Installation

25. Oktober 2022 - 13:30

Stationary Figures (2018) © William Wegman, NYC Transit 23 St station. Commissio

 

Am schwierigsten war es, den Hundeaugen Ausdruck zu verleihen. Doch auch diese Herausforderung hat die Mayer'sche Hofkunstanstalt in München, die die Fotografien des amerikanischen Künstlers William Wegman in Mosaike übersetzt hat, mit Bravour gelöst.

Der Mosaikhersteller interpretierte die für dieses Projekt entstandenen Fotografien, indem er die Mimik, die Hautbeschaffenheit und die Muster der farbenfrohen Kleidung der Hunde akribisch in ein Glasmosaik verwandelte. Der Herstellungsprozess dauerte sechs Monate.

 

Stationary Figures (2018) © William Wegman, NYC Transit 23 St station. Commissio
Foto: 6sqft

 

William Wegman hat für The Metropolitan Transportation Authority (MTA) in New York Entwürfe für elf überlebensgroße Mosaike, die "Stationary Figures" angefertigt, die für die U-Bahn-Station 23rd Street ausgeführt wurden. Die Mosaike sind Teil eines Programms, das öffentliche Kunst in die New Yorker U-Bahn bringt. (Zuvor wurden schon Projekte von Yoko Ono, Joyce Kozloff und Vic Muniz realisiert). Nach vier Monaten Renovierungszeit (Bahnsteigreparaturen und technische Modernisierung) wurde die Station mit den charmanten Hundeporträts, die Flo und Topper zeigen, wiedereröffnet.

 

Stationary Figures (2018) © William Wegman, NYC Transit 23 St station. Commissio

 

Die Station wird von fünf U-Bahn-Linien angefahren, sodass sich täglich Tausende Fahrgäste und Pendler an den wie Menschen dargestellten Hundefiguren erfreuen können. Die Hunde sind von Wegmans Weimaraner-Porträts inspiriert, für die Wegman seit Jahrzehnten bekannt ist, ja die inzwischen Ikonen der Kunst mit Hund sind.

Schon in den 1970er Jahren hat der Künstler seinen ersten Weimaraner adoptiert, den er Man Ray nannte. Der Welpe veranlasste den Künstler nicht nur dazu, sich der Fotografie zuzuwenden, sondern er inspirierte ihn auch zu seinen inszenierten Porträts von Kleidung tragenden Weimaranern.

 

Stationary Figures (2018) © William Wegman, NYC Transit 23 St station. Commissio

Stationary Figures (2018) © William Wegman, NYC Transit 23 St station. Commissio

Stationary Figures (2018) © William Wegman, NYC Transit 23 St station. Commissio

 

Wegman stellte die Hunde so dar, als wären sie alltägliche New Yorker Passagiere, die alleine oder in Gruppen auf die U-Bahn warten oder den Bahnsteig hinunterblicken: müde, gelangweilt, in Gedanken versunken. Mit dem trockenen Humor des Künstlers fotografiert, nehmen die Hunde menschliche Eigenschaften an. Die überlebensgroßen Mosaikhunde sind in kräftigen Farbblöcken angeordnet und kommunizieren mit den Pendlern.

 

Stationary Figures (2018) © William Wegman, NYC Transit 23 St station. Commissio

 

Manche sind "nackt", andere haben Straßenkleidung, einen glänzenden Regenmantel oder ein Flanellhemd an.

Über das Projekt sagte Wegman: "In einigen der Arbeiten sind die Hunde schmucklos, einfach nur Hunde, aber für andere wollte ich Porträts von alltäglichen Individuellen Charakteren schaffen, von Menschen, die man vielleicht neben sich auf dem Bahnsteig sieht. Deshalb zog ich den Hunden mehr oder weniger normale Kleidung an, nichts allzu Modisches".

 

Stationary Figures (2018) © William Wegman, NYC Transit 23 St station. Commissio

Stationary Figures (2018) © William Wegman, NYC Transit 23 St station. Commissio

Stationary Figures (2018) © William Wegman, NYC Transit 23 St station. Commissio

 

Ich wollte in meinem Blog eigentlich nie über William Wegman schreiben, da er schon seit Jahrzehnten der Künstler ist, dessen Arbeit mit Hunden assoziiert wird. Mir erschien er immer zu berühmt, als dass ich ihn Ihnen vorstellen wollte. Wegman ist sicher hauptverantwortlich dafür, dass das Motiv Hund in der Fotografie und bildenden Kunst aus der Kitsch-Ecke herauskam und dass viele KünstlerInnen zu seriöser Auseinandersetzung mit dem Hund angeregt wurden. Doch nun will ich eine Ausnahme machen. Obwohl die Mosaik-Serie schon 2018 fertiggestellt und bereits auf zahlreichen Kunstblogs im Internet vorgestellt wurde, hoffe ich, dass sie für einige von Ihnen dennoch neu ist.

Stationary Figures © William Wegman

 

Fotografie, Installation, Sonstiges
4. Oktober 2022 - 9:57

Presence of Animals, 2011 © Veikko Hirvimäki

 

"Presence of animals is important because they do not convert anything into money"

 

Als ich nach dem finnischen Künstler Veikko Hirvimäki gegoogelt habe, fand sich an erster Stelle ein Wikipedia-Eintrag zu einem anscheinend namensgleichen Künstler, der 1941 geboren war. Sein Vater war also auch schon Künstler, war mein erster Gedanke. Erst nach weiteren Recherchen merkte ich, dass es sich um "meinen" Veikko Hirvimäki handelt. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, dass diese formal (nicht inhaltlich) witzigen, heiteren Arbeiten von einem alten Mann stammen.

 

Veikko Hirvimäki vor seinem Werk Demonstration von 2016, Foto Angel Gil
Veikko Hirvimäki vor "Demonstration" von 2016, Foto: Angel Gil

 

Veikko Hirvimäki hat vor Jahrzehnten als Maler begonnen, wobei er in unterschiedlichen Stilrichtungen arbeitete. Er wandte sich dann der abstrakten Bronze- und Steinskulptur zu und arbeitete in den 1980er Jahren vor allem für den öffentlichen Raum in Helsinki. Erst mit der Jahrtausendwende begann er mit seinen ausdrucksstarken und liebenswerten Holzskulpturen, die ich Ihnen hier zeige.

Trotz ihres ernsten Themas strahlen seine Tierskulpturen Individualität, Wärme und skurrilen Humor aus. Er porträtiert Tiere, oft mit anthropomorphen Eigenschaften ausgestattet, als ob sie eine stumme Kritik an der menschlichen Dummheit und Hybris üben würden.

Folgende Überlegung des Künstlers geht der tierischen Werkgruppe voraus:

 

Since decades I woke up wondering if art for art was enough for me. I came to the conclusion that it should include an underneath message. A message which refers to the roots of man, to the time where he had no weapons to disrupt the state of nature.

When men went painting on the walls of caves, it was a ritual for asking and thanking nature. Here are our roots. Man became a dictator on our planet, starting to rule everything with artificial intelligence based on profit and destroying the equilibrium of nature for our consumers fever, our wellbeing and our comfort.

Animals in my work are messengers. They are at once demonstrators and revolutionaries who react against the destruction of NATURE.

This is why I call this ensemble Demonstration of Nature. (hier)

Seit Jahrzehnten frage ich mich, ob Kunst um der Kunst willen für mich genug ist. Ich kam zu dem Schluss, dass sie eine Botschaft enthalten sollte. Eine Botschaft, die sich auf die Wurzeln des Menschen bezieht, auf die Zeit, als er noch keine Waffen hatte, um den Zustand der Natur zu stören.

Als die Menschen an die Wände der Höhlen malten, war das ein Ritual, um die Natur zu bitten und ihr zu danken. Hier sind unsere Wurzeln. Der Mensch wurde zum Diktator auf unserem Planeten und begann, alles mit künstlicher Intelligenz zu regieren, basierend auf Profit und der Zerstörung des Gleichgewichts der Natur für unser Konsumfieber, unser Wohlbefinden und unseren Komfort.

Tiere sind in meiner Arbeit Boten. Sie sind gleichzeitig Demonstranten und Revolutionäre, die sich gegen die Zerstörung der NATUR wehren.

Deshalb nenne ich dieses Ensemble Demonstration der Natur. (übersetzt mit DeepL)

 

We need to talk, Detail, 2018 © Veikko Hirvimäki
We need to talk, 2018, Teil eines Triptychon

 

Hirvimäki wendet sich also dem Thema Natur und Tier zu und stellt seine Tierskulpturen zu Triptychen, aber auch zu rudelartigen Installationen zusammen. Wölfe, Füchse, Elche, Vögel und Reptilien erinnern uns an die Verwundbarkeit der Natur und daran, dass der Mensch ehemals Teil der ihn umgebenden Natur war, mit den Jahreszeiten und Tieren koexistierte.

Wenn seine Tiere jetzt "demonstrieren", dann deshalb, weil ihr Lebensraum in Gefahr ist. "We need to talk", fordert uns der Wolf auf, während er den menschlichen Galerieraum durchbricht. Er symbolisiert nicht die mehr die Wildnis, sondern deren Gefährdung; erhebt seine Stimme, um eine gemeinsame Lösung zu finden und uns zum Handeln aufzurufen.

Die Skulpturen, die direkt an den Wänden angebracht sind, erinnern nur im ersten Moment an Jagdtrophäen, denn Hirvimäki stellt die Tiere ganz lebendig und spürbar präsent dar.
 

 

Demonstration, 2020 © Veikko Hirvimäki

 

Hirvimäkis Kunst drückt eine große Sorge über die Umweltkrise und die Zukunft unseres Planeten aus: Der Titel der Skulptur unten "On Thin Ice" kann als Verweis auf die riskante Lage der Menschheit und der Tierwelt interpretiert werden, die beide buchstäblich auf immer dünnerem Eis laufen.

 

On Thin Ice, 2017 © Veikko Hirvimäki

 

Seine Skulpturen erscheinen grob und unfertig, ihre Form folgt so weit wie möglich der Form des Holzes. Mit einer kleinen Axt bearbeitet, bleiben Äste, Unebenheiten und knorrige Strukturen sichtbar, ihre raue unbehandelte Oberfläche wird mit einer lebendigen Farbschicht überzogen. Das Holz erwacht in der Skulptur zu neuem Leben.

 

Smell of man I, 2015 © Veikko Hirvimäki

 

Schamanismus und Mythologie inspirieren seine Skulpturen. Auf den ersten Blick erinnern Hirvimäkis Werke an die finnisch-ugrische Volkstradition, doch scheint er in seinen Arbeiten Fragmente verschiedener Kulturen und Zeitabschnitte zu Bildern universeller Natur zu verbinden. Seine Werke sind erdig, mystisch und primitiv und vermitteln das Interesse des Künstlers an der Natur, ihrer Bedeutung und ihrer Erhaltung.

 

Man and wolf, 2021 © Veikko Hirvimäki

 

Die bizarren Kreaturen führen ein Eigenleben, zeigen und behaupten sich an ungewohnten Plätzen; ragen aus der Wand, recken sich auf dem Boden oder zeigen sich in bunter Verkleidung.

 

 

Grass snake nightmare, 2017 © Veikko Hirvimäki

Howling I, 2013 © Veikko Hirvimäki

Flight, 2011 © Veikko Hirvimäki

 

"Images of memory" nennt der Künstler seine Installationen, die er aus mehreren Einzelstücken an Wände drapiert und die seine Erinnerungen verkörpern.

"Song" besteht aus 24 Einzelobjekten bzw. Erinnerungsstücken: verkohlten Werkzeugteilen, einem Spielzeugauto sowie Utensilien, die nicht auf direkte Nutzanwendung abzuzielen scheinen. Er ergänzt diese Gegenstände mit Tieren, die sich auf der Wand winden oder sich einen Weg aus der Wand bahnen.

Urtümliches Material und zeitgenössische Form der Installation treffen hier aufeinander, Wie traditionelle Vanitas-Stillleben verkörpern die Erinnerungsbilder die Vergänglichkeit allen Seins und aller Materie.  (vgl. Dr. Sonja Lechner)

 

Song, 2011 © Veikko Hirvimäki

 

Um einen Eindruck von der Größe seiner Arbeiten zu bekommen, zeige ich Ihnen eine Ansicht der Ausstellung "Veikko's Wild Friends" in München, 2021.

 

Veikko Hirvimäki in der Galerie Stefan Vogdt, 2021

 

Veikko Hirvimäki (*1941 in Petäjävesi/Finnland) stellt europaweit aus. Seine Arbeiten sind in bedeutenden öffentlichen Sammlungen Finnlands vertreten. Hirvimäki lebt in Ballaigues, Schweiz, und verbringt die Sommermonate in seinem Atelier in der Nähe seines Elternhauses in Petäjävesi.

 

Quellen: Galerie Forsblom, Galerie Stefan Vogdt, Auszug aus der Rede der Kunsthistorikerin Dr. Sonja Lechner

 

Installation, Skulptur
17. Januar 2022 - 10:07

Car wash animals © Ricardo Passaporte

 

Das Werk des portugiesischen Künstlers Ricardo Passaporte wird mit der Pop Art in Verbindung gebracht. In Hinblick auf die Wahl seiner Themen ist diese Einschätzung richtig. Wie Andy Warhol, für den Motive wie Kühe, Dollarnoten, Prominente, Suppendosen etc. bei der Darstellung gleichwertig waren, verwendet auch Passaporte Motive der Werbung und Alltagsästhetik sowie Logos und Tiere in seinen Malereien und Installationen.

Oben sehen Sie ein gespraytes Bild, das in seiner letzten Ausstellung "Car Wash Animals" zu sehen war, bei der er verschiedene Tiere zeigte (Hunde, Papageien, Tiger). Als Vorlage wählte er Bilder aus, die er im Internet, in den Printmedien, in der Werbung und in Geschäften und Vitrinen gefunden hatte; ebenso eignete er sich Details von Straßenansichten auf Google Maps an.

Passaporte arbeitete zunächst als Graffiti-Künstler und wurde durch seine vom Discounter Lidl inspirierte Serie von Gemälden bekannt. (Beispiele zeige ich ganz unten). Er schuf auch Skulpturen und Installationen, die sich mit der Ästhetik und Allgegenwärtigkeit von Unternehmensmarken beschäftigten, von Footlocker über Tesco bis hin zur Westminster Kennel Club Dog Show.

Womit wir auf den Hund gekommen wären. Besser gesagt, auf die "Best In Show"!

Die Besten jeder Rasse bei der letzten Westminster Kennel Club Dog Show zeigte Passaporte 2021 in der Galerie Steve Turner in Los Angeles.

 

Babar, 2020 © Ricardo Passaporte

 

Während die gesprühten Porträts von Rumor, Flynn, King, Babar, Miss P und CJ einen einheitlichen blauen Hintergrund haben, ist jeder Hund eine spezifische, identifizierbare Rasse, eine "Marke", die um Popularität, "Likes" und Marktanteile kämpft. Den Hunden fehlen jedoch die üblichen "niedlichen" Eigenschaften, die mit Rassen und Hundeporträts assoziiert werden. Stattdessen hat Passaporte das Klischee durch eine neutrale Qualität ersetzt, die sowohl den Hund als auch den Betrachter von den erdrückenden Auswirkungen von Marketing, Werbung und Konsumismus befreit. (vgl. Steve Turner, übersetzt mit DeepL)

CJ, 2016 © Ricardo Passaporte

Flynn, 2018 © Ricardo Passaporte

King, 2019 © Ricardo Passaporte

Miss P, 2015 © Ricardo Passaporte

 

Rumor, 2017 © Ricardo Passaporte

 

Passaportes Arbeit hat nicht nur mit der Pop Art und deren Warenästhetik zu tun, sondern - durch die häufige Wahl von Sprühfarben - auch mit der Ästhetik der Graffiti-Künstler. Allerdings betont er, dass es einen Unterschied zwischen der künstlerischen Praxis für Galerien und seinen Graffitis gebe und dass seine Kunst keine Weiterentwicklung oder gar "Verbesserung" seiner Praxis als Graffiti-Künstler sei.

Er sprayt die Farbe aus einer gewissen Entfernung auf, was seinen Arbeiten weiches Aussehen und Unschärfe verleiht. Außerdem führt der Abstand zur Leinwand zu einer Unkontrollierbarkeit im Entstehungsprozess, woraus sich unbeabsichtigte Fehler ergeben: Der Raum für Zufall und Überraschung öffnet sich.

 

Best In Show. Installation view, Steve Turner, 2021

Best In Show. Installation view, Steve Turner, 2021

 

Mit der Tiermalerei begonnen hat Passaporte bereits 2020. Auf Mallorca fand seine Ausstellung mit dem wunderbaren Titel "If dogs don’t go to heaven, I want to go where they go", statt.

 

Untitled, 2020 © Ricardo Passaporte

Untitled, 2020 © Ricardo Passaporte

Super cute dog, 2020 © Ricardo Passaporte

6 50 pm, 2020 © Ricardo Passaporte

Good dog, 2020 © Ricardo Passaporte

Two baby poodles, 2020 © Ricardo Passaporte

 

Wie man unschwer an all seinen Arbeiten erkennen kann, ist für Ricardo nicht Brillanz, sondern unbeholfene Darstellung, das weitgehende Fehlen eines "guten" Geschmacks oder der akademischen Gebote von Perspektive und Komposition wesentlich. Er will bei der Kunstproduktion vielmehr Emotionen auf unmittelbare und reine Weise ausdrücken. Deshalb ist er auch von Dingen fasziniert, die auf unprätentiöse Weise entstanden sind wie naive Graffitis oder Kinderzeichnungen. Sein Ziel ist es, vollkommen frei zu malen/sprayen und dem Ergebnis unbekümmert gegenüberzustehen.

Er verwendet verschiedene Medien und Techniken, um zu seinen "naiven" Ergebnissen zu kommen. Seine künstlerische Sprache und Ästhetik sind die Folge eines sehr persönlichen und intimen Prozesses. Seine scheinbare Lockerheit ist darauf zurückzuführen, dass er sich zur Spontaneität zwingt und Raum für Fehler zulässt.

Group of dogs, 2020 © Ricardo Passaporte

Group of dogs, 2020 © Ricardo Passaporte

Poodle with blue background, 2019 © Ricardo Passaporte

Poodle with red background, 2020 © Ricardo Passaporte

 

Mit den Arbeiten zu Lidl wurde Ricardo Passaporte 2016 bekannt. Er setzte sich intensiv mit der Geschichte des Pop auseinander und unterstrich die sich entwickelnde Beziehung zwischen Kunst und Kommerz. Indem er sich diese Logos aneignete, sie abstrahierte und zu seiner persönlichen Sprache machte, unterbrach Passaporte die Beziehung zwischen Marke und Verbraucher.

 

Ausstellungsansicht Galeria Alegria, 2016
Ausstellungsansicht Galeria Alegria, 2016

Ausstellungsansicht Galeria Alegria, 2016

Ausstellungsansicht Ruttkowski;68, 2018
Ausstellungsansicht Ruttkowski;68, 2018

Ausstellungsansicht Ruttkowski;68, 2018

 

Ricardo Passaporte (*1987 in Lissabon/Portugal) lebt und arbeitet in Lissabon.

 

Installation, Malerei, Skulptur
27. Juni 2021 - 9:54

Together again, 2017 © Hayden Fowler

 

Sein Interesse an der Abkehr der Menschheit von der Natur begleitet den neuseeländischen Künstler Hayden Fowler seit seiner Kindheit. Der Wunsch, die Auswirkungen dieser Entfremdung zu erforschen, hat ihn für sein Studium und seine künstlerische Praxis motiviert. Hayden Fowler begann sein Studium der Biologie, Ökologie und Verhaltensforschung in seiner neuseeländischen Heimat, bevor er nach Sydney zur University of New South Wales Art & Design ging. In den folgenden sechs Jahren absolvierte er ein Studium der bildenden Kunst und begann, sich in der Kunstszene von Sydney zu etablieren. Er nutzt dabei seinen wissenschaftlichen Hintergrund für die Entwicklung seiner künstlerischen Projekte.

2018 absolvierte Hayden Fowler einen einjährigen Aufenthalt im Künstlerhaus Bethanien in Berlin, das sich der Förderung der zeitgenössischen bildenden Kunst widmet.

In seinen komplexen Installationen greift Fowler Ideen aus Biologie, Verhaltens- und Zukunftsforschung auf und schafft Versuchsanordnungen, die von Verlust, Hoffnung und der komplizierten, immer neu zu hinterfragenden Beziehung zwischen Mensch und Natur erzählen. Besonders geht er der Frage nach den kulturellen, spirituellen emotionalen und psychischen Auswirkungen des Artensterbens nach und erforscht, wie Umweltzerstörung ein Ausdruck des Verlusts unserer Beziehung zur Natur ist. Er setzt die Zerstörung der Umwelt mit der Degradierung der Kultur und der Denaturierung der Menschheit in Beziehung. Seine Arbeit und Forschung thematisiert die historischen Einflüsse, die dazu geführt haben ebenso, wie sie einen fiktiven Ausblick auf die Zukunft wagt.

Seine Praxis konzentriert sich auf die Schaffung detaillierter Sets und Dioramen, die Szenen von unberührten futuristischen Innenräumen bis hin zu postapokalyptischen Landschaften darstellen. In diesen aufwändigen Sets choreografiert er menschliche und tierische Subjekte. Methodisch verknüpft er innerhalb dieser fiktiven Räume verschiedene Medien, von Fotografie über Video bis hin zu Performance und Skulptur.

Zurzeit ist er mit einer Arbeit bei der Ausstellung "Ruhr Ding: Klima" vertreten. Ziel ist es, den durch theoretische, wissenschaftliche und journalistische Debatten geprägten Klimadiskurs, um künstlerische Sichtweisen zu ergänzen und zu erweitern. Auf dem Gelände der stillgelegten Zeche General Blumenthal in Recklinghausen legt Fowler eine künstliche Landschaft an. In einer geodätischen Kuppel - einem Gewölbe aus einer Vielzahl aneinandergefügter Dreiecke - sollen Pflanzenarten, die in der durch Schwerindustrie gezeichneten Region bereits ausgestorben sind, zu neuem Leben erwachen.

National und international bekannt wurde Hayden 2007 mit der Arbeit "Call of the Wild" bei der er sich ein Paar ausgestorbener Huia-Vögel über die gesamte Fläche seines Rückens tätowieren ließ. Bereits bei dieser Arbeit verschmolz seine Sorge über das zunehmende Aussterben von Pflanzen und Tieren mit seinem Bewusstsein für die Kraft der Performance-Kunst.

"Together Again" (2017) ist eine Virtual-Reality-Landschaftsinstallation und Live-Performance, die erstmals bei Performance Contemporary im Rahmen von Sydney Contemporary 2017, Carriageworks, Sydney, gezeigt wurde.

Die Beziehung zwischen Fowler und einem australischen Dingo wird nicht in seinem natürlichen Habitat, sondern im Kunstkontext gezeigt und erforscht.

 

 

Together again, 2017 © Hayden Fowler

 

Der Dingo (Canis lupus dingo) ist ein Haushund, der schon vor Jahrtausenden verwilderte und heute in vielen Teilen seines Verbreitungsgebietes, vor allem in Australien, vom Menschen völlig unabhängig lebt. Er ist eine einzigartige Spezies mit einer bedeutenden Geschichte und einem bedeutenden Platz innerhalb des australischen Imaginären.

 

Together again, 2017 © Hayden Fowler

 

Der Dingo und der Künstler besetzen während der vierstündigen Performance gemeinsam einen großen Käfig. Eine Virtual-Reality-Brille lässt Fowler in eine idyllische australische Landschaft eintauchen, während die Bewegungen des Dingos, der mit einem VR-Tracker ausgestattet ist, in die VR-Installation übertragen werden. So können Tier und Mensch in dieser digitalen Neuinterpretation der "Wildnis" "koexistieren".

 

Together again, 2017 © Hayden Fowler

 

Der Titel "Together Again“ täuscht über die Trennung zwischen der virtuellen Welt (eine generisch schöne australische Outback-Landschaft) und der physischen Realität des Raums der Ausstellung und der Performance hinweg. Während der Dingo, der einen VR-Tracker trägt, und der Mensch, der eine VR-Brille trägt, den Käfig physisch durchstreifen, werden ihre Bewegungen direkt in der virtuellen Welt abgebildet.

 

Together again, 2017 © Hayden Fowler

 

The project has developed out of my ongoing concern with the accelerating process of extinction and the relationship between environmental loss and the depletion of human culture and qualitative experience. In particular, the project explores desires for reunion with nature, in the face of the looming impossibilities of this in a near-future world. Research in the development of the project explores indigenous world views, animism, biophilia and the ‘indigenous mind’ (a trait argued to be innate to all humans, instinctively desiring a communal relationship with the rest of nature) as counters to dominant Western thinking.(Hayden Fowler, 2017)

"Das Projekt hat sich aus meiner anhaltenden Beschäftigung mit dem sich beschleunigenden Prozess des Aussterbens und der Beziehung zwischen dem Verlust der Umwelt und der Verarmung der menschlichen Kultur und qualitativen Erfahrung entwickelt. Insbesondere erforscht das Projekt die Sehnsucht nach einer Wiedervereinigung mit der Natur angesichts der sich abzeichnenden Unmöglichkeit einer solchen in einer Welt der nahen Zukunft. Die Forschung während der Entwicklung des Projekts erkundet indigene Weltanschauungen, Animismus, Biophilie und den 'indigenen Geist' (eine Eigenschaft, von der behauptet wird, dass sie allen Menschen angeboren ist, die instinktiv eine gemeinschaftliche Beziehung mit dem Rest der Natur anstreben) als Gegenpol zum dominanten westlichen Denken." (Hayden Fowler, 2017)

 

(Die Biophilie ist nach Erich Fromm die leidenschaftliche Liebe zum Leben und allem Lebendigen. Edward O. Wilson definiert die Biophilie als "the innate tendency to focus on life and lifelike processes" (vgl. Wikipedia). Seine Idee wird auch zum Ausgangspunkt umweltethischer Überlegungen wie der Conservation Ethic, nach der das Leben und die Artenvielfalt bewahrt und geschützt werden sollte. Ich nehme an, dass sich Hayden Fowler darauf bezieht.

Über seine Motivation zu "Together Again" sagt der Künstler, dass sich die Welt mit einem drohenden Tod des Alten konfrontiert sehe, sowohl in der menschlichen Kultur als auch in der Umwelt, wo die verzögerten Effekte der Moderne und die Beschleunigung der technologischen Industrialisierung zum Tragen kämen. Wir befänden uns an einem kritischen Kipppunkt der Auslöschung und des Verlustes unserer uralten Beziehungen und unserer physischen Erfahrung der Natur und insbesondere der Wildnis.

 

Together again, 2017 © Hayden Fowler

Together again, 2017 © Hayden Fowler

Together again, 2017 © Hayden Fowler

 

Fowlers Projekt wurde im März 2018 in der Zeitschrift Artlink vorgestellt. Im Editorial der Ausgabe stellt die Chefredakteurin Eve Sullivan einen Zusammenhang der Arbeit zu Barbara Creeds „Stray: Human-Animal Ethics in the Anthropocene“ her. Creed, die für ihren Beitrag zur Filmwissenschaft und zum feministischen Denken im Allgemeinen bekannt ist, hat in den letzten Jahren hat ihre Aufmerksamkeit auf das Leben nicht-menschlicher Tiere gerichtet und auf die vielfältigen Möglichkeiten, wie Menschen mit ihren nicht-menschlichen Verwandten umgehen, sie unterdrücken und von ihnen lernen können. Sie fordert gegenseitigen Respekt und Empathie, die darauf basieren, mit und nicht nur auf Tiere zu schauen.

In diesem Sinn kann man Fowlers Arbeit als künstlerische Übersetzung ihrer "Streuner-Ethik" - die Co-Abhängigkeit zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Tieren in Zeiten der Bedrohung und Verlassenheit - bezeichnen.

Wahrscheinlich ist Ihnen auch sofort Joseph Beuys und der Kojote eingefallen. Da heuer Beuys 100. Geburtstag wäre, ist sein Werk auch in vielen Ausstellungen gegenwärtig. Auch Susan Ballard geht bei ihrer Beschreibung von Fowlers Performence kurz auf Beuys ein. Ich folge den Ausführungen ihres Aufsatzes "Heading for trouble: Non-human futures in recent art".

Inmitten des Lärms und des Verkehrs einer Kunstmesse gibt es in diesem abgeschlossenen Raum bei Sydney Contemporary eine einzige, weich gepolsterte Plattform, auf der sich Mensch und Dingo gemeinsam aufhalten. Trotz und vielleicht gerade wegen der räumlichen Beschränkungen stehen der Künstler und das Tier eindeutig in einer Beziehung der Intimität. Joseph Beuys' kämpferisches Einsperren von Mensch und Kojote in einem Galerieraum für die Aktion "I Like America and America Likes Me" (1974) wird hier durch eine Beziehung des scheinbaren gegenseitigen Nutzens ersetzt, die durch sanfte Berührung und langsame Bewegung definiert ist. Der Käfig erscheint trostlos, aber die virtuelle Welt ist erfüllt von Farbe, Licht und der scheinbaren Pracht der Natur, die durch Dingoaugen imaginiert wird. Doch auch die Grenzen dieser Welt sind offensichtlich; nachdem immer wieder dieselben drei Kakadus vorbeifliegen, flacht das visionäre Erlebnis ab. Fowler befindet sich innerhalb dieses Endspiels der Natur, die durch die flachen Ebenen der Wiederholung als ausgedünnte, künstlich destillierte Erfahrung abgebildet wird. Der reduzierten Erfahrung wird der restaurative Trost der Mensch-Dingo-Beziehung mit artübergreifender Kommunikation entgegengesetzt, der den Weg nach vorne weist.

 

 

Together again, 2017 © Hayden Fowler

Together again, 2017 © Hayden Fowler

 

 

 

Diese Arbeit wurde im Garage Museum in Moskau mit einer russischen Landschaft und einem europäischen Wolf wiederholt. Die Zuschauer konnten das VR-Erlebnis über einen Monitor verfolgen, der Fowlers Live-Ansicht übertrug.

 

Together again, 2019 © Hayden Fowler

Together again, 2019 © Hayden Fowler

Together again, 2019 © Hayden Fowler

Together again, 2019 © Hayden Fowler

Together again, 2019 © Hayden Fowler

Together again, 2019 © Hayden Fowler

 

Auch mit  "Captive born" (2020) zeigt der Künstler eine poetische, ritualbasierte Performance, die die Zukunft neu imaginiert und modelliert und versucht historische und systemische Machtstrukturen aufzudecken und aufzubrechen. Bereits der Titel zeigt die Herrschaft des Menschen über das Tier, in Gefangenschaft geboren und zumeist gestorben.
 

 

Captive born, 2020 © Hayden Fowler

 

Ein australischer Dingo - als Exponent einer immer noch erinnerten Wildnis - ist in einem antiquierten Zoo-Gehege eingesperrt. Das Gehege verweist auf die jüngere Geschichte menschlicher Herrschaft und Expansion, symbolisiert durch botanische und zoologische Sammlungen, die verblasste Überbleibsel der Aufklärung sind. Isoliert in seinem konkreten Lebensraum, kommuniziert der Blick des Tieres einen Widerstand gegen die Unterwerfung.

 

Hayden Fowler (*1973 in Te Awamutu/ Neuseeland) lebt in Berlin und Sydney.

 

5. November 2020 - 20:27

Ein einschüchterndes und bedrohliches Wolfsrudel (aus 110 Stahlgussteilen mit einem Gewicht von je 280 kg) drang während der letzten Monate in die Mitte von Florenz vor, dort schien es einen Krieger anzugreifen, der schwach und machtlos wirkte.

Erschaffen und in Szene gesetzt hat dieses eindrucksvolle, raumgreifende und mit Spannung aufgeladene Werk der chinesische Künstler Liu Ruowang.

 

Die Wölfe kommen © Liu Ruowang, Foto Roberto Borghi

 

Ich habe in den letzten von Corona überschatteten Monaten oft an die Künstlerinnen und Künstler gedacht, die monatelang auf eine Ausstellung hinarbeiten, die dann durch die Schließung der Ausstellungsräume kaum jemand sieht. Mit diesem Problem ist Liu Ruowang nicht konfrontiert, da seine Installation im öffentlichen Raum steht und die Wölfe nicht nur mit der Architektur interagieren, sondern auch mit den BewohnerInnen kommunizieren. Damit erfüllen sie die explizite Absicht des Künstlers, die Kunst frei zugänglich in den Alltag zu bringen. Er will den EinwohnerInnen von Florenz, die vielleicht nicht in ein Museum gehen würden, seine Kunst nahebringen und sie allgemein für Kunst sensibilisieren.

 

Die Wölfe kommen © Liu Ruowang, Foto Lauretta Dimmik (Ausschnitt)

Die Wölfe kommen © Liu Ruowang, Foto Lorenzelli Arte

 

Und übersehen kann man diese monumentale Skulptureninstallation nicht, da sie zwei repräsentative Plätze einnimmt: Piazza Pitti und Piazza Santissima Annunziata. Die Wölfe stehen somit im Dialog mit zwei emblematischen Gebäuden der Renaissance, dem Filippo Brunelleschi zugeschriebenen Palazzo Pitti und seinem Ospedale degli Innocenti (Waisenhaus), bei dem er seine Auffassung von Raum, Proportionen und architektonischem Rhythmus zeigen konnte und das noch auf der Idee der Harmonie beruht. Diese Harmonie wird vorgeblich von den Wölfen gebrochen, deren Aggressivität, Zähigkeit und Stärke eine dramatische Spannung in die Ordnung der architektonischen Umgebung bringen.

 

Die Wölfe kommen © Liu Ruowang, Foto Uffizien

 

Der Verlust der Harmonie zwischen Mensch/Kultur und Natur und deren Auswirkungen auf die Menschheit und den Planeten ist der Aspekt, der dem gesamten Werk von Liu Ruowang zugrunde liegt. Das Wolfsrudel steht als Warnung an die Menschheit; sie sind Agitatoren des Gewissens, die darauf abzielen, bei denen, die ihnen begegnen, eine tiefe Beunruhigung hervorzurufen und sie zur Erkenntnis und zum Umdenken zu bringen.

Der Wolf hat eine diverse symbolische und mythologische Bedeutung. Er wird sowohl als ein aggressiver und bedrohlicher "Räuber" (Rotkäppchen) als auch als ein wohlwollendes soziales Tier (Romulus und Remus) gesehen. Der Wolf, der auch in Mitteleuropa wieder Fuß fasst, lässt wohl niemanden kalt. Manche sehen in ihm ein Raubtier, das getötet werden muss (erst gestern habe ich gelesen, dass der Wolf in Deutschland in das niedersächsische Jagdgesetz aufgenommen wird), bei anderen hat er nahezu einen Heiligenschein.

 

Die Wölfe kommen © Liu Ruowang, Foto Lorenzelli Arte

 

Liu Ruowang inszeniert die Wölfe nicht als "Räuber", die Installation reflektiert vielmehr über die räuberische Haltung und Aggressivität des Menschen gegenüber der Natur und Umwelt. Unsere heutige Zivilisation wird vom wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt und dessen Exzessen beherrscht, gerät nicht nur in Konflikt mit der Natur, sondern beherrscht und zerstört sie.

 

Die Wölfe kommen © Liu Ruowang, Foto Lorenzelli Arte

 

Auch ganz real sind der Wolf und andere Wildtiere bis in die Florentiner Boboli-Gärten vorgedrungen, ist das Wilde in die Zivilisation zurückgekehrt.

Die "Lupi in arrivo" allerdings haben nicht nur Florenz erobert, sie waren auch 2015 auf der Biennale in Venedig. In Deutschland kamen die Wölfe 2016 bis in die Eingangshalle der internationalen Kunstausstellung NordArt (Foto unten), von dort starteten sie ihre Europa- und Amerikatournee.

 

Die Wölfe kommen © Liu Ruowang, Foto NordArt, 2016

 

Liu Ruowang (*1977, Shaanxi Provinz/China) gehört zu den wichtigen zeitgenössischen Künstlern Chinas. Er hat an der China Central Academy of Fine Arts studiert, stellt weltweit aus, erhält zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Seine Werke - Skulpturen und Gemälde - sind im chinesischen kulturellen und historischen Kontext verwurzelt, er schöpft aber auch aus unserem gegenwärtigen Dasein und der westlichen Kultur. Immer geht für ihn die Geschichte des Menschen mit der Geschichte seiner Beziehung zur Natur einher.

Quellen: Lorenzelli Arte, Uffizien

 

Installation, Skulptur
15. Februar 2020 - 14:06

Wie ein tollpatschiger Welpe mit noch überdimensionierten Beinen und Pfoten schaut mich der orange-rosa-beigefarbene Hund fragend und ein bisschen traurig an.

 

aus der Serie Old Baggy Root, 2018/19 © Megan Rooney

 

Doch je länger ich in das Gesicht mit den ausdrucksstarken Augen sehe, desto zweifelnder und verzweifelter wird sein wässriger Blick.

Der Hund unten sieht aus als käme er gerade ins Bild, den Betrachter bemerkend und anblickend, noch bevor sein durchscheinender Körper ganz getrocknet ist.

 

aus der Serie Old Baggy Root, 2018/19 © Megan Rooney

 

Beide Bilder - ohne nennenswerte Vorzeichnung spontan und verfließend ausgeführt - stammen von der kanadischen Künstlerin Megan Rooney. Immer wiederkehrend ist das Motiv des menschlichen und tierischen Kopfes und Körpers, in den alle individuellen Erfahrungen unwiderruflich eingeschrieben sind.

Erzeugen die vorherrschende Palette von blassen, warmen Farbtönen sowie die schwebenden Motive eine spielerische Leichtigkeit (vgl. Felix Kucher) oder überwiegt das Gefühl der Verletzlichkeit und Versehrtheit der Körper dieser eigentümlichen menschlichen und tierischen Individuen? (vgl. Presseinfo Ausstellung Düsseldorf)

 

Old Baggy Root, 2018/19 © Megan Rooney

Old Baggy Root, 2018/19 © Megan Rooney

 

Auch ihre großformatigen Wandmalereien sind durch eine schnelle rhythmische Herangehensweise gekennzeichnet. Dabei verfolgt die Künstlerin oft keinen genauen Plan, sondern geht ohne Vorzeichnung oder Modell vor, beim Malrozess das volle Risiko eingehend. Megan Rooney sagt selbst, dass der Akt der Malerei etwas sei, das Energie freisetzt und es ein Glück sei, malen zu können.

Die aufstrebende Künstlerin arbeitet medienübergreifend mit Malerei, Installation, Performance, Tanz und Sprache. In ihrer künstlerischen Praxis bewältigt sie die gesamte Bandbreite von kleinformatiger intimer figurativer Malerei bis hin zu monumentaler abstrakter Malerei. Sie geht meist auf den zu gestaltenden Ausstellungsort ein und verknüpft die einzelnen Malereien und Objekte zu raumgreifenden Gesamtinszenierungen.

Zurzeit werden mehrere Porträts im Kunsthaus Kollitsch (Klagenfurt/A) sowie großformatige ungegenständliche Arbeiten im Ausstellungsraum Salts (Birsfelden/CH) gezeigt, im Juli 2020 wird eine Einzelpräsentationen im Salzburger Kunstverein (A) zu sehen sein, für die Megan Rooney als Artist-in-Residence den Großen Saal sowie die Ringgalerie gestaltet.

Megan Rooney (*1985, Kapstadt/Südafrika) hat an der University of Toronto und am Goldsmith College in London studiert. Sie lebt und arbeitet seit über zehn Jahren in London.

alle Bilder © Megan Rooney

 

Ausstellung, Installation, Malerei
21. August 2019 - 12:20

Hedy mit Postkarte, Foto Petra Hartl

Hedy mit Postkarte, Foto Petra Hartl

 

Die letzte Station meines Ausstellungsmarathons war die Punta della Dogana, neben dem Palazzo Grassi die zweite große Ausstellungsfläche der Stiftung Pinault: eine Oase der Ruhe an der äußersten Spitze der Halbinsel zwischen Canale Grande und Canale della Giudecca, im Stadtteil Dorsoduro. Auf der gegenüberliegenden Seite des Canale Grande befindet sich der belebte Markusplatz.

Das 1682 fertiggestellte Gebäude war bis in die 1980er Jahre ein Zollamt und damit untrennbar mit der Geschichte Venedigs verbunden. 2007 erhielt die Pinault-Collection den Zuschlag, das dreiecksförmige Gebäude in einen zeitgenössischen Kunstraum zu verwandeln. Die Restaurierung des imposanten Komplexes begann, und im Juni 2009 war die Punta della Dogana wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Sie präsentiert seitdem wechselnde Ausstellungen. Heuer ist "Luogo e Segni" zu sehen, in der über hundert Werke von 36 KünstlerInnen versammelt sind, die eine besondere Beziehung zu ihrem urbanen, sozialen, politischen, historischen und intellektuellen Umfeld herstellen.

Das Gebäude ist riesig und die Arbeiten - vor allem Konzeptkunst, Minimal Art, Videokunst - sind so großzügig präsentiert, dass es mir fast obszön erschien. Schon im Palazzo Grassi bei Luc Tuymans war ich erstaunt, wie viel Platz den Werken eingeräumt wurde.

Obwohl ich beim Durchstreifen der riesigen Räume schon erschöpft und kaum mehr aufnahmefähig war, entging mir dieser kleine Hundekunstschnipsel nicht: eine kleine Postkarte mit Hund, die zu dem 90teiligen Gemeinschaftswerk "Monotype Melody (Ninety Works for Marian Goodman)" von Tacita Dean und Julie Mehretu gehört.

Von diesen 90 Arbeiten sind in Venedig 25 gerahmte Postkarten und 25 gerahmte Monotypien zu sehen. Sie spiegeln die einzigartige Zusammenarbeit und den intensiven und fruchtbaren Dialog der langjährigen Freundinnen Tacita Dean und Julie Mehretu wider. Beide Künstlerinnen arbeiteten unabhängig voneinander in Los Angeles und New York an ihren Monotypien und entwickelten ein Netz aus subtilen Referenzen und Verbindungen zwischen den einzelnen Arbeiten. In Venedig werden die Werke der einen zwischen den Werken der anderen präsentiert, es entsteht ein Puzzle aus schwarz-weißen Monotypien und farbig überarbeiteten Postkarten, eine rhythmische Verflechtung, die man beim Ausstellungsbesuch in ihrer Gesamtheit wahrnehmen kann.

 

Werktitel, Foto Petra Hartl

Installationsansicht Tacita Dean und Julie Merhetu, Foto Petra Hartl

Installationsansicht Tacita Dean und Julie Merhetu, Foto Petra Hartl

Tacita Dean, Found Postcard, Monoprint (Finger), 2018, Foto Petra Hartl

Postkarte, Foto Petra Hartl

 

Tacita Dean hat mit alten gefundenen Postkarten gearbeitet, auf die sie mit Tinte kleine Ergänzungen eingetragen oder Überarbeitungen durchgeführt hat.

Obwohl sie auch fotografiert und zeichnet, ist Tacita Dean (1965, Canterbury/UK) vor allem für ihre 16mm-Filme bekannt, in denen sie sich besonders mit historischen oder fiktiven Geschichten beschäftigt. Wiederkehrende Themen in ihrer Arbeit sind die Begriffe Zeit und Erinnerung - einschließlich des analogen Gedächtnisses des Films und der Herausforderungen seiner Erhaltung/Konservierung.

Julie Mehretu (*1970 in Äthiopien) malt und zeichnet seit fast 20 Jahren an zumeist großformatigen, gestischen Gemälden, die aus mehreren Schichten unterschiedlicher Materialien (Acrylfarbe, Bleistift, Feder, Tinte) bestehen.

 

Ausstellung, Grafik, Installation, Malerei
10. August 2019 - 11:14

Liliana Moro, Anemos, 2019
Foto von hier

 

Der große italienische Pavillon befindet sich fast am Ende des Arsenale-Geländes und kann über mehrere Eingänge betreten werden. Der Kurator Milovan Farronato zeigt hier in einer sehr speziellen Ausstellungsarchitektur zwei Künstlerinnen - Liliana Moro und Chiara Fumai - und einen Künstler - Enrico David.

Das labyrinthische Ausstellungskonzept ist von Italo Calvinos Essay "Die Herausforderung an das Labyrinth" von 1962 inspiriert. Der Kurator wollte damit die Komplexität der modernen Welt widerspiegeln, in der es keine traditionellen Bezugspunkte mehr gibt, keinen Anfang und kein Ende, keine lineare, umfassende Erzählung. Es soll der Komplexität und Fülle von Interpretationsmöglichkeiten gerecht werden.

Als sehr systematischer Mensch habe ich dieses Labyrinth als wahres Wege-Spiegel-Paravent-Vorhang-Durcheinander empfunden. Da ich nichts übersehen wollte, war ich mehr darauf konzentriert alles vollständig abzuschreiten, als die Kunst anzusehen: Die Präsentation hat für mich die Kunst überlagert. Wahrscheinlich bräuchte es einen intuitiveren Charakter als mich, um hier Erkenntnis zu gewinnen.

Ich beschränke mich in der Folge auf die Beschreibung eines Werkes von Liliana Moro (*1961, Mailand/Italien). Als Künstlerin verwebt sie architektonische Interventionen mit Soundarbeiten. Ihre Skulpturen und Installationen werden als luzide, kraftvoll, entschieden und kompromisslos beschrieben.

Im Pavillon sind Arbeiten ihrer letzten 30 Jahre ausgestellt, sowohl frühe als auch neue, noch nie gezeigte. Da die Stellwände des Ausstellungsdisplays unterschiedlich hoch sind, kann man in andere Labyrinthgänge hinübersehen und so neue Interpretationen durch die Nähe zu anderen Werken, neue mögliche Bedeutungen zwischen ihren Arbeiten und denen der beiden anderen Künstler herstellen. Diese Kommunikation der Werke untereinander - je nach Blickwinkel im Labyrinth - soll die Unmöglichkeit verdeutlichen, eindeutige, vorhersagbare Zusammenhänge herzustellen.

Liliana Moro arbeitet mit verschiedenen Materialien und in verschiedenen Maßstäben. Ihre klare und präzise Herangehensweise führt zur Schaffung scheinbar einfacher Gesten, die aus diesem Grund für eine Vielzahl unterschiedlicher Interpretationen offen sind. Eine dieser Gesten zeigt die Arbeit "Anemos" von 2019, eine Hundeskulptur aus silbern glasierter Keramik auf einem Metallblech mit Sockel.

Wie bereits erwähnt, kann der Pavillon durch vier Ein- bzw. Ausgänge betreten werden. Das letzte Werk, bevor ich "meinen" Ausgang fand, war eben dieses "Anemos".

 

Liliana Moro, Anemos, 2019, Foto Petra Hartl

Liliana Moro, Anemos, 2019, Foto Petra Hartl

 

Ein Hund schaut auf ein hinunterfallendes Blatt, gleichzeitig versucht er es wiederzuerlangen und mit seinem Körper im Gleichgewicht zu bleiben. Die Arbeit, deren griechischer Titel "den Wind betreffend", "Lufthauch" aber auch "Leidenschaft" und "Unsicherheit" bedeutet, verewigt einen Moment des Fallens und des Verlustes, der die unvermeidliche Transformation und Vergänglichkeit sozialer Werte in historischen Epochen widerspiegelt (soweit der kleine Folder zum italienischen Pavillon).

 

Liliana Moro, Anemos, 2019, Foto Petra Hartl

 

Wir sehen also ein sehr poetisches Werk, aber wir sehen es nicht ohne hinaufzuschauen. Liliana Moro nützt die Höhe des Ausstellungsraums, indem sie die Hundeskulptur auf einem mehrere Meter hohen Sockel positioniert, der Betrachter muss sich zum Hund hinaufwenden, um dessen prekäre Situation erleben zu können.

Als ich mich in das Werk Moros eingelesen habe, bin ich auch auf ihre Arbeit "Underdog" (2005) aufmerksam geworden, die ich hier gerne ergänzend zeigen möchte.

 

Liliana Moro, Underdog, 2005

Liliana Moro, Underdog, 2005

 

Die Fotos sind von der Biennale 4 in Thessaloniki, wo die Arbeit 2013 gezeigt wurde.

Im Ausstellungsraum sind Bronzeskulpturen von fünf Hunden in unterschiedlichen Positionen und Rollen angeordnet. Einer wacht mit angespannten Muskeln; zwei andere kämpfen miteinander; einer heult triumphierend, während ein anderer ermattet und erschöpft - vielleicht auch tot - am Boden liegt. Die Tiere scheinen Wachsamkeit, Angriff/Kampf, Siegestaumel und Niederlage zu verkörpern. Die freudige Erregung des Gewinners wird ebenso dargestellt wie die unvermeidliche Anwesenheit des Unterlegenen.

Das verwendete Material ist für Liliana Moro immer sehr wichtig, bei "Underdog" ist es Bronze. Sie selbst beschreibt das Material als wichtig in einem politischen Kontext, Bronze sei ein traditionelles Material, das den Bezug zu großen repräsentativen Monumenten und Denkmälern von Herrschern und Helden herstellt. (vgl. hier)

Die Arbeit wirft Fragen auf und lässt viele Interpretationen zu: Der "Underdog" kann ein Individuum (ob Hund oder Mensch) sein, von dem wir erwarten, dass es in verschiedenen Konfrontationen und Wettbewerben, von existenziellen, politischen bis zu sportlichen, verliert. Es kann aber auch um eine Gruppe, die Verlierer der Gesellschaft, gehen, darum, wer sie sind und wie sie gesehen werden.

Warum muss Kontakt zu einem Konflikt werden, der Verlierer und Sieger hervorbringt? Was gewinnt oder verliert man? Was führt zum Umkippen dieser Rollen?

In jedem Fall können die Skulpturen auch als fünf "Phasen" im Leben eines einzelnen Individuums angesehen werden: Jede Figur ist sowohl Opfer als auch Angreifer, Verlierer als auch Gewinner, beides gehört zum Kreislauf des Lebens.

Milovan Farronato, der Kurator des italienischen Biennale-Pavillons, hat sich bereits 2006 mit "Underdog" auseinandergesetzt. Sie können seine Überlegungen hier auszugsweise nachlesen und vielleicht auch nachvollziehen.

Liliana Moro lebt und arbeitet in Mailand. Nach ihrem Studium war sie gegen Ende der 1980er Jahre Mitbegründerin eines alternativen Ausstellungsraumes, der das kulturelle Klima Mailands belebte. Schon zu Beginn ihrer künstlerischen Tätigkeit erlangte die Künstlerin mit einer Einladung zur Documenta IX (1992) und zur Biennale von Venedig (1993) wichtige Anerkennung.

Quellen: neben dem offiziellen Biennale-Führer vor allem The Bag. Biennale Art Guide 2019, S 81ff

Ein paar einleitende Worte zu meinem Besuch auf der Biennale können Sie bei meinem Blog-Beitrag zu Jimmie Durham lesen.

 

Ausstellung, Installation, Skulptur
4. August 2019 - 8:02

David Hammons, Bliz-aard Ball Sale, 1983. Performance view, Cooper Square, New Y
Foto von Artforum

 

Sie sehen oben den afroamerikanischen Künstler David Hammons (*1943 in Springfield, Illinois/USA) bei der künstlerischen Arbeit und zwar bei seiner - in der Folge oft zitierten, aber wenig recherchierten - Aktion "Bliz-aard Ball Sale" von 1983, als er in New York quasi als Straßenhändler nach Größe aufgereihte Schneebälle an Passanten verkaufte.

Geprägt durch die Bürgerrechtsbewegung der 1960er und 1970er Jahre und verwurzelt in der schwarzen urbanen Kultur Amerikas, ist der Alltag auf den Straßen für David Hammons nicht nur eine wichtigste Inspirationsquelle, die Straße ist auch der Ort, an dem er bevorzugt künstlerisch agiert, um der Aufmerksamkeit durch Kritiker, Galerien und Museen zu entgehen.

Hammons spricht in seinen Werken immer wieder politische, soziale und ökonomische Missstände an und thematisiert Kulturstereotypen. Dabei verwendet er für seine Skulpturen und Installationen Fundgegenstände und billige Materialien, den Abfall des afroamerikanischen Lebens, und greift damit unter anderem auf Strategien der Arte Povera zurück. Ebenso steht er in der Tradition eines Marcel Duchamps, da er seine Fundobjekte zu Kunstwerken deklariert.

Obwohl er den Fokus immer mehr auf seine Kunst als auf seine Karriere gerichtet hat, gewann er in der Kunstwelt zunehmend an Bedeutung, 1992 nahm er z.B. an der Documenta IX teil.

Sicher fragen Sie sich inzwischen, was das mit der Biennale (wenig) oder gar mit Hunden (nichts) zu tun hat.

In der zentralen internationalen Ausstellung in den Giardini sind Malereien Henry Taylors (in einem Raum gemeinsam mit Arbeiten von George Condo, Julie Mehretu und Skulpturen von Nairy Baghramian) ausgestellt. Und Taylors Gemälde "Hammons meets a hyena on holiday" von 2016 basiert auf einem Foto, das Hammons bei der beschriebenen Schneeballverkaufs-Aktion zeigt.

 

Henry Taylor, Hammons meets a hyena on holiday, 2016, Foto von Nasher
Foto: Nasher. Museum of Art at Duke University
 

Ergänzt hat Taylor die Szene mit einer Hyäne, einer Moschee und der Jacke eines Weihnachtsmannes, um einen unverfrorenen, respektlosen Kulturmix zu erzeugen.

An dieser Textstelle habe ich, im festen Glauben daran, dass die Hyäne ein afrikanischer Wildhund sei, zur Sicherheit auf Wikipedia nachgelesen.

 

Die Hyänen werden innerhalb der Raubtiere trotz ihres hundeähnlichen Äußeren in die Katzenartigen eingeordnet, was durch Schädelmerkmale, insbesondere den Bau der Paukenhöhle, abgesichert ist.

 

Katzenartig! Ich habe mich entschieden weiterzuschreiben. Bitte verzeihen Sie mir diesen Lapsus, aber ich habe mit David Hammons und Henry Taylor zwei aufrichtige, empathische Künstler kennengelernt, die ich Ihnen - auch ohne Hundebezug - vorstellen will.

Besonders Taylors Malerei, die die Lebenswelten ganz unterschiedlicher Menschen darstellt, wird international bewundert. Als ehemaliger Pfleger in einer psychiatrischen Einrichtung porträtiert er zehn Jahre lang dort lebende Patienten, er malt seine Familie und Freunde, malt Fremde, Mittellose ebenso wie Erfolgreiche, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Opfer von Polizeigewalt und politisch inspirierte Gruppenszenen, die unterschiedliche Geographien und Geschichten, Persönliches und Kollektives zusammenführen. Häufig verwendet er – wie in diesem Beispiel – kunsthistorische Referenzen.

Taylor malt Alltägliches mit präzisem Blick für Ungleichheit und Ungerechtigkeit, für Unsicherheit und Ungeheuerlichkeit des afroamerikanischen Lebens. Dabei ist er mehr als ein Porträtist des Alltags. Er untersucht, was entsteht, wenn Schwarze im Zentrum der Leinwand und im Mittelpunkt der Gesellschaft stehen, und setzt damit ein Zeichen für die schwarze Kultur der Gegenwart.

Henry Taylor (* 1958 in Ventura, Kalifornien/ USA) lebt und arbeitet in Los Angeles.

Quellen zu David Hammons: Wikipedia, Kunsthalle Basel, The MT Press

Quellen zu Henry Taylor: neben dem offiziellen Biennale-Führer vor allem Interview Magazine, Galerie Eva Presenhuber

Ein paar einleitende Worte zu meinem Besuch auf der Biennale können Sie bei meinem Blog-Beitrag zu Jimmie Durham lesen.

 

18. September 2018 - 11:00

Aline Bouvy, Strategy of non cooperation 1, 2015 © Aline Bouvy und Albert Baroni

 

Aline Bouvy lässt sich in ihrer künstlerischen Arbeit von den Dingen in ihrer unmittelbaren Umgebung und ihrem Alltag inspirieren. Bei der 2016 in Brüssel gezeigten Ausstellung "Urine Mate" bildeten wilde Gräser, streunende Hunde und nackte Männer die Motive.

 

Aline Bouvy, Urine Mate 2, 2016 © Aline Bouvy und Albert Baronian Galerie, Brüss

 

In dieser Ausstellung kombinierte Aline Bouvy große Linolplatten und Fotos von blassen, verschwommenen männlichen Körpern, die hinter einem Schleier wilder, rauer und widerstandsfähiger Pflanzen verborgen waren. Jedes Foto zeigte eine andere Pflanzenart, die die Künstlerin aus den Brüsseler Stadtbrachen ausgewählt hatte.

 

Aline Bouvy, Urine Mate, Ausstellungsansicht © Aline Bouvy und Albert Baronian G

 

Unter und neben den Linoleumpaneelen kauerten die Hundereliefs. In den großen Galerieräumen wirkten die Tiere klein, einsam und verloren. Die Reliefs zeigten schlafende und kopulierende Hunde und eine vom Stillen ausgemergelte Hündin mit schmalem Kopf. Ein Hund mit geschlossenen Augen schien ganz traurig zu sein: Wie Tränen oder Regentropfen war ihm eine lineare Struktur ins Gesicht geschrieben. Analog zu den unkultivierten Pflanzen der Stadtränder liegt die Assoziation zu streunenden Hunden nahe, die der städtische Kontext hervorbringt.

Folgt man dem Pressetext auf der Homepage der Galerie Albert Baronian, dann geht Aline Bouvy Fragen nach gesellschaftlichen Normen, Werten, Moral und ästhetischer Akzeptanz nach. Sie hinterfragt sowohl unsere Normen als auch die Bilder, die von diesen Normen bestimmt sind und versucht die "schmutzigen" und "hässlichen" Elemente in ihren kreativen Prozess zu integrieren, um sich von jeder Kategorisierung zu befreien.

Das Hässliche und Schmutzige wird in der Ausstellung durch Urin, Hunde und Pflanzen repräsentiert. Sie sind die störenden, unerwünschten Elemente der Gesellschaft, das Nutzlose, der Müll. Menschliche Ausscheidung, Hunde wie Müll ausgesetzt und weggeworfen, Pflanzen, als Unkraut wertloser Bewuchs.

 

Aline Bouvy, Urine Mate, Ausstellungsansicht © Aline Bouvy und Albert Baronian G

 

Die Künstlerin zeigt uns aber die Schönheit dieser Pflanzen und die Emotionalität der Hunde. Mit zarter Farbigkeit und einer strengen Ästhetik hinterfragt sie etablierte Hierarchien von Macht und patriarchalen Systemen, ändert sie unsere Sicht auf das, was sauber oder schmutzig ist, auch die Sicht auf unsere eigenen Abfälle, wie zum Beispiel Urin.

Der Titel der Ausstellung "Urine Mate" bezieht sich auf eine Form des männlichen Alltagslebens. Aline Bouvy eignet sich diesen Begriff nicht nur an, sie spielt auch mit dem ähnlichen Klang von “Urine Mate” und “Urine Made”. Zwei Fotografien in der Ausstellung zeigen abstrakte Gipsskulpturen aus der Werkstatt der Künstlerin. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann sind die beiden Skulpturen aus Gips und dem Urin der Künstlerin hergestellt. Das Spiel mit Worten und deren unterschiedlicher Bedeutung zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk der mehrsprachig aufgewachsenen Künstlerin.

Aline Bouvy, Urine Mate 5, 2016 © Aline Bouvy und Albert Baronian Galerie, Brüss

Aline Bouvy, Urine Mate, Ausstellungsansicht © Aline Bouvy und Albert Baronian G

Aline Bouvy, Strategy of non cooperation 2, 2015 © Aline Bouvy und Albert Baroni

Aline Bouvy, Strategy of non cooperation 7, 2015 © Aline Bouvy und Albert Baroni

Aline Bouvy, Strategy of non cooperation 3, 2015 © Aline Bouvy und Albert Baroni

Aline Bouvy, Strategy of non cooperation 4, 2015 © Aline Bouvy und Albert Baroni

Aline Bouvy, Urine Mate 8 (collaboration with Alexandre Demenditte), 2015 © Alin

 

Aline Bouvy (*1974 in Brüssel/B) lebt und arbeitet in Luxemburg und Brüssel. Nach Jahren der Zusammenarbeit mit John Gillis arbeitet sie ab 2014 alleine. Ihre Arbeit wurde bereits in vielen Einzel- und Gruppenausstellungen in Europa und den USA gezeigt.

Aline Bouvy wird von den Galerien Albert Baronian, Brüssel, und Nosbaum Reding, Luxemburg, vertreten.

alle Fotos © Aline Bouvy und Galerie Albert Baronian

 

Fotografie, Installation, Skulptur