25. Mai 2016 - 13:22

Finden sie auch, dass die Fotos von Amy Stein seltsam surreal und artifiziell wirken?

Ihr Eindruck trügt nicht: Denn bei den großformatigen Fotos der Serie "Domesticated" (2005-2009) der US-amerikanischen Fotografin handelt es sich auch nicht um gelungene Schnappschüsse oder dokumentarische photojournalistische Aufnahmen außergewöhnlicher Tier-Mensch-Begegnungen oder Situationen, sondern um inszenierte Fotografien mit Tierpräparaten.

Die New Yorkerin untersucht das Aufeinandertreffen von Tieren mit Menschen bzw. der menschlichen Zivilisation, die immer mehr in die Natur eingreift/übergreift. Sie erkundet die zunehmend durchlässige Grenze zwischen der menschlichen verbauten Umwelt in städtischen Randzonen und der Wildnis.

Gleichzeitig erforscht sie damit unsere paradoxe Beziehung zum Wilden bzw. wilden Tier. Einerseits ist der Mensch von der Freiheit und dem Geheimnisvollen, das es repräsentiert angezogen, andererseits versucht er ständig das Wilde - auch in sich - zu zähmen.

 

High grass © Amy Stein

Predeator © Amy Stein

 

Die dargestellten Szenen basieren auf wahren Begebenheiten, die sich in Matamoros, einer ländlichen Gemeinde in Pennsylvania, zugetragen haben. Dazu hat Amy Stein Erzählungen der Einwohner, kurze Zeitungsmeldungen oder Polizeiberichte herangezogen. Tiere suchen z.B. im menschlichen Abfall nach Nahrung, dringen in den Raum ein, den die Menschen als ihren erachten. Die Tiere ersetzen damit einerseits die Jagd, andererseits werden sie zur Bedrohung.

Die Fotografien der Serie erzählen von dieser Bedrohung, von gefährdeten Menschen in der Nähe ihrer kleinen, bescheidenen Häuser. Die zugrunde liegenden Geschichten sind nur ein Ausgangspunkt für Amy Steins künstlerische Inszenierung, die Fotos demnach Fiktionen, die auf Fakten beruhen.

 

Trasheaters © Amy Stein

Groceries © Amy Stein

 

Eine ausführliche Darstellung von Amy Steins Arbeitsweise habe ich auf fototazo gefunden, wo die Künstlerin in einem Interview drei unterschiedliche Varianten von "Howl" erläutert.

Arbeiter haben ihr berichtet, dass auf einem Parkplatz, der von Laternen beleuchtet wird, heulende Kojoten herumlaufen. Sie hat diese Erzählung zum Anlass genommen, mehrere Fotos mit einem Kojoten-Präparat anzufertigen, wobei sie die Lichtquelle und die Beziehung des Tieres zu diesem Licht näher untersucht. Nehmen die Lichtquellen für den Kojoten die Stelle des Mondes ein, sind sie ein Surrogat für den Mond? Irritiert ihn das künstliche Licht?

 

Howl © Amy Stein

Howl © Amy Stein

Howl © Amy Stein

 

Auf einem Foto sieht man nur den Kojoten und das ausgestrahlte Licht. Der Ausdruck und die Emotionen des Kojoten scheinen hier am stärksten zu sein – obwohl es sich ja auf den drei Aufnahmen um das selbe ausgestopfte Tier handelt. in einem ist die Laterne als Lichtquelle erkennbar, eines balanciert ausgewogen zwischen diesen Ansichten. Bei dieser letzten Ansicht breitet sich das Licht kugelförmig aus und verweist so auf den Mond.

Das Buch zur Fotoserie: Amy Stein, Domesticated, Photolucida, Englisch, ISBN-13: 978-1934334041

 

Buchcover Domesticated

 

Amy Stein (*1970) lebt in Los Angeles. Sie wird von der Robert Koch Gallery in San Francisco vertreten.

Buch, Fotografie

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