Kampfhunde stehen, laufen und springen uns aus ihren dunklen Hintergründen entgegen. Die Hunde, in höchster Anspannung und Verausgabung dargestellt, werden in Annedore Dietzes kraftvoller Malerei zu Motiven von Vitalität, zu Chiffren von Stärke und Gewalt. Die Arbeiten aus 2005 sind sehr klein (24,5 cm x 21 cm) und übermalte Radierungen (Radierung, Tusche, Acryl auf Papier).
Die expressive Malerin beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit der Körperlichkeit und allem Lebendigem in seiner Wildheit und Unberechenbarkeit, seinem Werden und Vergehen. Menschen zeigt sie von ihrer (selbst)zerstörerischen Seite: im Boxkampf, beim Sumoringen. Die Männer haben nackte Oberkörper und Tattoos. Dergestalt findet sich in ihrer Kunst ein existenzielles Konzept des Menschen und seines Körpers - rau und unmittelbar sowie gleichzeitig verletzlich und geheimnisvoll.
"Es ist immer die Natur, die mich begeistert und der Körper. Das Existenzielle. Nicht bestimmte Handlungen von Menschen, aber Körper die da sind. Einfache Kompositionen haben mich immer interessiert. In der Natur das Komplexe, das Rauschhafte. Das was ich möchte, ist eine Malerei zu erzeugen, die begeistert. Die Leute wollen meistens eine Geschichte, oftmals ist die Malerei an sich für viele unzugänglich. Aber das ist der Punkt an dem Malerei einsetzt." (Annelore Dietze in einem Interview mit Valeria Drotskaja)
In diesem Interview erzählt die Künstlerin, dass sie in ihrem Innersten daran interessiert ist, die substanzielle, brutale und auch zeitgemäße Malerei zum Vorschein zu bringen. Annedore Dietze erzählt also keine Geschichten, sie bleibt auf Distanz zu ihren Motiven, die nur Anlass für die Malerei an sich sind. Themen ihrer Gemälde sind die Volumen, Flächen, Linien und der Raum. In ihren Bildern sucht die Künstlerin nach halb abstrakten, halb gegenständlichen Lösungen für Volumen und Formen, die in ihrer Anordnung und räumlichen Erscheinung eine ganz eigene Sprache sprechen. (vgl. Interview)
Die Kunstwerke "sollen nicht mehr als den gezeigten Augenblick abbilden, doch sie erscheinen beseelt und sind damit nicht nur Körper, sondern auch Leiber im Sinne des philosophischen und anthropologischen Diskurses, der beiden Begriffen verschiedene Bedeutungsebenen zuordnet." (Susanne Greinke zit. n. hier)
Die Künstlerin abstrahiert und verfremdet die figürliche Darstellung, sie zeigt nicht reine abstrakte Formen, sondern eine collagenartige Malerei mit Elementen, die man wiedererkennt, wie z.B. einem Tierkopf. "Eine reine chaotische Geste wäre mir zu wenig. In einem Bild will ich organisierte Hierarchien von Bildelementen verknüpfen. Es gibt eine übergeordnete Form, der sich die anderen Elemente unterordnen." (interview)
In der formalen Herangehensweise an ihre Gemälde liegt auch die Bedeutung der Zeichnung begründet, die mit Handwerk zu tun hat. Als Studien für ihre Bilder zeichnet sie wieder und wieder Videostills vor dem Fernseher, um sich in der Figuration sicher zu werden. Diese Sicherheit macht sie unabhängig von technischen Hilfsmitteln wie dem Beamer, der heutzutage oft benützt wird. Wenn Bilder mit Beamer hergestellt werden, bleibt eine oberflächliche, dünne Ausstrahlung von dem Bild selbst. Dietzes zeichnerisches Abarbeiten an der Figur, ihr solides Handwerk, wird auch in Ihrer Malerei als ganz eigene Qualität sichtbar.
Zusätzlich zum Können und der Beherrschung der Materie tritt die Idee: Das Leben, das auf einen einströmt, sowie die Ängste und die Verzweiflung der Menschen. Der Wille zur Kreativität. (vgl. interview)
"Das Ideal ist natürlich das Wie malen und das Was malen miteinander zu verbinden." (Interview) Die Verbindung von Inhalt und Form erfolgt durch die Verdichtung, die aus dem Chaos erwächst. Die Verdichtung erfolgt über die immer wiederkehrende Korrektur. Der Blick hinter das Offensichtliche eröffnet bei Annedore Dietze Abgründe - das Unkontrollierte und Unkontrollierbare scheint durch, Libido und Emotion, rohe Energie brechen sich Bahn und eröffnen, was sonst lieber versteckt oder verdrängt wird.
Erst nachdem ich diesen Beitrag geschrieben hatte, erhielt ich das antiquarische Buch "Corpus", das zwei Jahrzehnte bildnerischer Erforschung versammelt. (Kerber Verlag)
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Annedore Dietze (*1972 in Bischofswerda bei Dresden/ehem. DDR) studierte in den 1990er Jahren Malerei und Grafik an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. 1999 absolvierte sie in London am Chelsea College of Art & Design ihren Master of Arts. Sie hat zahlreiche Preise und Stipendien erhalten, die sie unter anderem nach Italien führten. 2012 bis 2019 reiste sie mehrfach für längere Zeit ins Ausland, darunter auch nach China, in die USA, Ägypten, Kambodscha und Mexiko. Annedore Dietze lebt und arbeitet in Berlin.
alle Bilder © Annedore Dietze
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