Malerei

10. November 2018 - 10:55

Molecule © Ryan Mrozowski

 

Ein neugierig (an)gespannter Gesichtsausdruck umgibt den Hundekopf. "Was passiert hier?", scheint er zu fragen und mit gespitzten Ohren auf Antwort zu warten. Der skulpturale, fast wie aus Holz geschnitzte Kopf schwebt zusammenhanglos über einem Körper, der von links ins Bild kommt. Der Hals fehlt. Der malerische Schnitt ist sauber ausgeführt, hier tropft kein Blut/keine rote Farbe. Trotzdem beunruhigt das absurde Bild. Zweifellos: Hier wurde einem Hund Gewalt angetan.

Welche Absicht verfolgt Ryan Mrozowski mit diesem und ähnlich irritierenden Bildern? Sicher möchte er unsere Erwartungen durchkreuzen, unsere Vorstellung davon, wie Stillleben, Pflanzen, Tiere auszusehen haben. Durch das Entfernen eines Teiles (des Halses) löst er den inneren und äußeren Zusammenhang (des Hundes), erschwert die Lesbarkeit.

Dabei beobachtet Mrozowski sein Motiv mit einer spielerischen und satirischen Distanz - auch erkennbar am Werktitel: "Molecule". Es liegt wohl im Auge des Betrachters, ob er bestürzt, verunsichert oder bloß erheitert darauf reagiert.

 

Dog, 2012 © Ryan Mrozowski

Dog, 2012 © Ryan Mrozowski

 

Sehen Sie einen gekritzelten Hund, der aus drei übereinander gestapelten Hunden zusammengesetzt ist, oder viele Hunde, die einen Metahund bilden? Und ist das überhaupt ein Unterschied in der Wahrnehmung? Auch bei dieser Zeichnung spielt Mrozowski mit der Lesbarkeit von Bildern.

 

Stacked Dog, 2016 © Ryan Mrozowski

 

Bei seinen neuen Arbeiten untersucht Ryan Mrozowski Serialität und Wiederholung in der Natur anhand der in seinen Bildern verwendeten Kompositionsstrategien. Er konstruiert Bilder, indem er das alltägliche Bildmaterial (Orangen, Tupfen, Vögel, Blumen...) in endlosen Variationen wiederholt und durch eine Reihe hergestellter Interventionen in geheimnisvolles verwandelt. Dabei wendet er die Sprache digitaler Werkzeuge (Ausschneiden, Einfügen, Zuschneiden...) auf den analogen Prozess des Malens an.

Zur Zeit sind seine Arbeiten in der Galerie Simon Lee in London zu sehen.

Ryan Mrozowski (*1981 in Pennsylvania) lebt und arbeitet in Brooklyn/New York. Neben seiner Homepage bieten auch seine Instagram-Seite und Instazu-Seite einen guten Einblick in sein Werk.

alle Bilder © Ryan Mrozowski

 

Malerei, Zeichnung
5. November 2018 - 8:42

The fourth level © Olga Gal

 

Die Barthaare dieser beiden verschmitzten Terrier wachsen und wachsen ...

 

Whiskers nest © Olga Gal

 

... und schon wird das Nest einer sich - vor Lachen? - kugelnden Katze daraus! Mein Lieblingsbild von Olga Gal und seine Entstehungsgeschichte:

 

"When I start I never know what I'm going to do, I started  this piece with the two dogs and than all developed from there, ad a cat, than the whiskers and finally the nest was born, that  linked the three together. Is all about a game with the pencil and the brush everyday, nothing else." (zit. n. Olgas Blog)

 

Hunde, Rehe, Katzen, Hasen, Füchse, Vögel und Pferde gehören zu Olga Gals Repertoire. Wobei sie die Tiere nicht getrennt voneinander darstellt, sondern sie zumeist verschmilzt. Sie stellt dabei weniger oft hybride Wesen dar, als sie die Tiere vielmehr durch ein lineares Übereinander (und nicht durch Hintereinander/Staffelung) miteinander kombiniert.

Dieses lineare Verweben - ein stilistisches Markenzeichen der Künstlerin - gelingt unterschiedlich gut und formal überzeugend. Jedenfalls besitzt die Künstlerin einen sicheren, ausdrucksstarken und sensiblen Strich, aber auch malerischen Schwung und Großzügigkeit.

 

Match Patch 1 © Olga Gal

Match Patch 2 © Olga Gal

Dear Dog © Olga Gal

Eye of the eyes © Olga Gal

Belong to someone © Olga Gal

Eye Line © Olga Gal

 

Mir persönlich gefallen die malerischen Arbeiten (wie das "Barthaarnest" oder "BOOO!") am besten, da sie weit weniger als die linear dominierten Arbeiten anfällig dafür sind, zur Manier zu verkommen. Der dynamische Pinselstrich arbeitet sozusagen gegen die Verniedlichung an.

Auch Tiere unterliegen den Trends in der Kultur (so werden am Buchmarkt gerade Vögel von Insekten abgelöst), in der Illustration sind Rehe und Füchse schon lange Mode; Hunde und Katzen gehen immer.

Auf Olga Gals Homepage finden sie eine Fülle von Arbeiten, nach Tiergattungen geordnet. Die Illustrationen werden auch in konkreten Wohnsituationen gezeigt: Das finde ich sehr sympathisch: Die Arbeiten haben eine dekorative Funktion, wollen Freude bereiten, zum Schmunzeln bringen. Sie dürfen auch dazu stehen, dass sie nicht auf mehr verweisen!

 

BOOO! © Olga Gal

 

alle Bilder © Olga Gal

Malerei, Zeichnung
30. Oktober 2018 - 9:36

Gassi-Gehen, 2008 © Eun-Joo Shin

 

Ein schier unerschöpfliches Thema für Künstller und Künstlerinnen ist die Beziehung des Menschen zu seinem Hund. Der südkoreanischen Künstlerin Eun-Joo Shin fielen die vielen Hundehalter auf, die die europäischen Straßen bevölkern und sie beschloss sich mit dem Phänomen des Gassi-Gehens auseinanderzusetzen. Eine Bildserie nach Fotografien entstand.

 

Gassi-Gehen, 2008 © Eun-Joo Shin

 

Mensch und Hund sind in typischen Bewegungen und Tätigkeiten dargestellt - der Hund zieht an der Leine, muss neben dem sitzenden Herrchen rasten, wartet während Gesprächen, heischt nach Aufmerksamkeit, wird getragen - in Situationen, die man von seinen eigenen Streifzügen mit Hund kennt. Die Beziehung zwischen Hund und Mensch wird in ihren sensiblen Arbeiten ebenso deutlich wie die Stimmung, in der das Flanieren statt findet.

 

Gassi-Gehen, 2008 © Eun-Joo Shin

 

Eun-Joo Shins Werke schauen auf den ersten Blick wie Aquarell-Malerei aus, die Künstlerin malt aber in Öl, wobei sie die Farbe in dünnen Schichten auf Malkarton oder Leinwand aufträgt. Auch die leeren weißen Flächen verstärken den fragmentarischen Eindruck der Aquarellmalerei. Nur durch zarte Liniengerüste wird eine perspektivische Verortung angedeutet, werden aus den weißen Flächen Räume. Durch den Wechsel von detaillierten, großzügig gemalten und leeren Stellen, erzeugt sie zusätzlich Spannung, vereint sie Elemente traditioneller ostasiatischer und westlicher Seh- und Malweisen.

 

Gassi-Gehen, 2008 © Eun-Joo Shin

 

Die zarte Farbgebung der Gemälde, Eun-Joo Shin konzentriert sich auf Grün-Blau- sowie Gelb-Braun-Töne, evoziert auch eine psychologische Tiefe der Porträtierten und scheint uns einen Blick in deren Innenleben zu gestatten, vermittelt Leichtigkeit und Spontaneität. Die Verläufe der verdünnten fließenden Farbe machen den Entstehungsprozess der Bilder nachvollziehbar.

 

Gassi-Gehen, 2008 © Eun-Joo Shin

Gassi-Gehen, 2008 © Eun-Joo Shin

 

Eun-Joo Shin (*1968) stammt aus Südkorea und lebt seit 1996 in Deutschland. Nach ihrem Studium in Seoul und einem Studium der Freien Grafik an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart lebt und arbeitet sie in Frankfurt am Main.

alle Bilder © Eun-Joo Shin

 

Ausstellung, Malerei, Zeichnung
18. Oktober 2018 - 10:37

Johann Till der Jüngere, Braune Dogge © Belvedere, Wien
Johann Till d. J., Braune Dogge, Öl auf Karton, 21 x 28 cm, Belvedere, Wien,
© Belvedere, Wien

 

Nicht nur Wilhelm Leibl hat ein großartiges kleines Werk einer Dogge gemalt, auch Johann Till der Jüngere malte eine Dogge in Dreiviertelansicht, wobei der Kopf nicht ganz "richtig" auf den Körper passen will. Auch Tills kleine auf Karton gemalte Dogge lässt den Kopf hängen, erscheint recht melancholisch. Ich finde die Ähnlichkeit zu Leibls Dogge insofern bemerkenswert, als gut erkennbar ist, wie sich die rassetypischen Merkmale seit dem 19. Jahrhundert verändert haben. Ich zumindest hätte beide Hunde nicht als Doggen erkannt.

 

Johann Till der Jüngere, Bernhardiner © Belvedere, Wien
Johann Till d. J., Bernhardiner, Öl auf Karton, 30 x 25 cm, Belvedere, Wien,
© Belvedere, Wien

 

Johann Till der Jüngere (1827-1894), ein österreichischer Historien- und Genremaler, malte historische und religiöse Darstellungen, Themen aus dem Alltag, aber auch Landschaften und Tiere. Viele Historienbilder ergänzte er durch Hunde - in der für ihn typischen Ansicht von schräg hinten. Er war Realist, wie seine gelungenen, natürlichen und sensibel beobachteten Hundedarstellungen belegen. Wie schwungvoll, vom Pinselstrich fast expressiv gemalt, ist doch der "sich wälzende Hund"!

 

Johann Till der Jüngere, Sich wälzender Hund © Belvedere, Wien
Johann Till d. J., Sich wälzender Hund, Öl auf Karton, 28,5 x 34,5 cm, Belvedere, Wien,
© Belvedere, Wien

 

Johann Till der Jüngere, Ritter mit Hund © Belvedere, Wien
Johann Till d. J., Ritter mit Hund, Öl auf Karton, 19,5 x 27,5 cm, Belvedere, Wien,
© Belvedere, Wien

 

Die kleinen gemalten Studien gefallen mir viel besser als z.B. Tills religiöse Gemälde, in denen er weitaus weniger modern malt, ihn vielleicht die Motive in der Tradition verhaften lassen.

Das Wiener Belvedere besitzt viele Arbeiten Tills, die Sie hier betrachten können.

alle Bilder © Belvedere

 

Malerei
14. Oktober 2018 - 8:07

Im Blogbeitrag über Lotte Laserstein habe ich erwähnt, dass sie seit Kindheit an wie Wilhelm Leibl (1844-1900) malen wollte. Was liegt näher, als Ihnen eines seiner Gemälde mit Hund zu zeigen.

 

Wilhelm Leibl, Porträt des Malers Johann Ernst Sattler mit Dogge, 1870/71

 

Oft wird behauptet, dass sich Herr/Frau und Hund optisch ähneln. Auf den porträtierten Johann Ernst Sattler und seine Dogge trifft das sicher zu, aber auch beider Temperament scheint sich mit den Jahren angeglichen zu haben. Noch schwermütiger als Sattler scheint nur sein Hund zu sein.

Ich weiß selbstverständlich nichts über Sattlers Gemütszustand! Auf der Homepage der Pinakotheken wird er als "sehr unstet" bezeichnet. Ob sich das auf ein ruheloses Wesen oder eine unbeständige Qualität seiner Arbeit bezieht, weiß ich nicht. Er gehörte dem Leibl-Kreis an, einer Gruppe von Künstlern, die sich in den Jahren 1871 bis 1873 um Wilhelm Leibl  gesammelt hatten und deren Werke stilistische Verwandtschaft zueinander aufwiesen.

Sicher allerdings ist, dass es sich um ein ganz wunderbares, mich tief berührendes Doppelporträt handelt, sehr pastos in warmen Tönen gemalt und kurz nach Wilhelm Leibls Begegnung mit Gustave Courbet entstanden.

Leibl wählt nur einen kleinen intimen Zimmerausschnitt, bringt uns nahe an den Maler Sattler heran, der ebenso wie sein Hund aus dem Bild herausblickt. Wir scheinen zu stören, das Betrachten der Papiere wird unterbrochen, die Nähe und Vertrautheit zwischen Herr und Hund kurz aufgebrochen.

Lange stand das Werk "achtlos und ungerahmt" in Leibls Atelier, bevor es in den Besitz Wilhelm Trübners überging, der es 1910 an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen verkaufte.

 

Malerei
10. Oktober 2018 - 8:15

Die deutsch-schwedische Malerin Lotte Laserstein (1898–1993) gehört zu den wichtigen Wiederentdeckungen der letzten Jahre. Nach dem 2. Weltkrieg war sie für viele Jahrzehnte in Vergessenheit geraten, erst 2010 wurde ihr Hauptwerk "Abend über Potsdam" durch die Berliner Nationalgalerie erworben. Zur Zeit findet eine große Ausstellung im Frankfurter Städel statt, ab April 2019 werden ihre Werke im Museum Berlinische Galerie zu sehen sein.

Lotte Laserstein beschäftigte sich vor allem mit Porträtmalerei, wobei ihr Fokus auf Frauenporträts lag. Sie zeichnete dabei ein einfühlsames und psychologisch tiefes Bild der emanzipierten, selbstbewussten Städterinnen. Lotte Laserstein selbst gehörte auch zu diesen modernen "neuen" Frauen.

Als eine der ersten Frauen studierte sie von 1921 bis 1927 an der Berliner Hochschule für Bildende Künste und arbeitete danach zielgerichtet an ihrer Karriere. Sie engagierte sich in Künstlerinnenvereinen und schuf sich dadurch ein breites Netzwerk, das ihr Ausstellungs- und Verkaufsmöglichkeiten bot, sie eröffnete eine private Malschule, die ihr auch finanzielle Sicherheit brachte. Bald gehörte sie zu den erfolgreichsten Künstlerinnen in der Weimarer Republik und konnte von ihrer Kunst leben. Ihre Werke wurden in zahlreichen Ausstellungen gezeigt und in Zeitschriften publiziert. Allerdings wurde sie noch nicht in Museen ausgestellt, als sie, als Jüdin gebrandmarkt, 1937 nach Schweden emigrieren musste. Dort arbeitete bis zu ihrem Tod als erfolgreiche Malerin und gefragte Auftragsporträtistin.

Ihr Hauptwerk ist das 1930 entstandene große querformatige Tafelbild "Abend über Potsdam". Ihre Meisterschaft in der Porträtmalerei bringt sie in dieses streng komponierte Gruppenporträt ein.

 

Lotte Laserstein, Abend über Potsdam, 1930, Foto: Staatliche Museen zu Berlin, N
Lotte Laserstein, Abend über Potsdam, 1930, Öl auf Holz, 111 x 205,7 cm
(Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin, Foto: Staatliche Museen zu Berlin,
Nationalgalerie / Roman März © VG Bild-Kunst, Bonn 2018)

 

Erzählungen zufolge ließ sie eine große Holzplatte zuerst mit der Berliner S-Bahn, dann mit der Pferdekutsche nach Potsdam transportieren und auf eine Dachterrasse tragen. Dort gruppierte und skizzierte sie ihre Freunde und legte die Potsdamer Stadtlandschaft topografisch genau an. Der Entwurf wurde dann in ihr Berliner Atelier gebracht, wo sie das Gemälde in monatelanger akribischer Arbeit fertigstellte. Sie ging dabei nicht den einfacheren Weg nach Foto zu malen, sondern ließ ihre Freunde in langwierigen Prozessen Modell stehen.

Das die Porträtierten Verbindende ist das Schweigen, in dem fünf Personen und ein Hund verharren. Melancholisch und vereinzelt scheint jeder seinen eigenen Gedanken nachzuhängen.

 

„Lasersteins Kunst aber ist das Schweigen. Ist die Versonnenheit. Ein In-sich-Blicken. So sieht man ihre Freunde auf dem wohl bekanntesten Bild, das sie gemalt hat: Abend über Potsdam. Versunken, erschöpft, alle Worte sind gewechselt, so sitzen, so stehen sie da, der wolkige Himmel hängt tief. Vielleicht gab es Streit? Vielleicht ist gerade eine Nachricht eingetroffen, dort oben über den Dächern Potsdams – und nun sind alle verstummt, weil sie es nicht fassen können? Vielleicht erzählt dieses Bild aber auch von einer anderen Art Unfasslichkeit: von jener tiefen Vertrautheit der Freunde, die sich nicht festhalten oder einfach aufmalen lässt. Im stummen Miteinander scheint sie auf und will in der Melancholie des Augenblicks schon wieder schwinden.“ (zit. n. Hanno Rauterberg: Ein Wagnis namens Nähe)

 

Die Freunde schweigen an diesem Potsdamer Abend nicht nur, die präzise an ihren Platz Gestellten schauen einander auch nicht an. Zwei Seitenfiguren, sie müssen den Kopf senken, damit sie ins Bild passen, flankieren die Gruppe. Die linke Figur am Geländer ist Traute Rose, Freundin und wichtigstes Modell. Ihr Mann Ernst sitzt am Tisch und wendet uns den Rücken zu. Zu seinem Fuß und halb unter dem Tisch liegend sein Hund: Auch er drückt und drängt sich von unten ins Bild, scheint kaum hinein zu passen an diese zentrale Stelle.

Doch was ist seine Funktion in dieser malerischen Fülle, warum musste er noch ins übervolle Bild? Er gehörte zu ihrer besten Freundin und deren Mann, war vielleicht immer mit dabei. Vielleicht erfüllte er auch eine kompositorische Funktion. Sollte er die Komposition der Gäste zur Ellipse schließen oder die - in der Rezeption immer wieder betonte - formale Analogie zu Leonardo da Vincis "Letztes Abendmahl" verstärken. Die dortige konkave Einwölbung des Tisches korrespondiert mit der Wölbung des Tischtuchs im "Abend über Potsdam", durch den Hunderücken bedingt.

Oft wurde in der Rezeption auf die kommende Machtergreifung der Nationalsozialisten hingewiesen, die die Dargestellten im sprachlosen Entsetzen vorausahnen. Ich tendiere eher dazu, das Gemälde als Bild der Vertrautheit zu deuten, weniger zeitkritisch als stimmungsvoll. Zu ruhig liegt der dösende Hund, er spiegelt keine Aufgeregtheit der Menschen.

Noch ein weiters Mal kommt der Hund in einem Gemälde vor. "Die Unterhaltung" von 1934 zeigt eine Gruppe von drei jungen Männern, Gottfried Meyer (links), Heinz Trapp (Mitte) und Erhard Manthei (rechts), alles Freunde der Malerin, die auf einem Dachboden diskutieren. Die kompositorische Enge, die im "Abend über Potsdam" durch die Seitenfiguren angedeutet ist, wird bei dieser Unterhaltung noch gesteigert.

 

Lotte Laserstein, Die Unterhaltung, 1934
Lotte Laserstein, Die Unterhaltung, 1934, Foto epd, von Frankfurter Rundschau

 

Lotte Lasersteins Malweise ist sehr akademisch, ihre Bilder sind einem Realismus verpflichtet, der nicht den Geist der in der zwanziger Jahren aktuellen "Neuen Sachlichkeit" wiederspiegelt, sondern sich am 19. und frühen 20. Jahrhundert, an Menzel, Leibl, Schuch oder Trübner orientiert. Seit Kindheitstagen an, wollte sie einmal so malen wie Wilhelm Leibl. (vgl. Art In Words) Zur "Neuen Sachlichkeit" fehlt Laserstein das Kühle, Überzeichnende, das Gesellschaftskritische.

Dieses Kühle, fast Hysterische kommt in Dix "Bildnis des Fotografen Hugo Erfurth mit Hund" von 1926 sehr gut zur Geltung, so sieht der Hund der "Neuen Sachlichkeit" aus, übertrieben erregt, nervös, überspannt, mit dem typischen stechenden Dix-Blick: gemeinsames Erschrecken, bizarres Erstarren mit seinem Herrchen Hugo Erfurth.

 

Otto Dix, Bildnis des Fotografen Hugo Erfurth mit Hund (Detail), 1926
Otto Dix, Bildnis des Fotografen Hugo Erfurth mit Hund (Detail), 1926,
Tempera und Öl auf Holzplatte, 80 x 100 cm (Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid),
© VG Bild-Kunst, Bonn 2016

 

Da Lotte Laserstein nicht dieser Avantgarde zugehörig war, wurde ihr Werk nach dem 2. Weltkrieg nicht rezipiert. In den 1950er Jahren richtete sich das Interesse auf die Expressionisten und auf abstrakte Maler, in den 1960er Jahren auf die Künstler der "Neuen Sachlichkeit". Da Laserstein auch nicht in der Ausstellung "Entartete Kunst" diffamiert wurde, ihr Stil war dazu zu konservativ, konnte auch durch diese Nachkriegsforschung keine Wiederentdeckung erfolgen.

Das Städel in Frankfurt zeigt Lotte Laserstein vom 19. September 2018 bis zum 17. März 2019. In Berlin, im Museum Berlinische Galerie, werden vom April 2019 an Werke von ihr zu sehen sein.

Quellen: Städel Museum, Art In Words, Zeit online, Der Tagesspiegel

 

Ausstellung, Malerei
8. Mai 2018 - 14:30

Doodle Dog © Rodney van den Beemd

 

Fragend und mit zurückgelegten Ohren schaut der kleine gekritzelte Hund nach oben. Vielleicht blickt er ja den Zeichner an und fragt ihn, wo sein viertes Bein hingekommen ist! Ein wunderbares Beispiel dafür, wie ausdrucksstark auch die kleinste Kritzelei sein kann!

Rodney van den Beemd beschäftigt sich vor allem mit der menschlichen Figur und dem Porträt, wobei es ihm besonders um das Einfangen von Stimmungen und Emotionen geht.

Doch nebenbei widmet er sich in kleinen Zeichnungen auch unseren vierbeinigen Freunden. So fertigt er kleine Tuschezeichnungen an, wobei er mit originellen Zeichenwerkzeugen wie Zweigen, Federn und Blättern arbeitet. Im Vergleich zu herkömmlichen Werkzeugen wie der Füll- oder Tuschefeder kann er dabei die Tintenströmung weit weniger kontrollieren, was zu einer großen Streuung der Strichstärke, aber auch zu einem gelegentlich Tintenklecks führen kann. Außerdem wirken die Darstellung der Bewegung, der Form und des Ausdrucks der Hunde der Serie "Inky Animals" dadurch viel expressiver.

 

L’homme et le chien © Rodney van den Beemd

Sunrise among friends © Rodney van den Beemd

 

Die kleine Tuschezeichnung "L’homme et le chien" fängt die Stimmung eines Gedichtes von Maurice Carême ein. Bei "Sunrise Among Friends" hat Rodney van den Beemd die Zeichnung digital um die farbige Form ergänzt. Wie fröhlich doch die Zeichnung durch das bloße Hinzufügen des Farbe-Schwarzweiß- und Linear-flächig-Kontrastes wird!
 

Nico - Year of the Dog © Rodney van den Beemd

Nico - Year of the Dog © Rodney van den Beemd

Skip © Rodney van den Beemd

Skip © Rodney van den Beemd

 

Oben hat der Künstler das Motiv seiner Tuschezeichnung wieder aufgenommen und mit Acryl-Farbresten experimentiert.

Rodney van den Beemd (1962 North Tonawanda/NY) ist Webdesigner, Illustrator und bildender Künstler. Er hat Wirtschaft, Philosophie und Kunstgeschichte studiert und erst danach eine frühe Leidenschaft, die Malerei, wieder aufgenommen. Er lebt in den Niederlanden.

Diese kleine und schnelle Kugelschreiberskizze ist nach einem Zeitungsfoto auf einem alten Briefkuvert entstanden. Mit diesem müden Hund möchte ich mich für heute verabschieden.

 

Dog-tired © Rodney van den Beemd

 

 

Auf Rodney van den Beemd wurde ich auf ignant.com aufmerksam.

alle Bilder © Rodney van den Beemd

 

Malerei, Zeichnung
18. April 2018 - 11:49

Ein Tischtuch, bei dem die Kanten der ehemaligen Faltung noch erkennbar sind und das an Trompe-l’œil-Malerei erinnert, vier Totenschädel in unterschiedlichen Perspektiven und nicht zuletzt ein schwermütig dreinblickender Hund, der über seine Zukunft zu sinnieren scheint: Das sind die meisterlich gemalten Elemente eines Bildes, auf das ich ganz zufällig bei meiner Bildersuche gestoßen bin und das ich ihnen nicht vorenthalten will.

 

Cave canum © Alicia Czechowski

 

Die obere Hälfte dieses wundervollen Gemäldes zeigt uns ein typisches Stilllebenmotiv: vier tierische Totenköpfe - Vanitasmotive - als Sinnbild der Vergänglichkeit. Den unteren Teil nimmt ein liegender Windhund ein. "Cave canum" nennt die Künstlerin ihr Werk, doch ich vermute sie meint "Cave canem", die lateinische Warnung "Hüte dich vor dem Hund!", die erstmals auf einem Fußbodenmosaik in Pompeji auftaucht, auf dem ein angeketteter schwarzer Hund in Drohgebärde zu sehen ist. Doch auch unser anmutiger Windhund wird den Weg alles Irdischen gehen und einst die Reihe der Totenschädel ergänzen.

Die Künstlerin, Alicia Czechowski, ist in Detroit aufgewachsen und hat schon als Kind in der Sammlung des Detroit Institute of Arts Kopien von Kunstwerken, darunter ein Stillleben von Claesz, angefertigt. Auch später wollte sie mit dem Kopieren von Frans Hals, Rubens, Van Dyke u.a. etwas von deren Virtuosität und Expressivität im Umgang mit dem Medium Malerei aufnehmen:

 

Being at work with your brushes and colors in front of a living, breathing painting by one of the greats, like Hals or Velasquez, is the most potent learning experience. It's is the best way to learn to paint, almost like journeying back in time and actually watching them at work at their easels. (zit. n. hier)

 

Heute beschäftigt sich die Künstlerin vor allem mit der menschlichen Figur. Schade, es wäre zweifelsohne spannend, mehr Hundeporträts von ihr zu sehen.

Homepage der Künstlerin Alicia Czechowski

 

Malerei
13. April 2018 - 12:22

Die deutsche Künstlerin Yvette Kießling malt Landschaftsbilder und bevorzugt dabei kleine Formate. Das Bild, das ich in einem Stiegenhaus des MdbK Leipzig zufällig entdeckt habe, scheint demnach eine Ausnahme zu sein (Große Lichtung, 170 x 190 cm, Öl auf Leinwand). Hunde sind in diesem klar komponierten, horizontbetonten und durch Hell-Dunkel-Kontrast bestimmten Bild auf einer Lichtung zu sehen.

 

Yvette Kießling, Große Lichtung mit Hunden, 2013, Foto: Petra Hartl

 

In ihren Landschaftsbildern, in denen nur manchmal Tiere und selten Menschen vorkommen, versucht Yvette Kießling das Wesenhafte der Landschaft herauszufiltern und zu bündeln. Bei ihrem Arbeitsprozess wendet sie dabei anscheinend gegensätzliche Methoden an: das genaue Naturstudium und die tachistische Malerei.

Zuerst zeichnet sie, oftmals auf Wanderungen oder Reisen, detailliert und topografisch genau, um die Landschaft zu erfassen. Die eigentlichen Gemälde entstehen danach im Atelier, wobei sie sich dem Nebeneinandersetzen von Flächen widmet, um zu einer freieren Auffassung der Landschaft zu kommen. Dabei geht es um den Ausdruckswert an- und absteigender Linien - die rhythmischen Bewegungen des Pinsels bleiben als Spuren erkennbar -, das Nebeneinander von Farben sowie das Wechselspiel von Flächigkeit und Tiefe. Das Schütten der dünnflüssigen Farbe gehört ebenso zum Malprozess.

Großartig auch ihre Lichtgestaltung. Die Landschaft unten scheint von innen heraus zu leuchten.

 

Yvette Kießling, Albedo, 2012

Yvette Kießling, Boxer, 2012

Yvette Kießling, Sprung, 2012

 

Die Farbe wird also unter Verzicht der Nachahmung als Material eingesetzt oder um in manchen Bildbereichen Gegenständlichkeit (Menschen, Tiere und Vegetation) zu erzeugen. Beides - das Loslösen von und Zurückgreifen auf Gegenständlichkeit - verleiht den Bildern Spannung, Reiz und Lebendigkeit.

Yvette Kießling fügt Elemente zur realen Landschaft dazu, lässt anderes weg, verändert in Hinblick auf ihre Komposition. Ihre Landschaften bieten keine heroischen, romantischen der auch nur naturalistischen Anblicke: Ihre künstlerische Position setzt vielmehr auf Präsenz statt auf Repräsentation.

Yvette Kießling  (*1978 / Ilmenau/D) studierte von 1997 bis 2003 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig in der Klasse für Malerei bei Arno Rink. Anschließend absolvierte sie bis 2007 ihr Meisterschülerstudium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Arno Rink. Darüber hinaus übernahm sie dort von 2004 bis 2009 eine Lehrtätigkeit an der Abendakademie. Sie lebt und arbeitet in Leipzig.

Ein ausführliches Interview zu ihrer Arbeitsweise und ihrem druckgrafischen Werk finden sie auf Griffelkunst, weitere Arbeiten auf den Seiten der Galerie Leuenroth und Galerie Hafenrand.

alle Bilder © Yvette Kießling

 

Malerei
20. März 2018 - 15:10

Die Zeichnungen des US-amerikanischen Künstlers Keith Haring (1958–1990) sind Ikonen der Popkultur und als Universalsprache weltweit bekannt. Heuer wäre der im Alter von 32 Jahren gestorbene Künstler 60 Jahre alt geworden. Dies nimmt die Albertina in Wien zum Anlass, sein Werk in einer umfassenden Ausstellung aus kunsthistorischer und formaler Hinsicht zu beleuchten.

Wie ein roter Faden, wie ein "Alphabet", zieht sich Harings einzigartige Zeichensprache durch sein Schaffen. Die Albertina analysiert diese Codes, Piktogramme und Ikonografien und strukturiert die Ausstellung nach wiederkehrenden Bildmotiven.

Obwohl der jung verstorbene Keith Haring ein umfangreiches Werk hinterließ, beschränkte er sich auf relativ wenige Bildzeichen, die er immer wieder neu anordnete. Neben den typischen Männchen kommen Babys, Fische, Mickey-Mäuse, Atompilze, Pyramiden, Uhren etc. vor.  Welche Bedeutung die Bild-Wörter haben, hängt vom Kontext ab.

Natürlich taucht in Harings Alphabet nicht nur der Hund auf, er ist neben dem krabbelnden Baby vielmehr ein Markenzeichen von Keith Haring und in all seinen unterschiedlichen Formen eines seiner am häufigsten verwendeten Bild-Wörter.

Ob das aufgerissene Maul der Hundesilhouette für Bellen, Beißen oder Hecheln steht, ergibt sich aus dem Zusammenhang. Ebenso, ob der Hund unseren treuen beschützenden Freund symbolisiert oder für eine reißende, attackierende Bestie, ob er für Gerechtigkeit oder Macht(missbrauch) steht.

Zusätzliche Verwendung fand der bellende Hund als Harings Tag, eine Art Signatur, die der Künstler gebrauchte, wenn er in der Subway oder im öffentlichen Raum zeichnete. Der Hund und das "Radiant Baby" gehörten zu den ersten Symbolen, die Haring in den Straßen von New York darstellte.

 

Keith Haring, Ohne Titel, 1980, Tinte auf Plakatkarton © The Keith Haring Founda

Keith Haring, Ohne Titel, 1980, Sprühemail, Tinte und Acryl auf Plakatkarton ©

 

Hunde springen durch das Loch im Bauch eines Mannes - angeblich inspiriert vom Mord an John Lennon.

 

Keith Haring , Ohne Titel, 1982, Gebranntes Email auf Stahl, Courtesy Larry Wals

 

Zuweilen nehmen die Hunde eine menschliche Form an, dann bringen die Mensch-Hund-Kombination die "negative" Seite eines gewalttätigen, bellenden Hundes zum Vorschein. und belästigen die menschlichen Charaktere.

 

Keith Haring, Ohne Titel, 1982, Email und Leuchtfarbe auf Metall © The Keith Har

 

Beim Mensch-Hund-Hybrid kann es sich aber auch um einen anubisartigen Hund handeln, mit dem sich Keith Haring auf die ägyptische Mythologie bezieht, in der Anubis als Wächter über die Totenriten und die Mumifizierung auch für das Abwiegen des Herzens beim Totengericht zuständig ist. Das Schicksal des Verstorbenen liegt also mit in seiner Hand, und es ist diese Macht, auf die Haring in dieser Arbeit anspielt.

Auf der großformatigen Zeichnung unten lässt der Künstler die Hunde tanzen. Dieser Tanz steht auch für Breakdance und künstlerische Performance.

 

Keith Haring, Ohne Titel, 1983, Leuchtfarbe und Lack auf Holz, Gerald Hartinger

 

Haring wollte eine Universalsprache erschaffen, die über soziale Grenzen hinweg verstehbar ist. Denn die Kunst sei nichts, wenn sie nicht alle und jeden erreiche, meinte Keith Haring. Er wollte nicht nur zwischen den Menschen, sondern auch zwischen Hoch- und Massenkultur vermitteln. Seine von Comics und ägyptischen Hieroglyphen inspirierten Arbeiten setzten sich kritisch mit Kapitalismus und Konsumgesellschaft auseinander.

Die Ausstellung "The Alphabet" ist noch bis zum 24. Juni 2018 in der Albertina Wien zu sehen.

 

alle Bilder © The Keith Haring Foundation

 

Ausstellung, Malerei, Zeichnung