20. Juni 2021 - 9:43

Kennen Sie Google Poetics? Ich musste danach googeln. Google Poetics entsteht, wenn Suchanfragen von google automatisch ergänzt werden. Der Algorithmus erschafft sozusagen Poesie.

Der Titel der Serie  "Sit Silently" der lettischen Fotografin Katrina Kepule geht auf die Internet-Suche zu "sitzen" zurück und ist die kürzeste Ergänzung, die mit "sitzen" assoziiert wird: "Sit silently /sit silently doing nothing / we sit silently and watch the world / we sit silently and watch".

Katrina Kepule beschreibt sich selbst als introvertierten Menschen, der zu Fernweh neigt und viel Zeit sitzend, beobachtend und analysierend verbringt. In ihr klang die Phrase "Sit Silently“ nach und sie machte sie zur Grundlage ihres Foto-Projekts, das zwischen 2013 und 2015 entstand.

 

Sit Silently © Katrina Kepule

 

Die Foto-Serie stellt die Stille als einen positiven Zustand der Kontemplation, der introvertierten Ruhe und der der unprätentiösen Feier des Lebens dar. Aber die Stille hat auch negative Konnotationen, wenn das Schweigen als Manifestation einer Resignation auftaucht, die durch innere Konflikte ausgelöst wird, wie sie für die Menschen im ländlichen postsowjetischen Lettland häufig sind.

 

Sit Silently © Katrina Kepule

 

Während Tamás Hajdu im letzten Blogbeitrag das kleinstädtische Leben in Rumänien fotografisch dokumentiert, untersucht Kepule die alltäglichen Riten der Subkulturen im zeitgenössischen Lettland rund um Riga. Auch sie fängt Orte ein, wo europäische und sowjetische Einflüsse nebeneinander existieren, Orte, in denen sich in den Innen- und Außenräumen die alte und neue Zeit ergänzen.

Die Fotografin begibt sich mit einem konzeptionellen Blick auf eine Suche nach ihrer lettischen Identität in der Peripherie mit ihren langsamen Routinen und Momenten, mit ihren spezifischen Werten und Bedeutungen jenseits der urbanen Strukturen.

Kepule wählt die Dokumentarfotografie, um das Gewöhnliche in Form einer geheimnisvollen fiktiven Fotoerzählung zu vermitteln. (Ich habe lediglich die wesentlichen Teile der Geschichte - die Hunde - rausgepickt).

 

Sit Silently © Katrina Kepule

 

Sie beschreibt ihre Methode als "subjektive Dokumentation" - eine intuitive Arbeitsweise, die Subjektivität und Relativität in die Dokumentarfotografie einbringt. Mit ihrer intuitiven bzw. naiven Herangehensweise kommt sie zu Ergebnissen, die zu filmisch und poetisch wirken, als dass sie rein abbildend wirken.

Kepule sieht sich auch nicht nur von lokalen lettischen Dokumentaristen und den Magnum-Fotografen beeinflusst, sondern nennt auch Filmemacher wie Wim Wenders, David Lynch, Lars von Trier und Andrey Tarkovsky als Inspirationsquellen.

 

Sit Silently © Katrina Kepule

Sit Silently © Katrina Kepule

 

Oben sehen Sie mein absolutes Lieblingsfoto von Katrina Kepule: Es fällt mir schwer, diesen Hund als Hund zu betrachten und nicht als Mensch, so menschlich ist seine Pose und sein Ausdruck. Ist er ein sehnsuchtsvoller Romantiker, der den Mond betrachtet? Ist er ein kontrollierender Biedermeier, der seine "Mitmenschen" beobachtet?

 

Sit Silently © Katrina Kepule

 

Katrina Kepule (*1981 in Lettland) hat den Bachelor of Arts in Audio- und visueller Kultur und Theorie an der Lettischen Kulturakademie in Riga erworben und viele professionelle Fotografie- und Meisterkurse absolviert. Weiters arbeitete sie als Fotoreporterin in der Kanzlei des lettischen Parlaments.

 

alle Fotos © Katrina Kepule

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