Malerei

25. November 2021 - 10:19

Drei Mädchen beugen sich zu einem Hund, der sie freudig begrüßt und an einer der jungen Frauen hochspringt. Ein Mädchen umfasst den Hund mit manieriert gedehnten Armen.

 

Adolf de Haer, Drei Mädchen mit Hund, um 1919 © Adolf de Haer
Adolf de Haer, Drei Mädchen mit Hund, um 1919

 

Das Bild vereint Merkmale des Kubismus und Expressionismus. Expressiv ist die Farbgestaltung, die durch den Komplementärkontrast (gelb-blau) bestimmt wird. Die gelbgrüne Hautfarbe der Mädchen ist lichtdurchflutet, ihr Haar glänzt blau. Kubistisch ist die Zerlegung der Körper und Kleidung in kristalline Dreiecksformen. Der Hintergrund geht in eine flächige rhythmische abstrakte Komposition über. Vieles ähnelt dabei dem Werk der Expressionisten Franz Marc und Ernst Ludwig Kirchner, den Kompositionen Lyonel Feinigers oder erinnert an den Futurismus.

 

Meine Erlebnisse und Visionen suchte ich in ein tektonisches Bildprinzip zu bannen. Mit den primitivsten (geometrischen) Formen baute ich meine Bilder. (Adolf de Haer zit.n.hier)

 

Adolf de Haer, Drei Mädchen mit Hund, Detail, um 1919 © Adolf de Haer
 

Adolf de Haers (*1892 in Düsseldorf/D, gest. 1944 bei Osnabrück/D) bedeutendste Werke datieren zwischen 1919 und 1921, in der Zeit entstanden auch seine großartigen kubistisch-expressiven Holzschnitte, Radierungen und Lithografien. In den nächsten zwei Jahrzehnten nimmt er eine Entwicklung von der Abstraktion zur Gegenständlichkeit. Nach Expressionismus und impressionistischen Tendenzen arbeitet er in einem immer schlichter werdenden Naturalismus der weiblichen Akte und Blumenstillleben. Dieses Spätwerk macht verständlich, warum er als Künstler der zweiten Reihe in Vergessenheit geriet.

Obwohl de Haer schon Mitte der zwanziger Jahre die kubistisch-expressionistische Abstraktion aufgegeben hatte, wird das frühe Werk Adolf de Haers 1937 aus dem Kunstmuseum Düsseldorf von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und als entartet eingestuft. Vielleicht erklärt sich auch dadurch seine späte Hinwendung zu einer sehr gefälligen, konventionellen Malerei: Der Schock der Verfemung von 1937 war möglicherweise zu stark.

Seine "Drei Mädchen mit Hund" sind vom 19. September 2021 bis 23. Januar 2022 im Sauerland-Museum in der Ausstellung "Im Westen viel Neues: Facetten des rheinisch-westfälischen Expressionismus" zu sehen.

Die Ausstellung rückt die vielfältigen Facetten des Expressionismus im Rheinland und in Westfalen in den Mittelpunkt und beleuchtet damit den Westen als ein wichtiges künstlerisches Zentrum neben Berlin und München. Eine neue Generation von Kunstschaffenden empfindet Formzertrümmerungen und leuchtende Farben als passende Ausdrucksmittel für die existentiellen Erfahrungen und Wirren der Zeit.

Unten sehen Sie das Ausstellungsplakat. Aus Sicht der Hundefreunde und -liebhaberinnen gänzlich misslungen, fehlt doch der Hund! Unklar ist nun, worauf die jungen Mädchen blicken, Aussage und Sinn des Werks sind unter der Typografie verloren gegangen.

 

Ausstellungsplakat
Plakat von hier
 

 

Ausstellung, Malerei
6. Juni 2021 - 9:28

Aus unerfindlichen Gründen habe ich auf Facebook eine Gruppe "Masculinity in male portraits" vorgeschlagen bekommen, wo dieses interessante Porträt "Hans und George" vom australischen Künstler Robert Hannaford gepostet wurde.

 

Hans und George © Robert Hannaford

 

Interessant deshalb, weil der Hund von hinten zu sehen ist, was ich wirklich ungewöhnlich finde. Zweifellos wäre es dem geübten Porträtisten möglich gewesen, den Hund auch von vorne zu erfassen.

Schauen Sie den Hund auf dem unteren Gemälde "Bill" an: Dieser Blick! Welch weichen, melancholischen, sensiblen, gar sprechenden Ausdruck er hat; ganz im Gegensatz zu seinem Halter, einem Jackaroo mit eher martialischer Miene und harten Zügen. Sie werden mir sicher zustimmen, dass die Darstellung des Hundes den Cowboy in den Schatten stellt.

Peter Jacobsen beschreibt auf The Varnished Culture Hannafords Arbeitsprozess:

 

“Whereas many work from photographs, he demands that you sit. And sit. And sit. He props you on a little stage he constructs (he’s a far better painter than carpenter), sticks his easel beside you, spreads out a drop sheet, kicks off his shoes, stands back five yards, stares at you intently – and charges. Literally. He makes a brushstroke, just one, and retreats…And this goes on and on for days.” (zit. n. The Weekend Australian Magazine, June 2016)

"Während viele nach Fotos arbeiten, verlangt er, dass man sitzt. Und sitzen. Und sitzen. Er stellt Sie auf eine kleine Bühne, die er selbst gebaut hat (er ist ein viel besserer Maler als Schreiner), stellt seine Staffelei neben Sie, breitet ein Bettlaken aus, zieht seine Schuhe aus, tritt fünf Meter zurück, starrt Sie aufmerksam an - und stürmt los. Buchstäblich. Er macht einen Pinselstrich, nur einen, und zieht sich zurück... Und das geht tagelang so weiter."

 

Wenn ich davon ausgehe, dass die Rückenansicht des Hundes nicht darin begründet ist, dass er von vorne nicht ruhig sitzen und sitzen und sitzen wollte, hat sie vielleicht einen formalen, in der Komposition liegenden Grund: Der Rücken des Hundes bildet eine formidable Parallele zum Bein von Hans. Und Bills Hund hat vor dem Hocker keinen Platz.

Beide Porträtierten sehen uns direkt und frontal an. Sie sind nicht in ihrer Beziehung zum Tier dargestellt, es gibt weder Blickkontakt noch Berührung. Die Hunde sind bloß weitere Elemente, die den Dargestellten näher charakterisieren, ebenso wie Hans´ Stock und Schiebermütze oder Bills Zigarette und Cowboyhut.

Mir gefällt das intensive und ergreifende Porträt des alten Hans, der in all seiner Unvollkommenheit, mit eingefallenen Wangen und Mund, dargestellt wird. Das satte Grün des Pullovers und das Blau der Hose unterbrechen die Monochromie der braunen Ödnis und verleihen seinem Träger etwas Modernes und Zeitgenössisches.

 

Bill © Robert Hannaford

 

Robert Hannaford malt Stillleben, Landschaften, aber vor allem Porträts und Selbstporträts. Letztere erinnern mich von der Bildauffassung und dem Blickwinkel stark an Lucian Freud. Die Porträts sind einer naturalistischen Tradition verpflichtet, er stellt bewusst die Repräsentation über die Abstraktion. Dabei arbeitet er nach dem Modell und nicht nach Fotos, mit dem Ziel das Wesen seiner Subjekte einzufangen. Für ihn ist der Prozess des Porträtierens eine Erforschung das Charakters, der über die Fotografie hinausgeht. Durch das Modellstehen über einen langen Zeitraum hinweg erhält der Künstler Einblick in verschiedene Emotionen der Porträtierten, die im Gemälde spürbar werden.

Als einer der bedeutendsten Porträtkünstler Australiens, hat er bereits Hunderte von Porträts gemalt. Dabei genießt er einerseits die Disziplin, die ihm ein Auftrag auferlegt, ist aber andererseits auch offen für die Ideen seiner AuftraggeberInnen, hinsichtlich darauf, wie sie dargestellt werden möchten. Deren Ideen führen ihn oft zu neuen Sichtweisen und Kompositionen.

Robert Hannaford (*1944 in Riverton/Australien) wuchs im ländlichen Südaustralien auf, arbeitete als politischer Karikaturist beim 'Adelaide Advertiser', ab Ende der 1960er Jahre wendet er sich als Autodidakt ganz der Malerei und Skulptur zu. Nach Jahren in Melbourne, Adelaide und Sydney lebt und arbeitet er heute mit seiner Frau, der Künstlerin Alison Mitchell, wieder in der Nähe von Riverton.

alle Bilder © Robert Hannaford

 

Malerei
1. Juni 2021 - 10:42

Hunde sind ein nur selten dargestelltes Motiv des chilenischen Künstlers Fernando Alday. Doch die wenigen Arbeiten, die ich gefunden habe, strahlen eine Anmut und ruhige Präsenz aus, als wüssten die Tiere um die Bedeutung, die ihnen der Künstler gibt.

Alday achtet sorgfältig auf Proportionen und Komposition, aber vor allem auf die Farbe. Beachten Sie den grünen Schmetterling, dem der Hund mit seiner grünen Schnauze folgt! Sensibilität, Einfallsreichtum und chromatische Virtuosität sind Eigenschaften, die den Werken gemeinsam sind.

 

Perro, 2019 © Fernando Alday

Perro, 2018 © Fernando Alday

Perro, 2018 © Fernando Alday

 

Die Sensibilität und Leidenschaft für Papier, die den chilenischen Künstler Fernanda Alday auszeichnet, reicht bis in die Kindheit zurück. Als Sohn eines Antiquitätenhändlers hat er Zugang zu Manuskripten und mittelalterlichen Tinten. Früh interessiert er sich für Kalligrafie und für alte Bücher, die er nach Farben ordnet und in deren Textur und Inhalt er sich vertieft, früh lässt er sich als Suchender auf Papier, Farbe und Textur ein. Inzwischen arbeitet er auch mit alten Dokumenten und Büchern, die er auf Flohmärkten findet.

Mit dem Verwenden alter Papiere versucht er das Vergehen der Zeit darzustellen und das Ephemere des Lebenszyklus zu vermitteln.

 

"I start with an almost archaeological research on colour and texture. In my work I use old paper as my primary object, along with medieval ink. I am interested in the fact that these materials expose the passage of time, but in the sense that they make you feel that the present is within the circle of life". (zit.n.hier)

"Ich beginne mit einer fast archäologischen Forschung über Farbe und Textur. In meiner Arbeit verwende ich altes Papier als primäres Objekt, zusammen mit mittelalterlicher Tinte. Ich interessiere mich dafür, dass diese Materialien den Lauf der Zeit sichtbar machen, aber auch dafür, dass sie das Gefühl vermitteln, dass die Gegenwart im Kreislauf des Lebens liegt".

 

Alday wählt als erstes das Material aus, das er verwenden möchte. Das Material selbst kann bereits das Thema der Arbeit vorgeben. Er klebt es als Oberfläche auf die Leinwand, auf der er weiter zeichnet und collagiert. Seine eleganten, poetischen und stillen Mischtechniken aus Collage und Malerei strahlen Balance und Harmonie aus. Alte vergängliche Materialien werden in neuem Kontext wiederbelebt. Er entreißt das organische Papier - Briefe Manuskripte - dem Zerfall. Alte Bedeutungszusammenhange tauchen als Hundekopf oder Hundekörper wieder auf, wobei er geschickt schichtet, überlagert, malt und kritzelt. Vergangene private und kleine Geschichten werden derart Teil einer neuen Kunstgeschichte.

 

Perro, 2018 © Fernando Alday

Perros, 2018 © Fernando Alday

Llibre, 2019 © Fernando Alday

Llibre, 2018 © Fernando Alday

 

 

Papier, aber auch alte Bucheinbände werden ihrer Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit entzogen, verändert, wiederbelebt. Stilisierte Figuren tauchen auf: ein Hund, ein Maultier, ein Stier, ein Stuhl, eine Landschaft. In vielen Werken gibt es Anspielungen auf die Kunstgeschichte, Elemente primitiver Kunst, Affinitäten zur präkolumbianischen Ikonographie, aber auch zu Klee und Goya. Der Künstler nimmt sowohl das Klassische als auch das Moderne auf und macht es sich zu eigen. Manche Werke erinnern an die Patina alter Mauern mit Schichten an Übermalungen und abgerissenen Plakaten.

Fernando Alday (*1959 in Santiago de Chile/Chile) hat in Chile Grafikdesign studiert, übersiedelte in die USA und begann autodidaktisch mit der Malerei. In seinen Anfängen malte er abstrakte oder symbolische, präkolumbianisch inspirierte Bilder. Erst später begann er sich für die Figuration zu interessieren. Er lebt seit über 20 Jahren in Barcelona, stellt international aus und nimmt an europäischen Kunstmessen teil.

Kennengelernt habe ich Aldays Werk durch einen Hinweis von Anke Dilé Wissing, die mir seine Instagram-Seite empfahl. Vielen Dank, liebe Anke und Grüße an Puck!

Quellen: Villa del Arte Galleries

alle Bilder © Fernando Alday

 

Collage, Malerei
29. März 2021 - 11:24

Im Magazin Monopol war kürzlich eine Aufstellung der am teuersten lebenden Künstler zu lesen. Platz 9 nimmt Zeng Fanzhis "The Last Supper" mit 23,3 Millionen US-Dollar ein.

 

Das teuerste jemals versteigerte Gemälde ist der "Salvator Mundi" von (vielleicht?!) Leonardo da Vinci für 450 Millionen. Die Hommage an Leonardos Abendmahl vom chinesischen Maler Zheng Fanzhi erzielte nur ungefähr ein Zwanzigstel dieser Summe. Allerdings ist das immer noch ziemlich teuer für einen Tisch mit maskierten jungen Kommunisten, die ein Wassermelonenmassaker veranstalten. (zit.n.Monopol)

 

The Last Supper, 2001 © Zeng Fanzhi

 

Zeng Fanzhi? Tief in meiner Erinnerung vergraben, fiel mir ein Ordner mit Arbeiten seiner Masken-Serie ein, den ich vor Jahren angelegt hatte. Zu einem Blogeintrag kam es nicht, mir waren seine Bilder zutiefst unangenehm. Ohne näher darüber reflektiert zu haben, empfand ich wahrscheinlich deren unterschwellige Gewalt und psychologische Spannung. Nachdem ich mich inzwischen in Fanzhis Werk eingelesen habe, sehe ich auch die Männer hinter den Masken anders, empfinde ich nahezu Mitgefühl mit ihnen, gleichzeitig habe ich meine Abneigung verloren, die Arbeiten sind für mich "schöner" geworden.

Fanzhis Werk ist sehr vielfältig und stilistisch uneinheitlich. Ich beschränke mich auf seine Langzeitserie Mask (1994-2004), da bei dieser Serie manchmal ein Hund dabei ist.

 

mask series © Zeng Fanzhi

 

Wir sehen Männer am Strand oder in nicht oder nur karg möblierten Innenräumen. Die Settings sind sauber, glatt und poppig eingefärbt, aber auch flach und unnatürlich, sie spiegeln die polierte Erscheinung der Figuren wider. Der Kontrast zwischen diesen überschwänglich leuchtenden Farben und den traurigen angstbesetzten Figuren erzeugt Spannung und Unbehagen.

Köpfe und Hände sind übergroß, die Gesichter tragen Masken, die an Stelle der Figuren Gefühle zeigen. Zu bedrohlich scheint die Entblößung der eigenen Emotionen, die Offenbarung des wahren Selbst zu sein. Die Masken stehen dementsprechend sowohl für An- als auch Abwesenheit der Emotion.

Die unbeholfenen Hände sind expressiv gemalt und erinnern teilweise an rohes Fleisch, an ihnen wird die Verletzlichkeit der Protagonisten deutlich. Die Augen blicken leer, passiv, doch erwartungsvoll auf den Betrachter.

 

mask series © Zeng Fanzhi

 

Die jungen Männer sind elegant gekleidet, die Haare sorgfältig frisiert: Eleganz als Rüstung und Schutz vor einer unsicheren Welt. Anfang und Mitte der 1990er Jahre, in einer Zeit der rasanten Modernisierung Chinas, stieg die Zahl der wohlhabenden jungen Städter stark an. Sie lebten in urbanen Zusammenhängen, ohne ihren Platz gefunden zu haben.

 

mask series © Zeng Fanzhi

 

Der Hund könnte auch eine Katze oder eine Tasche sein, er ist nicht mehr als ein modisches  Accessoire, ein Ausstattungsdetail. Nicht seine Existenz als Hund wird verhandelt, er ist lediglich Projektionsfläche der konsumorientierten aufsteigenden Gesellschaft. Auch als tierischer Partner spiegelt er nur die Gefühle des Menschen: Der traurige Mann im ersten Bild ist in Tränen aufgelöst, auch der Hund weint um seinetwillen.

 

mask series © Zeng Fanzhi

mask series © Zeng Fanzhi

mask series © Zeng Fanzhi

 

Die Masken sind Metaphern für Verlust und Entfremdung. Sie verbergen den Schmerz und die Agonie hinter einem sozial akzeptablen Gesicht, beschönigen die chinesischen Gesellschaft, in der niemand ohne Maske auftritt.

Gleichzeitig üben seine Maskenbilder Kritik am Sozialistischen Realismus als einzig erlaubtem figurativen Stil, der nur idealisierte Bilder von glücklichen und gesunden Bürgern zeigte.

Neben der politischen und psychologischen Dimension hat die Serie, mit der sich Fanzhi zehn Jahre auseinandersetzte, auch eine persönliche Komponente: 1993 zieht er von Wuhan nach Peking. Bereits 1994 beginnt er mit der Maskenserie als Reaktion auf Gefühle der Einsamkeit und auf die Verwerfungen, die ein Leben in existenzieller Sorge in einer oberflächlichen urbanen Umwelt mit sich bringt. Mit der Maskenserie visualisiert er eine Zeit des persönlichen Umbruchs sowie eine Zeit beschleunigter gesellschaftlicher Veränderungen.

 

mask series © Zeng Fanzhi

 

Zeng Fanzhi (*1964 in Wuhan/China) schließt sein Studium der Malerei am Hubei Institute of Fine Arts in Wuhan im Jahr 1991 ab. Während seiner frühen Ausbildung in Wuhan beschäftigt er sich mit westlicher Kunst, Philosophie und der New-Wave-Art-Bewegung, die nach Jahren des Sozialistischen Realismus zeitgenössischen Impulsen der globalen Kunstwelt nachspürte und die chinesische Kunst internationalisierte. Auch Zeng Fanzhi sucht nach einer neuen, konzeptuelleren Bildsprache, er räumt dem Konzept bis heute Vorrang gegenüber dem Bild ein.

Seit über drei Jahrzehnten übt Zeng Fanzhi nun mit seiner Kunst Kritik am zeitgenössischen chinesischen Leben und stellt gleichzeitig einen Dialog zwischen östlichen und westlichen künstlerischen Traditionen her. Er lebt und arbeitet in Peking.

 

mask series © Zeng Fanzhi

 

Zu den Porträts, die Fanzhi im Laufe seiner Karriere entwickelt hat, gehören auch "unmaskierte" Bildnisse von Freunden und von ihm geschätzter Künstler. Einer davon war Lucian Freud. Fanzhi malte ihn nach Fotos, um den lange Bewunderten seinen Respekt zu erweisen.

 

Lucian Freud, 2017 © Zeng Fanzhi Studio

 

Und weil dieses Gemälde mit Hund so bezaubernd ist … eine "Zugabe" mit Fuchs!

 

Artist Series Lucian Freud, 2011 © Zeng Fanzhi Studio

 

Quellen:

Hauser & Wirth, Widewalls, GagosianThe Art Story, Sotheby's

alle Bilder © Zeng Fanzhi Studio

 

Malerei
15. März 2021 - 12:17

To Live © Jong Seok Yoon

 

Es ist nicht viel über diesen koreanischen Künstler im deutsch- und englischsprachigen Internet zu finden und die Einträge sind schon mehrere Jahre alt. Trotzdem möchte ich Ihnen die sympathischen und ansprechenden Arbeiten von Yoon Jong Seok zeigen. Ich werde mich allerdings nicht zu Interpretationen versteigen, da die Malereien für mich nicht mehr als das sind, was sie darstellen: gemalte Kleidungsstücke aus unterschiedlichen Farben und Mustern - Blumen, Punkte, Streifen, Rhomben -, die gefaltet werden und etwas Neues entstehen lassen. Die Faltungen verwandeln den Stoff in Pistolen, Sofas, Schmetterlinge, aber auch in Hunde. Darüber hinaus sind die in Hundeform gefalteten Hemden und T-Shirts akribisch aus Punkten zusammengesetzt.

 

To Live © Jong Seok Yoon

Dog, 2009 © Jong Seok Yoon

© Jong Seok Yoon

Net Hanging Down The Concealed Side, 2008 © Jong Seok Yoon

Flowing Lightness-Dalmatian, Polka-dot Clothes, 2007 © Jong Seok Yoon

Rival- Barcelona, 2009 © Jong Seok Yoon

Rival - Manchester United, 2009 © Jong Seok Yoon

Same Bloodline, 2010 © Jong Seok Yoon

 

Jong Seok Yoon (*1970) lebt und arbeitet in der Republik Korea.

 

alle Bilder © Jong Seok Yoon

 

Malerei
8. März 2021 - 11:53

Schon vor Jahren ist mir Bärbel Rothhaar mit ihren Bienenprojekten im Internet begegnet. Da diese nicht zu meinem Blogthema passten, blieb es bei der Speicherung eines Links. Manchmal stöbere ich in meiner viele Jahre alten Linksammlung und spüre einzelnen KünstlerInnen nach. Und siehe da: Bei Bärbel Rothhaar habe ich Patti gefunden!

 

Patti, 2015 © Bärbel Rothhaar

 

Das Bild ist aus vordergründig disparaten Elementen zusammengesetzt: formlosen wässrigen Flächen und lasierenden Flächen, die Schatten bilden; konzentrischen Linien, die auf eine Wasserlacke hindeuten; dem Hund und den Pflanzen. Die Wörter, es handelt sich um botanische Begriffe, verweisen auf das Dargestellte: Google erklärt es näher. Eustoma grandiflorum ist der großblütige Prärieenzian, früher als Lisianthus bekannt. Stamina (Mz.), die Staubblätter, sind die Pollen erzeugenden Organe bei zwittrigen oder rein männlichen Blüten der Bedecktsamer. Das Stigma (die Narbe) dient der Aufnahme des männlichen Pollen. Der Stylus (der Griffel) in einer Blüte ist der Teil eines Fruchtblatts oder Stempels, der die Narbe trägt.

Die gelbgrünen Formen sind die Pollen, hoch ästhetische Gebilde, die seit der Erfindung des Mikroskops nicht nur WissenschaftlerInnen, sondern auch KünstlerInnen immer wieder faszinieren.

Patti, ein Whippet, kratzt mit der Pfote im Wasser. Malerischer Zufall und wissenschaftliche Genauigkeit ergänzen einander in dieser auf Braun- und Grüntöne beschränkten Arbeit. Auch wenn ein Teil des Bildrätsels gelöst ist, bleibt die Kombination der Teile in dieser Malerei doch geheimnisvoll und unergründlich.

Bärbel Rothhaar arbeitet oft in Serien, wobei ihre Themen (Natur, Naturwissenschaften und Ökologie) bei unterschiedlichsten Kunstprojekten vorkommen und Querverbindungen mit anderen Werken, wie Skulpturen oder Performances, eingehen.

So bildeten Aspekte von Symbiosen zwischen Lebewesen 2015 den Ausgangspunkt eines Kunstprojekts im Botanischen Museum in Berlin. Auch hier richtete sich der Blick der Künstlerin auf die Pollen der Pflanzen - auf Ihre Rolle in der Symbiose zwischen Pflanzen- und Tierwelt und natürlich auf die enorm wichtige Rolle der Bienen bei der Bestäubung.

 

Patti, 2020 © Bärbel Rothhaar

 

In einem perspektivisch uneindeutigen Raum sitzt Patti auf einem nach vorne geneigten roten Hocker, von dem sie eigentlich herunterrutschen müsste. Den oberen Bildraum nimmt eine Art Brücke ein. Die Verbindung von Innen und Außen bleibt unklar. Auch hier wirkt die Zusammenfügung von Gegensätzen - ornamentalen und informellen Bildteilen - charmant und anziehend.

Unten ein kleines Bild (30 x 40 cm) eines Kojoten, der in einer flachen Kuhle liegt: Drückt er schlafend die bunten Blumen zusammen oder wurde er, der Verstorbene, mit Blumen bekränzt? Ich tendiere zu Letzterem. Vielleicht wurde er von einem Auto angefahren und blieb leblos am Straßenrand liegen. Und die Künstlerin hat ihn malerisch zur Ruhe gebettet.

 

Kojote, 2020 © Bärbel Rothhaar

 

Inzwischen kenne ich die Erzählung hinter "Kojote, 2020". Er lebte in der kalifornischen Mojave-Wüste und war einer der zahlreichen Kojoten in dieser Gegend: Ein räudiges, krankes Tier, das von Nathini, der Tochter der Künstlerin, versorgt wurde. Sie gab ihm gelegentlich Wasser und Futter, das mit Medikamenten gegen Räude gemischt war.

 

An einem Ostersonntag ging das Leben des Kojoten aber dann doch zu Ende und er hat sich dafür die Terrasse ihres Hauses ausgesucht, um dort in der Nacht zu sterben. Das Foto mit den Wüstenblumen ist bei der Kojoten-Beerdigung entstanden und es hat mich so sehr berührt, dass ich es malen wollte. (Bärbel Rothhaar)

 

Beides, sowohl das Bild als auch die Geschichte, berührt auch mich. Ein Kojote, der so großes Vertrauen zu einem Menschen hat, dass er dessen Terrasse als Rückzugsort zum Sterben wählt. Eine Frau, die nicht gleichgültig gegen das Leid eines Tieres ist, ihm im Leben hilft und auch nach dessen Tod seine Würde achtet, indem sie ihn mit Zuneigung zu Grabe trägt. Und eine Künstlerin, die die Erinnerung an "Kojote" festhält.

Hunde kommen auch in Bärbel Rothhaars Arbeiten auf Papier vor, in Mischtechnik oder mit Tusche.

 

Quiet Hour, 2020 © Bärbel Rothhaar

Hund, 2018 © Bärbel Rothhaar

 

Weniger emotional herausfordernd ist eine Serie von Aquarellen auf A4-Papier, die ab Sommer 2020 enstand und Mensch-Tier-Metamorphosen zum Inhalt hat, darunter vier mit Hunden. Der Mensch ist schon so lange mit dem Hund verbunden, dass die beiden Spezies eine große Nähe und gegenseitiges Verstehen entwickelt haben. Ja es kommt sogar zu physiognomisch frappierenden Ähnlichkeiten. Das bringt die Künstlerin mit viel Humor und genauer Beobachtung z.B. bei "Dog Lady" oder "Bulldog Man" zum Ausdruck. Hätte Letzterer andere Ohren, würde ich meinen Onkel erkennen!

 

Bulldog Man, 2020 © Bärbel Rothhaar

Dog Dancer, 2020 © Bärbel Rothhaar

Dog Lady, 2020 © Bärbel Rothhaar

Hundemetamorphose, 2020 © Bärbel Rothhaar

 

 

Bärbel Rothhaar widmet sich in ihrer Arbeit als bildende Künstlerin experimentellen Kunstformen, wie beispielsweise prozesshaften Arbeiten im Bereich Kunst und Natur, u.a. Kunstprojekten mit Bienenvölkern. Sie zeichnet (analog und digital), malt und beschäftigt sich mit Enkaustik, der Malerei mit erhitztem, pigmentiertem Wachs.

In den Jahren der Auseinandersetzung mit Bienen spielten für Bärbel Rothhaar viele Faktoren und Ereignisse eine Rolle, die den künstlerischen Prozess motiviert und in Gang gehalten haben:

Zuerst beschäftigte sie sich mit der überaus vielfältigen Bienensymbolik in allen Kulturen. Ab 1999 begann sie mit lebenden Bienenvölkern zu experimentieren. Sie setzte unterschiedliche Objekte - Zeichnungen, Knochen, Metallobjekte - in die Bienenkästen ein und ließ sie von den Bienen verändern und überbauen. Es ging bei dieser "Wildwuchs" genannten Kooperation um den Dialog ihrer eigenen künstlerischen Intention mit natürlichen Prozessen, die nicht immer kontrollierbar waren.

Einige Methoden ihrer Arbeit näherten sich fast der naturwissenschaftlichen Forschung an, ohne das Gleiche zu sein. Dazu gehören Fragestellungen als Motivation und Ausgangspunkt der Arbeit, Interesse am Prozessualen, aber auch Versuchsreihen und Selbstversuche. In "Sleeping in a Beehive" lebte die Künstlerin einige Wochen mit einem Bienenvolk in ihrer Wohnung.

Näheres über Bärbel Rothhaars Bienenprojekte können Sie auf ihrem Blog oder auf ihrer Homepage nachlesen.

Bärbel Rothhaar (*1957 in Rockenhausen/D) hat Bildende Kunst an der Universität der Künste Berlin studiert und anschließend am Whitney Museum Independent Study Program in New York teilgenommen. Sie erhielt zahlreiche Stipendien, u.a. von der Studienstiftung des Deutschen Volkes, dem DAAD, der Karl-Hofer-Gesellschaft Berlin sowie dem Hanse-Wissenschaftskolleg. Seit 1980 stellt sie im In- und Ausland aus und führt Projekte durch.

 

alle Bilder © Bärbel Rothhaar

 

Malerei, Skulptur, Zeichnung
25. Februar 2021 - 12:33

Nach und nach werden immer mehr Künstlerinnen wiederentdeckt und mit Werkschauen präsentiert. Eine davon ist Ottilie W. Roederstein, deren strenge Selbstporträts mein Interesse weckten. Da sie auch ein paar Hunde gemalt hat, Grund genug, sie im Blog zu zeigen.

Ottilie W. Roederstein (*1859 in Zürich/Schweiz, gest. 1937 in Hofheim am Taunus/D) widmete ihr ganzes Leben der Kunst.

 

Mein ganzes Interesse war Arbeit und Arbeit. Ihr widmete ich mein ganzes Sein. (Ottilie W. Roederstein)

 

Als freischaffende Malerin gehörte sie zu den erfolgreichsten Künstlerinnen ihrer Zeit. Sie fand nicht nur in der Schweiz und Deutschland großen Zuspruch und Anerkennung für ihre Porträts und Stillleben, sondern auch in Paris, wo sie seit 1883 ihre Gemälde ausstellte. Der Erfolg sicherte ihr finanzielle Unabhängigkeit, sodass sie sich gesellschaftliche Freiräume erobern und sich nach ihrem Lebensentwurf entfalten konnte, was den meisten ihrer Zeitgenossinnen verwehrt war.

Als einzige Künstlerin vertrat sie 1912 die Schweiz bei der "Internationalen Kunstausstellung des Sonderbundes" in Köln - neben männlichen Kollegen wie Ferdinand Hodler und Giovanni Giacometti. Trotz ihrer einst internationalen Wertschätzung ist Roederstein fast unmittelbar nach ihrem Tod in Vergessenheit geraten.

In ihrem umfangreichen, in thematischer und stilistischer Hinsicht vielfältigem Œuvre spiegeln sich die modernen Entwicklungen des europäischen Kunstgeschehens, wobei sich Ottilie W. Roederstein zeitlebens im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne bewegte und nie zur künstlerischen Avantgarde gehörte.

Ein Jahr nach ihrem Tod wurden ihr 1938 in Erinnerung an ihr künstlerisches Vermächtnis und an ihr unermüdliches Engagement als Mittlerin zwischen der Schweiz und Deutschland in Frankfurt, Zürich und Bern Gedenkausstellungen ausgerichtet.

Durch die Zäsur des Zweiten Weltkriegs und die allgemeine Fokussierung des Kunstbetriebs auf abstrakte Malerei geriet Roedersteins Werk jedoch in Vergessenheit. Nun, nach über 80 Jahren, ist ihr Werk in einer monografische Werkschau im Kunsthaus Zürich wiederzuentdecken.

 

Ottilie W Roederstein, Jeanne Smith mit Hund, 1889

 

Roederstein, die gegen den Widerstand ihrer gutbürgerlichen Familie Künstlerin wurde, musste sich ihren Lebensunterhalt als freischaffende Künstlerin selbst verdienen. Dementsprechend arbeitete sie gezielt für den Kunstmarkt und hielt sich in ihren frühen Jahren an die malerischen Konventionen und Erwartungen des jeweiligen Auftragsumfeldes. Sie bediente den Geschmack des bürgerlichen Publikums, das ihre Bilder kaufen sollte.

Dies zeigt sich zu Beginn ihrer Karriere durch den Einsatz einer dunkeltonigen Farbpalette sowie durch die Wahl ihrer Bildsujets: den Porträts und Stillleben.

Im Porträt der "Jeanne Smith mit Hund" von 1889 sehen wir ein melancholisches Damenbildnis in altmeisterlichen Hell-Dunkel-Inszenierung. Der Setter wird an der kurzen Leine gehalten und scheint sich gegen den ausgeübten Druck zu stemmen. Im Gegensatz zu dem seelenvollen Blick von Jeanne sieht er uns missmutig und unwirsch an.

In ihrem späteren Werk nahm Roederstein zunehmend Elemente anderen Kunstrichtungen auf. Auch die Temperamalerei, die sie ab 1910 (wieder) einsetzte, übte einen Einfluss auf ihren Stil aus, bevor sie in den 1920er-Jahren zu der ihr eigenen sachlich-nüchternen Bildsprache fand.

 

Ottilie W. Roederstein, Elisabeth H. Winterhalter mit Schäferhund, 1912

 

1912 entstand das Gemälde "Elisabeth H. Winterhalter mit Schäferhund". Es stellt Roedersteins Lebenspartnerin - eine Gynäkologin und erste deutsche Chirurgin - dar, mit der sich die Künstlerin 1909 im ländlichen Hofheim am Taunus niedergelassen hatte. Roederstein und Winterhalter unterstützten sich gegenseitig, stießen in traditionell Männern vorbehaltene Disziplinen vor und machten in Kunst und Medizin Karriere.

Im Porträt sind schon Nüchternheit und Realismus angedeutet; die Künstlerin sollte sich später mehr und mehr dem Stil der Neuen Sachlichkeit nähern. Sowohl die Temperamalerei als auch die intensive Beschäftigung mit der italienischen Zeichenkunst der Renaissance erzeugten einen plastischen und fast linearen Stil in heller getrübter Farbigkeit. Allerdings greift Roederstein nicht auf die Idealisierung der Renaissance zurück. Ohne jede Idealisierung hat sie nicht nur sich in zahlreichen Selbstporträts, sondern auch die Erscheinung ihrer Freundin gemalt. Die Dargestellte schaut ihre BetrachterInnen skeptisch, kritisch, ja mit nahezu abschätzigem Blick an.

Dem ergebenen Schäferhund wird nicht so viel (künstlerische) Aufmerksamkeit zuteil, sein Kopf ist flächig-expressiv gestaltet und hat mit der schlichten Kleidung und dem einfachen Hintergrund malerisch mehr gemeinsam als mit Elisabeths Gesicht.

 

Ottilie W. Roederstein, Zwillinge mit Wolf und Peitsche, 1916

 

Die "Zwillinge mit Wolf und Peitsche" von 1916 sind sorgfältig durchkomponiert, sie bilden eine Dreiecksform, wobei das Kleid des rechten Mädchens wegsteht, um den symmetrischen Aufbau nicht zu gefährden. Peitsche und Federn verstärken die Vertikalität. Während das rechte Kind durch seinen abwesenden Gesichtsausdruck und seine unsichere Handhaltung auffällt, ist der kritische Blick ihrer Schwester direkt zum Betrachtenden gerichtet. Auch der schmale "Wolf" schaut ernst. Mit der monochromen Farbgestaltung ist Roederstein hier auf der sicheren Seite.

Sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz war Roederstein eine feste Größe im Kulturbetrieb. Die vielbeschäftigte Porträtmalerin förderte durch Ankäufe für ihre eigene Sammlung andere Kunstschaffende, unterstützte Ausstellungen moderner französischer und Schweizer Kunst und setzte sich für deren Verbreitung ein.

Bis zum 5. April 2021 ist sie im Kunsthaus Zürich zu sehen, dann kommt die Ausstellung unter dem Titel "Frei schaffend" ins Staedel Museum nach Frankfurt am Main (zu sehen vom 19. Mai bis zum 5. September 2021).

Quellen: Wikipedia, Kunsthaus Zürich, Staedel Musem, ARTinWORDS

Fotos von hier

 

Ausstellung, Malerei
21. Februar 2021 - 15:43

Nathan Oliveira, Standing Man with Stick, 1959

 

Der amerikanische Künstler Nathan Oliveira wurde mit Darstellungen von isolierten Figuren bekannt, er malte aber auch Tiere, Masken, Fetischobjekte und die Geschichte einer erfundenen Kultur mit schamanischen Zügen. Seine Themen und sein Stil variierten enorm, da er ästhetisch unabhängig war, obwohl er sich in seiner Malerei vom abstrakten (Willem de Kooning) und europäischen (Beckmann) Expressionismus sowie von Alberto Giacometti und Francis Bacon beeinflussen ließ.

Er sah sich nicht als Avantgardist, sondern der Garde, die nachher kommt - assimiliert, konsolidiert, verfeinert - zugehörig.

I'm not part of the avant-garde. I'm part of the garde that comes afterward, assimilates, consolidates, refines. (zit.n. Stanford magazine, 2002)

Nach dem Zweiten Weltkrieg überholte New York Paris als Zentrum der Moderne und der amerikanische abstrakte Expressionismus setzte sich in den späten 1940er und frühen 1950er Jahren von New York bis San Francisco durch. Jackson Pollock eliminierte mit seinem "Action Painting" den Körper und die Gegenständlichkeit vollends aus seiner Kunst. Jeder, der diesen spontanen, gestischen und stark improvisierenden Stil nicht übernahm, galt als akademisch und traditionell.

Zur gleichen Zeit entdeckte Oliveira die Kunst von Max Beckmann, Oskar Kokoschka und Edvard Munch, die im De Young Museum in San Francisco ausgestellt wurden. Alle drei Künstler waren Expressionisten, die sich auf die erzählerischen Möglichkeiten der figurativen Kunst verließen, und eine starke Gegenströmung zur Abstraktion des Action Painting bildeten.

Max Beckmann unterrichtete 1950 in San Francisco eine Sommer-Malklasse, an der Oliveira teilnahm. Die Kraft, die von Beckmanns Malerei ausging, beeinflusste ihn wesentlich und überzeugte ihn davon, dass Malerei eine Geschichte erzählen muss. Trotzdem übte die Abstraktion weiterhin ihren Sog auf Oliveira aus.

Als er 1951 seinen Abschluss an der Kunstschule machte, war er also bereits mit beiden mächtigen künstlerischen Traditionen konfrontiert worden, die er in sein Werk integrierte: Figuration und Abstraktion.

 

Nathan Oliveira, Seated Man with Dog,1957

 

Er vereinte den körperlosen abstrakten Expressionismus und die Figuration des europäischen Expressionismus in psychologisch aufgeladenen Gemälden, die menschliche Isolation und Entfremdung erforschten.

In seinem "Sitzender Mann mit Hund" von 1957 (oben) erkennen wir eine rätselhafte flache Figur aus einer schwarzen Masse, die durch graue Pinselstriche entweder verdeckt wird oder sich bereits in Auflösung befindet. Ihre Präsenz ist schwach. Der Hund ist schon fast ganz verschwunden. Oliveiras nervöse Menschenbilder sind aus dicken Schichten abgewetzter und zerkratzter Farbe aufgebaut. Spricht die spontane suchende Qualität, die sich auf den Leinwänden abbildet, dafür, dass der Künstler die Figur im Prozess des Malens findet? Holt Oliveira die Figur aus der Farbe hervor oder lässt er sie in ihr verschwinden? Anwesenheit und Abwesenheit menschlicher und tierlicher Existenz werden als Thema verhandelt.

Als Oliveiras Werk 1959 in der Ausstellung "New Images of Man" im New Yorker Museum of Modern Art nationale Aufmerksamkeit erregte, war die Welt noch mit den Schrecken beschäftigt, die der Holocaust in Europa und der Einsatz von Atomwaffen in Japan real über den menschlichen Körper gebracht hatten. In dieser Ausstellung wurden Oliveiras Gemälde neben denen führender Europäer wie Alberto Giacometti und Francis Bacon gezeigt, die Bilder der menschlichen Figur in einer gottlosen und düsteren Zukunft anzudeuten versuchten. Auch Oliveiras Figuren und Landschaften spiegeln – weitaus stärker abstrahiert - eine Affinität zu diesen düsteren Visionen europäischer oder zeitgenössischer Künstler wider, die seinen Sinn für menschliche Konflikte und existenzielle Ängste teilen.

 

Nathan Oliveira, Running Dog, 1961

 

Das obere Bild trägt den Titel "Running Dog", für mich ganz klar ein liegender Hund, wenn auch der Hintergrund - die orange Farbe liegt wohl über dem Horizont - etwa anderes vorgibt.

 

Nathan Oliveira, Jumping Dog, 1962

Nathan Oliveira, Woman with Rottweilers, 1964

 

Oliveira, dessen Eltern von Portugal nach Amerika emigriert waren, beschreibt sein Werk mit dem portugiesischen Wort "saudade", das für eine spezifisch portugiesische Form des Weltschmerzes steht.

Das Konzept der Saudade lässt sich mit "Traurigkeit" und "Sehnsucht" nur unzureichend übersetzen. Das Wort steht für das nostalgische Gefühl, etwas Geliebtes verloren zu haben, und drückt oft das Unglück und das unterdrückte Wissen aus, die Sehnsucht nach dem Verlorenen niemals stillen zu können, da es wohl nicht wiederkehren wird. (vgl. Wikipedia)

 

Nathan Oliveira, Dog Man, 1994

 

Der "Dog Man" ist ein Beispiel für Oliveiras druckgrafisches Werk, hier Kaltnadel mit Aquatinta.

 

Nathan Oliveira, African Runner, 2001

 

Oliveira war ein Maler, der sich mit Erdfarben, dem Dreck und Schmutz, dem Entfetten und Abschaben, dem Wischen und Pinseln wohlfühlte. Er schuf einsame Figuren, die uns mit ihren satten Ocker-, Braun- und Rottönen und ihren tief strukturierten und dennoch ausgewogenen Pinselstrichen ebenso fesseln wie mit ihrer Lebendigkeit.

Oliveira hat die menschliche und tierische Figur zum Ausgangspunkt seines künstlerischen Prozesses gemacht, versuchte aber gleichzeitig sie in einem lebenslangen Prozess zu vergessen, zu überwinden, sich in Ideen und Bildern zur Abstraktion zu bewegen.

I always have wanted to be an abstract artist, but it had to be about something very particular. (zit.n. ebsqart)

 

Nathan Oliveira, Red Dog, 2000

 

Ein intensiv feuerroter Hund löst sich in einem orangeroten Hintergrund fast auf. Er ist gesichts- und eigenschaftslos. Die Auslöschung seiner Besonderheiten wird malerisch vollzogen, wir erfahren nichts über Geschlecht oder Rasse. Das Gemälde ist ebenso sinnlich, was seine Materialität angeht (Farbauftrag und die Oberflächenbeschaffenheit), wie spirituell: der Hund scheint, nicht erdverbunden oder geerdet, mit dem Umraum zu verschmelzen.

Oliveiras solitäre Hunde (ob in Bewegung oder in Ruhe) sind so lebendig, dass wir das Gefühl bekommen, dass sie sich anmutig und sicher in ihrer privaten Sphäre weiterbewegen oder verschwinden werden, nachdem sie sich von uns abgewandt haben.

 

Nathan Oliveira, Max 1, 1989

 

Oliveira liebte Hunde und unterstützte die Humane Society Silicon Valley, ein Tierheim in San Jose, nahe San Francisco. Dort fand 2012 auch eine Ausstellung seiner Hundebilder statt, darunter Bilder von Max, einem seiner geliebten Rottweiler und andere private, noch nie gezeigte Hundeporträts. Leider ist die Ausstellung auf der HSSV-Homepage nicht dokumentiert.

 

Nathan Oliveira unter Bild von Max
Foto von hier

 

Nathan Oliveira (* 1928 in Oakland, Kalifornien, gest. 2010 in Stanford/Kalifornien) war ein amerikanischer Maler, Grafiker und Bildhauer, Sohn portugiesischer Einwanderer. Ab den späten 1950er Jahren war Oliveira in fast einhundert Einzelausstellungen und darüber hinaus in Hunderten von Gruppenausstellungen in wichtigen Museen und Galerien weltweit vertreten. Ab 1955 lehrte er Kunst an verschiedenen Hochschulen, darunter das California College of the Arts, die California School of Fine Arts (heute das San Francisco Art Institute), die University of Chicago, die UCLA. Von 1964 bis zu seiner Pensionierung 1995 hatte er einen Lehrauftrag an der Stanford University inne. Oliveira erhielt viele Auszeichnungen, zwei Ehrendoktorwürden und im Jahr 2000  einen von der portugiesischen Regierung verliehenen Orden.

Quellen:

Wikipedia, ebsqart, The New York Times u.a.

 

Grafik, Malerei
14. Februar 2021 - 22:10

Das ist Paša! Der Hund des kroatischen Malers Miloslav Kraljević!

 

Miroslav Kraljevic, Paša, 1910

 

Miroslav Kraljević ist als einer der Begründer der modernen Kunst in Kroatien eine Schlüsselfigur der kroatischen Malerei des frühen 20. Jahrhunderts. Obwohl aufgrund seines frühen Todes sein Oeuvre relativ klein blieb, übte er mit seinen Gemälden, Zeichnungen, Drucken und Skulpturen, die in nicht ganz sechs Jahren kulminierenden Schaffens von Požega, Wien, Zagreb, München und Paris aus entstanden, einen starken Einfluss auf die nachfolgenden Künstlergenerationen aus.

Sein Werk enthält sowohl Elemente des Impressionismus als auch des Expressionismus, auffällig ist allerdings seine Nähe zu den Malmethoden Cezannes, denen er ab 1911 in seinen Porträts, Stillleben, Tieren und Landschaften nachspürte. Der Einfluss des Franzosen geht auf einen Aufenthalt Kraljevićs in Paris zurück, das in den 1910er Jahren das Zentrum der europäischen Kunst darstellte und für kroatische Künstler, die sich bis dahin eher nach Wien oder München orientierten, im wörtlichen und übertragenen Sinn nicht nahelag. Kraljević und andere kroatische Maler seiner Generation wandten sich gegen die herrschenden akademischen Traditionen mit ihren literarischen, historischen oder moralischen Bezügen und den französischen Impressionisten als Vorbilder zu. Kraljevic flanierte durch Paris, beobachtete die Gesellschaft und malte, was er sah.

Der Kroate hatte nur sechs Jahre Zeit seinen Stil zu entwickeln. Wahrscheinlich war er als junger Student künstlerisch beeinflussbar und hat alles Neue, jede avantgardistische Strömung wie ein Schwamm aufgesaugt.

Mir allerdings gefällt ein Werk am besten, in dem er ganz traditionell malt und seine große Begabung für tiefgründige Menschen- und Tierporträts zum Ausdruck kommt. Nicht von ungefähr wird Kraljević in Kroatien als "Künstler der Seele" bezeichnet.

 

Miroslav Kraljevic, Selbstporträt mit Hund, 1910

 

Ganz bemerkenswert an diesem Doppelporträt finde ich den gleichen Gesichtsausdruck der beiden: Herr und Hund schauen unsicher und fragend, ja sogar skeptisch und sorgenvoll. Großartig, wie die ganze Seele nur im Blick, im Glanz der Augen liegt. Ganz deutlich ist zu spüren, wie der Maler seine Hand beschützend auf Paša legt, ihn förmlich an seinen Körper drückt. Wir sehen zwei Lebewesen, die sich einig und sehr nahe sind.

 

Miroslav Kraljevic, Selbstporträt mit Hund, Detail, 1910

 

Miroslav Kraljević (*1885 in Gospić/Kroatien, gest. 1913 in Zagreb/Kroatien) verlässt 1904 nach der Matura Kroatien und zieht nach Wien, wo er Rechtswissenschaften studiert und privat Malunterricht nimmt. Zwei Jahre später bricht er sein Jurastudium ab und widmet sich nur noch der Malerei. 1906 geht er nach München, das neben Wien als wichtiger Knotenpunkt der europäischen Kunstszene gilt, und schreibt sich an der Akademie der Bildenden Künste ein. Nach mehrjährigem Studium zieht er zu seiner Familie nach Požega zurück, wo er die Jahre 1910 und 1911 verbringt. "Selbstbildnis mit Hund" stammt aus dieser Zeit. 1911 erhält er auch ein staatliches Stipendium für Paris, wo er ein Jahr studiert. 1912 kehrt er nach Kroatien zurück, mietet ein Atelier, malt, organisiert seine erste Einzelausstellung - und lebt am Rande des Todes. Auch ein Sanatoriumsaufenthalt kann an seiner unerbittlichen Krankheit, der Tuberkulose, nichts ändern. Er stirbt 1913 mit 27 Jahren in Zagreb.

Quelle: Venetian Cat

 

Malerei
5. Februar 2021 - 13:43

Dog 1, 2017 © Sabine Moritz

 

Der immer gleiche Hund läuft, sich umschauend, in einer verlassenen Stadt herum. Die Rollläden sind heruntergelassen. Die Geisterstadt ist in unterschiedlichen Abstraktionsgraden gemalt.

Im ersten Bild ist der Hund groß dargestellt, er spiegelt sich in den Wasserlacken, der Umraum ist nur gestisch expressiv bestimmt. Aussehen und inneres Erleben des Hundes scheinen in allen vier Bildern unverändert, nur äußere Stimmungs- und Wetterlagen ändern sich. Im zweiten Bild scheint etwas Ruhe eingekehrt, die Luft ist klarer.

 

Dog 2, 2017 © Sabine Moritz

Ghost Town I, 2016 © Sabine Moritz

 

Ghost Town I und II zeigen fast denselben Bildausschnitt, wobei sich der Hund in der unteren Darstellung nahezu in Farbschlieren auflöst, er noch abstrahierter, entmaterialisierter und düsterer ist.

In dieser expressiveren Variante hat der Hund die gleiche Farbigkeit wie seine Umgebung. Neben dieser kalten Farbgebung bringt die Unschärfe etwas Geheimnisvolles, Lebendiges, aber auch Bedrohliches ins Bild.

Ich habe nach Spuren gesucht, die mir verraten, wieso mich diese Bilder an Asien denken lassen, etwa an ein verlassenes chinesisches oder japanisches Dorf. Welche Spuren habe ich gefunden: Der Bildtitel "Ghost Town" klingt nach einem Thriller aus dem Fernen Osten, einem Eastern. Zeigen sich vielleicht Schriftzeichen im expressiven Duktus? Könnte nicht der blinde Samurai gleich zwischen den Häusern hervortreten?

 

Ghost Town II, 2016 © Sabine Moritz

 

Ganz falsch lag ich mit meiner Spurensuche nicht, denn die Bilder zeigen eine japanische evakuierte Stadt. Die deutsche Künstlerin Sabine Moritz hat die Bilder fünf Jahre nach dem Reaktorunglück von Fokushima nach einem alten Zeitungsfoto gemalt. Da die Einheimischen ihre Tiere zurücklassen mussten, blieb nur der verwaiste Hund im Bild. Die alte Heimat wurde für die ehemaligen BewohnerInnen und die Zurückgelassenen zur Gefahrenzone in dreckigem Katastrophengrau.

 

Dog, 2019 © Sabine Moritz

 

Sabine Moritz malt von Motiven, die ihr wichtig sind, mehrere Versionen, wobei sie den Bildausschnitt unterschiedlich skaliert oder die Bildwirkung durch die Wahl der Farben ändert. Damit dekontextualisiert sie das vorgegebene Motiv. Anstatt den Reaktorunfall zu malen, stellt sie dessen Auswirkungen dar und lässt uns im Unklaren darüber, was passiert ist.

 

Dog, 2017 © Sabine Moritz

 

Die Künstlerin wurde 1969 Quedlinburg in Ostdeutschland geboren und kam 1985 mit 16 Jahren in den Westen. Sie studierte zunächst an der Hochschule für Gestaltung Offenbach, bevor sie in die Kunstakademie Düsseldorf eintrat. Schon während des Studiums begann sie aus dem Gedächtnis zu zeichen, etwa die Plattenbausiedlung Lobeda nahe Jena, wo sie aufgewachsen war. Später zog sie für ihre Bilder auch Familienschnappschüsse, eigene Fotos und Zeitungsquellen zur Ergänzung der Erinnerung heran.

Und um Erinnerung geht es in vielen ihrer Werke: die Erinnerung an Ihren Vater, der bei einem Arbeitsunfall starb, als sie gerade vier Jahre alt war, die Erinnerung an die DDR, die ihr verloren schien und Heimweh verursachte, nachdem die Familie 1985 von Jena nach Darmstadt ausreisen durfte. In ihrer Malerei konkretisieren sich Moritz' Untersuchungen darüber, wie man sich erinnert und wie die Erinnerungen einer ständigen Veränderung und Verzerrung unterzogen sind, ja einem Verblassen anheimfallen. Mit ihren figurativen Bildern malt sie gegen das bevorstehende Vergessen an und erzählt gleichzeitig von persönlichen Erfahrungen, die Teil einer kollektiven Geschichte sind.

 

Ruin, 2017 © Sabine Moritz

Screenshot von Dog I-III, 2012 © Sabine Moritz
Screenshot von Marian Goodman Gallery

 

Ich war in meiner Bildersuche und Internet-Recherche schon weit fortgeschritten, als ich las, dass Sabine Moritz seit 1996 die Ehefrau von Gerhard Richter ist. Zuvor war sie seine Studentin in Düsseldorf. Das hat mich insoferne überrascht, als ich noch nie etwas von dieser großartigen und vielschichtigen Künstlerin gehört hatte.

Vielleicht hatte ich erwartet, dass ihr als Frau des weltberühmten Gerhard Richter viele Türen offen stünden. Doch das Gegenteil scheint hier der Fall zu sein. Vielleicht will niemand in Verdacht geraten, sie aufgrund ihres Ehemanns zu protegieren. Wie anders ist es zu erklären, dass es vergleichsweise wenig mediale Resonanz auf ihre Bilder gibt, obwohl ihre Arbeiten in Deutschland unter anderem in der Kunsthalle Rostock, Kunsthalle Bremerhaven, Von der Heydt Kunsthalle Wuppertal und international in London und Paris ausgestellt wurden. Allerdings ist ihr Werk in einer großen Anzahl von Katalogen präsent.

Bis zum 27. März 2021 zeigt die Galerie Pilar Corrias in London ihre Arbeiten in der Einzelausstellung ‘Mercy’. Neben großformatiger abstrakter Malerei und Zeichnung wird erstmals ihr fotografisches Werk ausgestellt. Sehr umfassend werden ihre Arbeiten auf der Homepage der Galerie gezeigt.

Die Künstlerin lebt und arbeitet in Köln.

Quellen: Marian Goodman Gallery, Galerie Pilar Corrias, Felix Ringel Galerie

alle Bilder © Sabine Moritz

 

Ausstellung, Malerei, Zeichnung