Was haben die Bilder der amerikanischen Künstlerin Sophie Larrimore gemeinsam? Richtig! Einen oder mehrere Pudel! Dabei ist sie keine Hundeliebhaberin. Sie malt Pudel, da sie an ihnen Form, Textur und Farbe erforschen kann. (vgl. It's Nice That)
Ihre Entwicklung zur eigenen Bildsprache nahm fast fünfzehn Jahre in Anspruch, in denen die Perfektionistin die Gewohnheit, Bilder zu imitieren, ablegte. Vorher malte sie Hundeporträts unterschiedlichster Rassen und schaute sehr viele Vorlagen und Referenzen an, die sie einengten. Heute malt sie stilisierte, erfundene Pudel:
"Poodles are naturally anthropomorphic and that slightly human, slightly alien quality I find really beautiful." (zit n. Four&Sons)
"Pudel sind von Natur aus anthropomorph, und diese leicht menschliche, leicht außerirdische Qualität finde ich wirklich schön." (übersetzt mit DeepL)
In ihren Statements zeigt sich Larrimores Interesse an den formalen Aspekten der Malerei: Ihr Werk ist nicht inhaltlich bestimmt, sondern formal, es geht ihr in erster Linie um die Komposition.
"Much of my interest is in the shapes created, the color relationships, the surface, the edges, the tension between flat and illusionistic space." (zit. n. New American Paintings)
"Ein Großteil meines Interesses gilt den geschaffenen Formen, den Farbbeziehungen, der Oberfläche, den Rändern, der Spannung zwischen flachem und illusionistischem Raum." (übersetzt mit DeepL)
Der Pudel ist demzufolge wie eine Blaupause, eine basale Idee, auf der sie ihr Können kühn und fantasievoll entfalten kann.
Sophie Larrimores seltsamen und spielerischen Gemälde scheinen keinen Freiraum zu besitzen, alles ist ins Bild hineingepresst, hineingezwängt. Von den Rändern her kommen Finger, Hände, Arme, Brüste, Zehen und Füße ins Bild.
Die Künstlerin konzentriert sich in ihrer Bildsprache auf einen faszinierenden Wechsel zwischen Figuration und Abstraktion, die Komposition wechselt zwischen Aufriss und Grundriss, d.h. manches ist von vorne zu sehen, auf anderes sieht man von oben herab. Die Hundekörper laden den Betrachter dazu ein, immer wieder hinzuschauen und sich zu fragen, was die Pudel eigentlich tun und wie ihre Körper überhaupt funktionieren.
"White Rope" (unten) zeigt die wohlgeformte Gestalt eines vorwitzigen Hundes, der mit dem Hintern nach oben auf einem roten Handtuch am Pool posiert. Sein Körper erscheint eigentümlich verdreht. Die Hände schieben sich zwischen mehrere Bildebenen.
Immer wieder wird ihr Werk als fauvistisch beschrieben, da die Fauvisten die Farbe nutzten, um die Malerei über das traditionelle Modell der Lokalfarbe hinaus voranzutreiben. Richtigerweise sieht sich Sophie Larrimore mit den Fauvisten nur insofern verwandt, als auch sie die Farbe als Ausdrucksfarbe verwendet, um einen tieferen emotionalen Zustand zu suggerieren.
"The challenge now is working with a lot of colour without making it arbitrary. I see my work in dialog with those painters in that I too am concerned with making a painting in which colour and form are just as important as subject."
(zit.n. Four&Sons)"Die Herausforderung besteht nun darin, mit viel Farbe zu arbeiten, ohne sie willkürlich einzusetzen. Ich sehe meine Arbeit im Dialog mit diesen Malern, denn auch mir geht es darum, ein Gemälde zu schaffen, in dem Farbe und Form ebenso wichtig sind wie das Thema." (übersetzt mit DeepL)
Ich finde den Vergleich mit den Fauvisten (den "Wilden") weit hergeholt. Lediglich die Lokalfarbe durch Ausdrucksfarbe zu ersetzen, die Farbe von der Natur befreien, quasi farbenfroh zu malen, macht die Malerei noch nicht "wild". Larrimores Malweise ist nicht expressiv, sondern - au contraire - verhalten und exakt!
Auch der Pointilismus muss immer wieder herhalten, um ihr Werk zu beschreiben. Ihre Punkte sind aber nicht die kleinsten Elemente einer Theorie, in der sich die Farbe erst im Auge mischt, sondern ein Mittel, um die lockig-flauschige Beschaffenheit des Hundefells darzustellen. Die Punkte sind ebenso Struktur, wie die Wellen auf der blauen Fläche. Nicht überall, wo Punkte drauf sind, ist Pointilismus drin!
Wenn schon die Kunstgeschichte bemüht werden soll, dann erinnern mich ihre sanft geschwungenen Formen der Frauen und Pudel formal eher an Fernand Léger und seinen "Tubismus". Die Figuren sind aus einfachen, gerundeten Formen und Rohren (franz. "tubes") zusammengesetzt. Sophie Larrimore nimmt diesen und andere Einflüsse auf und bringt sie mit ihrem eigenen Stil in Einklang, der einen hohen Wiedererkennungswert besitzt.
"Evening" (unten) entzieht sich jedem erkennbaren Raumgefühl, indem es gleichzeitig eine Vogelperspektive (atemberaubenden blau-grünen Strom) und eine Frontalansicht (drei Pudel, flach wie gestaffelte Schablonen) bietet. Die Tiefe ihrer Werke wird durch die geschickte Überlappung von Formen vermittelt. Links oben bricht der Mond durch die Hecke.
In "Pastel Towel" sehen wir eine Frau, die einen Pudel streichelt und gleichzeitig von seiner Pfote berührt wird. Nackte Frauen treten in Larrimores Werk häufig in einen visuellen Dialog mit Hunden. Für Sophie Larrimore ist dies eine natürliche Paarung, die trotzdem eine faszinierende Zweideutigkeit und Spannung erzeugt. (vgl. Four&Sons)
Ihre Gemälde werden zunehmend komplexer, ornamentaler und erzählerischer. Der Witz der früheren Arbeiten wird zugunsten einer Ernsthaftigkeit aufgegeben und bei näherer Betrachtung zeigt sich eine subtile Beunruhigung. Schwermütige skulpturale Frauendarstellungen in versteinerter Manier werden mit Pudeln, Vögeln, Felsen, Pflanzen und Wasserläufen ergänzt. Viele der Bäume sind blattlos oder gefällt. Diese Ausstattung nimmt die ganze Bildfläche ein und wiederholt sich auf jeder Leinwand in immer neuer Zusammensetzung, wobei es keine Hierarchie zwischen Motiv und Grund gibt. Die Bildoberfläche erscheint durch den Einsatz von Wiederholungen und Ornamenten verflacht.
Diese Figuren, ob in Gruppen angeordnet oder als einzelne Elemente isoliert, zeichnen sich durch eine bewusste Ökonomie der Gestaltung aus und erinnern an die visuelle Einfachheit von Hieroglyphen oder flachen Reliefs. Weiters lassen die Kompositionen an den Reichtum von Mosaiken und Wandteppichen denken sowie - durch den Verzicht auf Linearperspektive und Hinwendung zur Bedeutungsperspektive - an die Bildsprache der Vorrenaissance. (vgl. Venus Over Manhattan)
Die Werke lassen sich nicht in eine bestimmte Zeit oder einen bestimmten Ort einordnen: Die Umgebung erinnert an ursprüngliche und unberührte Landschaft, während die grelle Farbpalette und die zweideutigen Formen auf ein postatomares Terrain hindeuten. Zusammengenommen deuten diese Elemente auf einen sich abzeichnenden apokalyptischen Hintergrund hin und suggerieren eine Welt, die sich mit dem beunruhigenden Gespenst eines tiefgreifenden Wandels auseinandersetzt (vgl. Venus Over Manhattan). Diese Interpretation ist wohl dem Zeitgeist geschuldet, die überall die Thematisierung der Klimakrise sieht.
Ab den 2020er Jahren schmücken aufwändige Rahmen die Gemälde. In Anlehnung an die Maler der Vorrenaissance, die ihre Andachtsbilder mit aufwendigen Rahmen schmückten, um deren Heiligkeit zu unterstreichen, setzt Larrimore ihre Gemälde in massive, handgefertigte Rahmen, die an den unverwechselbaren Stil der Tramp Art erinnern. Die Tramp Art ist eine Methode der Holzbearbeitung, die in Amerika in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden ist und bei der in billiges, verfügbares Holz (aus Zigarren- und Versandkisten) geschnitzt wird. Die Herstellung erfolgte durch einfache Werkzeuge. (vgl. Wikipedia)
Sophie Larrimore beginnt zwar mit einem Konzept für ein fertiges Werk, trotzdem entwickelt sich das Gemälde im Prozess der Entstehung selbst. Jeder hinzukommende Teil eines Gemäldes wird im Verhältnis zum Ganzen betrachtet, und alle Elemente müssen zusammenpassen, damit das Werk gelingt.
“The mark of a good painting is one which changes and reveals itself the longer you look.” (zit.n. Four&Sons)
"Ein gutes Bild zeichnet sich dadurch aus, dass es sich verändert und sich offenbart, je länger man es betrachtet."
(übersetzt mit DeepL)
Ihre Arbeiten erfordern vom Betrachter einen doppelten, wenn nicht dreifachen Blick, um alle Feinheiten und Details zu erkennen, wobei ihm die Künstlerin die Interpretation der Symbole und Metaphern überlässt.
Sophie Larrimore (*1980 in Annapolis, Maryland/USA) erhielt 2004 einen B.F.A-Abschluss in Malerei und Druckgrafik von der Cooper Union for the Advancement of Science and Art, New York. Larrimores Arbeiten waren Gegenstand mehrerer Einzel- und Gruppenausstellungen in NY. Larrimore lebt und arbeitet in Brooklyn, New York.
Quellen: Four&Sons, Kate Werble Gallery, Venus Over Manhattan, It's Nice That
alle Bilder © Sophie Larrimore