27. Juni 2016 - 13:01

Howl, 2013 © Kevin Peterson

 

Ich freue mich immer ganz besonders, wenn ich von LeserInnen eine Idee für einen Beitrag erhalte. Andrea Antoni hat einen hyperrealistischen Maler für mich gefunden, den ich Ihnen gerne vorstelle. Ich nehme ihn auch zum Anlass, ein paar weitere, ähnliche KünstlerInnen anzuschließen, die schon lange in meiner persönlichen Warteschlange hängen, da ich mir bisher nicht sicher war, ob ich sie Ihnen im Blog zeigen soll.

 

Quest, 2015 © Kevin Peterson

 

Kevin Peterson hat sich auf Darstellungen von Kindern und Tieren spezialisiert, die in urbanen, heruntergekommenen Szenerien - zwischen Graffiti besprühten Hauswänden, geschlossenen Rollläden, Mauern, Abfallmulden - herumstreifen. Die Bilder leben von diesem Kontrast des kindlich und tierlich Unschuldigen mit einer schmutzigen, kaputten Welt. Kinder und Tiere (Füchse, Eis-, Wasch-, Braunbären, Wölfe, die üblichen tierischen Verdächtigen also) gehen und schauen fast immer in die gleiche Richtung, sie scheinen Dinge zu sehen und zu entdecken, die uns verborgen bleiben.

Der Künstler zeigt uns das Erwachsenwerden in einer Welt, die nicht märchenhaft heil ist, in der Traumata, Ängste und Einsamkeit herrschen. Mit Zuversicht und Stärke jedoch soll all dies überwunden werden.

 

Bidding, 2014 © Kevin Peterson

© Kevin Peterson

 

Ich habe nichts gegen foto- oder hyperrealistische Malerei. Ja ich liebe z.B. die Stadtansichten von Richard Estes aus den 70er Jahren: seine New Yorker Straßenzüge in außergewöhnlichen Perspektiven (meist menschen-, immer hundeleer), seine Auslagen mit Spiegelungen usw., die eine fotografische Vorlage meisterlich übersteigern. Obwohl auch Kevin Petersons Bilder von malerischer, handwerklicher Meisterschaft zeugen, erscheinen sie mir vergleichsweise flach. Vermutlich liegt das auch an seiner Darstellung einer unrealistischen Tier-Mensch-Beziehung - einer Vorstellung vom Naheverhältnis oder Verständnis zwischen Tier und Kind -, die für mich geschmäcklerisch und anempfunden ist und an Kitsch grenzt.

Kevin Peterson (*1979 in Elko/Nevada) hat Kunst und Psychologie am Austin College in Sherman/Texas studiert. Er lebt und arbeitet in Houston/Texas. Mehr Arbeiten können Sie auf seiner Homepage oder auf der Homepage der Thinkspace Gallery sehen.

Eine Fußnote für die Musik-Interessierten: Ein Ausschnitt des Bildes "Coalition II" ist auf dem letzten Plattencover der Red Hot Chili Peppers "The Getaway" zu sehen, das am 17. Juni 2016 erschien.

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Coalition II © Kevin Peterson
 

alle Bilder © Kevin Peterson

 

Malerei
23. Juni 2016 - 8:48

Acension, 2016 © Alois Mosbacher

 

In der Galerie Gerersdorfer in Wien ist noch bis zum 9. Juli 2016 die Arbeit "ascension" (2016) von Alois Mosbacher zu sehen. Sie ist Teil der Ausstellung "Paper Work III", die elf österreichische Künstler und Künstlerinnen und ihren individuellen Zugang zum Thema "Arbeiten auf/mit Papier" zeigt. Zu sehen sind Holzschnitte, Mischtechniken, Gouachen, Digitaldruck, Tuschezeichnungen, Papierschnitte, Schachtelbilder sowie Figuren aus Papiermaché.

Galerie Gerersdorfer: Währinger Straße 12, 1090 Wien;

Öffnungszeiten: Donnerstag – Samstag von 11 – 20 Uhr

 

Ausstellung, Zeichnung
20. Juni 2016 - 10:00

Vor ein ein paar Tagen ging die Nachricht vom Aussterben einer Rattenart durch die Medien. Die australische Bramble-Cay-Mosaikschwanzratte - das einzige am australischen Great Barrier Reef endemische Säugetier - wurde ein Opfer des vom Menschen verursachten Klimawandels. Als Hauptgrund für das Aussterben nennen die Forscher, dass die Insel aufgrund des gestiegenen Meeresspiegels und zunehmend heftiger werdender Stürme mehrfach überspült wurde. Der Lebensraum und die Nahrungsgrundlage der hauptsächlich pflanzenfressenden Ratten schwand ihnen damit unter den Füßen weg. (vgl. z.B. Der Standard)

Dieser traurige Anlass erinnerte mich an das Bild einer Ratte der US-amerikanischen Künstlerin MF Dondelinger, die das Artensterben in ihren Werken thematisiert.

Die Ord's Kangaroo Rat war 2012 im Wiener Belvedere bei der Ausstellung "Gold" zu sehen. Zur gleichen Serie der "Endangered Species" gehören auch Wölfe.

 

Buchcover Gold und Ords Kangaroo Rat © MF Doendlinger

Mexican Gray Wolf © MF Dondelinger

Red Wolf © MF Dondelinger

 

Seit 2003 beschäftigt sich MF Dondelinger mit der Theorie der traditionellen Ikonenmalerei. In ihrer künstlerischen Praxis verbindet sie die alten Techniken und Konzepte mit zeitgenössischen Themen z.B. des Umwelt- und Artenschutzes. Sie nutzt auch Materialien der alten Meister: Blattgold, Hasenleim, Marmorstaub und Eitempera.

In ihrer "Endangered Species Series" malt sie detailreiche Bilder gefährdeten Tierarten des amerikanischen Süd- und Nordwestens. Dabei trägt sie die Temperafarben und das Blattgold auf Papptellern als Bildträger auf. Dieser ungewöhnliche und billige Malgrund, der im Gegensatz zu den feinen Malmaterialien steht, weist auf unsere Wegwerfgesellschaft, auf die fragile Überlebenschance mancher Arten und auf unsere gedanken- und achtlose Haltung gegenüber diesen vom Aussterben bedrohten Arten hin.

Klimawandel, Lebensraumverlust, Verlust von Wasserressourcen und Einschleppung nicht-heimischer Arten bedrohen den Fortbestand einer Vielzahl von Pflanzen- und Tierarten in den westamerikanischen Wüsten. Durch die wertschätzenden und liebevollen Darstellungen lenkt MF Dondelinger die Aufmerksamkeit auf diese wenig beachteten Tiere, die manchmal noch in amerikanischen Hinterhöfen anzutreffen sind.

Zu den Bildern gibt es auch ein Buch. "Modern Icons. The Sacrifice of Endangered Species of the American Southwest". Kurze Texte begleiten jedes Gemälde, beschreiben die Pflanze oder das Tier, seinen Lebensraum und die Ursache für seine Gefährdung.

 

Buchcover Modern Icons © MF Dondelinger

 

In der Serie "Almighty Dollar" malt sie Tiere - von der Honigbiene zum Bengalischen Tiger - deren Lebensbedingungen von Ausbeutung bestimmt sind oder waren auf Geldscheine.

 

Grey Wolf © MF Dondelinger

 

Dieses schöne, inhaltlich vielschichtige Bild "Metamorphosis" malte die Künstlerin für die Biennale in Florenz. Auf ihrer Homepage finden Sie mehrere Detailansichten.

 

Metamorphosis © MF Dondelinger

Metamorphosis (Detail) © MF Dondelinger

 

Nicht zuletzt weil die Tier- und Ikonenmalerin MF Dondelinger auch viele Hunde malt, passt sie gut in meinen Blog. Manche der Hunde, die "Sainted Dogs", haben Heiligenscheine, wie der verstorbene Sammi, der bei ihrer Familie lebte. Andere vierbeinige Freunde sind noch wohlauf.

 

Sammi © MF Dondelinger

Buddy © MF Dondelinger

Focused © MF Dondelinger

My friend © MF Dondelinger

Two Friends © MF Dondelinger

 

FM Dondelinger wurde in Auburn/Kalifornien geboren, sie lebt und arbeitet in Arizona und New Mexico. Sie schreibt auch einen Blog über ihre Arbeit.

alle Bilder © MF Dondelinger

 

Ausstellung, Buch, Malerei
31. Mai 2016 - 8:24

Das, was den meisten von uns vertraut ist, das Spazierengehen mit unserem Hund, hat die Fotografin Brigitte Bauer zum Ausgangspunkt eines Foto-Projektes gemacht. Anlass dafür war die Einladung zu einer Gruppenausstellung, die die französische Landschaft zum Thema hatte. Brigitte Bauer entschied sich dafür, ihre nächste Umgebung in Arles, die sie täglich mit ihrem Hund abgeht, künstlerisch zu untersuchen. Bald verlagerte sich die Aufmerksamkeit von der Landschaft auf Charo, ihren Hund.

 

aus der Serie Dogwalk © Brigitte Bauer

aus der Serie Dogwalk © Brigitte Bauer

aus der Serie Dogwalk © Brigitte Bauer

aus der Serie Dogwalk © Brigitte Bauer

 

Für das Projekt (Dogwalk 2011-2014) ist die Fotografin immer wieder die gleiche Strecke abgegangen und hat dieselben Motive bei verschiedenen Gelegenheiten fotografiert. Es ging um das Wesen des Gehens mit Hund und um das, was man während des Flanierens sieht.

Für die Spaziergänge hat Brigitte Bauer Gegenden ohne Autoverkehr ausgesucht, sodass sich ihre inzwischen 14-jährige Hündin Charo nicht nur frei, sondern auch sicher bewegen konnte. Die Fotografin ist ihr gefolgt und hat sich ihrem Erkundungsrhythmus angepasst. Hunde erfahren ihre Territorien und Reviere mit allen Sinnen, besonders aber nehmen sie Gerüche auf. Da sich Charo beim leinenlosen Umherstreifen nicht an räumliche, vom Menschen vorgegebe Grenzen hielt, verlagerte sich auch Brigitte Bauers Aufmerksamkeit auf das, was die Hündin interessiert hat und dem sie sonst wenig Beachtung schenkt.

 

aus der Serie Dogwalk © Brigitte Bauer

aus der Serie Dogwalk © Brigitte Bauer

aus der Serie Dogwalk © Brigitte Bauer

aus der Serie Dogwalk © Brigitte Bauer

aus der Serie Dogwalk © Brigitte Bauer

 

Es entstand eine Serie von über 3000 Fotos mit dem Handy, aus denen Brigitte Bauer für die Ausstellung auswählen konnte. Jedes Foto kann allerdings auch als Einzelbild gezeigt werden.

"Dogwalk" und "Charo's video" sind von 1. bis 23. Oktober 2016 beim Parcours de l'Art, Avignon zu sehen.

 

aus der Serie Dogwalk © Brigitte Bauer

 

Brigitte Bauer wurde mit ihren Fotos vom Montagne Sainte-Victoire (1992-94), dem Berg, den schon Cezanne gemalt hat, bekannt. In den folgenden Jahren hat sie sich immer mehr dem alltäglich Unspektakulären zugewandt. Sie näherte sich der Landschaft in Serien mit Kreisverkehren (Rond-Points) und Parkflächen in Stadtzentren oder in der Peripherie an (Aller aux jardins; La ville et le jardin) und konfrontiert unsere Naturvorstellungen mit den sozioökonomischen Veränderungen der Landschaft. Auf den ersten Blick mögen ihre Fotos dokumentarisch wirken, doch der Bildaufbau ist hinsichtlich Farbkomposition, Lichtgestaltung und räumlicher Anordnung der Figuren klar kalkuliert.

Auf ihre Fotoserie "Dogwalk" bin ich auf Fauna & Flora gestoßen. Dort finden sie auch ein Interview mit der Künstlerin.

Zum Abschluss sehen Sie Charo's Video, nicht mit der Hand-, sondern der Hundekamera (Body Cam) gedreht.

 

 

Brigitte Bauer (*1959 in Deutschland) lebt seit 1987 in Arles/Frankreich.

alle Fotos © Brigitte Bauer

 

Ausstellung, Fotografie, Video
25. Mai 2016 - 13:22

Finden sie auch, dass die Fotos von Amy Stein seltsam surreal und artifiziell wirken?

Ihr Eindruck trügt nicht: Denn bei den großformatigen Fotos der Serie "Domesticated" (2005-2009) der US-amerikanischen Fotografin handelt es sich auch nicht um gelungene Schnappschüsse oder dokumentarische photojournalistische Aufnahmen außergewöhnlicher Tier-Mensch-Begegnungen oder Situationen, sondern um inszenierte Fotografien mit Tierpräparaten.

Die New Yorkerin untersucht das Aufeinandertreffen von Tieren mit Menschen bzw. der menschlichen Zivilisation, die immer mehr in die Natur eingreift/übergreift. Sie erkundet die zunehmend durchlässige Grenze zwischen der menschlichen verbauten Umwelt in städtischen Randzonen und der Wildnis.

Gleichzeitig erforscht sie damit unsere paradoxe Beziehung zum Wilden bzw. wilden Tier. Einerseits ist der Mensch von der Freiheit und dem Geheimnisvollen, das es repräsentiert angezogen, andererseits versucht er ständig das Wilde - auch in sich - zu zähmen.

 

High grass © Amy Stein

Predeator © Amy Stein

 

Die dargestellten Szenen basieren auf wahren Begebenheiten, die sich in Matamoros, einer ländlichen Gemeinde in Pennsylvania, zugetragen haben. Dazu hat Amy Stein Erzählungen der Einwohner, kurze Zeitungsmeldungen oder Polizeiberichte herangezogen. Tiere suchen z.B. im menschlichen Abfall nach Nahrung, dringen in den Raum ein, den die Menschen als ihren erachten. Die Tiere ersetzen damit einerseits die Jagd, andererseits werden sie zur Bedrohung.

Die Fotografien der Serie erzählen von dieser Bedrohung, von gefährdeten Menschen in der Nähe ihrer kleinen, bescheidenen Häuser. Die zugrunde liegenden Geschichten sind nur ein Ausgangspunkt für Amy Steins künstlerische Inszenierung, die Fotos demnach Fiktionen, die auf Fakten beruhen.

 

Trasheaters © Amy Stein

Groceries © Amy Stein

 

Eine ausführliche Darstellung von Amy Steins Arbeitsweise habe ich auf fototazo gefunden, wo die Künstlerin in einem Interview drei unterschiedliche Varianten von "Howl" erläutert.

Arbeiter haben ihr berichtet, dass auf einem Parkplatz, der von Laternen beleuchtet wird, heulende Kojoten herumlaufen. Sie hat diese Erzählung zum Anlass genommen, mehrere Fotos mit einem Kojoten-Präparat anzufertigen, wobei sie die Lichtquelle und die Beziehung des Tieres zu diesem Licht näher untersucht. Nehmen die Lichtquellen für den Kojoten die Stelle des Mondes ein, sind sie ein Surrogat für den Mond? Irritiert ihn das künstliche Licht?

 

Howl © Amy Stein

Howl © Amy Stein

Howl © Amy Stein

 

Auf einem Foto sieht man nur den Kojoten und das ausgestrahlte Licht. Der Ausdruck und die Emotionen des Kojoten scheinen hier am stärksten zu sein – obwohl es sich ja auf den drei Aufnahmen um das selbe ausgestopfte Tier handelt. in einem ist die Laterne als Lichtquelle erkennbar, eines balanciert ausgewogen zwischen diesen Ansichten. Bei dieser letzten Ansicht breitet sich das Licht kugelförmig aus und verweist so auf den Mond.

Das Buch zur Fotoserie: Amy Stein, Domesticated, Photolucida, Englisch, ISBN-13: 978-1934334041

 

Buchcover Domesticated

 

Amy Stein (*1970) lebt in Los Angeles. Sie wird von der Robert Koch Gallery in San Francisco vertreten.

Buch, Fotografie
11. Mai 2016 - 8:02

Norbert Schwontkowski wurde spät von der Kunstwelt entdeckt, von mir allerdings noch später. Über Nachrufe habe ich mich dem Werk des 2013 verstorbenen deutschen Künstlers genähert, der als in romantischer Tradition stehender Melancholiker beschrieben wird.

Er geht existenziellen Fragen nach, erzählt Geschichten vom Verlorensein und Sehnen des Menschen. Dabei wirken seine Bilder lakonisch, humorvoll und unprätentiös.

Auch die Hunde sind hineingeworfen in reduzierte Landschaften. Die Streuner fordern einander zum Spielen in einer nebelverhangenen und menschenleeren Bahnhofstristesse auf. Obwohl die Hunde nur aus wenigen krakeligen Strichen bestehen, sind ihre Posen ausdrucksstark.

 

Norbert Schwontkowski, Vegesack, 2006

 

Nimmt dieser Hund die Stelle Dorian Grays ein, wird er sich gerade seiner Existenz bewusst?

 

Norbert Schwontkowski, Dorian Gray, 2011

 

Augenblicke der Aufmerksamkeit sehen wir hier. Die Hunde warten auf die Darbietung des Sängers.

 

Norbert Schwontkowski, Cantor, 2005

Norbert Schwontkowski, Lodz, 2011

 

Norbert Schwontkowski malt in reduzierter Farbigkeit und in einer aufwändigen Nass-in-Nass-Technik. Die Bilder bilden nichts Reales ab, sondern kommen aus dem Inneren, der Empfindung des Künstlers.

Erst mit 55 Jahren wurde Norbert Schwontkowski (*1949) über seine Heimatstadt Bremen hinaus bekannt. Ab 1996 lehrte er in Hamburg, Bremen, Greifswald und Braunschweig.

Einen umfassenden Überblick über Norbert Schwontkowskis Werk können Sie auf der Homepage der Galerie Contemporary Fine Arts - CFA Berlin erhalten. Viel Vergnügen beim Betrachten dieses großartigen malerischen Werks!

 

Malerei
21. April 2016 - 12:10

© Nate Frizzell

 

Wie so viele andere Künstler und Künstlerinnen seiner Generation beschäftigt sich Nate Frizzell mit den Gemeinsamkeiten und dem Trennenden von Tier und Mensch. Aus seinen Bildern spricht die Sehnsucht nach einer Verbindung - nicht ohne an der Grenze zum Kitsch zu schrammen -, die vermutlich nicht nur meine sentimentale Ader anspricht.

In seinen (foto)realistisch gemalten figurativen Bildern spricht der Künstler - er kommt von der Illustration her - besonders zwei Themenstellungen an: Das menschliche Verstecken hinter Masken und das Erwachsenwerden mit seiner beschwerlichen Selbstfindung.

 

© Nate Frizzell

© Nate Frizzell

© Nate Frizzell

 

Masken tauchen in seinen Gemälden, die Tiere und Menschen in unterschiedlichsten emotionalen Settings darstellen, immer wieder auf. Skeptisch beäugen die Wölfe den Menschen mit der Wolfsmaske; begleiten sie das maskierte laufende Kind; bedrohen sie, den schutzlosen, weil unmaskierten Menschen etc.

Im Alltag tragen wir alle Masken und spielen Rollen, verstecken wir uns hinter Spitznamen in den sozialen Medien, passen wir unsere Kommunikation dem Gegenüber an. Die Masken in der Malerei verdeutlichen unsere inneren Wünsche und Sehnsüchte, den Wunsch die Fähigkeiten und den Charakter der Maske anzunehmen. Wollen wir nicht alle manchmal Wolf sein -  wild und unabhängig?

Die letzte Frage kreist auch um den Bereich der Selbstfindung: Wer bin ich, wer möchte ich sein? Werde ich eine Maske - im übertragenen Sinn - aufsetzen oder ablegen?

 

Dark was the night © Nate Frizzell

© Nate Frizell

 

In seinen Szenarien bewegen sich der "urbane" Mensch (seine Accessoires sind Kapuzenjacke, Sneakers, Rucksack) und  das "wilde" Tier durch eine meist winterliche oder dunkle Landschaft. Frizzell erzählt surreal angehauchte und emotional aufgeladene Geschichten von Kindern und Jugendlichen auf der Suche nach ihrer Identität. Dabei sind seine adoleszenten Protagonisten sympathisch und integer in ihrem Bemühen den Tieren nahe zu kommen, das Trennende zu überwinden.

 

I should know... © Nate Frizzell

I should know... © Nate Frizell

 

Zum Abschluss noch eine Kohlezeichnung: Der Mensch ist abwesend, nur eine Maske bleibt zurück.

 

© Nate Frizzell

 

Nate Frizzell (*1984) studierte am  Otis College of Art and Design und lebt und arbeitet in Los Angeles.

 

Malerei, Zeichnung
14. April 2016 - 19:46

Sehen Sie auch Hunde, wenn Sie in den Himmel schauen? Dann sind wir schon drei! Denn auch die deutsche Künstlerin Vera Kattler entdeckt unsere vierbeinigen Gefährten in den Wolkenformationen. In der Serie "In den Wolken seh ich immer Hunde", die Kohlezeichnungen, Arbeiten in Öl auf Leinwand und Öl auf Schießscheiben umfasst, setzt sie das Gesehene und Erkannte künstlerisch um.

Vera Kattlers Tierdarstellungen sind nicht naturalistisch oder das Äußere abbildend, in ihnen sieht man vielmehr die Suche nach dem universell Animalischen und dem Wesen des Tieres. Trotzdem sind besonders bei den Hundeporträts sehr wohl Individuen mit ganz speziellen Charakterzügen und Befindlichkeiten zu erkennen.

 

in den wolken seh ich immer hunde © Vera Kattler

in den wolken seh ich immer hunde © Vera Kattler

 

Die Hunde - eigentlich deren Köpfe - sind aus der Fläche herausgearbeitet, die teilweise zu schwarzen Stellen verdichtet ist, sodass sie plastisch und körperhaft wirken. Die Materialeigenschaft der Kohle erzeugt unmittelbar die Anmutung von Fell.

Ganz sparsam setzt Vera Kattler die Linie bei den Augen und den Schnauzen ein, gestaltet sie ausdrucksstarke Ohren. Manche Hunde scheinen nicht nur aus dem Bild herauszublicken, sondern auch herauszuhorchen. Sie schauen verträumt, unsicher, unendlich traurig, lachen verschmitzt. Ihrer spürbaren Präsenz wohnt eine Unergründlichkeit und Einsamkeit inne (zu groß sind deren Unterschiede auch innerhalb ihrer Spezies).

Alle würde ich gerne kennenlernen und ihre Geschichte erfahren, manche trösten und beschützen.

 

in den wolken seh ich immer hunde © Vera Kattler

in den wolken seh ich immer hunde © Vera Kattler

in den wolken seh ich immer hunde © Vera Kattler

in den wolken seh ich immer hunde © Vera Kattler

in den wolken seh ich immer hunde © Vera Kattler

in den wolken seh ich immer hunde © Vera Kattler

in den wolken seh ich immer hunde © Vera Kattler

in den wolken seh ich immer hunde © Vera Kattler

in den wolken seh ich immer hunde © Vera Kattler

in den wolken seh ich immer hunde © Vera Kattler

in den wolken seh ich immer hunde © Vera Kattler

 

Obwohl die Künstlerin diese Serie als "Gratwanderung zwischen Kitsch und Grauen" bezeichnet, sehe ich nichts Kitschiges (auch nichts Grauenhaftes). Zu unerwartet, erfrischend neu und rätselhaft präsentieren sich die originellen Porträts - hier ist nichts Klischee! Die Köpfe nehmen den ganzen Bildraum ein, scheinen teilweise aus ihm heraus- und zu uns hinzudrängen. Obwohl die Zeichnungen stark abstrahiert sind, haben wir es hier wahrlich mit einer Ansammlung von Charakterköpfen zu tun!

Neben der intuitiven Erfassung der Wesen soll allerdings nicht vergessen werden, dass auch der Prozess des Zeichnens thematisiert wird.

Sie können online durch Vera Kattlers Kunstprojekt "In den Wolken seh ich immer Hunde" blättern.

Eines meiner Lieblingsbilder möchte ich Ihnen noch zeigen, Vera Kattler hat es schon 2004 gemalt. Dieser eigenartige Kerl berührt mich ganz besonders: Ist er einohrig oder gehört die schwarze Fläche gar nicht zu ihm? Ist es ein Vogelkopf, der in einem langen Hals seine Fortsetzung fände? Gehört er zu einer exotischen Schweineart? Schwarze Augen untersuchen mich. Das Fremde sieht mich an und es ist liebenswert!

 

Vera Kattler, ohne Titel, 2004, Öl auf Baumwolle, 120 x 110 cm. Foto: Vera Kattl

 

Ganz besonders zu diesem Bild passt auch Vera Kattlers Betrachtung über das Fremde in den Bildern:

Bei meinen Bildern geht es mir nicht darum ein Schaf, eine Kuh oder einen einen Elefanten wiederzugeben, sondern um die Darstellung des Tierhaften, des Fremden. Zum Teil sind die Bilder mit den Fingern gemalt. Dies erlaubt mir einen direkteren und unmittelbareren Zugang zu ihnen als das Arbeiten mit dem Pinsel. Es sind meist Portraits und man hat Blickkontakt mit dem Tier. Dies vermittelt den Eindruck einer Unmittelbarkeit die den Betrachter im ersten Moment vielleicht zurückschrecken lässt. Es geht um die Präsens des Anderen, um das spürbare Dasein des Einzelwesens dessen Identität nicht klar zu bestimmen ist. Darüber wen oder was wir hier vor uns haben, ob es uns freundlich gesonnen ist oder uns gar feindselig gegenübersteht gibt es keine Klarheit. Ein wenig Unbehagen schleicht sich über die Unergründlichkeit des Blickes der dargestellten Tierwesen in die Bilder ein. Es geht mir um etwas, das nicht immer in Worte zu fassen ist sondern intuitiv über die Bildsprache wahrgenommen wird. Es kommt zu einer Begegnung mit dem Fremden.

 

Schauen Sie sich ihren Blog an und tauchen sie ein in ihr tierisches Universum, es gibt da so viel zu entdecken!

 

Zeichnung
28. März 2016 - 8:30

 

Einladung Kunstraum Neureut Der will nur spielen

 

Sehr gerne möchte ich Ihnen die Ausstellung "Der will nur spielen - Der Hund in der aktuellen Kunst" im Kunstraum Neureut in Karlsruhe empfehlen. Sie ist von Jens Andres kuratiert und zeigt zehn Künstlerinnen und Künstler, die auf individuelle Weise Hunde in ihrer Kunst darstellen, das Hundemotiv mit seinen vielfältigen Konnotationen in ganz unterschiedlichen Medien einsetzen.

 

Veronika Olma, Du, komm trink mit mir, 2011-2013, Tempera auf Leinwand, 150x200
Veronika Olma, Du, komm trink mit mir, 2011-2013,
Tempera auf Leinwand, 150x200 cm

 

Von Veronika Olma können Sie nicht nur Temperamalerei sehen (wie auch hier im Blog), sondern GPS-Zeichnungen, mit denen sie eine Möglichkeit gefunden hat, Kunst und Leben ineinander überzuführen. Wie beneidenswert! Aus Zeitmangel ist es für mich ja oft eine Entscheidung einen Blogbeitrag zu schreiben, zu malen oder mit meinem Hund Hedy spazieren zu gehen. Ich entscheide mich fast immer für Hedy. Großartig, wenn Veronika diese Entscheidung gar nicht treffen muss.

Veronika Olma nimmt den Wunsch des Menschen, auf der Erde Spuren zu hinterlassen, ganz wörtlich. Per Smartphone und einer "Wander-App" stellt sie GPS-(Auf-)Zeichnungen her. Geführt bzw. begleitet wird Veronika Olma dabei von ihrem Hund Bazi. Die GPS-drawings sind somit virtuelles Ergebnis eines symbiotischen Künstlerduos.

 

Veronika Olma,walk a dog 005
Veronika Olma, walk a dog 005, 2015, GPS-Zeichnung

 

Das Podest, auf das ich Hunde stellen möchte, kann gar nicht hoch genug sein!

 

Annett Bienhaus, Nach Hause schwimmen, 2013, Öl auf Leinwand, 200 x 120 cm
Annett Bienhaus, Nach Hause schwimmen, 2013, Öl auf Leinwand, 200 x 120 cm

 

Am besten so hoch wie das, auf dem der Pointer in Annett Bierhaus' kunstvoll inszeniertem Hundeporträt steht: irgendwo angesiedelt zwischen surrealen Säulen und Brancusis Versuch zur Unendlichkeit! Der präzise und streng ausgearbeitete Hund steht dem Betrachter als geheimnisvoller Partner gegenüber. Schwermütig und frontal blickt er aus dem Bild und zieht uns in das Bild. Die akkurate Malweise des Hundes und die in ihrer Farbigkeit eingeschränkten Requisiten verhindern ein Abgleiten in Sentimentalität und Trivialität.

 

Vera Kattler

 

Von Vera Kattler kannte ich nur ihre Affen-Bilder. Wie schön, dass ich jetzt auch ihren Hunden begegnen darf, dass sie mit den Hunden auch Eingang in die Ausstellung und meinen Blog findet. Wobei: Affe, Ratte, Krähe oder Hund sind eigentlich einerlei, geht es ihr doch nicht um die Abbildung eines Tieres, sondern um die Darstellung des Fremden, die Präsenz des anderen.

 

Vera Kattler

Vera Kattler

 

Weiters können Sie in der Ausstellung Arbeiten sehen von: Thomas Putze, Jens Andres (der auch als Kurator fungiert), Imi Knoebel, Ottmar Hörl, Igor Oleinikov, Patricia Waller und Andreas Welzenbach.

Die Ausstellung wird am Donnerstag, dem 31. März.2016, um 19 Uhr eröffnet. Die Einführung gestaltet Jens Andreas. Zu sehen sind die Exponate im Kunstraum Neureut e.V. in Karlsruhe bis zum 17. April 2016 jeweils Freitag von 17-19 Uhr sowie Samstag/Sonntag von 14-17 Uhr.

 

Einladung Kunstraum Neureut Der will nur spielen

 

 

Ausstellung, Malerei, Skulptur, Zeichnung
24. März 2016 - 14:10

Obwohl ich schon sehr oft im Wiener Belvedere war, gibt es immer noch Neues zu entdecken. Zum Beispiel diesen Hund mit Begleiterin in einer Nische der Marmorgalerie des Unteren Belvedere. Die Skulptur stammt vom Barockbildhauer Domenico Parodi.

Dieser zärtliche, liebevolle Blick zwischen Mensch und Tier, die sanfte Berührung hinter dem Ohr, das Festhalten auf dem weiblichen Oberschenkel! Ich habe die Skulptur nur schnell mit meinem Handy fotografiert, trotzdem kann man die barocke Bewegtheit (des Tuches) und die ganz feine Bearbeitung des Marmors (bei den Pfoten) erkennen. Hier hat es sich wirklich gelohnt einen zweiten Blick auf vermeintlich Bekanntes zu wagen.

 

Skulptur von Domenico Parodi, Foto © Petra Hartl

Skulptur von Domenico Parodi, Foto © Petra Hartl

Skulptur von Domenico Parodi, Foto © Petra Hartl

Skulptur von Domenico Parodi, Foto © Petra Hartl

Skulptur von Domenico Parodi, Foto © Petra Hartl

Skulptur von Domenico Parodi, Foto © Petra Hartl

Skulptur von Domenico Parodi, Foto © Petra Hartl

Skulptur von Domenico Parodi, Foto © Petra Hartl

Marmorgalerie im Unteren Belvedere, Foto © Petra Hartl

 

Ins Untere Belvedere gelockt hat mich übrigens die Ausstellung "Formkunst". Obwohl sie ohne jegliche Hundebeteiligung stattfindet, kann ich sie vorbehaltlos empfehlen. Sie hat zwar einen reißerischen Titel -  Klimt, Kupka, Picasso und andere. Formkunst - , der mit bekannten Namen natürlich auch Wien-BesucherInnen erreichen will, lässt aber viel Raum für Entdeckungen avantgardistischer tschechischer und ungarischer KünstlerInnen. Die Ausstellung geht noch bis 19. Juni 2016 den Grundlagen ungegenständlicher und gegenständlicher Kunst im Kulturraum der Donaumonarchie nach. Großartige, von mir noch nie gesehene Kupkas haben mich ebenso überrascht wie tschechisches und Wiener Kinderspielzeug begeistert.

Ein Beispiel eines Löwen von Ladislav Sutnar sehen Sie unten. Der tschechische Designer entwarf ab 1925 einfaches, billiges und sehr schönes Holzspielzeug. Ist die Mähne nicht atemberaubend gelöst?

 

Ladislav Sutnar, Löwe, um 1930
Ladislav Sutnar, Löwe, um 1930 (aus dem Katalog abfotografiert)

 

Ausstellung, Skulptur