19. Februar 2018 - 13:00

Es gibt Fotoserien von Hunden, die ihr nasses Fell ausschütteln, in die Luft springen, sich im Hintergrund tarnen oder auf Objekten balancieren.

Doch alle, die Ihren Hund selbst oft und gerne fotografieren, wissen: Nichts ist schwieriger, als ihn frontal aufzunehmen. Denn der Hund schaut nicht gerne in die Kamera. Sie irritiert ihn. Und alles was ihn irritiert, beschwichtigt er. Er dreht den Kopf zur Seite, fährt sich mit der Zunge über die Lippen, gähnt, schließt die Augen. Es wird ein bisschen eng für den Hund, und das zeigt er uns.

Allen, die diese körpersprachlichen Signale ihres Hundes besser kennenlernen wollen, sei ein grundlegendes und unverzichtbares Buch ans Herz gelegt: Turid Rugaas: Calming Signals – Die Beschwichtigungssignale der Hunde.

Soweit zur "Pflicht" in der Hundebuchsammlung. Doch kommen wir nun zur "Kür": Sit - von Matt Karwen.

 

Sit © Matt Karwen

 

 

Der in Berlin lebende Fotograf Matt Karwen hat mit Einfühlungsvermögen und Geduld und Geduld und Geduld das Kunststück zuwege gebracht, die Hunde frontal zu fotografieren und sie dabei gelassen, stoisch, entspannt aussehen zu lassen. Purer Hund ohne Zierrat oder Kunststück, Verniedlichung oder Überhöhung.

Die Komposition ist klar und eindeutig, komplex ist hingegen die Persönlichkeit des Hundes, der vor dem weißen Hintergrund Raum zur Entfaltung gegeben wird. Was können wir nicht alles in diesen Gesichtern entdecken: Aufmerksamkeit, Neugier, Staunen und Intelligenz.

 

Sit © Matt Karwen

Sit © Matt Karwen

Sit © Matt Karwen

Sit © Matt Karwen

Sit © Matt Karwen

Sit © Matt Karwen

Sit © Matt Karwen

Sit © Matt Karwen

Sit © Matt Karwen

Sit © Matt Karwen

Sit © Matt Karwen

 

Sit © Matt Karwen

Sit © Matt Karwen

 

Und hier die Hundefotos im Schnelldurchlauf. Unbedingt ansehen!

Die Instagram-Seite zum Buch

alle Fotos © Matt Karwen

 

Buch, Fotografie
14. Februar 2018 - 16:53

Eine stille Meeresoberfläche. Ein Wellenbrecher. Sonne fällt auf Schnee. Dunkelheit senkt sich herab.

Was sind Ihre ersten Empfindungen beim Betrachten dieser Fotografien? Welche Stimmung und Assoziationen lösen sie aus? Wohin leitet uns das tiefe Blau?

 

sea3 © Konrad Kehrer

abyss © Konrad Kehrer

sea and moonlight © Konrad Kehrer

fallen tree © Konrad Kehrer

plant order © Konrad Kehrer

snow © Konrad Kehrer

dark mountain © Konrad Kehrer

mountain light © Konrad Kehrer

mountain2 © Konrad Kehrer

morning mountain © Konrad Kehrer

mountain1 © Konrad Kehrer

breakers © Konrad Kehrer

 

Der österreichische Fotograf Konrad Kehrer spielt mit unserer Wahrnehmung. Seine Bildausschnitte und Bildbearbeitungen lenken uns auf eine falsche Fährte, in eine von ihm beabsichtigte Richtung.

Gleichzeitig sensibilisiert er uns für die Möglichkeit der Manipulation durch Einschränkung unseres Blicks, durch die Vorenthaltung des Kontextes. Medienkritik wird von Konrad Kehrer künstlerisch umgesetzt. Dass er für diese Umsetzung die Fellstruktur von Hunden verwendet, ist für uns HundeliebhaberInnen besonders erfreulich.

Der Künstler erklärt seine Absicht folgendermaßen:

 

Der Arbeit liegen verschiedene Überlegungen zugrunde - der zentrale Gedanke geht vom Umstand aus, dass Fotos landläufig als Beweis für das Dargestellte gesehen werden. Bilder, die uns täglich als Wahrheit in den Medien präsentiert werden, zeigen zwangsläufig nur einen Teil des Geschehens. Fotograf bzw. Bildbearbeiter zensurieren mit Hilfe des Bildausschnitts, was dem Konsumenten letztendlich gezeigt wird - wir wissen nicht, ob außerhalb des Bildrandes neben dem Mann, der die Tote betrauert, nicht noch die "smoking gun" liegt.

Hunde oder Teile von Hundekörpern als Landschaften zu inszenieren, war ein Mittel das aufzuzeigen. Der gedankliche Schritt zurück, lässt, wenn man sich Zeit nimmt und das Bild aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und Optionen in Betracht zieht, auch bei "Dogscapes" wieder den Hund in Erscheinung treten und soll zum kritischen Hinterfragen des Gesehenen anregen. Bezüglich der Form der Arbeit ist sie von Hiroshi Sugimotos "Seascapes" inspiriert, woher auch der Titel "Dogscapes" rührt.

 

alle Fotos © Konrad Kehrer

 

Fotografie
29. Januar 2018 - 12:30

Das Werk des venezianischen Künstlers Marzio Tamer brauche keinen schriftlichen Kommentar oder intellektuelle Interpretation, es sei Schönheit und Können im reinen Zustand. Sinngemäß habe ich das über diesen zeitgenössischen, figurativen Maler gelesen. Das hat sicher seine Berechtigung.

Trotzdem möchte ich Sie auf einen Text aufmerksam machen, der den scheinbar aus der Gegenwart gefallenen italienischen Künstler und sein Werk in unglaublich pointierter und sensibler Weise porträtiert – auf einen Text, der sowohl dem Künstler als auch den dargestellten Tieren gerecht.

Diese Betrachtung hat mich überhaupt erst auf Marzio Tamer aufmerksam gemacht. Dank an Michael Pilz für seinen Beitrag "Ist das noch Ökokitsch oder schon Biorealismus" in der "Welt".

 

Marzio Tamer, Wolf 2008

 

Marzio Tamer hat eine führende Rolle in der zeitgenössischen, italienischen figurativen Malerei inne, obwohl ihn eine intellektuelle Autonomie gegenüber zeitgeistigen Moden auszeichnet. Seine Tiere, Pflanzen, Landschaften, Jahreszeiteneinblicke, Stillleben - in Aquarell, Eitempera und Öl gemalt - vermitteln einen fotorealistischen Eindruck. Detailversessen und mit naturalistischer Genauigkeit malt er Lichtreflexionen und Oberflächenbeschaffenheiten.

Seine technische Könnerschaft und Präzision erzeugt allerdings nicht Kälte oder Sterilität, sondern machen seine Werke im Gegenteil tief emotional und poetisch, Poesie und Virtuosität durchdringen einander. Er zeigt uns die Schönheit und strukturelle Perfektion der Tiere als Ergebnis eines kontinuierlichen Prozesses der Evolution, Anpassung und Transformation.

Die tiefe Sensibilität, der Respekt für die lebende Welt, seine Betrachtung der Tiere als Subjekte machen ihn einzigartig und modern. Es gelingt ihm nicht nur eine innere Verbindung mit dem abgebildeten Tier herzustellen und eine authentische und natürliche Einsicht zu gewinnen, sondern auch uns an dieser Erkenntnis teilhaben, uns die Tiefe seines Blicks erfassen zu lassen.

 

Marzio Tamer, Wolf 2015

 

Tamer setzt seine Tiere meist in einen leeren Hintergrund. Er nennt sie "suspended backgrounds". Der Hintergrund wird sozusagen von der Verpflichtung enthoben, zusätzlich Bedeutung zu generieren. Trotz der Leere, in der sich seine Motive befinden und der Undefiniertheit von Raum und Zeit, vermittelt er ein einzigartiges Gefühl von Atmosphäre.

Als poetisch, einzigartig, beispiellos, intelligent und sensibel, romantisch und bleischwer wird diese Atmosphäre, sein bildnerisches Universum beschrieben. Bewegend ist es allemal, mich lässt seine Schönheit fassungslos zurück.

 

Marzio Tamer, Wolf 2012

Marzio Tamer, Wolf

Marzio Tamer, Schlafender Wolf, 2008

 

Marzio Tamer (*1964 in Schio/I) studiert, lebt und arbeitet in Mailand. Bald lässt er die Acrylmalerei beiseite, um mit Eitempera zu experimentieren. Diese alte Technik verlangsamt den Herstellungsprozess (Tamer stellt "in einer Meditation am Morgen" die Farben selbst her), entschleunigt, setzt Zeit zum Nachdenken frei und eine tiefe Kenntnis des Mediums voraus. Diese Kenntnis stammt aus Tamers Auseinandersetzung mit den alten Techniken des Benvenuto-Cellini-Handbuchs.

Unten sehen Sie die Wölfe im Zusammenhang mit Plakaten zu seiner letzten Ausstellung im Mailänder Naturhistorischen Museum, eine Ausstellungsansicht, um einen Eindruck von den Bildformaten zu gewinnen, ein Porträt des Künstlers sowie zwei Zeichnungen.

 

Ausstellungsplakat Marzio Tamer

Ausstellungsplakat Marzio Tamer

Ausstellungsplakat Marzio Tamer

Ausstellungsansicht Marzio Tamer

Mazio Tamer, Foto: Berengo Gardin, 2009

Marzio Tamer, Wolf

Marzio Tamer, Wolf

 

Die Wölfe bilden nur einen kleinen Ausschnitt aus seinem Werk. Besonders auf dem Hompage Salomon Fine Art Gallery können Sie einen ersten Überblick über sein Schaffen erhalten. Außerdem liefert die Google-Bildersuche eine Fülle von Ergebnissen, die helfen, seinem Werk nachzuspüren.

Bild- und Textquellen: Michael Pilz in der "Welt", Salamon Fine Art, Trentino Cultura, Hunting Magazine, YouTube, Jonathan Cooper

 

Malerei
15. Januar 2018 - 16:30

Wahrlich passend zum Thema des Blogs - Hund und Kunst - und als schönen Einstieg ins Blogjahr 2018 habe ich dieses wunderbare Bild "Topdogs" entdeckt, das die deutsche Künstlerin Stefanie Gerhardt gemalt hat. Auf ihrer Homepage können Sie zusätzlich Detailansichten dieser Rassen- und Ideenfülle sehen.

 

Topdogs 2013, Öl auf Holz, 148 x 138 cm © Stefanie Gerhardt

 

Wie bei einem Wimmelbilderbuch gibt es hier immer wieder Neues zu entdecken. Es "wimmelt" nur so von Hunden im Faschingskostüm, in Abend- und Brautkleidung, mit Clownnase, Plüschelchgeweih, mit Verband oder Lockenwicklern. Dicht gedrängt blicken manche Hunde fast verzweifelt aus ihren bizarren Ausstaffierungen. Wenn Sie meinen Blog schon länger lesen, wissen Sie vielleicht, wie sehr ich alberne, also entwürdigende Verkleidungen bei Hunden ablehne, an dieser gemalten Variante kann ich mich aber kaum satt sehen!

 

Topdog no.6, 2013, 3-teilig, Öl auf Holz © Stefanie Gerhardt

 

Stefanie Gerhardt arbeitet mit den Medien Zeichnung, Malerei, Skulptur, Installation und Film. Sie erforscht mit ihren Werken den Raum und was sich in ihm abspielt, den Raum, in dem Werden und Vergehen spürbar werden. Das Vergehen und Auflösen kommt auch bei diesen Bildern zum Ausdruck:

 

aus dem Katalog anlässlich derr Ausstellung Foire © Stefanie Gerhardt
aus dem Katalog anlässlich derr Ausstellung Foire © Stefanie Gerhardt
Bilder von hier:

 

Sie sind aus dem Katalog "Räume des Verschwindens", der anlässlich ihrer Ausstellung "Foire" im Centre Culturel Franco-Allemand Karlsruhe entstand. Sie können ihn auch online durchblättern.

Stefanie Gerhardt (*1974 in Freiburg/D) schloss 2008 ihr Studium der Malerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe als Meisterschülerin bei Prof. Leni Hoffmann ab. Sie lebt und arbeitet in Freiburg.

alle Bilder © Stefanie Gerhardt

 

Buch, Malerei
13. Dezember 2017 - 15:39

Emil (Kopf), 2017 © Petra Hartl

Emil (Ausschnitt), 2017 © Petra Hartl

Emil (Ausschnitt), 2017 © Petra Hartl

 

Anmutig und würdevoll tritt der Weimaraner Emil aus seinem dunklen Hintergrund hervor.

 

Emil, 2017 © Petra Hartl

 

Bald wird das Bild seinen Platz unter dem Weihnachtsbaum finden und hoffentlich viel Freude bereiten.

alle Bilder © Petra Hartl

 

Meine Arbeit
22. November 2017 - 11:55

Windhund Willa © Wilma Wau

 

Die Berliner Künstlerin Wilma Wau malt sehr kleinformatige Hundeporträts in Acryl und Aquarell. Dabei setzt sie die Tiere meist frontal ins Bild. Der Hintergrund bleibt hell und wenig kontrastreich, wodurch sich die Köpfe nur subtil davon abheben und eine elegante und edle Note erhalten - manchmal im Gegensatz zum Gesichtsausdruck.

Frau Wau übertreibt die charakteristischen Rassemerkmale ein bisschen, wodurch die Hunde zusätzlich an Liebenswürdigkeit gewinnen. Schaut der Labrador nicht wie ein Schaf aus, der Spitz wie ein Fuchs? Erkennt Wilma Wau das "wahre" Wesen der Hunde auf treffliche Art und Weise?

 

Labrador Leoni © Wilma Wau

Jack Russel Rocco © Wilma Wau

Spitz Mischling Perry © Wilma Wau

Pitbull Paula © Wilma Wau

 

Die Fellstruktur wird vorzüglich herausgearbeitet, ein sehr plastischer Eindruck entsteht, sodass manche Hunde fast wie kleine Filzskulpturen aussehen.

 

Friedrich © Wilma Wau

Gabriel © Wilma Wau

Border Collie Mr. Bean © Wilma Wau

Bulldogge Beatrix © Wilma Wau

© Wilma Wau

 

Ungeachtet dessen, ob die Hunde wirklich so heißen, wie die Bildtitel vorgeben, sind die Namen genial erfunden (Podenco Poldi!) Und erst der Schäferhund George - ein Brite?

 

Podenco Poldi © Wilma Wau

Kunigunde © Wilma Wau

Schäferhund George © Wilma Wau

 

Besonders bei den Aquarellen merkt man, dass ihre Hunde gleichzeitig Fabelgestalten sind, die wie verschwommen und verhuscht kurz aus ihrer Märchen-Parallelwelt hervorblitzen. Haben Sie nicht auch manchmal das Gefühl nicht mit einem Hund, sondern einem tiefgründigen, alles verstehenden Märchenwesen zusammenzuleben!

 

© Wilma Wau

© Wilma Wau

© Wilma Wau

 

Noch weitere Porträts finden Sie auf der etsy-Seite der Künstlerin.

Ich danke Christiane Grüner, die mich auf Wilma Wau aufmerksam gemacht hat.

Alle Bilder: © Wilma Wau

 

LeserInnen empfehlen, Malerei
14. November 2017 - 23:00

Ein Packerl kommt © Petra Hartl

Jö! © Petra Hartl

 

Die Freude war groß, als dieses heiß ersehnte Buch-Paket aus London bei mir in Wien ankam: Really Good Dog Photography sein aussagekräftiger Titel und im feinen East Londoner Hoxton Mini Press Verlag erschienen. Das Buch zeigt fotografische Arbeiten von dreißig Künstlern und Künstlerinnen, die sich mit Hingabe und Leidenschaft der Fotografie von Hunden verschrieben haben.

 

Hedy und Buchcover © Petra Hartl

 

Die meisten der vorgestellten Fotografen und Fotografinnen sind Ihnen vermutlich bekannt, da ich sie - manche schon vor Jahren -  in meinem Blog vorgestellt habe (Charlotte Dumas, Alec Soth, Daniel Naudé, John Divola, Jo Longhurst, Erik Kessels, Nancy LeVine, Hajime Kimura).

Doch es gibt nicht nur ein Wiedersehen, sondern auch Neuentdecken von Künstlern und Künstlerinnen, die ich nicht gezeigt habe, da sie mir zu bekannt erschienen (wie William Wegman) oder mich ihr Werk so zu Tränen rührte, dass ich nicht darüber schreiben konnte (wie Traer Scott). Ein paar wenige waren auch mir unbekannt, wie etwa Tim Edgar, der die hündischen Urinspuren fotografisch sammelt oder Delphine Crépin, die alte zerkaute Hundebälle ablichtet.

 

Really Good Dog Photography © Hoxton Mini Press

Really Good Dog Photography © Hoxton Mini Press

Really Good Dog Photography © Hoxton Mini Press

Really Good Dog Photography © Hoxton Mini Press

Really Good Dog Photography © Hoxton Mini Press

Really Good Dog Photography © Hoxton Mini Press

 

Dogs and photography have gone hand in paw almost since the medium was invented and our passion remains undiminished, with pictures of adorable, bright-eyed dogs all over the internet.

The photographs in this book offer an alternative to all the fluff. They approach the dog as a dignified, intelligent and noble being, and they consider our relationship with man's best friend for the extraordinary thing it really is. Elegant, beautiful, surprising, sometimes comical, full of drama and heart, these images show the world's best-loved animal in a remarkable new light. (Hoxton Mini Press)

 

Interessant! © Petra Hartl

Jetzt bin ich müde ...r © Petra Hartl

 

Die Texte im Buch stammen von Lucy Davies, die unter anderem für den Telegraph über Kunst und Fotografie schreibt.

Herausgeber des Fotobuches ist übrigens Martin Usborne, seine Fotoserie The Silence Of Dogs In Cars habe ich bereits 2011 in einem meiner ersten Blogartikel gezeigt. Das freut mich ganz besonders!

Würde sich das wunderschön gestaltete Buch nicht als Weihnachtsgeschenk für einen Hunde-Aficionado eignen? Oder noch besser: Schreiben Sie es doch auf ihren eigenen Wunschzettel!

Das letzte Foto von Hedy ist ein bisschen unscharf, passt aber zu ihrem verträumten Blick. Gleich fallen ihr die Augen zu und sie begibt sich auf die Traumreise zu den Hunden dieser Welt.

 

Schlaft gut! © Petra Hartl

 

Bilder von "Really Good Dog Photography" (ohne Hedy) © Hoxton Mini Press

 

Buch, Fotografie
3. November 2017 - 8:30

Schwarze Wolken bedeckten den Himmel, als Mika uns verließ. Der Himmel grollte. Der Regen tollte. Doch wir nahmen nur wahr, wie Mikas letzter, allerletzter Atemzug über den Rand ihres Körbchens strich.

 

Das sind die ersten Sätze in "Mikas Himmel", einem Bilderbuch für Kinder, das das Abschiednehmen vom geliebten Hund beschreibt. Das Buch ist Trauerliteratur für die ganz Kleinen, aber es spendet - nicht zuletzt durch die intelligente und stringente bildnerische Gestaltung von Annemarie van Haeringen - auch Erwachsenen Trost.

Wird Mika in den Himmel kommen? Und gibt es dort Äste zum Zerbeißen oder Katzen zum Hinterherjagen? Und wird Mika dort von jemandem gestreichelt? Diese und andere Fragen stellen die Kinder in der Dialog basierten Geschichte von Bibi Dumon Tak.

Bevor ich die Illustrationen zu diesem Buch sah, wurde mir der poetische, stille, aber auch unsentimentale, Zweifel säende und doch Hoffnung gebende Text vorgelesen. Ich konnte mir kaum vorstellen, wie er in Bilder umgesetzt aussehen könnte.

Welch Überraschung fand sich zwischen den eher konventionell gestalteten Buchdeckeln.

 

Cover von Mikas Himmel

 

Zwischen der ersten Illustration - wenige weiße Striche auf schwarzem Grund - und der letzen, die Mika fröhlich im blauen Himmel zeigt, sehen wir die Metamorphose einer schwarzen Wolke zu einem großen schwarzen Hundekörper.

 

Einen kurzen Moment teilten sich die Wolken, als würden sie Mika durchlassen, direkt in den Himmel.

 

Der Text ist in diese Hundesilhouette eingeschrieben. Mit jedem Umblättern sehen wir mehr vom Hund, der bellt, läuft und ruht. Doch wo ist Mika jetzt?

 

Illustration von Annemarie van Haeringen aus Mikas Himmel

Illustration von Annemarie van Haeringen aus Mikas Himmel

 

Nachdem der Hund begraben und eine Nacht vergangen ist, hörten die Kinder Gebell aus dem Himmel.

Ist Mika im Himmel angekommen?

Wir wissen es nicht.
Wir wissen es doch!

Heute vor fünf Jahren ist Rocco gestorben. Nicht so leicht wie Mika. Für ihn und alle Tiere wünsche ich mir einen Himmel.

 

Rocco, 2010 © Petra Hartl

 

Bilderbuch, Rocco
25. Oktober 2017 - 8:22

Sicher stimmen Sie mit mir überein, dass wir unten nicht die Darstellung eines Huskys in seinem Habitat vor uns haben, sondern ein Bild des konkreten Hundes "Lushka". In dem Gemälde von Alice Neel aus dem Jahr 1974 ist der Hund eindeutig Gegenstand dessen, was wir unter der Gattung Porträt verstehen. Wie auch in vielen Porträts von Menschen präsentiert die Künstlerin den Hund in einer frontalen Position, den Blick direkt auf den Betrachter, die Betrachterin gerichtet.

 

Alice Neel, Lushka, 1974, Courtesy the Artist’s Estate and Victoria Miro, London
Alice Neel, Lushka, 1974, Courtesy the Artist’s Estate and Victoria Miro,
London © The Estate of Alice Neel

 

Die Künstlerin, die sich selbst als "Painter of people" bezeichnet, widmet der Darstellung der Tiere die gleiche Aufmerksamkeit wie der malerischen Beschreibung der Menschen, sie sind ebenso individuell und bedeutsam.

Alice Neel (1900-1984) ist eine der bedeutendsten amerikanischen Porträtistinnen des zwanzigsten Jahrhunderts, ihr Werk wird als intim, unaufgeregt, zwanglos, persönlich und direkt beschrieben. Sie beobachtet nicht nur die Menschen sehr genau, sondern auch die mit ihnen lebenden Tiere. Hunde und Katzen waren ein Teil ihres häuslichen Lebens. Vom Beginn ihrer Karriere in den 1930er Jahren bis zu ihrem Tod 1984 finden sich immer wieder Doppelporträts (Mensch mit Hund oder Katze) oder Einzelporträts von Tieren. Sie erfasst sowohl den menschlichen als auch den tierlichen Charakter und bringt die Einzigartigkeit der Lebewesen anhand ihrer individuell typischen Blicke, Gesten, Haltungen zum Ausdruck. Sie scheint allerdings mehr Katzen gemalt zu haben, ich habe lediglich ein paar Werke mit Hunden gefunden.

 

Alice Neel. Carol with a Dog, 1962, Courtesy the Artist’s Estate and Victoria Mi
Alice Neel. Carol with a Dog, 1962, Courtesy the Artist’s Estate and Victoria Miro,
London © The Estate of Alice Neel

 

Nur durch eine kleine Geste vermittelt Alice Neel die Bindung zwischen Mensch und Tier: Carol berührt den Hund am Nacken. Ihr blondes Haar, die helle Haut und das hellgrüne Kleid kontrastieren mit dem schwarzen Fell und den tiefroten Augen des Pudels an ihrer Seite.

 

Alice Neel, Richard with Dog, 1954
Alice Neel, Richard with Dog, 1954

 

Richard hat in diesem Doppelporträt den gleichen erstaunt-fragenden Blick wie sein Hund.

"Nadya and the Wolf" hat eine rätselhafte Qualität, beide scheinen Teil einer mehrdeutigen mythologischen oder metaphorischen Szene zu sein. In diesem Frühwerk zeigt sich die Verbindung zum Expressionismus nordischer Prägung.

 

Alice Neel, Nadya and the Wolf, 1931, Courtesy the Artist’s Estate and Victoria
Alice Neel, Nadya and the Wolf, 1931, Courtesy the Artist’s Estate and Victoria Miro,
London © The Estate of Alice Neel

Alice Neel. King Asleep, 1954, Courtesy the Artist’s Estate and Victoria Miro, L
Alice Neel. King Asleep, 1954, Courtesy the Artist’s Estate and Victoria Miro,
London © The Estate of Alice Neel

 

In den Deichtorhallen Hamburg ist nun erstmals in Deutschland ein Überblick über das Schaffen dieser Ausnahmekünstlerin zu sehen, die erst in den 1970er Jahren späte Anerkennung erfuhr. Unbeeinflusst vom abstraktem Expressionismus blieb sie ihrem realistischen Stil treu, der als rückwärtsgewandt kritisiert wurde. Es gelang ihr mit ihrem ausdrucksstarken, einfühlsamen und psychologisch akkuratem Werk zum Wesenskern der Menschen vorzudringen. Ihre kraftvollen Bilder inspirierten zahlreiche Künstlerinnen und Künstler wie Chuck Close, Marlene Dumas, Alex Katz und Elizabeth Peyton.

Alice Neels Hauptwerk entstand in ihrer New Yorker Nachbarschaft, in Greenwich Village, Spanish Harlem und schließlich an der Upper West Side, wo sie zahlreiche Mitglieder der Kulturszene New Yorks gemalt hatte, unter anderem Andy Warhol, der dieses Bildnis als das beste von ihm je geschaffene bezeichnete. Darüber hinaus porträtierte sie Familienmitglieder, Freunde, Nachbarn oder zufällige Bekanntschaften. Neels Aufmerksamkeit galt aber gleichermaßen den Unterprivilegierten, den Armen und Diskriminierten. Sie führte ein äußerst bewegtes Leben als alleinerziehende Mutter und Mitglied der New Yorker Künstlerszene; sie engagierte sich Zeit ihres Lebens politisch, sympathisierte mit dem Kommunismus und wurde zum Symbol der Frauenrechtsbewegung.

 

Quellen: Homepage der Künstlerin, Wikipedia, Deichtorhallen Hamburg, Victoria Miro Gallery

 

Ausstellung, Malerei, Zeichnung
19. Oktober 2017 - 8:29

Ein Hundeporträt: Frontal und aggressiv blickt uns der Hund an. Schwarz-Weiß-Grau tritt der Kopf aus dem flächigen, diagonal geteilten schwarz-weißen Hintergrund heraus.

 

Moritz Stumm, Khaver, 2012, Courtesy BaumgartenBrandt, Berlin, Repro, Studio St
Moritz Stumm, Khaver, 2012, Tusche auf Papier, 130 x 130 cm

 

Auf den ersten Blick sieht das Porträt wie eine Fotografie aus, es ist aber eine Zeichnung mit schwarzer Tusche, die der Künstler Moritz Stumm flächig wie bei einem Aquarell aufträgt.

Da wir nur den Kopf des Tieres sehen und keinen Kontext kennen, wissen wir nichts über den Grund der Aggression. Bedroht uns der Hund oder reagiert er auf eine Bedrohung? Gänzlich aus einem inhaltlichen Zusammenhang gerissen, bleibt die Aussage offen, wird die gewaltvolle Körperhaltung zur Geste und Attitüde, zum bloßen Zeichen des Bösen.

Das Bild trägt den Titel "Khaver". Da mir dieses Wort unbekannt war, habe ich ein bisschen gegoogelt und bin auf das jüdische Wort khaver (chaver, haver) gestoßen, das mit "Freund" oder "Kamerad" übersetzt wird. Vielleicht ist auch der Bildtitel ein zusätzlicher Hinweis darauf, dass uns Moritz Stumm -  wie auch in seinen anderen Tuschezeichnungen - dazu einlädt, unsere Sehgewohnheiten und Kategorisierungen zu hinterfragen.

Mit dieser Absicht passt er jedenfalls gut in die Ausstellung "Neue Schwarze Romantik", in der dieses Werk zur Zeit zu sehen ist. Denn dort treiben die Künstler und Künstlerinnen möglicherweise mit den Ängsten und Fantasien ihres Publikums spielend

 

mit ihren Werken ein listiges Spiel mit der Wahrnehmung. Ganz bewusst erwecken die Bilder, Objekte und Videos den Anschein dunkler Geheimnisse, indem sie Realität und Surrealität vermischen. Dadurch wird ein Klima der Verunsicherung, des Zweifels und des Ungefähren erzeugt.

 

Die 34 ausgewählten Künstlerinnen und Künstler aus Europa und den USA sprechen verschiedenste dunkle Themen an.

 

Die Gewöhnlichkeit des Bösen. Die kriminelle und zugleich distinguierte Art der Macht. Die glatten Oberflächen der Begierden. Die finster in den Untergrund gebetteten Geschäfte und amoralischen Netzwerke. (vgl. Stadtgalerie Kiel)

 

Moritz Stumm (* 1981 in Marburg/D) bekam bereits als Musikvideoregisseur internationale Anerkennung, bevor er Bildende Kunst an der Universität der Künste Berlin studierte. Er setzt er sich multimedial mit Video, Skulptur und Installation auseinander, arbeitet auch weiterhin als VJ und betreibt das Label Flippig the Coin, das musikalische Arbeiten Bildender Künstler veröffentlicht. Moritz Stumm lebt und arbeitet seit 2003 in Berlin.

Die Ausstellung "Neue Schwarze Romantik" wird in der Stadtgalerie Kiel noch bis zum 31. Oktober 2017 gezeigt. Sie ist eine Kooperation mit dem Künstlerhaus Bethanien (Berlin) und seinem Geschäftsführer & Kurator Christoph Tannert.

 

Ausstellung, Zeichnung