Louise Catherine Breslau, Selbstporträt, 1891
© Musée d’Art moderne et contemporain de Strasbourg
Eine wunderschöne junge Frau blickt uns mit entwaffnender, fast einschüchternder Direktheit an. Es handelt sich um die Künstlerin Louise Catherine Breslau, die zurzeit mit 25 anderen Frauen im Städel Museum im Rahmen der Ausstellung "Frauen - Künstlerinnen zwischen Frankfurt und Paris um 1900" gezeigt wird.
"Die Ausstellung zeigt Künstlerinnen, die sich mit großer Eigenständigkeit und Professionalität in einem durch männliche "Künstlergenies" bestimmten Kulturbetrieb durchsetzten. Unter dem Blickwinkel der Netzwerke entsteht ein komplexes Bild der Ausbildungs- und Arbeitssituation von Künstlerinnen in der Moderne: vom Kampf der Wegbereiterinnen im Paris der 1880er-Jahre über die ersten Bildhauerinnen an der Kunstschule des Städel um 1900 bis hin zu einer jungen selbstbestimmten Generation von Künstlerinnen im Neuen Frankfurt der 1920er- und 1930er-Jahre." (zit.n.Städel Museum, Presseinformation)
Ich habe für den Blog exemplarisch Catherine Louise Breslau gewählt, da sich in ihren Gemälden immer wieder Hunde finden. Wenn sie Hunde malte, dann porträtierte sie diese wie Menschen und zeigte die emotionale und freundschaftliche Verbundenheit zu ihnen. Bei ihrem Selbstporträt lugt der kleine Hund aus dem eleganten Umhang hervor. Die Darstellung erzählt nicht nur vom Beschütztwerden, sondern zeigt auch das zarte Miteinander der beiden: Die Hand umschließt die Pfote.
"Mes Toutous" von 1881 ist eines der frühesten Pastelle der Künstlerin. Das Pastell erlaubt ein rasches Arbeiten und ermöglicht durch das Verwischen mehrerer Farbschichten eine malerische Wirkung.
Louise Catherine Breslau, Mes Toutous, 1881
Louise Catherine Breslau spezialisiert sich auf Porträts, die meisten dieser Auftragsarbeiten führt sie in Pastell aus. Sie reduziert bereits jetzt das Interieur auf das Wesentliche. Ab 1910/11 heben sich ihre angedeuteten skizzierten Porträts vor einem neutralen, bisweilen leicht schraffierten Hintergrund ab. Alles wird flüchtig und spontan erfasst, zumeist bleiben ganze Blattpartien offen, wodurch der Bildträger an der Gesamtwirkung teilhat.
Louise Catherine Breslau, Portrait de Mademoiselle Adeline Poznanska enfant, 1891
© Musée d'Orsay
Louise Catherine Breslau, Porträt der Freunde, 1881
© Musée d'art et d'histoire, Ville de Genève, Foto Flora Bevilacqua
Für Louise Catherine Breslau wurde Paris zum Ausgangspunkt ihrer Karriere und zu einem wichtigen Zentrum ihres internationalen Netzwerks. Hier konnte sie sich zu einer erfolgreichen Künstlerin entwickeln. Die Pariser Ausbildungsstätten waren außerdem wichtige Begegnungsorte. Die Ausstellung im Städel Museum präsentiert ihr programmatisches "Porträt der Freunde", das ihre Pariser Wohn- und Frauengemeinschaft abbildet. Die junge Malerin zeigte das Werk 1881auf dem Pariser Salon und wurde schlagartig berühmt. (vgl. Städel Museum Presseinformation)
Wir sehen die die Künstlerin, wie sie die zwei Freundinnen und einen Hund in der gemeinsamen Atelierwohnung malt. Das Gemälde beschreibt die spezifische Situation für Frauen in der damaligen Zeit, in der es gesellschaftlich nicht akzeptiert war, als junge Frau allein zu wohnen. Das Gemälde entstand zudem in Paris, da in Deutschland Frauen der Zugang zu einer künstlerischen Ausbildung weitgehend verwehrt war.
Drei Frauen sitzen gedankenversunken an einem Tisch - eine Szene, die oft genutzt wurde, um die sozialen Verbindungen im späten 19. Jahrhundert darzustellen. Links sitzt Maria Feller, eine italienische Sängerin, in der Mitte die Winterthurer Malerin Sophie Schaeppi und an den rechten Bildrand geschoben die Künstlerin selbst in Rückenansicht, dazwischen ihr geliebter Hund.
Das Gemälde vereint alles, was ihr Frühwerk auszeichnet, sowohl farblich, formal, stilistisch als auch inhaltlich - und was sie konsequent fortführte. Es ist ein Gruppenporträt auf engem Raum, und doch sind es Einzelporträts, bei denen jede Person charakteristisch erfasst ist. Aber ihre geschickte und überlegte Komposition schafft eine formale, vor allem geistige Verbindung zwischen den Dargestellten, die in dem klugen Gefüge eng miteinander verbunden sind, ohne in direktem Kontakt zu stehen. Jede Person hält inne, um sich in Gedanken zu verlieren. Auch der Hund strahlt Ruhe aus und scheint in Gedanken versunken.
Diese Ruhe und In-sich-Gekehrtheit der Modelle zeichnet fast jedes Werk von Louise Catherine Breslau aus. Das Interesse der Künstlerin an der psychologischen Durchdringung ihrer Modelle bewirkte eine allmähliche Vernachlässigung in der Darstellung des Raums, der zunehmend formale Bedeutung erhielt und später oftmals gänzlich verschwand. (vgl. Anne-Catherine Krüger in: Berufswunsch Malerin! Elf Wegbereiterinnen der Schweizer Kunst aus hundert Jahren, FormatOst, 2020, S 51ff)
Louise Catherine Breslau, Zu Hause oder Intimität, 1885
© Musée des beaux-arts de Rouen
Das Thema der geistigen Verbundenheit der Menschen und der tiefen Freundschaft bei gleichzeitiger Besinnung auf sich selbst ist auch in "Zuhause oder intimität" anzutreffen. Das Doppelporträt ihrer Mutter und ihrer Schwester Bernhardine gewährt einen Blick in das beseelte Leben der Dargestellten, die niemals in Aktion oder Bewegung sind, sondern auch dann innehalten, wenn sie zuvor einer Tätigkeit wie dem Sticken nachgegangen sind.
Sehr originell ist die Positionierung des Hundes, der am unteren Bildrand angeschnitten ist und fast wie ein Fremdkörper oder nachträglich dazugemalt wirkt.
Louise Catherine Breslau, La vie pensive, 1908
© Musée cantonal des Beaux-Arts de Lausanne
In "La vie pensive" stellt Louise Catherine Breslau eine Szene im Salon ihres Hauses in Neuilly-sur-Seine, einem Vorort von Paris, dar. Sie malt sich selbst, einen Brief in der Hand haltend, in sitzender Rückenansicht, nur ihr markantes Profil ist zu sehen. Im Vordergrund sitzt ihre Partnerin Madeleine Zillhardt, die ihr Muse, Modell, Vertraute und Förderin ist, und berührt gedankenverloren einen Barsoi. Ein Gefühl der Spannung und Verzagtheit geht von ihr aus, das wohl auch der sensible Hund wahrgenommen hat: Er legt tröstend und mitfühlend seinen Kopf in ihren Schoß und scheint selbst zu wissen, dass er zu seinem Menschen nicht durchdringen kann.
Das große Gemälde ist mit schnellen Pinselstrichen im Stil der impressionistischen Malerei eines Edgar Degas gemalt. Auf dem weißen Tischtuch in der Mitte des Gemäldes stehen eine Reihe von Elementen, die häufig in Stillleben zu finden sind, wobei sich opake und transparente Texturen abwechseln: ein Blumenstrauß, ein Obstkorb, eine Karaffe mit Glas und ein Porzellanteller. Ein Messer, das auf einen Pfirsich gerichtet ist, symbolisiert die fleischliche Leidenschaft der beiden Frauen füreinander.
Obwohl Louise Breslau in Paris eine führende Persönlichkeit der Schweizer Kunstszene war, musste sie sich die Anerkennung in ihrem Heimatland hart erarbeiten. Das Gemälde wurde erst an der neunten nationalen Kunstausstellung in Basel angenommen, nachdem sich die Künstlerin beim Bundesrat über die Frauenfeindlichkeit des Schweizerischen Maler- und Bildhauervereins beschwert hatte, der Ferdinand Hodler gefolgt war und für die Ablehnung von Frauen gestimmt hatte. (vgl. MCBA)
Louise Catherine Breslau, Jeune fille avec un Borzoi, 1912
Wie nur wenigen Künstlerinnen ihrer Zeit war es Louise Catherine Breslau (*1856 in München/D, gest. 1927 in Neuilly-sur-Seine/F) aus eigener Kraft gelungen eine selbstständige Position als Frau und Künstlerin zu erarbeiten. Sie ließ sich in einem damals für Frauen üblichen Bereich ausbilden: dem Porträt. Um eine anspruchsvollere Ausbildung zu erhalten, zog sie 1876 nach Paris, um an der Académie Julian teilzunehmen. Dieses Atelier bot einen alternativen Unterricht zu dem der Ecole nationale des beaux-arts an, die Frauen noch verschlossen war.
Ohne sich einem Impressionismus oder Naturalismus radikal zuzuwenden, griff sie stilistische und thematische Merkmale ihrer künstlerischen Vorbilder auf und gelangte zu einer ihr eigenen Handschrift und Bildauffassung. In Paris wurde sie bald von der Kunstwelt geschätzt und geehrt. Bereits um 1900 war sie eine der gefragtesten Porträtistinnen.
Nach ihrem Tod geriet sie allerdings in Vergessenheit. Erst 1988 wurde Breslau mit einer Monografie und einem kritischen Werkverzeichnis Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung, welche die Aufmerksamkeit erneut auf die Künstlerin lenkte.
Eine ausführliche Biografie von Louise Catherine Breslau finden Sie im großartigen e-Kunstmagazin ARTinWORDS.
Die Ausstellung im Städel-Museum ist noch bis zum 27.10.2024 zu sehen.