Zwei Augenpaare taxieren uns, blicken uns kühl und distanziert aus dem Bild heraus an. Als Betrachterin und Betrachter geraten wir selbst ins Blickfeld des Hundes und seiner stolzen und selbstbewussten Besitzerin. Nicht nur die Unbekannte, auch der Hund scheint von einer schwer fassbaren Melancholie durchdrungen, er scheint ihre Gefühlswelt wiederzuspiegeln.
Agnolo Bronzino (1503–1572), Bildnis einer Dame in Rot (Francesca Salviati?), um 1533
Öl auf Pappelholz, 89,8 x 70,5 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main
Foto: Städel Museum – ARTOTHEK
Dieses "Bildnis einer Dame in Rot", das der dreißigjährige Agnolo Bronzino 1533 gemalt hat, bildet den Ausgangspunkt der Ausstellung "Maniera. Pontormo, Bronzino und das Florenz der Medici", die noch bis zum 5. Juni 2016 im Städel Museum in Frankfurt am Main zu sehen ist.
Bronzino hat mit diesem Porträt einer jungen Dame, die den Diamantring der Medici an ihrer rechten Hand trägt, das monumentale repräsentative Damenbildnis als neue Gattung in die Kunst eingeführt.
Ich nenne das repräsentative monumentale Damenbildnisse. Damen, die sich in einer Weise darstellen lassen, wie sie vorher nicht üblich war, im großen Format, als Dreiviertelfigur, in üppigen Gewändern, vor allem mit diesen Puffärmeln, die diesen Figuren so ein luftiges Volumen und eine Gravität geben ohne wirklich schwer zu sein, mit einem Schoßhündchen als it piece artiges Acessoire, wie man heute vielleicht sagen würde, ein Spaniel, den diese Dame mit sich führt. (Kurator Sebastian Eclercy, Zitat von hier)
Der Blick der jungen Florentinerin hält uns auf Distanz, der quer zum Betrachter stehende Sessel vergrößert den Abstand zur sitzenden Schönheit. Seine Lehne mit dem daraufliegenden Unterarm bildet die Basis einer gleichseitigen Dreieckskomposition. Die Rundnische wiederum schafft einen ruhigen Hintergrund rund um Gesicht und Oberkörper. Wie ein Fotograf nutzt der Künstler dabei das Streulicht der Nische wie der Bluse, um die Schattenpartien des Gesichtes sensibel aufzuhellen. (vgl. Städel Museum hier)
Auch ohne ihre Attribute erkennen wir an der würdevollen Haltung: Das ist eine Dame der Oberschicht. Neben dem kostbaren Kleid und dem Schmuck weisen Bücher, Gebetskette und nicht zuletzt ihr Hund auf ihren herausragenden gesellschaftlichen Rang, auf Bildung, Frömmigkeit und Sittsamkeit hin.
Ausgehend von diesem Glanzstück aristokratischer Porträtkunst spürt ein Teil der Ausstellung der Entstehung dieses neuen Bildtypus des Damenbildnisses anhand eng verwandter Frauenporträts nach.
Der Florentiner Manierismus wird als ein zentrales Kapitel der italienischen Kunstgeschichte durch 120 bedeutende Leihgaben vorgestellt. Zu sehen sind Werke unter anderem von Jacopo Pontormo, Agnolo Bronzino, Andrea del Sarto, Rosso Fiorentino und Giorgio Vasari. Insgesamt 50 Gemälde sowie 81 Zeichnungen, Skulpturen und Exponate weiterer Gattungen bieten eine außerhalb von Florenz noch nie dagewesene Übersicht zu einer stilprägenden Epoche, die der Kunstgeschichtsschreiber Vasari mit dem schillernden Begriff "maniera" charakterisiert hat.
Zur Ausstellung erscheint im Prestel Verlag ein umfassender, von Bastian Eclercy herausgegebener Katalog mit einem Vorwort von Max Hollein. ISBN: 978-3-7913-5505-4
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