Das erste Foto zeigt den australischen Künstler Joel Rea beim Malen einer Pfote mit einem dünnen Pinsel, der nur aus wenigen Haaren zu bestehen scheint. Bis zu 700 Stunden wendet er für seine größeren Arbeiten auf. Ein Besessener der Malerei, wenn man das umfangreiche Werk des noch jungen Mannes betrachtet! Er möchte technische Perfektion in seinen Gemälden verwirklicht wissen. Das Erklimmen dieser handwerklichen Gipfel führt mitunter durch die Niederungen der Eintönigkeit. Um Durchhalten zu können, braucht er eine interessante Geschichte, die nicht nur ihn selbst begeistert, sondern die er auch dem Betrachter, der Betrachterin erzählen und offenbaren will.
Die Pfote gehört zum Bild "Killing me softly", das sicher nicht nur mich sofort an den Roman "Gullivers Reisen" von Jonathan Swift erinnert - bloß mit einem Boxerwelpen und winzigen Menschen und Artgenossen erzählt.
Unzählige einsame Stunden malt Joel Rae also an seinen hyperrealistischen Gemälden, die uns in unendliche Weiten und surreale Welten entführen. Er erschafft ein vielfältiges Werk mit Landschaften, Tieren und Menschen. Doch bevor er seine detaillierten Szenarien ausführt, fügt er Vorlagen verschiedener Medien (aufwendig inszenierte Fotoshootings, akribisch angefertigte Skizzen etc.) zu einem Bild zusammen.
Joel Rea ist von der wilden Schönheit, Reinheit und Pracht der Natur begeistert, er setzt sie in barocke Wolkengebirge, windgepeitschtes Wasser, Felsformationen und Lichtreflexe um. Die Natur kann aber auch unkontrollierbare und manchmal zerstörerische Kräfte entfalten, was er uns beispielsweise mit apokalyptischen tsunamiartigen Wellen zeigt. Die Naturkräfte fungieren für ihn aber auch als Metapher für menschliche Emotionen. Aus vielen Gemälden spricht sein Interesse für Gegensätze: Schauen Sie sich dazu auch (ausnahmsweise) die Bildserien ohne Hunde auf seiner Homepage an, dann wird seine Absicht noch klarer. Auch das Zurückgreifen des zeitgenössischen surrealen Malers auf die Ästhetik der Romantik und des Symbolismus wird bei diesen Bildern deutlich.
Zum Abschluss sehen Sie den Künstler nochmals bei der Arbeit. Ich habe dazu zwei Aufnahmen gewählt, bei der er seine Bilder mit Tiger (im Eismeer) ausführt.
Bei dieser Werkgruppe gibt es nicht nur literarischen oder kunstgeschichtlichen Kontext, die Bilder weisen vielmehr inhaltlich über die Kunst hinaus. Es geht um Fragen der Auslöschung, des Überlebens und des Klimawandels, um den Menschen in seiner Beziehung zur Umwelt, um den Gegensatz von Kultur (Papier wird ins Wasser getrieben) gegen wilde ungestüme Natur.
Großartig wie plüschig das Fell des Tigers aussieht! Trotzdem finde ich, dass diese Akribie die Sicht auf den Inhalt auch verstellt. Wie empfinden Sie das?
Joel Rea (*1983) lebt und arbeitet in Queensland, Australien. 2003 schloss er das Queensland College of Art mit einem Bachelor of Fine Art ab. Seither hat er zahlreiche Preise erhalten und stellt in Australien und international aus.
alle Bilder © Joel Rea
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