Installation

27. Juni 2021 - 10:54

Together again, 2017 © Hayden Fowler

 

Sein Interesse an der Abkehr der Menschheit von der Natur begleitet den neuseeländischen Künstler Hayden Fowler seit seiner Kindheit. Der Wunsch, die Auswirkungen dieser Entfremdung zu erforschen, hat ihn für sein Studium und seine künstlerische Praxis motiviert. Hayden Fowler begann sein Studium der Biologie, Ökologie und Verhaltensforschung in seiner neuseeländischen Heimat, bevor er nach Sydney zur University of New South Wales Art & Design ging. In den folgenden sechs Jahren absolvierte er ein Studium der bildenden Kunst und begann, sich in der Kunstszene von Sydney zu etablieren. Er nutzt dabei seinen wissenschaftlichen Hintergrund für die Entwicklung seiner künstlerischen Projekte.

2018 absolvierte Hayden Fowler einen einjährigen Aufenthalt im Künstlerhaus Bethanien in Berlin, das sich der Förderung der zeitgenössischen bildenden Kunst widmet.

In seinen komplexen Installationen greift Fowler Ideen aus Biologie, Verhaltens- und Zukunftsforschung auf und schafft Versuchsanordnungen, die von Verlust, Hoffnung und der komplizierten, immer neu zu hinterfragenden Beziehung zwischen Mensch und Natur erzählen. Besonders geht er der Frage nach den kulturellen, spirituellen emotionalen und psychischen Auswirkungen des Artensterbens nach und erforscht, wie Umweltzerstörung ein Ausdruck des Verlusts unserer Beziehung zur Natur ist. Er setzt die Zerstörung der Umwelt mit der Degradierung der Kultur und der Denaturierung der Menschheit in Beziehung. Seine Arbeit und Forschung thematisiert die historischen Einflüsse, die dazu geführt haben ebenso, wie sie einen fiktiven Ausblick auf die Zukunft wagt.

Seine Praxis konzentriert sich auf die Schaffung detaillierter Sets und Dioramen, die Szenen von unberührten futuristischen Innenräumen bis hin zu postapokalyptischen Landschaften darstellen. In diesen aufwändigen Sets choreografiert er menschliche und tierische Subjekte. Methodisch verknüpft er innerhalb dieser fiktiven Räume verschiedene Medien, von Fotografie über Video bis hin zu Performance und Skulptur.

Zurzeit ist er mit einer Arbeit bei der Ausstellung "Ruhr Ding: Klima" vertreten. Ziel ist es, den durch theoretische, wissenschaftliche und journalistische Debatten geprägten Klimadiskurs, um künstlerische Sichtweisen zu ergänzen und zu erweitern. Auf dem Gelände der stillgelegten Zeche General Blumenthal in Recklinghausen legt Fowler eine künstliche Landschaft an. In einer geodätischen Kuppel - einem Gewölbe aus einer Vielzahl aneinandergefügter Dreiecke - sollen Pflanzenarten, die in der durch Schwerindustrie gezeichneten Region bereits ausgestorben sind, zu neuem Leben erwachen.

National und international bekannt wurde Hayden 2007 mit der Arbeit "Call of the Wild" bei der er sich ein Paar ausgestorbener Huia-Vögel über die gesamte Fläche seines Rückens tätowieren ließ. Bereits bei dieser Arbeit verschmolz seine Sorge über das zunehmende Aussterben von Pflanzen und Tieren mit seinem Bewusstsein für die Kraft der Performance-Kunst.

"Together Again" (2017) ist eine Virtual-Reality-Landschaftsinstallation und Live-Performance, die erstmals bei Performance Contemporary im Rahmen von Sydney Contemporary 2017, Carriageworks, Sydney, gezeigt wurde.

Die Beziehung zwischen Fowler und einem australischen Dingo wird nicht in seinem natürlichen Habitat, sondern im Kunstkontext gezeigt und erforscht.

 

 

Together again, 2017 © Hayden Fowler

 

Der Dingo (Canis lupus dingo) ist ein Haushund, der schon vor Jahrtausenden verwilderte und heute in vielen Teilen seines Verbreitungsgebietes, vor allem in Australien, vom Menschen völlig unabhängig lebt. Er ist eine einzigartige Spezies mit einer bedeutenden Geschichte und einem bedeutenden Platz innerhalb des australischen Imaginären.

 

Together again, 2017 © Hayden Fowler

 

Der Dingo und der Künstler besetzen während der vierstündigen Performance gemeinsam einen großen Käfig. Eine Virtual-Reality-Brille lässt Fowler in eine idyllische australische Landschaft eintauchen, während die Bewegungen des Dingos, der mit einem VR-Tracker ausgestattet ist, in die VR-Installation übertragen werden. So können Tier und Mensch in dieser digitalen Neuinterpretation der "Wildnis" "koexistieren".

 

Together again, 2017 © Hayden Fowler

 

Der Titel "Together Again“ täuscht über die Trennung zwischen der virtuellen Welt (eine generisch schöne australische Outback-Landschaft) und der physischen Realität des Raums der Ausstellung und der Performance hinweg. Während der Dingo, der einen VR-Tracker trägt, und der Mensch, der eine VR-Brille trägt, den Käfig physisch durchstreifen, werden ihre Bewegungen direkt in der virtuellen Welt abgebildet.

 

Together again, 2017 © Hayden Fowler

 

The project has developed out of my ongoing concern with the accelerating process of extinction and the relationship between environmental loss and the depletion of human culture and qualitative experience. In particular, the project explores desires for reunion with nature, in the face of the looming impossibilities of this in a near-future world. Research in the development of the project explores indigenous world views, animism, biophilia and the ‘indigenous mind’ (a trait argued to be innate to all humans, instinctively desiring a communal relationship with the rest of nature) as counters to dominant Western thinking.(Hayden Fowler, 2017)

"Das Projekt hat sich aus meiner anhaltenden Beschäftigung mit dem sich beschleunigenden Prozess des Aussterbens und der Beziehung zwischen dem Verlust der Umwelt und der Verarmung der menschlichen Kultur und qualitativen Erfahrung entwickelt. Insbesondere erforscht das Projekt die Sehnsucht nach einer Wiedervereinigung mit der Natur angesichts der sich abzeichnenden Unmöglichkeit einer solchen in einer Welt der nahen Zukunft. Die Forschung während der Entwicklung des Projekts erkundet indigene Weltanschauungen, Animismus, Biophilie und den 'indigenen Geist' (eine Eigenschaft, von der behauptet wird, dass sie allen Menschen angeboren ist, die instinktiv eine gemeinschaftliche Beziehung mit dem Rest der Natur anstreben) als Gegenpol zum dominanten westlichen Denken." (Hayden Fowler, 2017)

 

(Die Biophilie ist nach Erich Fromm die leidenschaftliche Liebe zum Leben und allem Lebendigen. Edward O. Wilson definiert die Biophilie als "the innate tendency to focus on life and lifelike processes" (vgl. Wikipedia). Seine Idee wird auch zum Ausgangspunkt umweltethischer Überlegungen wie der Conservation Ethic, nach der das Leben und die Artenvielfalt bewahrt und geschützt werden sollte. Ich nehme an, dass sich Hayden Fowler darauf bezieht.

Über seine Motivation zu "Together Again" sagt der Künstler, dass sich die Welt mit einem drohenden Tod des Alten konfrontiert sehe, sowohl in der menschlichen Kultur als auch in der Umwelt, wo die verzögerten Effekte der Moderne und die Beschleunigung der technologischen Industrialisierung zum Tragen kämen. Wir befänden uns an einem kritischen Kipppunkt der Auslöschung und des Verlustes unserer uralten Beziehungen und unserer physischen Erfahrung der Natur und insbesondere der Wildnis.

 

Together again, 2017 © Hayden Fowler

Together again, 2017 © Hayden Fowler

Together again, 2017 © Hayden Fowler

 

Fowlers Projekt wurde im März 2018 in der Zeitschrift Artlink vorgestellt. Im Editorial der Ausgabe stellt die Chefredakteurin Eve Sullivan einen Zusammenhang der Arbeit zu Barbara Creeds „Stray: Human-Animal Ethics in the Anthropocene“ her. Creed, die für ihren Beitrag zur Filmwissenschaft und zum feministischen Denken im Allgemeinen bekannt ist, hat in den letzten Jahren hat ihre Aufmerksamkeit auf das Leben nicht-menschlicher Tiere gerichtet und auf die vielfältigen Möglichkeiten, wie Menschen mit ihren nicht-menschlichen Verwandten umgehen, sie unterdrücken und von ihnen lernen können. Sie fordert gegenseitigen Respekt und Empathie, die darauf basieren, mit und nicht nur auf Tiere zu schauen.

In diesem Sinn kann man Fowlers Arbeit als künstlerische Übersetzung ihrer "Streuner-Ethik" - die Co-Abhängigkeit zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Tieren in Zeiten der Bedrohung und Verlassenheit - bezeichnen.

Wahrscheinlich ist Ihnen auch sofort Joseph Beuys und der Kojote eingefallen. Da heuer Beuys 100. Geburtstag wäre, ist sein Werk auch in vielen Ausstellungen gegenwärtig. Auch Susan Ballard geht bei ihrer Beschreibung von Fowlers Performence kurz auf Beuys ein. Ich folge den Ausführungen ihres Aufsatzes "Heading for trouble: Non-human futures in recent art".

Inmitten des Lärms und des Verkehrs einer Kunstmesse gibt es in diesem abgeschlossenen Raum bei Sydney Contemporary eine einzige, weich gepolsterte Plattform, auf der sich Mensch und Dingo gemeinsam aufhalten. Trotz und vielleicht gerade wegen der räumlichen Beschränkungen stehen der Künstler und das Tier eindeutig in einer Beziehung der Intimität. Joseph Beuys' kämpferisches Einsperren von Mensch und Kojote in einem Galerieraum für die Aktion "I Like America and America Likes Me" (1974) wird hier durch eine Beziehung des scheinbaren gegenseitigen Nutzens ersetzt, die durch sanfte Berührung und langsame Bewegung definiert ist. Der Käfig erscheint trostlos, aber die virtuelle Welt ist erfüllt von Farbe, Licht und der scheinbaren Pracht der Natur, die durch Dingoaugen imaginiert wird. Doch auch die Grenzen dieser Welt sind offensichtlich; nachdem immer wieder dieselben drei Kakadus vorbeifliegen, flacht das visionäre Erlebnis ab. Fowler befindet sich innerhalb dieses Endspiels der Natur, die durch die flachen Ebenen der Wiederholung als ausgedünnte, künstlich destillierte Erfahrung abgebildet wird. Der reduzierten Erfahrung wird der restaurative Trost der Mensch-Dingo-Beziehung mit artübergreifender Kommunikation entgegengesetzt, der den Weg nach vorne weist.

 

 

Together again, 2017 © Hayden Fowler

Together again, 2017 © Hayden Fowler

 

 

 

Diese Arbeit wurde im Garage Museum in Moskau mit einer russischen Landschaft und einem europäischen Wolf wiederholt. Die Zuschauer konnten das VR-Erlebnis über einen Monitor verfolgen, der Fowlers Live-Ansicht übertrug.

 

Together again, 2019 © Hayden Fowler

Together again, 2019 © Hayden Fowler

Together again, 2019 © Hayden Fowler

Together again, 2019 © Hayden Fowler

Together again, 2019 © Hayden Fowler

Together again, 2019 © Hayden Fowler

 

Auch mit  "Captive born" (2020) zeigt der Künstler eine poetische, ritualbasierte Performance, die die Zukunft neu imaginiert und modelliert und versucht historische und systemische Machtstrukturen aufzudecken und aufzubrechen. Bereits der Titel zeigt die Herrschaft des Menschen über das Tier, in Gefangenschaft geboren und zumeist gestorben.
 

 

Captive born, 2020 © Hayden Fowler

 

Ein australischer Dingo - als Exponent einer immer noch erinnerten Wildnis - ist in einem antiquierten Zoo-Gehege eingesperrt. Das Gehege verweist auf die jüngere Geschichte menschlicher Herrschaft und Expansion, symbolisiert durch botanische und zoologische Sammlungen, die verblasste Überbleibsel der Aufklärung sind. Isoliert in seinem konkreten Lebensraum, kommuniziert der Blick des Tieres einen Widerstand gegen die Unterwerfung.

 

Hayden Fowler (*1973 in Te Awamutu/ Neuseeland) lebt in Berlin und Sydney.

 

5. November 2020 - 21:27

Ein einschüchterndes und bedrohliches Wolfsrudel (aus 110 Stahlgussteilen mit einem Gewicht von je 280 kg) drang während der letzten Monate in die Mitte von Florenz vor, dort schien es einen Krieger anzugreifen, der schwach und machtlos wirkte.

Erschaffen und in Szene gesetzt hat dieses eindrucksvolle, raumgreifende und mit Spannung aufgeladene Werk der chinesische Künstler Liu Ruowang.

 

Die Wölfe kommen © Liu Ruowang, Foto Roberto Borghi

 

Ich habe in den letzten von Corona überschatteten Monaten oft an die Künstlerinnen und Künstler gedacht, die monatelang auf eine Ausstellung hinarbeiten, die dann durch die Schließung der Ausstellungsräume kaum jemand sieht. Mit diesem Problem ist Liu Ruowang nicht konfrontiert, da seine Installation im öffentlichen Raum steht und die Wölfe nicht nur mit der Architektur interagieren, sondern auch mit den BewohnerInnen kommunizieren. Damit erfüllen sie die explizite Absicht des Künstlers, die Kunst frei zugänglich in den Alltag zu bringen. Er will den EinwohnerInnen von Florenz, die vielleicht nicht in ein Museum gehen würden, seine Kunst nahebringen und sie allgemein für Kunst sensibilisieren.

 

Die Wölfe kommen © Liu Ruowang, Foto Lauretta Dimmik (Ausschnitt)

Die Wölfe kommen © Liu Ruowang, Foto Lorenzelli Arte

 

Und übersehen kann man diese monumentale Skulptureninstallation nicht, da sie zwei repräsentative Plätze einnimmt: Piazza Pitti und Piazza Santissima Annunziata. Die Wölfe stehen somit im Dialog mit zwei emblematischen Gebäuden der Renaissance, dem Filippo Brunelleschi zugeschriebenen Palazzo Pitti und seinem Ospedale degli Innocenti (Waisenhaus), bei dem er seine Auffassung von Raum, Proportionen und architektonischem Rhythmus zeigen konnte und das noch auf der Idee der Harmonie beruht. Diese Harmonie wird vorgeblich von den Wölfen gebrochen, deren Aggressivität, Zähigkeit und Stärke eine dramatische Spannung in die Ordnung der architektonischen Umgebung bringen.

 

Die Wölfe kommen © Liu Ruowang, Foto Uffizien

 

Der Verlust der Harmonie zwischen Mensch/Kultur und Natur und deren Auswirkungen auf die Menschheit und den Planeten ist der Aspekt, der dem gesamten Werk von Liu Ruowang zugrunde liegt. Das Wolfsrudel steht als Warnung an die Menschheit; sie sind Agitatoren des Gewissens, die darauf abzielen, bei denen, die ihnen begegnen, eine tiefe Beunruhigung hervorzurufen und sie zur Erkenntnis und zum Umdenken zu bringen.

Der Wolf hat eine diverse symbolische und mythologische Bedeutung. Er wird sowohl als ein aggressiver und bedrohlicher "Räuber" (Rotkäppchen) als auch als ein wohlwollendes soziales Tier (Romulus und Remus) gesehen. Der Wolf, der auch in Mitteleuropa wieder Fuß fasst, lässt wohl niemanden kalt. Manche sehen in ihm ein Raubtier, das getötet werden muss (erst gestern habe ich gelesen, dass der Wolf in Deutschland in das niedersächsische Jagdgesetz aufgenommen wird), bei anderen hat er nahezu einen Heiligenschein.

 

Die Wölfe kommen © Liu Ruowang, Foto Lorenzelli Arte

 

Liu Ruowang inszeniert die Wölfe nicht als "Räuber", die Installation reflektiert vielmehr über die räuberische Haltung und Aggressivität des Menschen gegenüber der Natur und Umwelt. Unsere heutige Zivilisation wird vom wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt und dessen Exzessen beherrscht, gerät nicht nur in Konflikt mit der Natur, sondern beherrscht und zerstört sie.

 

Die Wölfe kommen © Liu Ruowang, Foto Lorenzelli Arte

 

Auch ganz real sind der Wolf und andere Wildtiere bis in die Florentiner Boboli-Gärten vorgedrungen, ist das Wilde in die Zivilisation zurückgekehrt.

Die "Lupi in arrivo" allerdings haben nicht nur Florenz erobert, sie waren auch 2015 auf der Biennale in Venedig. In Deutschland kamen die Wölfe 2016 bis in die Eingangshalle der internationalen Kunstausstellung NordArt (Foto unten), von dort starteten sie ihre Europa- und Amerikatournee.

 

Die Wölfe kommen © Liu Ruowang, Foto NordArt, 2016

 

Liu Ruowang (*1977, Shaanxi Provinz/China) gehört zu den wichtigen zeitgenössischen Künstlern Chinas. Er hat an der China Central Academy of Fine Arts studiert, stellt weltweit aus, erhält zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Seine Werke - Skulpturen und Gemälde - sind im chinesischen kulturellen und historischen Kontext verwurzelt, er schöpft aber auch aus unserem gegenwärtigen Dasein und der westlichen Kultur. Immer geht für ihn die Geschichte des Menschen mit der Geschichte seiner Beziehung zur Natur einher.

Quellen: Lorenzelli Arte, Uffizien

 

Installation, Skulptur
15. Februar 2020 - 15:06

Wie ein tollpatschiger Welpe mit noch überdimensionierten Beinen und Pfoten schaut mich der orange-rosa-beigefarbene Hund fragend und ein bisschen traurig an.

 

aus der Serie Old Baggy Root, 2018/19 © Megan Rooney

 

Doch je länger ich in das Gesicht mit den ausdrucksstarken Augen sehe, desto zweifelnder und verzweifelter wird sein wässriger Blick.

Der Hund unten sieht aus als käme er gerade ins Bild, den Betrachter bemerkend und anblickend, noch bevor sein durchscheinender Körper ganz getrocknet ist.

 

aus der Serie Old Baggy Root, 2018/19 © Megan Rooney

 

Beide Bilder - ohne nennenswerte Vorzeichnung spontan und verfließend ausgeführt - stammen von der kanadischen Künstlerin Megan Rooney. Immer wiederkehrend ist das Motiv des menschlichen und tierischen Kopfes und Körpers, in den alle individuellen Erfahrungen unwiderruflich eingeschrieben sind.

Erzeugen die vorherrschende Palette von blassen, warmen Farbtönen sowie die schwebenden Motive eine spielerische Leichtigkeit (vgl. Felix Kucher) oder überwiegt das Gefühl der Verletzlichkeit und Versehrtheit der Körper dieser eigentümlichen menschlichen und tierischen Individuen? (vgl. Presseinfo Ausstellung Düsseldorf)

 

Old Baggy Root, 2018/19 © Megan Rooney

Old Baggy Root, 2018/19 © Megan Rooney

 

Auch ihre großformatigen Wandmalereien sind durch eine schnelle rhythmische Herangehensweise gekennzeichnet. Dabei verfolgt die Künstlerin oft keinen genauen Plan, sondern geht ohne Vorzeichnung oder Modell vor, beim Malrozess das volle Risiko eingehend. Megan Rooney sagt selbst, dass der Akt der Malerei etwas sei, das Energie freisetzt und es ein Glück sei, malen zu können.

Die aufstrebende Künstlerin arbeitet medienübergreifend mit Malerei, Installation, Performance, Tanz und Sprache. In ihrer künstlerischen Praxis bewältigt sie die gesamte Bandbreite von kleinformatiger intimer figurativer Malerei bis hin zu monumentaler abstrakter Malerei. Sie geht meist auf den zu gestaltenden Ausstellungsort ein und verknüpft die einzelnen Malereien und Objekte zu raumgreifenden Gesamtinszenierungen.

Zurzeit werden mehrere Porträts im Kunsthaus Kollitsch (Klagenfurt/A) sowie großformatige ungegenständliche Arbeiten im Ausstellungsraum Salts (Birsfelden/CH) gezeigt, im Juli 2020 wird eine Einzelpräsentationen im Salzburger Kunstverein (A) zu sehen sein, für die Megan Rooney als Artist-in-Residence den Großen Saal sowie die Ringgalerie gestaltet.

Megan Rooney (*1985, Kapstadt/Südafrika) hat an der University of Toronto und am Goldsmith College in London studiert. Sie lebt und arbeitet seit über zehn Jahren in London.

alle Bilder © Megan Rooney

 

Ausstellung, Installation, Malerei
21. August 2019 - 13:20

Hedy mit Postkarte, Foto Petra Hartl

Hedy mit Postkarte, Foto Petra Hartl

 

Die letzte Station meines Ausstellungsmarathons war die Punta della Dogana, neben dem Palazzo Grassi die zweite große Ausstellungsfläche der Stiftung Pinault: eine Oase der Ruhe an der äußersten Spitze der Halbinsel zwischen Canale Grande und Canale della Giudecca, im Stadtteil Dorsoduro. Auf der gegenüberliegenden Seite des Canale Grande befindet sich der belebte Markusplatz.

Das 1682 fertiggestellte Gebäude war bis in die 1980er Jahre ein Zollamt und damit untrennbar mit der Geschichte Venedigs verbunden. 2007 erhielt die Pinault-Collection den Zuschlag, das dreiecksförmige Gebäude in einen zeitgenössischen Kunstraum zu verwandeln. Die Restaurierung des imposanten Komplexes begann, und im Juni 2009 war die Punta della Dogana wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Sie präsentiert seitdem wechselnde Ausstellungen. Heuer ist "Luogo e Segni" zu sehen, in der über hundert Werke von 36 KünstlerInnen versammelt sind, die eine besondere Beziehung zu ihrem urbanen, sozialen, politischen, historischen und intellektuellen Umfeld herstellen.

Das Gebäude ist riesig und die Arbeiten - vor allem Konzeptkunst, Minimal Art, Videokunst - sind so großzügig präsentiert, dass es mir fast obszön erschien. Schon im Palazzo Grassi bei Luc Tuymans war ich erstaunt, wie viel Platz den Werken eingeräumt wurde.

Obwohl ich beim Durchstreifen der riesigen Räume schon erschöpft und kaum mehr aufnahmefähig war, entging mir dieser kleine Hundekunstschnipsel nicht: eine kleine Postkarte mit Hund, die zu dem 90teiligen Gemeinschaftswerk "Monotype Melody (Ninety Works for Marian Goodman)" von Tacita Dean und Julie Mehretu gehört.

Von diesen 90 Arbeiten sind in Venedig 25 gerahmte Postkarten und 25 gerahmte Monotypien zu sehen. Sie spiegeln die einzigartige Zusammenarbeit und den intensiven und fruchtbaren Dialog der langjährigen Freundinnen Tacita Dean und Julie Mehretu wider. Beide Künstlerinnen arbeiteten unabhängig voneinander in Los Angeles und New York an ihren Monotypien und entwickelten ein Netz aus subtilen Referenzen und Verbindungen zwischen den einzelnen Arbeiten. In Venedig werden die Werke der einen zwischen den Werken der anderen präsentiert, es entsteht ein Puzzle aus schwarz-weißen Monotypien und farbig überarbeiteten Postkarten, eine rhythmische Verflechtung, die man beim Ausstellungsbesuch in ihrer Gesamtheit wahrnehmen kann.

 

Werktitel, Foto Petra Hartl

Installationsansicht Tacita Dean und Julie Merhetu, Foto Petra Hartl

Installationsansicht Tacita Dean und Julie Merhetu, Foto Petra Hartl

Tacita Dean, Found Postcard, Monoprint (Finger), 2018, Foto Petra Hartl

Postkarte, Foto Petra Hartl

 

Tacita Dean hat mit alten gefundenen Postkarten gearbeitet, auf die sie mit Tinte kleine Ergänzungen eingetragen oder Überarbeitungen durchgeführt hat.

Obwohl sie auch fotografiert und zeichnet, ist Tacita Dean (1965, Canterbury/UK) vor allem für ihre 16mm-Filme bekannt, in denen sie sich besonders mit historischen oder fiktiven Geschichten beschäftigt. Wiederkehrende Themen in ihrer Arbeit sind die Begriffe Zeit und Erinnerung - einschließlich des analogen Gedächtnisses des Films und der Herausforderungen seiner Erhaltung/Konservierung.

Julie Mehretu (*1970 in Äthiopien) malt und zeichnet seit fast 20 Jahren an zumeist großformatigen, gestischen Gemälden, die aus mehreren Schichten unterschiedlicher Materialien (Acrylfarbe, Bleistift, Feder, Tinte) bestehen.

 

Ausstellung, Grafik, Installation, Malerei
10. August 2019 - 12:14

Liliana Moro, Anemos, 2019
Foto von hier

 

Der große italienische Pavillon befindet sich fast am Ende des Arsenale-Geländes und kann über mehrere Eingänge betreten werden. Der Kurator Milovan Farronato zeigt hier in einer sehr speziellen Ausstellungsarchitektur zwei Künstlerinnen - Liliana Moro und Chiara Fumai - und einen Künstler - Enrico David.

Das labyrinthische Ausstellungskonzept ist von Italo Calvinos Essay "Die Herausforderung an das Labyrinth" von 1962 inspiriert. Der Kurator wollte damit die Komplexität der modernen Welt widerspiegeln, in der es keine traditionellen Bezugspunkte mehr gibt, keinen Anfang und kein Ende, keine lineare, umfassende Erzählung. Es soll der Komplexität und Fülle von Interpretationsmöglichkeiten gerecht werden.

Als sehr systematischer Mensch habe ich dieses Labyrinth als wahres Wege-Spiegel-Paravent-Vorhang-Durcheinander empfunden. Da ich nichts übersehen wollte, war ich mehr darauf konzentriert alles vollständig abzuschreiten, als die Kunst anzusehen: Die Präsentation hat für mich die Kunst überlagert. Wahrscheinlich bräuchte es einen intuitiveren Charakter als mich, um hier Erkenntnis zu gewinnen.

Ich beschränke mich in der Folge auf die Beschreibung eines Werkes von Liliana Moro (*1961, Mailand/Italien). Als Künstlerin verwebt sie architektonische Interventionen mit Soundarbeiten. Ihre Skulpturen und Installationen werden als luzide, kraftvoll, entschieden und kompromisslos beschrieben.

Im Pavillon sind Arbeiten ihrer letzten 30 Jahre ausgestellt, sowohl frühe als auch neue, noch nie gezeigte. Da die Stellwände des Ausstellungsdisplays unterschiedlich hoch sind, kann man in andere Labyrinthgänge hinübersehen und so neue Interpretationen durch die Nähe zu anderen Werken, neue mögliche Bedeutungen zwischen ihren Arbeiten und denen der beiden anderen Künstler herstellen. Diese Kommunikation der Werke untereinander - je nach Blickwinkel im Labyrinth - soll die Unmöglichkeit verdeutlichen, eindeutige, vorhersagbare Zusammenhänge herzustellen.

Liliana Moro arbeitet mit verschiedenen Materialien und in verschiedenen Maßstäben. Ihre klare und präzise Herangehensweise führt zur Schaffung scheinbar einfacher Gesten, die aus diesem Grund für eine Vielzahl unterschiedlicher Interpretationen offen sind. Eine dieser Gesten zeigt die Arbeit "Anemos" von 2019, eine Hundeskulptur aus silbern glasierter Keramik auf einem Metallblech mit Sockel.

Wie bereits erwähnt, kann der Pavillon durch vier Ein- bzw. Ausgänge betreten werden. Das letzte Werk, bevor ich "meinen" Ausgang fand, war eben dieses "Anemos".

 

Liliana Moro, Anemos, 2019, Foto Petra Hartl

Liliana Moro, Anemos, 2019, Foto Petra Hartl

 

Ein Hund schaut auf ein hinunterfallendes Blatt, gleichzeitig versucht er es wiederzuerlangen und mit seinem Körper im Gleichgewicht zu bleiben. Die Arbeit, deren griechischer Titel "den Wind betreffend", "Lufthauch" aber auch "Leidenschaft" und "Unsicherheit" bedeutet, verewigt einen Moment des Fallens und des Verlustes, der die unvermeidliche Transformation und Vergänglichkeit sozialer Werte in historischen Epochen widerspiegelt (soweit der kleine Folder zum italienischen Pavillon).

 

Liliana Moro, Anemos, 2019, Foto Petra Hartl

 

Wir sehen also ein sehr poetisches Werk, aber wir sehen es nicht ohne hinaufzuschauen. Liliana Moro nützt die Höhe des Ausstellungsraums, indem sie die Hundeskulptur auf einem mehrere Meter hohen Sockel positioniert, der Betrachter muss sich zum Hund hinaufwenden, um dessen prekäre Situation erleben zu können.

Als ich mich in das Werk Moros eingelesen habe, bin ich auch auf ihre Arbeit "Underdog" (2005) aufmerksam geworden, die ich hier gerne ergänzend zeigen möchte.

 

Liliana Moro, Underdog, 2005

Liliana Moro, Underdog, 2005

 

Die Fotos sind von der Biennale 4 in Thessaloniki, wo die Arbeit 2013 gezeigt wurde.

Im Ausstellungsraum sind Bronzeskulpturen von fünf Hunden in unterschiedlichen Positionen und Rollen angeordnet. Einer wacht mit angespannten Muskeln; zwei andere kämpfen miteinander; einer heult triumphierend, während ein anderer ermattet und erschöpft - vielleicht auch tot - am Boden liegt. Die Tiere scheinen Wachsamkeit, Angriff/Kampf, Siegestaumel und Niederlage zu verkörpern. Die freudige Erregung des Gewinners wird ebenso dargestellt wie die unvermeidliche Anwesenheit des Unterlegenen.

Das verwendete Material ist für Liliana Moro immer sehr wichtig, bei "Underdog" ist es Bronze. Sie selbst beschreibt das Material als wichtig in einem politischen Kontext, Bronze sei ein traditionelles Material, das den Bezug zu großen repräsentativen Monumenten und Denkmälern von Herrschern und Helden herstellt. (vgl. hier)

Die Arbeit wirft Fragen auf und lässt viele Interpretationen zu: Der "Underdog" kann ein Individuum (ob Hund oder Mensch) sein, von dem wir erwarten, dass es in verschiedenen Konfrontationen und Wettbewerben, von existenziellen, politischen bis zu sportlichen, verliert. Es kann aber auch um eine Gruppe, die Verlierer der Gesellschaft, gehen, darum, wer sie sind und wie sie gesehen werden.

Warum muss Kontakt zu einem Konflikt werden, der Verlierer und Sieger hervorbringt? Was gewinnt oder verliert man? Was führt zum Umkippen dieser Rollen?

In jedem Fall können die Skulpturen auch als fünf "Phasen" im Leben eines einzelnen Individuums angesehen werden: Jede Figur ist sowohl Opfer als auch Angreifer, Verlierer als auch Gewinner, beides gehört zum Kreislauf des Lebens.

Milovan Farronato, der Kurator des italienischen Biennale-Pavillons, hat sich bereits 2006 mit "Underdog" auseinandergesetzt. Sie können seine Überlegungen hier auszugsweise nachlesen und vielleicht auch nachvollziehen.

Liliana Moro lebt und arbeitet in Mailand. Nach ihrem Studium war sie gegen Ende der 1980er Jahre Mitbegründerin eines alternativen Ausstellungsraumes, der das kulturelle Klima Mailands belebte. Schon zu Beginn ihrer künstlerischen Tätigkeit erlangte die Künstlerin mit einer Einladung zur Documenta IX (1992) und zur Biennale von Venedig (1993) wichtige Anerkennung.

Quellen: neben dem offiziellen Biennale-Führer vor allem The Bag. Biennale Art Guide 2019, S 81ff

Ein paar einleitende Worte zu meinem Besuch auf der Biennale können Sie bei meinem Blog-Beitrag zu Jimmie Durham lesen.

 

Ausstellung, Installation, Skulptur
4. August 2019 - 9:02

David Hammons, Bliz-aard Ball Sale, 1983. Performance view, Cooper Square, New Y
Foto von Artforum

 

Sie sehen oben den afroamerikanischen Künstler David Hammons (*1943 in Springfield, Illinois/USA) bei der künstlerischen Arbeit und zwar bei seiner - in der Folge oft zitierten, aber wenig recherchierten - Aktion "Bliz-aard Ball Sale" von 1983, als er in New York quasi als Straßenhändler nach Größe aufgereihte Schneebälle an Passanten verkaufte.

Geprägt durch die Bürgerrechtsbewegung der 1960er und 1970er Jahre und verwurzelt in der schwarzen urbanen Kultur Amerikas, ist der Alltag auf den Straßen für David Hammons nicht nur eine wichtigste Inspirationsquelle, die Straße ist auch der Ort, an dem er bevorzugt künstlerisch agiert, um der Aufmerksamkeit durch Kritiker, Galerien und Museen zu entgehen.

Hammons spricht in seinen Werken immer wieder politische, soziale und ökonomische Missstände an und thematisiert Kulturstereotypen. Dabei verwendet er für seine Skulpturen und Installationen Fundgegenstände und billige Materialien, den Abfall des afroamerikanischen Lebens, und greift damit unter anderem auf Strategien der Arte Povera zurück. Ebenso steht er in der Tradition eines Marcel Duchamps, da er seine Fundobjekte zu Kunstwerken deklariert.

Obwohl er den Fokus immer mehr auf seine Kunst als auf seine Karriere gerichtet hat, gewann er in der Kunstwelt zunehmend an Bedeutung, 1992 nahm er z.B. an der Documenta IX teil.

Sicher fragen Sie sich inzwischen, was das mit der Biennale (wenig) oder gar mit Hunden (nichts) zu tun hat.

In der zentralen internationalen Ausstellung in den Giardini sind Malereien Henry Taylors (in einem Raum gemeinsam mit Arbeiten von George Condo, Julie Mehretu und Skulpturen von Nairy Baghramian) ausgestellt. Und Taylors Gemälde "Hammons meets a hyena on holiday" von 2016 basiert auf einem Foto, das Hammons bei der beschriebenen Schneeballverkaufs-Aktion zeigt.

 

Henry Taylor, Hammons meets a hyena on holiday, 2016, Foto von Nasher
Foto: Nasher. Museum of Art at Duke University
 

Ergänzt hat Taylor die Szene mit einer Hyäne, einer Moschee und der Jacke eines Weihnachtsmannes, um einen unverfrorenen, respektlosen Kulturmix zu erzeugen.

An dieser Textstelle habe ich, im festen Glauben daran, dass die Hyäne ein afrikanischer Wildhund sei, zur Sicherheit auf Wikipedia nachgelesen.

 

Die Hyänen werden innerhalb der Raubtiere trotz ihres hundeähnlichen Äußeren in die Katzenartigen eingeordnet, was durch Schädelmerkmale, insbesondere den Bau der Paukenhöhle, abgesichert ist.

 

Katzenartig! Ich habe mich entschieden weiterzuschreiben. Bitte verzeihen Sie mir diesen Lapsus, aber ich habe mit David Hammons und Henry Taylor zwei aufrichtige, empathische Künstler kennengelernt, die ich Ihnen - auch ohne Hundebezug - vorstellen will.

Besonders Taylors Malerei, die die Lebenswelten ganz unterschiedlicher Menschen darstellt, wird international bewundert. Als ehemaliger Pfleger in einer psychiatrischen Einrichtung porträtiert er zehn Jahre lang dort lebende Patienten, er malt seine Familie und Freunde, malt Fremde, Mittellose ebenso wie Erfolgreiche, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Opfer von Polizeigewalt und politisch inspirierte Gruppenszenen, die unterschiedliche Geographien und Geschichten, Persönliches und Kollektives zusammenführen. Häufig verwendet er – wie in diesem Beispiel – kunsthistorische Referenzen.

Taylor malt Alltägliches mit präzisem Blick für Ungleichheit und Ungerechtigkeit, für Unsicherheit und Ungeheuerlichkeit des afroamerikanischen Lebens. Dabei ist er mehr als ein Porträtist des Alltags. Er untersucht, was entsteht, wenn Schwarze im Zentrum der Leinwand und im Mittelpunkt der Gesellschaft stehen, und setzt damit ein Zeichen für die schwarze Kultur der Gegenwart.

Henry Taylor (* 1958 in Ventura, Kalifornien/ USA) lebt und arbeitet in Los Angeles.

Quellen zu David Hammons: Wikipedia, Kunsthalle Basel, The MT Press

Quellen zu Henry Taylor: neben dem offiziellen Biennale-Führer vor allem Interview Magazine, Galerie Eva Presenhuber

Ein paar einleitende Worte zu meinem Besuch auf der Biennale können Sie bei meinem Blog-Beitrag zu Jimmie Durham lesen.

 

18. September 2018 - 12:00

Aline Bouvy, Strategy of non cooperation 1, 2015 © Aline Bouvy und Albert Baroni

 

Aline Bouvy lässt sich in ihrer künstlerischen Arbeit von den Dingen in ihrer unmittelbaren Umgebung und ihrem Alltag inspirieren. Bei der 2016 in Brüssel gezeigten Ausstellung "Urine Mate" bildeten wilde Gräser, streunende Hunde und nackte Männer die Motive.

 

Aline Bouvy, Urine Mate 2, 2016 © Aline Bouvy und Albert Baronian Galerie, Brüss

 

In dieser Ausstellung kombinierte Aline Bouvy große Linolplatten und Fotos von blassen, verschwommenen männlichen Körpern, die hinter einem Schleier wilder, rauer und widerstandsfähiger Pflanzen verborgen waren. Jedes Foto zeigte eine andere Pflanzenart, die die Künstlerin aus den Brüsseler Stadtbrachen ausgewählt hatte.

 

Aline Bouvy, Urine Mate, Ausstellungsansicht © Aline Bouvy und Albert Baronian G

 

Unter und neben den Linoleumpaneelen kauerten die Hundereliefs. In den großen Galerieräumen wirkten die Tiere klein, einsam und verloren. Die Reliefs zeigten schlafende und kopulierende Hunde und eine vom Stillen ausgemergelte Hündin mit schmalem Kopf. Ein Hund mit geschlossenen Augen schien ganz traurig zu sein: Wie Tränen oder Regentropfen war ihm eine lineare Struktur ins Gesicht geschrieben. Analog zu den unkultivierten Pflanzen der Stadtränder liegt die Assoziation zu streunenden Hunden nahe, die der städtische Kontext hervorbringt.

Folgt man dem Pressetext auf der Homepage der Galerie Albert Baronian, dann geht Aline Bouvy Fragen nach gesellschaftlichen Normen, Werten, Moral und ästhetischer Akzeptanz nach. Sie hinterfragt sowohl unsere Normen als auch die Bilder, die von diesen Normen bestimmt sind und versucht die "schmutzigen" und "hässlichen" Elemente in ihren kreativen Prozess zu integrieren, um sich von jeder Kategorisierung zu befreien.

Das Hässliche und Schmutzige wird in der Ausstellung durch Urin, Hunde und Pflanzen repräsentiert. Sie sind die störenden, unerwünschten Elemente der Gesellschaft, das Nutzlose, der Müll. Menschliche Ausscheidung, Hunde wie Müll ausgesetzt und weggeworfen, Pflanzen, als Unkraut wertloser Bewuchs.

 

Aline Bouvy, Urine Mate, Ausstellungsansicht © Aline Bouvy und Albert Baronian G

 

Die Künstlerin zeigt uns aber die Schönheit dieser Pflanzen und die Emotionalität der Hunde. Mit zarter Farbigkeit und einer strengen Ästhetik hinterfragt sie etablierte Hierarchien von Macht und patriarchalen Systemen, ändert sie unsere Sicht auf das, was sauber oder schmutzig ist, auch die Sicht auf unsere eigenen Abfälle, wie zum Beispiel Urin.

Der Titel der Ausstellung "Urine Mate" bezieht sich auf eine Form des männlichen Alltagslebens. Aline Bouvy eignet sich diesen Begriff nicht nur an, sie spielt auch mit dem ähnlichen Klang von “Urine Mate” und “Urine Made”. Zwei Fotografien in der Ausstellung zeigen abstrakte Gipsskulpturen aus der Werkstatt der Künstlerin. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann sind die beiden Skulpturen aus Gips und dem Urin der Künstlerin hergestellt. Das Spiel mit Worten und deren unterschiedlicher Bedeutung zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk der mehrsprachig aufgewachsenen Künstlerin.

Aline Bouvy, Urine Mate 5, 2016 © Aline Bouvy und Albert Baronian Galerie, Brüss

Aline Bouvy, Urine Mate, Ausstellungsansicht © Aline Bouvy und Albert Baronian G

Aline Bouvy, Strategy of non cooperation 2, 2015 © Aline Bouvy und Albert Baroni

Aline Bouvy, Strategy of non cooperation 7, 2015 © Aline Bouvy und Albert Baroni

Aline Bouvy, Strategy of non cooperation 3, 2015 © Aline Bouvy und Albert Baroni

Aline Bouvy, Strategy of non cooperation 4, 2015 © Aline Bouvy und Albert Baroni

Aline Bouvy, Urine Mate 8 (collaboration with Alexandre Demenditte), 2015 © Alin

 

Aline Bouvy (*1974 in Brüssel/B) lebt und arbeitet in Luxemburg und Brüssel. Nach Jahren der Zusammenarbeit mit John Gillis arbeitet sie ab 2014 alleine. Ihre Arbeit wurde bereits in vielen Einzel- und Gruppenausstellungen in Europa und den USA gezeigt.

Aline Bouvy wird von den Galerien Albert Baronian, Brüssel, und Nosbaum Reding, Luxemburg, vertreten.

alle Fotos © Aline Bouvy und Galerie Albert Baronian

 

Fotografie, Installation, Skulptur
6. Oktober 2016 - 10:18

Ausstellungsdetail Charlemagne Palestine. GesammttkkunnsttMeshuggahhLaandtttt, F

 

Was Sie oben sehen, ist keine Bühnenansicht nach einem Justin-Bieber-Konzert, sondern Teil einer Ausstellung von Charlemagne Palestine, die 2015 in Wien stattfand. Ich bin voriges Jahr nicht dazugekommen darüber zu schreiben, habe mich aber im Zusammenhang mit den gemalten Stofftieren von Peter Jones daran erinnert. Deswegen hier ganz unaktuell ein paar Installationsansichten. Die Hunde müssen Sie selber suchen!

Palestine Charlemagne ist einer, der den Verlust von Stofftieren der Kindheit nicht nur beklagt, sondern diese Erfahrung künstlerisch umsetzt. Seine Mutter hat ihm vor der Bar-Mizwa sämtliche Stofftiere - seine plüschigen Freunde und Begleiter - weggenommen, nicht ahnend, dass für ihn damit eine Obsession beginnen sollte, die das Stofftier zu einem Zentrum seines künstlerischen Schaffens machte.

 

Porträt Charlemagne Palestine, 2012, Foto: Agnès Gania
Porträt Charlemagne Palestine, 2012, Foto: Agnès Gania

 

Die meisten Plüschtiere, die Charlemagne Palestine in seine Arbeiten integriert, stammen aus Secondhand-Läden oder - wie der Künstler sagt - aus "Waisenhäusern". Ihre Tragik liegt darin, dass sie für Kinder als "Übergangsobjekte" zuerst gekauft wurden, um dann unvermittelt wieder enrsorgt zu werden. Die derart Verstoßenen - es sind "Wesen mit Ausdruck" und "mit Traurigkeit" - sollen durch Vergöttlichung zu "divine toys" von ihrem Schicksal als Kindheitsobjekte erlöst werden.

Palestine Charlemagne schreibt den divine toys lebendige Qualitäten zu, setzt sie mit schamanischen Totems oder göttlichen Figuren gleich. Einerseits überträgt er damit animistische Weltanschauungen und dazugehörige Praktiken auf die Konsumkultur (das Stofftier ist popkultureller Trash), andererseits integriert er primitivistische Elemente in seine urbane amerikanisch-jüdische Herkunft. Diese mythische Objektbeziehung weist sakrale Züge auf, die als soziales Phänomen mit den Begriffen Totemismus und Fetischismus beschrieben werden kann.

In der Ausstellung, die 2015 in der gläsernen Kunsthalle Wien am Karlsplatz stattfand, waren Charlemagnes Videoarbeiten, Installationen, Partituren, ein Bösendorfer-Flügel, vor allem aber seine Plüschtier-Skulpturen zu sehen, die aus einer Ansammlungen von schamanistisch aufgeladenen Plüsch- und Stofftieren in allen Farben, Größen, Formen bestanden. Von der Decke hingen kleine Fallschirme für Stofftiere.

Seit den 1970er Jahren arrangiert Charlemagne Palestine Plüschtiere auf seinem Flügel. Bei seinen Klavier-Performances sitzen und liegen sie wie auf einem Altar.

 

Ausstellungsansicht Charlemagne Palestine. GesammttkkunnsttMeshuggahhLaandtttt,
Ausstellungsansicht Charlemagne Palestine. GesammttkkunnsttMeshuggahhLaandtttt,
Kunsthalle Wien 2015, Foto: Maximilian Pramataro

 

Ebenso wie die die Arrangements auf dem Klavier, erinnern auch die Peluche Walls an sakrale Altäre, die den tierischen Gottheiten gewidmet sind. Durch die beidseitige Befestigung auf einem von einer hölzernen Struktur gehaltenen Gitter werden die ausrangierten Kuscheltiere zu schamanischen Totems.

 

Ausstellungsansicht Charlemagne Palestine. GesammttkkunnsttMeshuggahhLaandtttt,

Ausstellungsdetail Charlemagne Palestine. GesammttkkunnsttMeshuggahhLaandtttt, F

 

Seit Jahrzehnten nimmt Palestine Charlemagne einen roten Koffer auf seine Reisen mit, in dem er seine Stofftiere aufbewahrt. Für ihn sind sie seine Museen, seine Gottheiten, die er bei sich haben will und in seinen Performances künstlerisch überhöht. Auch die ausgestellten Koffer ähneln Altären, die er für die Tiere schafft, und zeugen von der Sakralisierung des Profanen. Das Reisen mit dem roten Köfferchen hat auch rituellen Charakter: So sind Entwurzelung, Ausgrenzung, aber auch das Festhalten an der Welt durch immer wiederkehrende Rituale wichtige Motive im Werk des Künstlers.

 

Ausstellungsdetail Charlemagne Palestine. GesammttkkunnsttMeshuggahhLaandtttt, F

Ausstellungsdetail Charlemagne Palestine. GesammttkkunnsttMeshuggahhLaandtttt, F

Ausstellungsdetail Charlemagne Palestine. GesammttkkunnsttMeshuggahhLaandtttt, F

Ausstellungsdetail Charlemagne Palestine. GesammttkkunnsttMeshuggahhLaandtttt, F

 

Die wiederholte Arbeit mit Teddybären erinnert nicht nur daran, dass der Teddybär 1902 in Brooklyn, Palestines Geburtsort, erfunden wurde, sondern impliziert auch eine Distanzierung des Künstlers von den akademischen, formalen und intellektuellen Tendenzen in der westlichen Kunst und Musik. Im Gegensatz zu den divine toys, die wie Ready Mades funktionieren, werden die Teddybären nach Maßgabe des Künstlers hergestellt.

 

Ausstellungsdetail Charlemagne Palestine. GesammttkkunnsttMeshuggahhLaandtttt, F

 

Charlemagne ist ein "Gesamtkünstler", der seit vierzig Jahren als Musiker, Komponist, Performer und bildender Künstler arbeitet. Es ist unmöglich, ihn einer Kategorie zuzuordnen, ist sein Werk doch bestimmt von Grenzüberschreitungen. Er beginnt sein künstlerisches Schaffen als Pionier der Minimal Music (verwendet für seine Kompositionen allerdings den Begriff "Maximalismus"). Später kommen Happenings dazu, in den 70er Jahren produziert er Videos von Performances (sehr ritualistisch und schamanistisch - dabei betet er zum Beispiel Teddybären an). In den folgenden drei Jahrzehnten schuf er Gemälde, Skulpturen und Installationen, die sich hauptsächlich um Plüschtiere drehen.

 

Ausstellungsansicht Charlemagne Palestine. GesammttkkunnsttMeshuggahhLaandtttt,
Ausstellungsansicht Charlemagne Palestine. GesammttkkunnsttMeshuggahhLaandtttt,
Kunsthalle Wien 2015, Foto: Maximilian Pramatarov

Charlemagne Palestine (geb. 1947 in New York) lebt und arbeitet in Brüssel. Seine künstlerischen Arbeiten wurden weltweit in öffentlichen und privaten Einrichtungen gezeigt.

Als Quelle für diesen Blogbeitrag habe ich die Homepage der Kunsthalle, die Pressetexte, das Booklet zur Ausstellung sowie die Berichterstattung in der Tagespresse (Der Standard, Kurier, Wiener Zeitung) herangezogen.

 

28. August 2016 - 19:30

Ausstellungsplakat Rester vivant

 

Wieder ein Blogbeitrag, der sich nur in meiner Vorstellung einfach anfühlte und bei dem ich mich immer mehr verzettelte. Und ein langwieriges Unterfangen: Ich wollte bloß über die Ausstellung "Michel Houellebecq. Rester vivant“ berichten, doch dann merkte ich, dass das unmöglich ist, ohne sein Buch "Die Möglichkeit einer Insel" (2005) gelesen zu haben, das in der Ausstellung zitiert wird.

Nach über zwanzig Jahren, damals hatte ich "Ausweitung der Kampfzone" gelesen, las ich also wieder etwas von Michel Houellebecq. Die letzten Jahre hatte ich sein Werk nur mehr am Rande über Debatten im Feuilleton wahrgenommen. Ich habe "Die Möglichkeit einer Insel" in den letzten Tagen während eines verregneten Slowenienurlaubs quasi in einem Zug durchgelesen und bin, nicht zuletzt auf Grund seines Humors, restlos begeistert.

 

Meine gegenwärtige Inkarnation verschlechtert sich; ich glaube nicht, daß sie noch lange währt. Ich weiß, daß ich bei meiner nächsten Inkarnation, meinen Gefährten wiedefinde, den kleinen Hund Fox. (Möglichkeit einer Insel S 9)

 

Das ist der erste Satz in Michel Houellebecqs Roman und bereits da taucht der kleine Hund Fox auf. Es gibt in der Sekundärliteratur lange Betrachtungen zur Bedeutung erster Sätze, aber gibt es einen besseren Grund weiterzulesen als diesen Anfang? Doch nicht nur am Beginn des Buches taucht der kleine Fox auf, mit ihm wird der Roman auch nahezu beendet. Auf der vorletzten Seite lässt Houellebecq Daniel25 (den 24. Klon von Daniel1) sagen:

 

Ich würde auf jeden Fall mein obskures Leben als verbesserter Affe so gut es ging fortsetzen, und ich bedauerte dabei nur zutiefst, daß ich den Tod von Fox verursacht hatte, dem einzigen Wesen, dem ich je begegnet war, das es verdient hätte zu überleben; denn in seinem Blick lag schon manchmal ein Funke, der die Ankunft der Zukünftigen ankündigte. (ebd S 442)

 

Eingerahmt durch diese Zitate entspinnt sich auf über 400 Seiten ein dystopischer Roman, der sich in vielerlei Hinsicht lesen lässt: behandelt er doch Themen wie das Altern (von Frau und Mann) und die damit einhergehende abnehmende erotische Attraktivität und sexuelle Potenz sowie die Unmöglichkeit der Liebe zwischen Mann und Frau. Doch die zweitausend Jahre, die im Roman verhandelt werden, zeigen auch die bedingungslose Liebe zwischen Hund und Mensch, die sowohl zwischen Daniel1 als auch Daniel25 und Fox besteht.

 

Ein kleiner rotbraun gefleckter weißer Hund mit spitzen Ohren, der höchstens drei Monate alt war, kroch auf sie zu - eine richtige Promenadenmischung. Sie bückte sich, nahm das Tier in die Arme und ging zum Auto zurück. So hielt Fox Einzug in unser Leben - und mit ihm die bedingungslose Liebe. (Daniel1, ebd S 64)

 

In den Romanen Michel Houellebecqs geht es meistens um Figuren, die dem Leben Momente des Glücks abringen wollen. Auch Daniel, der zynische und sexbesessene Protagonist in "Die Möglichkeit einer Insel", erfährt das Glück nur mit Fox.

 

Einen Monat Ferien mit meinem Hund: auf der Treppe einen Ball werfen, gemeinsam mit ihm am Strand entlangrennen. Leben. (Daniel1, ebd S 123)

 

Fox stirbt, was Michel Houellebecq lapidar und ergreifend, lakonisch und zärtlich schildert.

Der US-amerikanischer Sänger Iggy Pop zählt den Roman zu den Inspirationsquellen seines 2009 erschienenen Albums "Préliminaires", das er für eine Dokumentation des Filmemachers Erik Lieshout mit dem Titel "Les Derniers Mots de Michel Houellebecq" aufnahm.

In einem Video erzählt uns der Musiker, dass sein Lieblingscharakter im Buch der kleine Fox war, in dem Pop seinen Hund Lucky wiedererkannte. Fox wurde zum Vorbild für "King Of The Dogs", in dem Fox erzählt, wie cool es ist ein Hund zu sein. Das traurigste Lied auf der Platte - "A Machine For Loving" - beschreibt den Tod von Fox mit den Worten aus Michel Houellebecqs Roman ins Englische übersetzt.

Eben dieser ergreifende Nachruf als Wandtext und Iggy Pops Song sind in der zur Zeit stattfindenden Ausstellung "Rester vivant" zu lesen bzw. zu hören.

Unten sehen Sie die Alltagsgegenstände eines Hundes, Spielzeugknochen, Plüschtiere etc. Sie befinden sich in einer Vitrine in einem holzgetäfelten Ausstellungsraum.

 

Ausstellungsvitrine Rester vivant, Foto von www.huffingtonpost.fr

Ausstellungsvitrine Rester vivant, Foto von www.huffingtonpost.fr

 

Der Hund, dem die Dinge gehörten, hieß Clement, starb 2011 und war der geliebte tierische Partner des französischen Schriftstellers. Um ihn und die bedingungslose Liebe, die die beiden verband, geht es in einem - autobiographischen - Teil der Ausstellung "Rester vivant" (Lebendig bleiben), der ersten großen Einzelausstellung von Michel Houellebecq (*1958) im Pariser Palais de Tokyo. Houellebecq hat die Ausstellung, von der Musik bis hin zur Farbe der Ausstellungsräume, zur Gänze selbst konzipiert, es ist eine Ausstellung von ihm und nicht über ihn.

Sie behandelt die aus seinen Büchern bekannten Themen anhand von Fotos, Video- und Tonaufnahmen und Objekten. Die Fotos hat Michel Houellebecq, der vor mehr als 20 Jahren die Fotografie für sich entdeckt hat, selbst aufgenommen. Sie sind in 21 Räumen zu verschiedenen thematischen Serien zusammengestellt und könnten als Visualisierungen seiner Romane gelesen werden, die um sein zentrales Thema, den schleichenden Niedergang der Moderne, den Zusammenbruch der westlichen Zivilisation, kreisen. Als solche sind sie Dokumentation und Kritik zugleich und zeigen triste Orte und verödete Landschaften, verfallende Gebäude, unbelebte Feriensiedlungen. Die Frauen sind seinen Protagonistinnen Esther (aus "Die Möglichkeit einer Insel") und Annabelle (aus "Plattform") nachempfunden.

Viele Fotos zeigen auch Aufnahmen aus dem Leben eines Pembroke Welsh Corgi, womit wir wieder bei Clement wären:

 

Clément in Irland vor den Cliffs Of Moher, Foto von derstandard.at

Clément, Foto von www.huffingtonpost.fr

Clément (2000-2011), Foto von www.huffingtonpost.fr

 

Clément in Irland, Clément auf einem Polster schlafend, Cléments Bild auf seinem Grabstein. Auf einigen Bildern ist auch Houellebecq selbst neben seinem Hund zu sehen, und er sieht darauf sehr glücklich und lebendig aus. Es gibt auch kleine zarte Aquarelle von Clément, die Marie-Pierre Gauthier, eine Freundin, gemalt hat. Eines zeigt nur das Auge von Clément.

 

Michel Houellebecq und Clément, Foto von www.huffingtonpost.fr

Aquarell von Marie-Pierre Gauthier, Foto von www.huffingtonpost.fr

Aquarell von Marie-Pierre Gauthier, Foto von www.huffingtonpost.fr

Aquarelle von Marie-Pierre Gauthier, Foto von www.huffingtonpost.fr

 

Der große Michel Houellebecq, der uns LeserInnen vor allem als präziser Literat und Mahner vertraut ist, zeigt uns mit dem Denkmal, das er seinem Hund Clément setzt, seine zärtliche und liebevolle Seite. Er betrauert öffentlich den Tod seines Hundes Clément. Und sagen Sie selbst: Sieht so ein Zyniker aus?

 

Michel Houellebecq und Clément, Foto von www.huffingtonpost.fr
 

Die Ausstellung "Michel Houellebecq. Rester vivant" im Palais de Tokyo in Paris ist noch bis zum 11. September 2016 zu sehen.

Quellen: Der Standard, Zeit, Spiegel, SRF, Le Huffington Post

Textausschnitte zitiert nach Michel Houellebecq: "Die Möglichkeit einer Insel", Köln, 2016. Aus dem Französischen von Uli Wittmann. Und zuletzt noch ein Gottesbeweis aus diesem Roman, dem auch ich etwas abgewinnen kann:

 

"Gott gibt es, ich bin reingetreten." anonym (ebd S 101)

 

31. Juli 2016 - 10:06

Ein besonders interessanter Künstler ist Aaron Li-Hill, der nicht nur großformatige Wandbilder anfertigt, sondern seine Malereien auch durch Hinzufügen von gefundenen Materialien zu Skulpturen bzw. raumgreifenden Installationen erweitert.

Der 1986 in Toronto geborene und in Brooklyn lebende Kanadier hat seine künstlerischen Wurzeln in der Graffiti- und Street-Art-Szene. Analog zur zunehmenden Komplexität unserer schnelllebigen Zeit, werden auch seine Arbeiten vielschichtiger und überschreiten die Grenzen von Graffiti, Grafik-Design, Malerei, Zeichnung und Skulptur.

Thematisch setzt er sich mit den Auswirkungen von Industrialisierung, Globalisierung und Kapitalismus auf Mensch und Tier auseinander. Mehr dazu entnehmen Sie bitte seinem Artist Statement.

Seine letzte Installation "Trap the Hunter" ist noch bis Oktober 2016 im Friedman-Mincer-Gebäude in Fort Smith in Arkansas/USA zu sehen. Die Fotos zeigen die Entwicklungsschritte der Arbeit. Ich habe sie von The People's Print Shop und hi-fructose.

 

Aaron Li-Hill, Trap the Hunter

 

Auf der Wand sind in der Bewegung gleichsam eingefrorene Kojoten zu sehen. Vielleicht ist es auch nur einer, der wie bei Eadweard Muybridge Bewegung simuliert.

 

Aaron Li-Hill, Trap the Hunter

Aaron Li-Hill, Trap the Hunter

 

Mit Aerosol fertigt er Zeichnungen und Schablonen an, die er dann ausschneidet. Die Holzstreifen erweitern die gezeichneten Linien in den Raum.

 

Aaron Li-Hill, Trap the Hunter

Aaron Li-Hill, Trap the Hunter

Aaron Li-Hill, Trap the Hunter

Aaron Li-Hill, Trap the Hunter

Aaron Li-Hill, Trap the Hunter

Aaron Li-Hill, Trap the Hunter

Aaron Li-Hill, Trap the Hunter

Aaron Li-Hill, Trap the Hunter

Aaron Li-Hill, Trap the Hunter

Aaron Li-Hill, Trap the Hunter

Aaron Li-Hill, Trap the Hunter

 

Wir sehen ein Rudel Kojoten, das ein flüchtendes Rehkitz jagt. Jäger und Gejagte sind aber nicht nur Metaphern für Mensch gegen Natur, sie zeigen vielmehr auch die Auswirkungen des fortgeschrittenen Kapitalismus auf Lebewesen und die Umwelt.
Die Arbeit zeigt, so Li-Hill:

the cycle they are both locked into and the human element that influences this struggle. The white chaotic flow of wood alludes to industry and the global human effect, driving an ever more dire situation within this cycle. (vgl. hier)

Und so sieht die fertige Installation aus:

 

Aaron Li-Hill, Trap the Hunter

 

Bereits 2015 hat sich Aaron Li-Hill in der C.A.V.E. Gallery in Los Angeles in der Ausstellung "Carbon" mit dem Kreislauf und den Zyklen des Lebens auseinandergesetzt. Der Titel erinnert daran, dass alle Materie aus Kohlenstoff besteht und zu Kohlenstoff zerfällt.

Li-Hill hat dafür zehn monochrome Arbeiten aus Graphit und Aerosol, einer Sprühfarbe, angefertigt, vier davon sehen Sie unten. In "Carbon" sind die Tiere nicht nur als Metaphern präsent, sondern auch wirklich gemeint. "Carbon", also Kohlenstoff, will unser Augenmerk darauf lenken, wie CO2-emittierende Industrien den Klimawandel verursachen und somit den Lebensraum der Tiere, Wölfe, Wildhunde, Grizzlybären etc., bedrohen.

Die Bilder sind von der Seite der C.A.V.E. Gallery. Dort finden Sie auch Angaben zur Größe und Technik.

 

Leap © Aaron Hill

 

Der Polarwolf ist eine Unterart des Wolfes und zählt zur Hundefamilie. Er lebt in unwirtlichen und menschenfeindlichen Gegenden und ist weitgehend unerforscht.

 

Constellations @ Aaron Li-Hill

 

Der afrikanische Wildhund ist der größte wild lebende Hund der afrikanischen Savanne.

 

Adapt @ Aaron Li-Hill

 

Der Mähnenwolf ist der größte Wildhund Südamerikas.

 

Search © Aaron Li-Hill

 

Der Grizzly ist natürlich ein Bär und hier, weil er so schön ist!

 

In unmittelbarer Nähe zur Galerie hat Li-Hill ein großes Wandbild eines Mähnenwolfs gesprüht. Die diagonalen Streifen, die zusätzlich zum Rhythmus der Hundebeine Dynamik erzeugen, sind durch aufgeklebtes und nach dem Sprühen entferntes Klebeband entstanden.

 

Li-Hill, Foto von chickenspeak

Li-Hill, Foto von chickenspeak
Fotos von ChickenSpeak

 

Li-Hill schloss sein Studium am Ontario College of Art und Design 2011 mit  einen BFA ab; er stellt international aus. Ein Interview mit ihm gibt es auf The People's Print Shop, eine Übersicht über sein Werk auf Global Street Art sowie natürlich auf Li-Hills Homepage (absolut sehenswert!).