Das Werk der amerikanischen Künstlerin Sabrina Bockler, die ich im letzten Blogbeitrag vorgestellt habe, ist unter anderem von den Künstlern der Neuen Sachlichkeit wie Franz Sedlacek beeinflusst. Ich habe mich sehr gewundert, dass sie diesen österreichischen Künstler der Zwischenkriegszeit kennt, da er nach dem 2. Weltkrieg vorerst in Vergessenheit geriet und nicht einmal in Österreich besonders bekannt ist. Da ich seit Jahren einen unfertigen Blogbeitrag über Franz Sedlacek in meiner "Warteschleife" habe, sah ich das als eine gute Gelegenheit ihn fertigzustellen.
Der Maler und Grafiker Franz Sedlacek zählt zu den wichtigsten österreichischen Künstlern der Zwischenkriegszeit. Sein einzelgängerisches Werk steht einerseits der Neuen Sachlichkeit nahe, andererseits sind seine grotesk-phantastischen Gemälde von der Kunst der Romantik und der niederländischen Malerei inspiriert.
Vielleicht wurde Sabrina Bockler von diesen Gemälden inspiriert!
Doch nun zu Sedlacek und seinen Hunden. Er hat sie klein und unauffällig in seine surrealen Landschafts- und Stadtansichten eingeführt. 2014 wurde das Werk des 1945 an der Ostfront verschollenen und 1965 für tot erklärten Franz Sedlacek in einer Retrospektive im Wien Museum gezeigt. Ich habe die damaligen Rezensionen nachgelesen, um etwas über seine Hundedarstellungen zu finden, doch deren Anwesenheit in den Gemälden wird nirgends erwähnt. Für mich ein Zeichen dafür, wie beiläufig und selbstverständlich Sedlacek dieses Motiv in sein Werk integriert hat.
Er malt zeitlose, triste Phantasie- und Winterlandschaften, die latent unheimliche Stimmungen vermitteln. Dabei unterstreichen seine penible Malweise mit altmeisterlichem Farbauftrag und seine geometrische Konstruiertheit der Komposition das Geheimnisvolle und Unheimliche der Darstellung. Fenster sind eingeschlagen, im Vordergrund liegt surreal anmutendes metallisches Industriegerümpel. Ein Radfahrer strampelt gegen den Sturm an, auch der Hund sucht das Weite.
Ein Dieb flüchtet in eine düster-pathetische Landschaft, Hausfrau wie Hund nehmen die Verfolgung auf, wild gestikulierend und bellend. Die Figuren scheinen der Karikatur und Groteske entsprungen.
Obligat ist mystisches Licht, hier bedrohlich dunkel gegen den in Weiß getauchten Schnee gesetzt.
Das ist kein kleinstädtisches Idyll, vielmehr hängt eine düstere Gewitterstimmung über der vorweihnachtlichen Alltagsszene. Hier herrscht eine klirrende Kälte, die nicht nur durch die Eiskristalle auf den Bäumen hervorgerufen wird. Unzweifelhaft ist hier Sedlacek von der flämisch-holländischen Kunstgeschichte beeinflusst. Erinnert sie der kleine Eislaufplatz im Hintergrund nicht auch an Bruegels Winterlandschaft? Der Hund kehrt allerdings nicht von erfolgloser Jagd heim, sondern trottet neugierig neben seinem Herrchen.
Noch düsterer und fast bedrohlich ist die Stimmung in dieser Kleinstadt. Der Hell-Dunkel-Kontrast verläuft haar- und überscharf entlang der beschneiten Flächen, trägt dazu bei, das Unwirkliche dieser Stadtansicht zu betonen. So werden auch der Maroniverkäufer und der Mann mit Hut zu unheimlichen Figuren. Die heitere Stimmung der roten Zipfelmützen unterliegt der aufgeheizten Stimmung der rotgesichtigen Männer. Der Hund schaut oder bellt in die Gasse. Haben sie bemerkt, was im Zentrum des Bildes ist? Ein rotes Plakat mit Hund. Was für ein schöner Einfall!
Eine Industrielandschaft mit Versatzstücken moderner Technik (Schifffahrt) wird mit einer hell erleuchteten Kirche, die auf dem Berg fernab der modernen Zivilisation thront, konfrontiert. Mittendrin ein Mensch mit - Hund!
Auf den Bergkuppen tummeln sich unzählige Schifahrer in grotesken Verrenkungen, sie wirken kontrastreich und ornamental auf ihrer zugeschneiten "Übungswiese" vor dem düsteren Himmel. Auch hier ist ein Hund mit dabei: Aufgeregt bellend kommentiert er das würdelose Schauspiel, das groteske Treiben der Menschen. Dieses Bild ist übriges nur 26,5 x 23,3 cm groß.
In den Innenräumen spielen sich oft kleine, absurde Szenen mit rätselhafter Handlung ab. Der Posaunist scheint beim Fenster in eine weit in die Tiefe führende Landschaft aus Blau- und Brauntönen hinauszuschweben. Gibt es einen Zusammenhang mit den Posaunenengeln der christlichen Ikonographie? im Neuen Testament wird die Stimme Gottes als ein Posaunenton beschrieben.
Nur der Hund bleibt in dieser bizarren Bildwelt auf dem Boden (der Tatsachen). Hunde scheinen das Beständige zu sein, der Anker, der uns eben nicht abheben und in der Weite verlorengehen lässt. Sie stehen für das Bodenständige, Verlässliche, das den Menschen begleitet.
Franz Sedlacek (*1891 in Breslau/P) wuchs in Linz auf, wo er von einem deutschnationalen und antisemitischen Umfeld maßgeblich geprägt wurde. Hochdekoriert mit nationalen und internationalen Auszeichnungen, ging Sedlacek dennoch einem bürgerlichen Beruf nach: Er war Chemiker. Im Alter von 20 Jahren begann er mit dem Studium in Wien, zehn Jahre später wurde er Kustos für Chemie am Technischen Museum, 1937 stellvertretender Direktor. Er konnte seiner Leidenschaft, der Kunst, nur in seiner Freizeit nachgehen. Er zog bereits 1939 in den Krieg und gilt bis heute als vermisst, seine Spuren verlieren sich 1945 an der Ostfront im zentralpolnischen Thorn.
Quellen: Art In Words, Wien Museum