Der Dokumentarfilm "Collective Monologue" der argentinisch-britischen Regisseurin Jessica Sarah Rinland ist eine Nahaufnahme von Tieren in Zoos, Tierheimen und Auswilderungsstationen und deren Beziehung zu den Menschen, die sich um sie kümmern. Manche der Arbeitenden (zumeist Frauen) haben über Jahrzehnte ein besonderes Band zu ihren animalischen Schützlingen entwickelt und widmen ihnen ihre ganze Zeit und Kraft.
Ich habe diesen Film bei der heurigen Viennale gesehen, und was mir vom Film primär in Erinnerung bleibt, ist große Zärtlichkeit, Zuneigung und das Verständnis zwischen Tier und Mensch. Fest macht das die Regisseurin vor allem an den Großaufnahmen streichelnder und massierender Hände. Affen strecken die Hände durch die Zäune und Gitter und fordern Liebkosungen ein. Wie innig das Band der Beteiligten ist, zeigt die Regisseurin z.B. dann, wenn im Moment der Berührung zwischen Maca, der Pflegerin, und Venus, einem Brüllaffen, deren Haare miteinander verschmelzen. Sie werden zu ineinander verschlungenen Körpern. Mit Szenen wie dieser gelingt es ihr, dass der Zuseher keinen Unterschied zwischen den Spezies fühlt.
Atemberaubend ist das blinde Vertrauen, das die Tiere den Pflegerinnen entgegenbringen: der Rüssel, der zur Fütterung durch das Gitter gesteckt wird und mehr Futter einfordert; der Elefantenfuß, der die Fußpflege geduldig mitmacht.
Bei der Pediküre!
In die Warmherzigkeit der Begegnungen zwischen Tier und Pfleger mischt sich allerdings auch Traurigkeit und Verzweiflung, ob der Gefangenschaft der Tiere, die Institutionen wie Zoos eigen ist.
"Es ist eine Welt der Mauern, Gräben und Gitter, durch die sich in einer der sorgsam beobachteten Szenen zaghaft eine Hand schiebt." (moviebreak)
"Collective Monologue" stößt nicht nur Debatten über die implizite Gewalt des Zoos auf, sondern zeigt auch, wie die Pflegenden als Teil des Systems, das sie zu verbessern versuchen, in diesem Konstrukt gefangen und ihm ausgeliefert sind. (vgl. moviebreak)
Der langsame und bedächtige Film gibt denjenigen eine Stimme, die keine haben, und beleuchtet die Realitäten, die oft von der Dominanz des Anthropozäns überschattet werden. Er gibt aber auch den wenig gesehenen und unterschätzten Menschen, deren Leben ihrer Pflege gewidmet ist, Raum.
Flamingos vor der Auswilderung
Ein Teil des Films widmet sich dem Zoo von Buenos Aires, bevor er 2016 geschlossen und als Öko-Park neu eröffnet wurde. Er gehört zu den ältesten der Welt und wir sehen die Renovierung der alten Gebäude in unterschiedlichen historischen und Nationalstilen. Als der Zoo 1888 gegründet wurde, sollten die Besucher anhand der Architektur sehen, woher die Tiere stammen, was zu absurden Ergebnissen führte, so lebten die afrikanischen Elefanten in einem hinduistischen Tempel. Auch bei der Darstellung der Renovierung liegt ein Augenmerk auf den Händen der Restauratoren, die Tierfiguren geduldig und aufmerksam ausbessern.
Die Regisseurin verwendet eindringliche poetische 16-mm-Nahaufnahmen auf Gesicht und Hände beim Filmen der Tiere, die durch ihre bedächtigen Handlungen den Rhythmus des Geschehens bestimmen und unser Augenmerk auf ihre Interaktionen lenken. Nur die automatischen Nachtaufnahmen zeigen Begegnungen zwischen den eingeschlossenen Tieren und ihren Pflegern aus einer gewissen Entfernung.
Die Interaktion erfolgt auch durch liebevolle Wendungen wie reina mía (wörtlich "meine Königin"), te amo ("ich liebe dich") oder con amor ("mit Liebe"), kleine Momente des Einfühlungsvermögens, die zu Manifesten der Empathie werden.
Auch die Tiere "sprechen", der Akt des Zuhörens erfordert allerdings Aufmerksamkeit für Wahrnehmungsweisen jenseits der verbalen Kommunikation. Diese "Anti-Sprache" schlägt sich in einem stärker verkörperten Kino nieder und in der Bedeutung der Unmittelbarkeit des Augenblicks, der Beobachtung der flüchtigen Momente. Worauf es ankommt, ist die Fähigkeit, Tiere so zu akzeptieren, wie sie sind, mit all ihren Vorzügen und Fehlern, in einem Akt des uneigennützigen Verständnisses, der auf Zärtlichkeit und Liebe beruht.
Maca nimmt in der Schlussszene das kleine Äffchen Juanita in den Arm, das in einer Ecke kauert und zu schwach scheint, um sich zu bewegen, Ein Träne rinnt über die Wange der Pflegerin - vielleicht als vorweggenommene Trauer für das alte Tier – und gerinnt zur Essenz des Films, die in der reinen Unmittelbarkeit der Existenz wurzelt: Die physische Distanz zwischen Mensch und Tier wird unbedeutend; was zählt, ist der tiefe und intensive Charakter des Kontakts und die Aufrichtigkeit einer scheinbar einfachen Geste, die sich zu einem Moment der Katharsis entwickelt.
Der schöne ruhige Film mit seinen intimen Porträts von Tier und Mensch und deren Gefühl der Harmonie und Freundschaft wirkt lange nach.
Quellen: moviebreak, cineuropa, variety