30. November 2018 - 10:36

Paula Rego (*1935) bezieht die Inspiration für ihre figurativen Werke vor allem aus der realistischen und fantastischen Literatur sowie der bildenden Kunst vergangener Jahrhunderte. Sie mischt diese Referenzen mit autobiografischen Elementen und gesellschaftspolitischen Themen. So entstehen oft mehrteilige Gemälde, deren Erzählung nicht eindeutig ist und die eine surreale Atmosphäre schaffen.

Zum Beispiel bezieht sich das untere Werk "The Betrothal" von 1999 auf William Hogarths sechsteiligen Zyklus "Marriage a la Mode" von 1743, in dem es um eine arrangierte Hochzeit geht. Es bildet den rechten Teil eines großen Pastell-Triptychons. Rego transferiert die Szene - die Mütter handeln den Kontrakt aus - ins Portugal der 1950er Jahre.

Im Vordergrund sitzt die junge Braut in einem roten Armlehnstuhl, ihr Fuß ruht auf dem Rücken des Hundes vor ihr. Beide, Hund und Mädchen, blicken auf den Vater, der für uns im Spiegel zu sehen ist. In einer bizarr anmutenden Inszenierung wird hier die Situation der Frau, die der elterlichen Autorität unterliegt, thematisiert.

 

The Betrothal, 1999 © Paula Rego

 

Paula Rego ist zweifellos eine der bedeutendsten Künstlerinnen ihrer Generation. Monumentalität, psychologisches Drama, Menschen in geheimnisvollen und beunruhigenden Zusammenhängen bestimmen ihr Werk. Umso erstaunlicher ist es, wie diese Künstlerin mit einem Jahrzehnte umfassenden Werk spurlos an mir vorüber gehen konnte.

Meine erste google-Bildersuche zeigte ein ungemein kraftvolles Œuvre, das mich stilistisch sofort an viele Werke bekannter Künstler des 20. Jahrhunderts erinnert hat, wie Beckmann (die Triptychen und kontrastreiche Farbgestaltung), Picasso (die Monumentalität der Figuren), Balthus (die verstörenden sexuellen Anspielungen in familiären Interieurs), die Surrealisten, Ensor, Degas etc. Ihre Bezugnahme auf kunsthistorische Werke ist nicht imitierend oder eklektizistisch, sondern zeigt vielmehr eine postmoderne Herangehensweise. Rego malt gegen das Innovationsstreben der Moderne an, bedient sich an historischen Elementen, die sie in neue Zusammenhänge setzt und kritisch reflektiert.

Zu Regos immer wiederkehrenden Motiven gehören Hunde, Mädchen, dominante Vaterfiguren, klaustrophobische Familienszenen: Sie schaffen eine einzigartig persönliche Ikonographie.

Mitte der 1980er-Jahre beginnt Paula Rego mit der "Girl and Dog"-Serie, bei der ein oder zwei Mädchen einen kranken Hund pflegen. Sie helfen ihm beim Essen, Trinken und Ankleiden (legen ihm ein Halsband um). Der Hund hebt sogar vertrauensvoll seinen Kopf, um sich die Kehle rasieren zu lassen. (Biographischer Hintergrund ist die Erkrankung von Paula Regos Mann an multipler Sklerose). Die Hunde nehmen in den Gemälden den Platz des Mannes ein. Die Künstlerin setzt sich dergestalt mit Kraft und Zärtlichkeit, aber auch Abhängigkeit und Ohnmacht in Beziehungen auseinander.

 

Dog and Girl - Serie @ Paula Rego

Dog and Girl - Serie @ Paula Rego

Dog and Girl - Serie @ Paula Rego

Dog and Girl - Serie @ Paula Rego

Dog and Girl - Serie @ Paula Rego

Dog and Girl - Serie @ Paula Rego

Dog and Girl - Serie @ Paula Rego

 

In "Looking Back" scheinen die großen Mädchen erleichtert, dass ein viel jüngeres mit seinem kleinen Welpen spielt. Die Pelzdecke könnte einen getöteten größeren Hund symbolisieren.

 

Looking Back, 1987 © Paula Rego

 

Die in Lissabon geborene Künstlerin verließ als Jugendliche das diktatorische Regime von Salazar und studierte an der Slade School of Fine Art in London. Sie verkehrte mit Francis Bacon, Lucian Freud, Frank Auerbach und David Hockney und war die einzige Frau der Künstlergruppe School of London.

Frauen spielen in ihrem singulären Werk fast immer die Hauptrolle: Sie zeigt deren Rolle in der Gesellschaft, ihr Leid und ihre Unterdrückung. Während sie in ihren Anfangsjahren als Künstlerin noch mit Collagen arbeitete, malte sie später Acrylgemälde auf Papier. Mit Beginn der 1990er-Jahre verwendet sie nur noch Pastellkreiden für ihre großformatigen Zyklen.

Auch in ihrem umfangreichen druckgrafischen Werk verarbeitet sie literarische Bezüge und setzt sich subversiv und expressiv mit der Rolle der Frau und ihren Verstrickungen auseinander.

 

Doctor Dog, 1982 © © Paula Rego

© Paula Rego

© Paula Rego

© Paula Rego

 

Unter dem Titel "Die grausamen Erzählungen von Paula Rego" stellt das Musée d’Orangerie bis zum 14. Jänner 2019 etwa 70 Gemälde und Zeichnungen der britischen Künstlerin aus. Ihr Werk wird mit einigen Zeichnungen und Druckgrafiken von Daumier, Goya und Degas kontrastiert und ergänzt.

 

Ausstellung, Grafik, Malerei
29. November 2018 - 15:48

Lise, Detail © Petra Hartl

Lise, Detail © Petra Hartl

Lise, Detail © Petra Hartl

Lise © Petra Hartl

 

Lises Frauchen hat mir mehrere Fotos von Lise geschickt. Mignon konnte sich einfach nicht entscheiden, welches Foto sie gemalt haben wollte. Mir erging es nicht viel besser. Nachdem ich Lises Porträt im Profil gemalt hatte, stellte ich sie noch von vorne dar. Malerisch waren beide Bilder gelungen, doch ob und wo ich Lises Wesen getroffen habe, musste ihr Mensch entscheiden.

Lise ist selbstbewusst, kommt auf allerlei (halb)lustige Ideen, bringt Schwung in die Bude und ins Leben. "Lise ist ein Energiebündel mit Supergirl-Kräften!", sagt Mignon.

 

Lise, Detail © Petra Hartl

Lise, Detail © Petra Hartl

Lise, Detail © Petra Hartl

Lise, Detail © Petra Hartl

Lise, Detail © Petra Hartl

Lise © Petra Hartl

Lise im Werden © Petra Hartl

 

Und hier sehen Sie die kleine Lise mit ihrer "Schwester" Polly und einem aufmerksamen Hunderudel. Was die Kamerafrau da wohl gesagt hat?

 

Lise und Polly und und und © Mignon Dobler

 

Das Bild wird übrigens ein Weihnachtsgeschenk. Also "Psssst" und nichts verraten, falls Sie Lises Herrchen kennen!

 

Meine Arbeit, Malerei
20. November 2018 - 10:31

Trixie, 2007 © Sarah McEneaney

Olive, 2007 © Sarah McEneaney

 

Wir zoomen heraus ... Jetzt sehen Sie auch, wo die Hunde von oben - Trixie und Olive - schlafen und ruhen.

 

Olive, Cole, Trixie, 2007 © Sarah McEneaney

 

Seit über 35 Jahren bilden ein altes Haus, das Sarah McEneaney renoviert hat, und ein ummauerter Vorgarten das Herz ihres künstlerischen Universums - eines Universums, das sie mit Hunden und Katzen bewohnt.

Ich habe mich bei der Bildauswahl- und abfolge nicht von der Chronologie der Entstehung leiten lassen, sondern von der Topografie, den räumlichen Zusammenhängen dieses Hauses. Wie sieht es im Studio, Schlafzimmer, Büro und Garten aus? Was ist hinter der Tür? Wohin führt die Treppe? Obwohl Sarah McEneaney auch Landschaften (während ihrer Reisen) und Ansichten ihrer Heimatstadt Philadelphia gemalt hat, spare ich diese aus. Ihre Interieurs sind viel charmanter und spannender - und gleichzeitig das Zuhause der Hunde! Sie tauchen fast auf jedem Bild auf: Ganz klein sind sie fixer Bestandteil des Alltags, zumeist hingeflätzt auf Fleckerlteppiche oder reingekuschelt ins Hundebett.

McEneaneys Bilder werden nur von ihr selbst und den Hunden und Katzen belebt, manchmal sind die Räume auch verlassen. Nur auf den ersten Blick oder von der Ferne betrachtet wirken sie überladen oder chaotisch, von der Nähe sieht man, dass alles seine Ordnung, seinen Platz hat. Die Möblierung und die Accessoires sind detailliert und heimelig gestaltet: der "informelle" Studioboden, die Ziegel des Kamins, die offenen Regale, die Polster, Stoffe, Teppiche, die Hängematte und die vielen Fotos, Kunstwerke ihrer Freunde, gerahmte Zeichnungen, Notizen und Skizzen auf der Wand:  Alles ist mit Texturen und Strukturen versehen.

 

Studio, Spring, Summer, 2017 © Sarah McEneaney

© Sarah McEneaney

Studio, 2016 © Sarah McEneaney

Studio NM, 2008 © Sarah McEneaney

Gesso Room, 2007 © Sarah McEneaney

Studio Living, 2014 © Sarah McEneaney

New Sleep, 2014 © Sarah McEneaney

 

Die Malerin fügt mehrere Ansichten zu einem Bild zusammen, verwendet den Blick eines sich drehenden Kopfes. So erzeugt sie unverzerrte Panoramadarstellungen. Die Räume in ihrem Bildern gehen ineinander über - der Garten führt in ein Wohnzimmer mit Kamin, in eine offene Küche, ein großes Studio und Hinterräume mit Abstellraum und Archiv. Alles wirkt freundlich und einladend. Nicht zuletzt durch die Anwesenheit der Hunde und Katzen, die ihr Gesellschaft leisten.

Die Bilder von Sarah McEneaney zeichnen ihren Alltag nach: arbeiten, entspannen, Zeitung lesen, schlafen; zeigen Ansichten ihres Ateliers, zeigen sie bei der Arbeit an der Staffelei oder auf einem Tagesbett in der Nähe. Die Bilder sind autobiografisch erzählend und sie beschreiben die Künstlerin anhand der sie umgebenden Gegenstände und Lebewesen. Diese umgebende Welt wird sorgfältig und detailbesessen in Acryl oder Eitempera gemalt.

 

Office Work, 2015 © Sarah McEneaney

Every Day, 2013 © Sarah McEneaney

Home, 2017 © Sarah McEneaney

 

Was man von den farbenfrohen und freundlichen Arbeiten nicht erwarten würde, ist, dass sie auch von traumatischen Ereignissen wie der Krebserkrankung der Künstlerin erzählen.

"ACT with Me (AB)", zeigt Sarah zu Hause auf einer Couch mit ihrem wachsamen Hund und ihren Katzen - Angel, Cole und Trixie (also ACT). AB steht für "after Balthus", weil Sarahs Pose auf dem Balthus-Gemälde "Sleeping Girl" basiert, auf dem eine junge Frau mit einer entblößten Brust friedlich auf einem Bett schläft. In McEneaneys Malerei dagegen zeigt die Künstlerin sich selbst als friedlich, aber erschöpft, mit ihrer Mastektomie-Narbe.

 

Act With Me AB, 2014 © Sarah McEneaney

 

"Alopecia" zeigt sie im Studio an einem Tisch sitzend, während ihre Haare auf das Papier fallen. An den Wänden zeigt sie Scans, Tests und Bilder, die mit ihrer Krankheit zu tun haben. Ratlos steht ihr der Hund zur Seite.

 

Alopecia, 2006 © Sarah McEneaney

Spring, 2017 © Sarah McEneaney

Spring and Rain, 2017 © Sarah McEneaney

Winter Wildlife, 2010 © Sarah McEneaney

Dog Heaven, 2008 © Sarah McEneaney

 

Sarah McEneaney (*1955 München/D) lebt und arbeitet in Philadelphia.

Mehr von der Künstlerin können Sie auf den Seiten folgender Galerien sehen:  Locks Gallery, Tibor De Nagy

alle Bilder © Sarah McEneaney

 

Malerei
15. November 2018 - 10:09

Fantastic Dog! 2 © Dario Moschetta

Fantastic Dog! 1 © Dario Moschetta

Fantastic Dog! 3 © Dario Moschetta

 

Dario Moschettas Hundeköpfe, die aus dem monochromen Hintergrund auftauchen, passen gut zu den über ihren Körpern schwebenden Köpfen von Ryan Mrozowski, wenngleich Moschettas Arbeiten nicht in ein Konzept der Irritation der Sehgewohnheiten eingebunden sind, sondern "bloß" der Freude am Malen von Hunden entspringen.

Er malt die Hundeköpfe mit Pastellkreiden, verwischt mit einem breiten Pinsel und legt dann mit einer Spachtel den pastosen Acrylhintergrund an, wobei er mit der Spachtel bis ganz knapp zur Zeichnung arbeitet, sodass ein harter kantiger Kontrast zum Hundekopf entsteht. Dann arbeitet er mit Kreiden und Zeichenstiften am Kopf weiter, bis der Hund plastisch hervor tritt.

Während man beim "Fantastic dog! 4" noch den Ansatz des zurückgelegten Ohres sieht, scheinen die anderen Köpfe ohrlos zu schweben, was sie noch kompakter erscheinen lässt.

 

Fantastic Dog! 4 © Dario Moschetta

 

Sehr gut gefällt mir auch der "Fantastic dog! 5", wo Moschetta ein Spiel mit plastisch und flach angelegten Bildteilen treibt und unter den quasi zweidimensionalen Menschenkörper einen Schatten legt, sodass er wie ausgeschnitten wirkt.

 

Fantastic Dog! 5 © Dario Moschetta

 

Ich finde es schade, dass Dario Moschetta nicht mehr seiner fantastischen Hunde malt, sondern sein Werk um mehrere andere Themen kreisen lässt: das Porträt, den Akt und die Stadtansicht. Dabei kombiniert er Collage und Acrylmalerei auf Papier und Leinwand in selbst entwickelten Mixed-media-Techniken.

alle Bilder © Dario Moschetta

 

LeserInnen empfehlen, Malerei
10. November 2018 - 10:55

Molecule © Ryan Mrozowski

 

Ein neugierig (an)gespannter Gesichtsausdruck umgibt den Hundekopf. "Was passiert hier?", scheint er zu fragen und mit gespitzten Ohren auf Antwort zu warten. Der skulpturale, fast wie aus Holz geschnitzte Kopf schwebt zusammenhanglos über einem Körper, der von links ins Bild kommt. Der Hals fehlt. Der malerische Schnitt ist sauber ausgeführt, hier tropft kein Blut/keine rote Farbe. Trotzdem beunruhigt das absurde Bild. Zweifellos: Hier wurde einem Hund Gewalt angetan.

Welche Absicht verfolgt Ryan Mrozowski mit diesem und ähnlich irritierenden Bildern? Sicher möchte er unsere Erwartungen durchkreuzen, unsere Vorstellung davon, wie Stillleben, Pflanzen, Tiere auszusehen haben. Durch das Entfernen eines Teiles (des Halses) löst er den inneren und äußeren Zusammenhang (des Hundes), erschwert die Lesbarkeit.

Dabei beobachtet Mrozowski sein Motiv mit einer spielerischen und satirischen Distanz - auch erkennbar am Werktitel: "Molecule". Es liegt wohl im Auge des Betrachters, ob er bestürzt, verunsichert oder bloß erheitert darauf reagiert.

 

Dog, 2012 © Ryan Mrozowski

Dog, 2012 © Ryan Mrozowski

 

Sehen Sie einen gekritzelten Hund, der aus drei übereinander gestapelten Hunden zusammengesetzt ist, oder viele Hunde, die einen Metahund bilden? Und ist das überhaupt ein Unterschied in der Wahrnehmung? Auch bei dieser Zeichnung spielt Mrozowski mit der Lesbarkeit von Bildern.

 

Stacked Dog, 2016 © Ryan Mrozowski

 

Bei seinen neuen Arbeiten untersucht Ryan Mrozowski Serialität und Wiederholung in der Natur anhand der in seinen Bildern verwendeten Kompositionsstrategien. Er konstruiert Bilder, indem er das alltägliche Bildmaterial (Orangen, Tupfen, Vögel, Blumen...) in endlosen Variationen wiederholt und durch eine Reihe hergestellter Interventionen in geheimnisvolles verwandelt. Dabei wendet er die Sprache digitaler Werkzeuge (Ausschneiden, Einfügen, Zuschneiden...) auf den analogen Prozess des Malens an.

Zur Zeit sind seine Arbeiten in der Galerie Simon Lee in London zu sehen.

Ryan Mrozowski (*1981 in Pennsylvania) lebt und arbeitet in Brooklyn/New York. Neben seiner Homepage bieten auch seine Instagram-Seite und Instazu-Seite einen guten Einblick in sein Werk.

alle Bilder © Ryan Mrozowski

 

Malerei, Zeichnung
5. November 2018 - 8:42

The fourth level © Olga Gal

 

Die Barthaare dieser beiden verschmitzten Terrier wachsen und wachsen ...

 

Whiskers nest © Olga Gal

 

... und schon wird das Nest einer sich - vor Lachen? - kugelnden Katze daraus! Mein Lieblingsbild von Olga Gal und seine Entstehungsgeschichte:

 

"When I start I never know what I'm going to do, I started  this piece with the two dogs and than all developed from there, ad a cat, than the whiskers and finally the nest was born, that  linked the three together. Is all about a game with the pencil and the brush everyday, nothing else." (zit. n. Olgas Blog)

 

Hunde, Rehe, Katzen, Hasen, Füchse, Vögel und Pferde gehören zu Olga Gals Repertoire. Wobei sie die Tiere nicht getrennt voneinander darstellt, sondern sie zumeist verschmilzt. Sie stellt dabei weniger oft hybride Wesen dar, als sie die Tiere vielmehr durch ein lineares Übereinander (und nicht durch Hintereinander/Staffelung) miteinander kombiniert.

Dieses lineare Verweben - ein stilistisches Markenzeichen der Künstlerin - gelingt unterschiedlich gut und formal überzeugend. Jedenfalls besitzt die Künstlerin einen sicheren, ausdrucksstarken und sensiblen Strich, aber auch malerischen Schwung und Großzügigkeit.

 

Match Patch 1 © Olga Gal

Match Patch 2 © Olga Gal

Dear Dog © Olga Gal

Eye of the eyes © Olga Gal

Belong to someone © Olga Gal

Eye Line © Olga Gal

 

Mir persönlich gefallen die malerischen Arbeiten (wie das "Barthaarnest" oder "BOOO!") am besten, da sie weit weniger als die linear dominierten Arbeiten anfällig dafür sind, zur Manier zu verkommen. Der dynamische Pinselstrich arbeitet sozusagen gegen die Verniedlichung an.

Auch Tiere unterliegen den Trends in der Kultur (so werden am Buchmarkt gerade Vögel von Insekten abgelöst), in der Illustration sind Rehe und Füchse schon lange Mode; Hunde und Katzen gehen immer.

Auf Olga Gals Homepage finden sie eine Fülle von Arbeiten, nach Tiergattungen geordnet. Die Illustrationen werden auch in konkreten Wohnsituationen gezeigt: Das finde ich sehr sympathisch: Die Arbeiten haben eine dekorative Funktion, wollen Freude bereiten, zum Schmunzeln bringen. Sie dürfen auch dazu stehen, dass sie nicht auf mehr verweisen!

 

BOOO! © Olga Gal

 

alle Bilder © Olga Gal

Malerei, Zeichnung
30. Oktober 2018 - 9:36

Gassi-Gehen, 2008 © Eun-Joo Shin

 

Ein schier unerschöpfliches Thema für Künstller und Künstlerinnen ist die Beziehung des Menschen zu seinem Hund. Der südkoreanischen Künstlerin Eun-Joo Shin fielen die vielen Hundehalter auf, die die europäischen Straßen bevölkern und sie beschloss sich mit dem Phänomen des Gassi-Gehens auseinanderzusetzen. Eine Bildserie nach Fotografien entstand.

 

Gassi-Gehen, 2008 © Eun-Joo Shin

 

Mensch und Hund sind in typischen Bewegungen und Tätigkeiten dargestellt - der Hund zieht an der Leine, muss neben dem sitzenden Herrchen rasten, wartet während Gesprächen, heischt nach Aufmerksamkeit, wird getragen - in Situationen, die man von seinen eigenen Streifzügen mit Hund kennt. Die Beziehung zwischen Hund und Mensch wird in ihren sensiblen Arbeiten ebenso deutlich wie die Stimmung, in der das Flanieren statt findet.

 

Gassi-Gehen, 2008 © Eun-Joo Shin

 

Eun-Joo Shins Werke schauen auf den ersten Blick wie Aquarell-Malerei aus, die Künstlerin malt aber in Öl, wobei sie die Farbe in dünnen Schichten auf Malkarton oder Leinwand aufträgt. Auch die leeren weißen Flächen verstärken den fragmentarischen Eindruck der Aquarellmalerei. Nur durch zarte Liniengerüste wird eine perspektivische Verortung angedeutet, werden aus den weißen Flächen Räume. Durch den Wechsel von detaillierten, großzügig gemalten und leeren Stellen, erzeugt sie zusätzlich Spannung, vereint sie Elemente traditioneller ostasiatischer und westlicher Seh- und Malweisen.

 

Gassi-Gehen, 2008 © Eun-Joo Shin

 

Die zarte Farbgebung der Gemälde, Eun-Joo Shin konzentriert sich auf Grün-Blau- sowie Gelb-Braun-Töne, evoziert auch eine psychologische Tiefe der Porträtierten und scheint uns einen Blick in deren Innenleben zu gestatten, vermittelt Leichtigkeit und Spontaneität. Die Verläufe der verdünnten fließenden Farbe machen den Entstehungsprozess der Bilder nachvollziehbar.

 

Gassi-Gehen, 2008 © Eun-Joo Shin

Gassi-Gehen, 2008 © Eun-Joo Shin

 

Eun-Joo Shin (*1968) stammt aus Südkorea und lebt seit 1996 in Deutschland. Nach ihrem Studium in Seoul und einem Studium der Freien Grafik an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart lebt und arbeitet sie in Frankfurt am Main.

alle Bilder © Eun-Joo Shin

 

Ausstellung, Malerei, Zeichnung
23. Oktober 2018 - 9:07

Kinoplakat für Dogman

 

"Dogman" ist ein Film für all jene, die Hunde lieben. Gleichzeitig ist es ein Film, für all jene, die Hunde hassen.

Ich habe Matteo Garrones Film bei einer Vorführung für Fördermitglieder des Wiener Filmmuseums gesehen, ohne vorher die geringste Ahnung zu haben, was mich erwartet. Ohne viel vorwegzunehmen: Sie sehen "Bella Italia" von seiner hässlichsten Seite. Gedreht wurde nördlich von Neapel in Castel Volturno, einem verlassenen Dorf, das in den Siebzigerjahren für US-amerikanische NATO-Soldaten und deren Familien gebaut worden war. In einem Ort, der trostloser und devastierter nicht sein könnte. Gefilmt wurde fast ausschließlich in dieser kleinen, ehemals glamourösen Gemeinde: Der Ort wurde zu einer eigenständigen Figur in der Geschichte.

 

Standbild von Dogman

 

Ich stelle in der Regel keine Filme vor, nur weil Hunde darin vorkommen. Da die Hauptfigur Marcello einen Hundesalon und später eine "Hundepension" (ich muss sie einfach unter Anführungszeichen setzen) führt und auch auch Hunde für Hundeausstelleingen frisiert, habe ich mich an meinen Blogbeitrag "Dog Show" erinnert und finde, dass der Film inhaltlich - und nur unter diesem einen kleinen Aspekt - dazu passt.

 

Standbild von Dogman

Standbild von Dogman

 

Im Programmheft des Filmmuseums wird der Film kurz und bündig beschrieben:

 

Der neueste Film von Matteo Garrone beruht lose auf einen Kriminalfall, der 1988 in Italien die Schlagzeilen beherrschte. Stilistisch zwischen einem märchenhaften Noir und einem Vorstadtwestern angesiedelt, erzählt Garrone eine Geschichte, in der sich Elemente des Thrillers, der Sozialstudie und der absurden Komödie ebenso wunderbar ergänzen wie die Motive "Hundesalon" und "Mafia". (zit. n. Filmmuseum)

 

Die großen Themen, die der Film verhandelt, sind Gewalt, Angst, das Böse, der ewige Kampf zwischen den Schwachen und Starken. Marcello, der Betreiber des Hundesalons gehört vorerst zu den Schwachen, er hat selbst etwas von einem geprügelten und beschwichtigendem Hund, der gefallen will. Insofern ist der Filmtitel mehrdeutig. "Dogman" heißt Marcellos Hundesalon, er verweist aber auch auf Marcello selbst.

 

Standbild von Dogman

Standbild von Dogman

 

Für den Regisseur Matteo Garrone ist die Art wie die Geschichte erzählt wird, wichtiger als diese selbst. Es geht ihm um die Bildsprache, die den Inhalt transportiert, um Atmosphäre, und Gesichter. Die Kamera wechselt zwischen Panoramaaufnahmen des Ortes und Einstellungen, bei denen die Kamera lange auf dem Gesicht Marcellos verbleibt. Es geht um fast irreales Licht, intensive Farbe, Sonne, Regen.

Auch die Hunde haben treten in inhaltlicher und formaler Funktion auf: Am Umgang mit ihnen zeigt sich Marcellos Menschlichkeit: seine Fürsorge, Großzügigkeit, Warmherzigkeit, aber auch sein Mut. Visuell rahmen die Hunde den Film mit einer sehr eindrücklichen Anfangssequenz und als tierische Zuschauer des brutalen Kampfes am Ende.

 

Standbild von Dogman

 

Ein Interview mit dem Regisseur, der 2008 mit der Verfilmung Roberto Savianos Roman "Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra" bekannt wurde, finden sie  im Schweizer Film Bulletin.

Regie: Matteo Garrone; Drehbuch: Ugo Chiti, Massimo Gaudioso, Matteo Garrone; Kamera: Nicolai Brüel; Darsteller: Marcello Fonte, Edoardo Pesce, Alida Baldari Calabria, Nunzia Schiano, Adamo Dionisi u.a. DCP, Farbe, 102 min
 

Standbilder © Mongrel Media

 

Film
18. Oktober 2018 - 10:37

Johann Till der Jüngere, Braune Dogge © Belvedere, Wien
Johann Till d. J., Braune Dogge, Öl auf Karton, 21 x 28 cm, Belvedere, Wien,
© Belvedere, Wien

 

Nicht nur Wilhelm Leibl hat ein großartiges kleines Werk einer Dogge gemalt, auch Johann Till der Jüngere malte eine Dogge in Dreiviertelansicht, wobei der Kopf nicht ganz "richtig" auf den Körper passen will. Auch Tills kleine auf Karton gemalte Dogge lässt den Kopf hängen, erscheint recht melancholisch. Ich finde die Ähnlichkeit zu Leibls Dogge insofern bemerkenswert, als gut erkennbar ist, wie sich die rassetypischen Merkmale seit dem 19. Jahrhundert verändert haben. Ich zumindest hätte beide Hunde nicht als Doggen erkannt.

 

Johann Till der Jüngere, Bernhardiner © Belvedere, Wien
Johann Till d. J., Bernhardiner, Öl auf Karton, 30 x 25 cm, Belvedere, Wien,
© Belvedere, Wien

 

Johann Till der Jüngere (1827-1894), ein österreichischer Historien- und Genremaler, malte historische und religiöse Darstellungen, Themen aus dem Alltag, aber auch Landschaften und Tiere. Viele Historienbilder ergänzte er durch Hunde - in der für ihn typischen Ansicht von schräg hinten. Er war Realist, wie seine gelungenen, natürlichen und sensibel beobachteten Hundedarstellungen belegen. Wie schwungvoll, vom Pinselstrich fast expressiv gemalt, ist doch der "sich wälzende Hund"!

 

Johann Till der Jüngere, Sich wälzender Hund © Belvedere, Wien
Johann Till d. J., Sich wälzender Hund, Öl auf Karton, 28,5 x 34,5 cm, Belvedere, Wien,
© Belvedere, Wien

 

Johann Till der Jüngere, Ritter mit Hund © Belvedere, Wien
Johann Till d. J., Ritter mit Hund, Öl auf Karton, 19,5 x 27,5 cm, Belvedere, Wien,
© Belvedere, Wien

 

Die kleinen gemalten Studien gefallen mir viel besser als z.B. Tills religiöse Gemälde, in denen er weitaus weniger modern malt, ihn vielleicht die Motive in der Tradition verhaften lassen.

Das Wiener Belvedere besitzt viele Arbeiten Tills, die Sie hier betrachten können.

alle Bilder © Belvedere

 

Malerei
14. Oktober 2018 - 8:07

Im Blogbeitrag über Lotte Laserstein habe ich erwähnt, dass sie seit Kindheit an wie Wilhelm Leibl (1844-1900) malen wollte. Was liegt näher, als Ihnen eines seiner Gemälde mit Hund zu zeigen.

 

Wilhelm Leibl, Porträt des Malers Johann Ernst Sattler mit Dogge, 1870/71

 

Oft wird behauptet, dass sich Herr/Frau und Hund optisch ähneln. Auf den porträtierten Johann Ernst Sattler und seine Dogge trifft das sicher zu, aber auch beider Temperament scheint sich mit den Jahren angeglichen zu haben. Noch schwermütiger als Sattler scheint nur sein Hund zu sein.

Ich weiß selbstverständlich nichts über Sattlers Gemütszustand! Auf der Homepage der Pinakotheken wird er als "sehr unstet" bezeichnet. Ob sich das auf ein ruheloses Wesen oder eine unbeständige Qualität seiner Arbeit bezieht, weiß ich nicht. Er gehörte dem Leibl-Kreis an, einer Gruppe von Künstlern, die sich in den Jahren 1871 bis 1873 um Wilhelm Leibl  gesammelt hatten und deren Werke stilistische Verwandtschaft zueinander aufwiesen.

Sicher allerdings ist, dass es sich um ein ganz wunderbares, mich tief berührendes Doppelporträt handelt, sehr pastos in warmen Tönen gemalt und kurz nach Wilhelm Leibls Begegnung mit Gustave Courbet entstanden.

Leibl wählt nur einen kleinen intimen Zimmerausschnitt, bringt uns nahe an den Maler Sattler heran, der ebenso wie sein Hund aus dem Bild herausblickt. Wir scheinen zu stören, das Betrachten der Papiere wird unterbrochen, die Nähe und Vertrautheit zwischen Herr und Hund kurz aufgebrochen.

Lange stand das Werk "achtlos und ungerahmt" in Leibls Atelier, bevor es in den Besitz Wilhelm Trübners überging, der es 1910 an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen verkaufte.

 

Malerei