Luca, Zeichnung, 2010 © Kirstin Kolb

Luca, Zeichnung, 2010 © Kirstin Kolb

Luca, Zeichnung, 2010 © Kirstin Kolb

 

In jenem Jahr entscheidet sich Kirstin Kolb ihre Arbeit als Apothekerin aufzugeben und nur mehr künstlerisch tätig zu sein. Sie fertigt auch einen Aluminimguss von Luca an.

 

Luca, Detail, Aluminium, 2010 © Kirstin Kolb Luca, Aluminium, 2010 © Kirstin Kolb

Luca, Aluminium, 2010 © Kirstin Kolb Luca, Aluminium, 2010 © Kirstin Kolb

 

2015 folgt ein Bronzeguss einer Hundegruppe.

 

Hundegruppe, Bronze, 2015 © Kirstin Kolb

 

2016 und 2017 entstehen Gipsskulpturen von Tiergruppen mit Hund, Eule, Krähe, Fasan u.a.

Neben den Hunden, die ich Ihnen zeige, findet Kirstin Kolb ihre Motive meist in der heimischen und exotischen Tierwelt, aber auch der Mensch ist ein Thema. Die Anatomie wird akribisch studiert. Deshalb bestechen ihre in Bronze oder Aluminium gegossenen lebensgroßen Skulpturen durch ihren Realismus - die Künstlerin arbeitet nur gegenständlich - und erfreuen durch ihre Schönheit und Ästhetik.

Während Luca schwebend und zwischen Entspannen und Strecken, jedenfalls in vollkommenem Wohlbehagen und mit einem Lächeln dargestellt ist - in Wirklichkeit wird sie sich wohl gewälzt haben - ertragen die Gipshunde im doppelten Wortsinn ihre Bestimmung: der eine aufjaulend, der andere sie annehmend.

 

o T., Gips, 2016 © Kirstin Kolb

o T., Gips, 2017 © Kirstin Kolb

o T., Gips, 2017 © Kirstin Kolb

 

Neben der Bildhauerei prägen Malereien und Zeichnungen in und auf alten Büchern Kirstin Kolbs Werk. Dabei weiß sie nie, wie die Buntstifte, Acrylfarben und Tusche auf den Buchumschlägen, Buchrücken und Vorsatzpapieren aussehen werden, wie die Textilien und Papiere mit ihren Alters- und Gebrauchsspuren auf die neuen Farbmittel reagieren. Die Ästhetik und formalen Kriterien der antiquarischen Bücher hinsichtlich Farbigkeit, Ornamentik und Typographie werden von Kirstin Kolb ebenso in die neue Komposition miteinbezogen, wie die Buchtitel, die durch die Malerei konterkariert oder ergänzt werden.

In vielen Werken geht sie der Frage nach, wie viel Menschliches im Tier bzw. wie viel Tierisches im Menschen steckt.

 

Münchnerinnen, Zeichnung auf Büchern, 2021 © Kirstin Kolb
Münchnerinnen, Zeichnung auf Büchern, 2021

 

Werden oben die biertrinkenden Münchner von den Hunde-Münchnerinnen ergänzt?

 

Figaros Hochzeit, Zeichnung auf Büchern, 2019 © Kirstin Kolb
Figaros Hochzeit, Zeichnung auf Büchern, 2019

 

Shakespeare, Zeichnung auf Büchern, 2018 © Kirstin Kolb
Shakespeare, Zeichnung auf Büchern, 2018
 

Eine Fuchsjagdszene, die sich über 18 Bände Shakespeare erstreckt?

 

Windhund, Zeichnung auf Büchern, 2018 © Kirstin Kolb
Windhund, Zeichnung auf Büchern, 2018

 

Dürer, Zeichnung auf Büchern, 2019 © Kirstin Kolb
Dürer, Zeichnung auf Büchern, 2019

 

Das Werk heißt Dürer und das Buch Cultur der Renaissance: Spielt die Künstlerin mit dem Cyborg auf den Erfindungsreichtum der Renaissance und auf die Schöpfungskraft des humanistischen Künstlers an? Oder bezieht sich der Begriff Renaissance auf die Gegenwart? Ist der Cyberdog die moderne Wiedergeburt des Hundes als Roboter, der den vierbeinigen Freund und Partner als Therapie- und Pflegeroboter ersetzen will?

 

Daneben lieben, Zeichnung auf Büchern, 2020 © Kirstin Kolb
Daneben lieben, Zeichnung auf Büchern, 2020

 

Daneben lieben wird durch eine Mesalliance, eine unglückliche Verbindung von Partnern, die nicht zueinander passen oder zu passen scheinen, dargestellt. Der Wolf hat das Schaf sicher zum Fressen gern.

 

o.T., Zeichnung auf Büchern, 2020 © Kirstin Kolb
o.T., Zeichnung auf Büchern, 2020

 

Bismarck, Acrylfarbe, Tusche und Buntstifte auf Bucheinband, 2019 © Kirstin Kolb
Bismarck, Acrylfarbe, Tusche und Buntstifte auf Bucheinband, 2019
 

Militaer, Acrylfarbe, Tusche und Buntstifte auf Bucheinband, 2020 © Kirstin Kolb
Militaer, Acrylfarbe, Tusche und Buntstifte auf Bucheinband, 2020 © Kirstin Kolb

 

Statt Orden und Epauletten tragen die Hunde Chanel, Versace, Armani als Halsketten und Halsbänder. Sie scheinen die tierische Entsprechung zum Offizier von Eduard Thöny sein, einem Ulanen, der bis zum Ersten Weltkrieg an Wehrkraft eingebüßt hat und hoffnungslos unterlegen ist.

Seine durch die Rangabzeichen grotesk überhöhte Erscheinung und sein einfältig-verständnisloser Blick werden durch die glotzenden Rassehunde mit ihren Markenaccessoires zusätzlich unterstrichen. Ob der Träger in eine strenge militärische oder Hierarchie der Labels und Logos eingegliedert ist, ist ziemlich einerlei: Das Individuum verschwindet hinter seinen Rang- und Markenzeichen.

Kristin Kolb (*1962 in Braunschweig/D) studierte Pharmazie und arbeitete von der Approbation 1989 bis 2010 in Braunschweig und Berlin als Apothekerin. Seit frühester Kindheit galt ihr Interesse der Kunst, die immer mehr Raum einnahm, bis sie schließlich 2011 zur ausschließlichen Tätigkeit wurde. Mittlerweile lebt und arbeitet sie als freischaffende autodidaktische Künstlerin mit den Schwerpunkten Malerei und Zeichnung sowie Bildhauerei in Berlin.

 

Quelle: Homepage der Künstlerin, Kunkel Fine Art

alle Bilder © Kirstin Kolb
 

Malerei, Skulptur, Zeichnung