Bis vorgestern waren die 15 Interventionen von Marianna Gartner "An Eye For An Eye" im oberen Belvedere zu sehen. Eigentlich wollte ich schon im September davon berichten; im November habe ich zur Einstimmung ein Bild Waldmüllers im Blog präsentiert, aber erst letztes Wochenende fand ich Zeit die Ausstellung anzusehen. Die Bilder, die Marianna Gartner großteils zu ausgewählten Werken der Sammlung gemalt hat - sie hat am Artist-in-Residence-Programm im Augarten Contemporary teilgenommen - waren über das ganze Belvedere verteilt, ich musste also beide Stockwerke aufmerksam abgehen, um die Exponate zu finden. Deshalb war ich auch erstmals in der Mittelalterabteilung, die mich wirklich begeistert hat (und nicht nur, weil in vielen mittelalterlichen Tafelbildern auch irgendwo ein Hund herumläuft). Gartners tätowierter Jesus (Tattooed Jesus, 2004) hat sich wunderbar in die gotische Bilderwelt eingefügt.
Die Arbeit der 1963 in Winnipeg geborenen kanadischen Künstlerin Marianna Gartner thematisiert und reflektiert die europäische Porträtmalerei und die beginnende Porträtfotografie des 19. Jahrhunderts. Damals wurden die Fotografierten noch vor bemalten Hintergründen abgelichtet. Auch die Porträtmaler dieser Zeit setzten ihre Modelle oft in erfundene Umgebungen.
Gut erkennbar ist das bei Waldmüllers "Julia Comptesse Apraxin" von 1835, die in einer undefinierten Landschaftsidylle sitzt. Gartner bezieht sich in ihrer einzigen Intervention mit Hund auf dieses Bild. Ihr "Dogwalker" ist allerdings auf zwölf flache Holzquader gemalt, wobei in der untersten Reihe die Ordnung der Anordnung gestört wird - Mädchen- und Hundefüße werden vertauscht. Auch eine eindeutige Zeitebene wird destruiert: Der "Lassie" der 60er Jahre trifft auf ein Kind der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert.
Alte Fotografien anonymer Menschen, von namenlosen Fotografen aufgenommen, auf Flohmärkten und in Antiquariaten aufgestöbert, bilden also die Vorlage für Gartners Arbeiten. Diese werden für ihre Bilder natürlich nicht zur Gänze verwendet und 1:1 malerisch wiedergegeben, das hieße ja nur die Technik ändern, sondern aus unterschiedlichsten Ausgangsmaterialien präzise kombiniert. Sie erschafft durch diese Montage neue surreale und hintergründige Bildinhalte, die verstören und irritieren. Dabei hat sie ein Repertoire an Figuren, Attributen und Interieurs entwickelt, die immer wieder kehren: Soldaten, Matrosen, Kinder, Tiere - nicht zuletzt Hunde.
Im Folgenden sehen sie ihre Bilder mit Hund, die sie ab 2004 gemalt hat:
Zur Ausstellung erschien ein Katalog, der sehr informativ in Gartners Werk und Methode einführt und Sammlungsstücke und Interventionen nebeneinander stellt: Marianna Gartner. An Eye For An Eye, Hrsg. Agnes Husslein-Arco, Margrit Brehm, Verlag das Wunderhorn, ISBN: 9-783884-233856 (Deutsch/Englisch)
Alle Bilder © Marianna Gartner
Weitere Werke zum Beispiel auf der Homepage der Galerie Michael Haas.