Vor wenigen Tagen habe ich auf dem Vienna Photobook Festval ein kleines Buch gekauft: Son & Olddog. Es hat 48 Seiten und wurde vermutlich von Akihiro Furuta, dem Fotograf, selbst veröffentlicht. Es finden sich keine weiteren Angaben darin. Wie es wohl seinen Weg nach Wien gefunden hat? Es zeigt das Leben und das Sterben des Familienhundes. Schon beim Durchblättern musste ich zu weinen beginnen. Nichts bewegt mich mehr als der Tod eines Hundes.
Ich möchte Ihnen diese bewegenden, berührenden Bilder nicht vorenthalten, deshalb habe ich einige aus dem dünnen Fotobuch abfotografiert und am Rand ganz wenig beschnitten.
Furutas Hund wurde 16 Jahre alt. Er war sechs, als sein Sohn geboren wurde. Der Hund war ihm Beschützer, Spielkamerad und Freund. Mit seinem Tod hat er dem Sohn den Wert des Lebens gelehrt.
"Forever. And live happily in heaven", schreibt Furuta in einem kurzen Nachwort.
Alle Bilder habe ich aus dem Buch "Son & Olddog" abfotografiert.
In seiner ganz eigenen Bildsprache hat der US-amerikanische Maler Peter Saul ab den späten 1950er-Jahren ein äußerst eigenwilliges Œuvre entwickelt, ein Crossover aus Pop Art, Surrealismus, Abstraktem Expressionismus, San Francisco Funk und Cartoon Culture, in dem er politische und soziale Themen anspricht.
Nie wirklich zu einer Gruppe oder Bewegung gehörend, malt er seit mehr als 50 Jahren gegen wechselnde künstlerische Moden an. Dabei verletzt er ganz bewusst den guten Geschmack und das lange bevor "Bad Painting" ein zentrales Anliegen der zeitgenössischen Kunst wurde.
Der 1934 in San Francisco geborene Künstler vereint in seiner Malerei nicht nur gegensätzliche Stilrichtungen wie Pop Art und Abstrakten Expressionismus, er fügt seinen Bildern auch das Erzählen von Geschichten als neues, eigenes Moment hinzu.
Mit der Pop Art gemeinsam hat Peter Saul das Interesse am Banalen, an der Konsumgesellschaft und der Produktwerbung. Anders als die bekannten Vertreter der Pop Art zeigt er allerdings keine cleane Ästhetik, sondern eine übertrieben schrille oder schmuddelige, um die Schattenseiten des Massenkonsums und des American Dream zu zeigen. Sein komplexer und unübersichtlicher Bildaufbau, die dynamischen, ja barocken Kompositionen rücken ihn die Nähe der Abstrakten Expressionisten.
In der Mitte der 1960er-Jahre beginnt Peter Saul seine Kunst vermehrt mit politischen Botschaften zu verknüpfen. Neben Themen wie dem Vietnamkrieg, Polizeigewalt und der sexuellen Ausbeutung der Frau verhandelt Saul in seinen Bildern auch Rassenkonflikte und die gesellschaftliche Spaltung durch Armut und Reichtum. Er sieht seine Bilder jedoch nicht als Protest oder politische Agitation - "I’m just using what the culture gives me" -, sondern er bedient sich lediglich an den aktuellen gesellschaftlichen Phänomenen und Geschehnissen. Politik ist für ihn nur ein weiteres Thema wie Landschaft, Abstraktion oder irgendetwas anderes.
Helden seiner malerischen Erzählungen sind oft Figuren aus Comicstrips, wie etwa Mickey Mouse, Donald Duck oder Superman, die jeder kennt und mit denen er ernste politische Inhalte verbindet. Saul zerstört das Image Supermans als sauberem Supermann, setzt ihn mit Banalitäten ins Bild und konzentriert sich auf seine dunklen Momente der Niederlage. Bei "Superman and Superdog in Jail" (1963) sitzt der Held mit zerrissenem Kostüm im Gefängnis, unter ihm eine Toilettenschüssel, aus der Superdog genüsslich sabbert.
Wie technisch präzise, witzig und grell, aber auch böse und unergründbar Peter Sauls Kunst ist, erkennt man auch an den Bildern mit Hunden, die ich für den Blog mit Hilfe der google-Suche gefunden habe.
Erstmals in Europa präsentiert nun die Schirn Kunsthalle Frankfurt einen umfassenden Überblick über das bislang wenig beachtete Werk von Peter Saul, der mit seiner Arbeit und seiner Lehrtätigkeit auch viele nachfolgende Künstler beeinflusst hat. Die Ausstellung ist noch bis zum 3. September 2017 zu sehen.
Nur ein Schnitt mit der Schere oder ein Riss durch das Papier und die Beziehung des Menschen zum Hund und die Ähnlichkeit der beiden wird sichtbar. Besonders diese beiden oberen, formal ganz einfachen, aber umso wirkungsvolleren Collagen der US-amerikanischen Künstlerin Annalynn Hammond finde ich besonders großartig.
Oft reicht ein kleiner Eingriff in das Ausgangsmaterial, um Idee und Vorstellung, sie sind für Annalynn Hammond das Entscheidende bei dieser Technik, umzusetzen. Am Riss ist auch zu erkennen, dass die Collagen nicht digital erstellt sind, sondern dass die Künstlerin noch ganz konventionell schneidet und klebt: Analoge Papiercollagen at it's best!
Die Künstlerin, die in Wisconsin lebt und arbeitet, verbindet in ihren Collagen unterschiedlichste Themenbereiche und Gegensätze: Mensch und Tier, Mensch und Maschine, Kultur und Natur. Sie eignet sich vorgefundenes Material aus alten Büchern und naturgeschichtlichen Magazinen an und setzt es in neue Zusammenhänge. Surreale Bildwelten entstehen, die Titel stiften ergänzend Sinn oder Verwirrung.
Ein durchgehender Stil erscheint mir bei Hammonds Arbeiten nicht erkennbar, vielmehr sind die Ergebnisse vor allem Manifestation einer Idee.
Noch bis zum 11. Juni 2017 ist die Sammlung Klewan - Porträt(s) der Moderne in der Orangerie des Unteren Belvederes zu sehen. Die Sammlung umfasst bedeutende Werke der internationalen klassischen Moderne bis hin zu zentralen Positionen der Nachkriegskunst. Helmut Klewan, Kunstkenner und Galerist, pflegte Kontakt zu bedeutenden österreichischen Künstlerinnen und Künstlern, darunter Arnulf Rainer, Friedensreich Hundertwasser und Maria Lassnig.
Eine der ausgestellten Künstlerinnen ist Regina Götz (*1966 in Bludenz/Österreich), die von 1986 bis 1994 bei Maria Lassnig an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien studierte.
Wie Maria Lassnig thematisiert auch Regina Götz Körperwahrnehmung und -empfindung. Das Selbstporträt zieht sich als roter Faden durch das schmale Werk. Auf mehreren Bildern befinden sich Tiere, trotzdem sind die Gemälde nicht idyllisch: Schmerz und Krankheit sind in ihnen präsent. Bei genauerem Betrachten der Selbstbildnisse erkennt man den Filter im Halsbereich, den die Künstlerin nach einer Kehlkopfoperation trägt.
Die Gemälde lassen eine Vielzahl von Assoziationen zu. Menschliche und tierische Körper werden vermessen. Der Trend zur Optimierung des Körpers hin zur Perfektion steht im Gegensatz zu seiner realen Verwundung und Fragilität. Die Tiere fungieren dabei auch als Vermittler, die es dem Betrachter/der Betrachterin erleichtern sollen, ins Bild einzusteigen, sich auf das Bild einzulassen.
Humor und Witz ist beim unteren Gemälde zu erahnen. Die Künstlerin stellt sich als nackte "Salome" mit dem Haupt von Wolfgang Zinggl, dem Kultursprecher der Grünen, dar. Dieser "Johannes" schaut ganz ungläubig, als scheint er sich zu fragen, wie es so weit kommen konnte. Auch der Dalmatiner blickt ganz fassungslos auf das Tablett.
Nur alle zwei Jahre stellt die Vorarlbergerin, die in Wien lebt, ein Bild fertig. Besondere Aufmerksamkeit beim langwierigen Entstehungsprozess widmet sie den Augen. ihr Ziel ist es, dass das Bild quasi zurückschaut. Wie schön für uns, dass auf einigen Bildern ein Dalmatiner mit dabei ist!
Sicher kennen Sie Virginia Woolf! Aber haben Sie auch schon von Vanessa Bell gehört? Sie war die ältere Schwester der Schriftstellerin und bildende Künstlerin. Als Malerin des Post-Impressionismus wurde sie in ihrer pastosen, kraftvollen Malerei vor allem von Matisse inspiriert. Neben der Malerei beschäftigte sie sich mit Illustration, Innenarchitektur und Design.
Vanessa Bell (1879-1961) studierte an der Royal Academy School und stellte ab 1912 zuerst in London, dann auch international in Paris, Zürich und Venedig aus. Nach dem Tod der Eltern lebte sie mit ihren Geschwistern im Londoner Stadtteil Bloomsbury, wo regelmäßige Treffen mit anderen Künstlern und Intellektuellen zur Bildung der Bloomsbury Group führten. Später übersiedelten sie ins Landhaus nach Charleston/Sussex.
Im Jahr 1907 heiratete sie Clive Bell, später zog mit dem homosexuellen Maler Duncan Grant und seinem damaligen Freund David Garnett zusammen, blieb ihrem Ehemann dennoch stets freundschaftlich verbunden. Ihre progressive Einstellung gegenüber freier Liebe und ihre allgemeine Weltoffenheit machten sie zur "bodenständigen, domestizierten Göttin" der queeren Szene von Bloomsbury. (dazu Artikel in Broadly)
In England gilt Vanessa Bell als strahlende, unkonventionelle Figur, um die sich ein exzentrischer Freundeskreis drehte. Obwohl sie eine zentrale Figur und Muse der Bloomsbury-Gruppe war, blieb sie lange im Schatten ihrer berühmteren Schwester und wurde vor allem wegen ihres abwechslungsreichen Liebeslebens rezipiert. Erst ein halbes Jahrhundert nach ihrem Tod wird sie ausschließlich als Künstlerin betrachtet und ihr Werk in einer Einzelausstellung in der Londoner Dulwich Picture Gallery präsentiert. Die Ausstellung ist noch bis zum 4. Juni 2017 zu sehen.
Eingang in den Blog findet Vanessa Bell, weil sie auch Sally, den Hund ihres Schwagers Leonard Sidney Woolf malte. Wie gut ihr das gelungen ist, sehen Sie im Vergleich mit dem unteren Foto.
Ein alter Computer, eine Bananenschachtel, Kind und Hund im Schnee: Mir hat dieses Bild von Siert Dallinga, das ich zufällig im Internet gefunden habe, so gut gefallen, dass ich es Ihnen zeigen wollte. Spüren Sie auch die eisige Kälte, die es verströmt und wollen Sie nicht auch durch das dichte Fell des Hundes streichen?
"Not yet" heißt es lapidar auf der Homepage des Künstlers unter dem Menüpunkt "About". Mir ist es leider nicht gelungen, an anderer Stelle Informationen über den Künstler zu finden, außer dass er aus den Niederlanden stammt und 1954 geboren ist.
Lediglich die Bildersuche brachte noch weitere Bilder mit Hund zum Vorschein, auch diese durchaus sehenswert!
Der baskische Künstler Joseba Eskubi lässt in seinen kleinformatigen Bildern aus dicken, gestisch angelegten Farbmassen Figuren/Körper/Objekte entstehen. In seinen so genannten "Collagen" stecken unter diesen Lawinen von Farbmassen Fotografien - unter anderem von Hunden.
Meist teilt ein Horizont die zwei Farben des gleichmäßig angelegten Hintergrundes. Erschafft Eskubi damit in unserer Vorstellung das "Draußen" von abstrakt anmutenden Landschaften, in denen Körper und Knäuel, wie vom Himmel gefallen, herumliegen? Oder malt er ein "Drinnen", eine Art Bühnenraum, in dem Figuren wie Silhouetten vor dem Hintergrund aufragen?
Seine gemalten "Objekte" - es sind zumeist organische, weiche, amorphe Formen in Zersetzung oder Bewegung, rätselhaft, mystisch, unruhig - sind in unterschiedlichen Ausprägungen zwischen Figuration und Abstraktion angesiedelt. Dabei versucht der Künstler jedem Bild eine eigene Atmosphäre, einen eigenen Charakter wie bei einem Porträt einer bisher unbekannten Sache zu verleihen.
Anlässlich einer Ausstellung in der Galerie Artdocks in Bremen weist Uwe Goldenstein auf die Präsenz dieser Kreaturen/Körper hin: Diese fragilen, scheinbar nur durch die Farbschlieren zusammengehaltenen und in einem morphologischen aber gleichzeitig unbestimmten Sinn sehr lebendig erscheinenden Körper verweilen ganz selbstverständlich im Raum.
Ich habe nur drei Beispiele ausgewählt, die aber stellvertretend für eine Vielzahl ähnlicher Werke stehen, die zwar Assoziationen von Verhüllungen, Verschleimungen und Eingewobensein auslösen, sich aber dennoch einer konkreten Interpretation widersetzen.
Besonders im unteren Bild sehe ich ein Wesen, das noch eingesponnen, eingewickelt ist, das sich erst entpuppen muss - im biologischen und übertragenem Sinn. Im Grunde ist es nur ein Farbhaufen, der so viel Verletzlichkeit und Zartheit ausstrahlt, dass er bei mir Mitgefühl auslöst. Expression und Sensibilität sind bei Eskubi kein Gegensatz. Seine gestische und ungestüme Malerei findet ihre wesentlichen Züge im Unbewussten und Instinkt. (vgl. dazu dieses Interview mit Joseba Eskubi)
Wichtig ist dem Künstler das Hervorheben der materiellen Substanz der Bilder. Eskubi geht es auch um die Malerei an sich, um das quasi nicht abbildende Erschaffen aus Farbe und expressivem Gestus.
Einen Teil seiner Arbeit machen kleine Intervention in Kunstkatalogen (vor allem spanischer Barockmaler) oder auf Fotos aus: Er verformt, verzerrt, ja vergräbt das Originalbild unter einem Netzwerk neuer Bedeutungen; er übermalt und manipuliert die Figuren, um sie teilweise zu abstrahieren. Diese Arbeiten bezeichnet Eusebi als "Collagen", die Schere wird durch den Pinsel selbst ersetzt.
Nachfolgend sehen Sie Eskubis Übermalungen von Hunden: Manchmal bleibt nach Eskubis Abstrahierungsprozess nur sehr wenig vom Ausgangsmaterial übrig, weshalb es für mich gar nicht einfach war, die Beispiele mit Hundemotiv herauszufinden.
Joseba Eskubi (*1967 in Bilbao/Spanien) stellt international aus und unterrichtet in Bilbao an der Kunstakademie.
Veronika Olma hat mich auf diesen zeitgenössischen spanischen Künstler aufmerksam gemacht. Vielen Dank dafür! Schauen Sie sich auf alle Fälle weitere Arbeiten auf Eskubis Homepage an. Ich bin mir noch immer unschlüssig darüber, ob er ein figurativer oder abstrakter Maler ist, wobei es mir natürlich nicht um die "Schublade" geht, sondern darum, wie es die Beurteilung und Betrachtung seiner Arbeit verändert. Spannend allemal!
Die kleinen Gemälde von David Eustace sind so britisch und liebenswert, dass ich mich fast nicht entscheiden konnte, welche ich Ihnen zeigen will. Im Anschluss meine "kleine" Auswahl. Sie können selbst bei der Google-Bildersuche noch viele andere entdecken!
Eustace behandelt - ganz monothematisch - ein einziges Sujet: die Freundschaft des Mannes zu seinem Hund. Doch diesem Motiv ringt er mannigfache Facetten ab. Männer mit Hut, Hunde mit Hut, beide mit Papierhüten, vielleicht ihrem Grad der Beschwipstheit entsprechend. Denn Alkohol ist in diesen englischen Pub-Szenen natürlich in Form von vollen und leeren Pints mit im Spiel. Die vorgestellten Protagonisten schauen mit rosigen und vom Bier geröteten Gesichtern aus der Wäsche - sprich aus ihren Anzügen oder Karopollundern, manche wärmt leger ein Ringelschal.
Wir lernen Hunde verschiedenster Rassen und Mischungen kennen, manche laborieren wie ihre Herrchen an kleinen Verletzungen. Es wird gekuschelt und geschmust, was das Zeug hält. Nur eines fehlt gänzlich: das Weibliche! Ich habe kein einziges Bild einer Frau mit Hund gefunden - diese Geschichte muss erst noch erzählt werden!
Die kleinen Gemälde ähneln einander in ihren Versatzstücken - neben Mann und Hund ein runder Tisch, eine angeschnittene Uhr und die Horizontale eines Wandpaneel - und ergeben doch immer wieder neue heiter-melancholische Variationen.
Einen angedeuteten Kubismus, die Perspektiven von Cézannes Stilleben, sogar Chagall finde ich in seinen Werken, subtil zitiert und um Humor ergänzt.
David Eustace (*1950 in Birmingham) ist nicht nur Maler, sondern auch Musiker in Blues- und Jazz-Formationen.
Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Frau Andrea Antoni bedanken, die mich nicht nur auf das Werk dieses Briten aufmerksam gemacht hat, sondern die damit den Blog sozusagen wieder ins Rollen brachte, nachdem ich in einer "Schreibblockade" gefangen war, die mich hinderte begonnene Beiträge abzuschließen und mich neuen zuzuwenden. Vielleicht hören Sie in Zukunft also wieder mehr von mir!
Im letzten Blogbeitrag habe ich Ihnen Anna Jermolaewas Videoarbeit "Motherhood" gezeigt. Während dort die Beziehung des Hundes zu ihren Welpen und dem Menschen, dem ihre Aufmerksamkeit gilt, unklar ist, möchte ich ihnen hier das Bild "Bambina con cani" (1875) von Achille Glisenti vorstellen, das quasi wie ein Gegenentwurf dazu lesbar ist.
Ein kleines Mädchen entzieht der Hündin ihr Kind, hält es von ihr weg und bedenkt sie mit einem strengen, starren, fast hypnotisierenden Blick. Der Ausdruck der Hundemutter mag fragend oder bittend, flehend sein, wir sehen ihn nicht, da der Kopf des Tieres von uns abgewendet ist. Auch wissen wir nicht, wie diese kleine Szene ausgehen wird. Die Abhängigkeit und Wehrlosigkeit des Hundes gegen den menschlichen Zugriff wird in Grautönen dargestellt, nur die Wangen des Mädchens bilden einen warmen Kontrast.
Viel konnte ich nicht über den italienischen Maler Achille Glisenti (1848-1906) in Erfahrung bringen, dessen Tätigkeit in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts fällt. Verschafft man sich bei der Google-Bildersuche einen Überblick über sein Werk, erkennt man unschwer, dass er von den modernen Strömungen in der Malerei gänzlich unberührt war. Nichts Impressionistisches oder Abstrahierendes findet sich hier, sondern vielmehr Romantisches, Klassizistisches und Historisierendes. Genreszenen, durchaus mit sozialem Hintergrund, sowie mythologische und orientalische Szenen bestimmen sein Werk.
Tief Verwurzelt im akademischen Stil wird er zum Porträtmaler der Bourgeoisie, lediglich bei seinen ländlichen Porträts und Szenen zeigt sich ein spontanerer Stil. Unbestritten sind seine technische Perfektion, allerdings wurde ihm lange ein Mangel an "wahrem" künstlerischen Geist attestiert; erst Jahrzehnte nach seinem Tod kam es zu einer Neubewertung seines Werks.
Achille Glisents Gemälde hat mich an alte Fotos von Lucy als Welpe erinnert. Sie wird getragen, weil der Spaziergang für das vier Monate alte Hundemädchen zu lang war. Inzwischen ist Lucy schon viele Jahre tot, die Fotos über zwanzig Jahre alt. Es war wie eine kleine Zeitreise, die Fotos in einem Album aufzustöbern. Eines habe ein auch als Vorlage für eine Zeichnung verwendet.
Und so habe ich 1996 ausgesehen. Schon damals haben mich nur Hunde zum Strahlen gebracht!
Die Video- und Fotoarbeiten von Anna Jermolaewa bestechen durch eine unprätentiöse, prägnante Bildsprache. Doch nur vordergründig erscheinen die kurzen Filmstücke anspruchslos und schlicht. Auf den zweiten Blick entblößen sie verstörende Bedeutungsebenen: Die Filmsequenzen thematisieren die sozialen Beziehungsabläufe und Routinen unserer Gesellschaft, zeigen Macht- und Kontrollmechanismen. Dabei steht die Einfachheit der filmischen Darstellung im Gegensatz zur Hintergründigkeit ihrer Werke.
Anna Jermolaewa sieht sich nicht als Videokünstlerin im eigentlichen Sinne, da sie kaum mit dieser Technik experimentiert und das Videomaterial auch nicht durch digitale Nachbearbeitung oder Spezialeffekte manipuliert. Einzig durch den Einsatz des Loops, eines ihrer Markenzeichen, wird die gefilmte alltägliche Situation, das alltägliche Motiv potenziert.
Ich möchte drei Videoarbeiten vorstellen, die mit dem Motiv des Hundes arbeiten.
Untitled, Video, 1 min., 2004
Dieses Video bietet nur einen ersten Eindruck, in besserer Qualität und voller Länge finden Sie die Arbeit auf der Homepage der Künstlerin.
Wie meist in ihren Arbeiten wird der Zuschauer auch hier mit einem starren, das Geschehen strikt begrenzenden Bildausschnitt konfrontiert. Wir sehen batteriebetriebene Spielzeughuskys, deren Augen nacheinander rhythmisch zu blinken beginnen. Erst dieses Blinken verwandelt die Spielzeuge in etwas Außergewöhnliches. Verwandeln sich die Spielzeughunde, ergänzt durch den "belebenden" Ton aus dem Inneren, in Wesen, die bedrohen, ängstigen und nicht nur unterhalten? Kippt des Alltägliche und Belanglose ins Unheimliche? Oder zwinkern sie uns doch nur ironisch zu?
Von drei Seiten ist der Besucher von den blinkenden Huskys umgeben. Wird er Augen- und Ohrenzeuge einer quasi unaufhörlichen Besessenheit und Zwanghaftigkeit?
Ein Schäferhund ist auf einem Gepäckförderband auf einem russischen Flughafen zu sehen. Er beschnüffelt, von einer Sicherheitsbeamtin instruiert, die Koffer und springt dann vom Fließband hinunter und aus unserm Blickfeld hinaus. Die statische Kamera ist quasi teilnahms- und emotionslos auf die Koffer und mit Plastik verschnürten Pakete gerichtet, die sich in der Kurve stauen, weiterschieben, auftürmen und herunterfallen.
Mein erster Gedanke war, dass es um die Funktionalisierung des Hundes für menschliche Zwecke geht. Der (Arbeits-)Hund hat in dieser Situation keine Entscheidungsgewalt über sein Tun, sondern seine Beziehung zum Menschen ist z.B. von Gehorsam oder Gefallen-Wollen geprägt, sodass er als Drogenhund benützt werden kann. Der öffentliche Ort einer Transitzone im Flughafen wird nicht nur durch Überwachungskameras kontrolliert, auch die Gepäckstücke unterliegen organisierter staatlicher Kontrolle. Die Kontrollgesellschaft hat einen Teil dieser Überwachung an den Hund abgegeben, der ungewollt zum Komplizen des Überwachungs-Staates wird.
Erst beim weiteren Betrachten fiel mir die Ähnlichkeit zum Video "Überlebensversuche" auf, in dem Spielzeug-Stehauffiguren sich immer schneller bewegen, bis sie vom Tisch hinunterfallen. Auch bei Untitled, Video, HD, 3.48 min., Loop, 2010/2012 lässt Anna Jermolaewa die Dingwelt sprechen, die Videoprotagonisten sind allerdings Gepäckstücke. Sind die Koffer Metaphern für das Weiterkommen, Auf-der-Strecke-Bleiben, Hinausfallen (aus der Gesellschaft, dem Arbeitsprozess etc.)? Die Tonspur bringt dumpfe verzerrte Geräusche der weitertransportierten Bündel auf dem Fließband und erzeugt ein Gefühl der Beklemmung.
Der Titel "Mutterschaft" lässt Bilder des Umsorgens, des zärtlichen Zuwendens zu den Welpen in uns entstehen, doch die Filmstills zeigen etwas anderes:
Anna Jermolaewa, Standbilder aus dem Video "Motherhood", 1999, Quelle mumok
Während die Welpen an den Zitzen einer Hündin saugen, gilt die Aufmerksamkeit der Hundemutter einer menschlichen Hand, die sie füttert. Die andere Hand hält den Hund an einer Hautfalte am Nacken fest. Dabei ist unklar, ob sich die Hundemutter von selbst dem Menschen zuwendet oder am Nacken gezogen wird.
Der fütternde und manipulierende Mensch, der an einem Tisch sitzt, bleibt für den Betrachter/die Betrachterin ebenso außerhalb des Bildausschnitts wie die Tischrunde, auf deren Gespräch er sich der konzentriert. Viele Arbeiten Anna Jermolaewas handeln von Manipulation. Die Künstlerin sagt selbst: "Wer oder was manipuliert, bleibt dabei fast immer außerhalb des Bildfeldes. Die Machtmechanismen, die ein Individuum heute beeinflussen oder lenken, werden immer feiner und unsichtbarer".
Alexandra Henning beschreibt das Video als "ein so eindringliches wie idiosynkratisches Beispiel für das Ungleichgewicht von Liebe und Zuneigung, Macht und Ohnmacht, Abhängigkeit und Manipulation" (vgl. Anna Jermolaewas Homepage)
Ich möchte mich dem anzuschließen: Wenn man die kleine Szene nicht nur kunsttheoretisch betrachtet, sondern auf die Körpersprache der Hündin achtet, bemerkt man, dass sie die Ohren zurücklegt, also zumindest Unbehagen ausdrückt. Die menschliche Berührung ist ihr unangenehm. Trotzdem nimmt sie das Futter an.
Die Videostills bzw. das Video zeichnen in ihrem unklaren Beziehungsgeflecht der Abhängigkeiten ein deprimierendes, hoffnungsloses Bild, das durch unser unbeteiligtes Betrachten umso dramatischer wird.
Die mit 17 Jahren aus Russland geflohene Anna Jermolaewa (geb.1970 in St.Petersburg) studierte in Wien Kunstgeschichte und anschließend bei Peter Kogler an der Akademie der bildenden Künste. Einem größeren Publikum wurde sie 1999 durch Teilnahme an der Biennale Venedig bekannt.