"Presence of animals is important because they do not convert anything into money"
Als ich nach dem finnischen Künstler Veikko Hirvimäki gegoogelt habe, fand sich an erster Stelle ein Wikipedia-Eintrag zu einem anscheinend namensgleichen Künstler, der 1941 geboren war. Sein Vater war also auch schon Künstler, war mein erster Gedanke. Erst nach weiteren Recherchen merkte ich, dass es sich um "meinen" Veikko Hirvimäki handelt. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, dass diese formal (nicht inhaltlich) witzigen, heiteren Arbeiten von einem alten Mann stammen.
Veikko Hirvimäki vor "Demonstration" von 2016, Foto: Angel Gil
Veikko Hirvimäki hat vor Jahrzehnten als Maler begonnen, wobei er in unterschiedlichen Stilrichtungen arbeitete. Er wandte sich dann der abstrakten Bronze- und Steinskulptur zu und arbeitete in den 1980er Jahren vor allem für den öffentlichen Raum in Helsinki. Erst mit der Jahrtausendwende begann er mit seinen ausdrucksstarken und liebenswerten Holzskulpturen, die ich Ihnen hier zeige.
Trotz ihres ernsten Themas strahlen seine Tierskulpturen Individualität, Wärme und skurrilen Humor aus. Er porträtiert Tiere, oft mit anthropomorphen Eigenschaften ausgestattet, als ob sie eine stumme Kritik an der menschlichen Dummheit und Hybris üben würden.
Folgende Überlegung des Künstlers geht der tierischen Werkgruppe voraus:
Since decades I woke up wondering if art for art was enough for me. I came to the conclusion that it should include an underneath message. A message which refers to the roots of man, to the time where he had no weapons to disrupt the state of nature.
When men went painting on the walls of caves, it was a ritual for asking and thanking nature. Here are our roots. Man became a dictator on our planet, starting to rule everything with artificial intelligence based on profit and destroying the equilibrium of nature for our consumers fever, our wellbeing and our comfort.
Animals in my work are messengers. They are at once demonstrators and revolutionaries who react against the destruction of NATURE.
This is why I call this ensemble Demonstration of Nature. (hier)
Seit Jahrzehnten frage ich mich, ob Kunst um der Kunst willen für mich genug ist. Ich kam zu dem Schluss, dass sie eine Botschaft enthalten sollte. Eine Botschaft, die sich auf die Wurzeln des Menschen bezieht, auf die Zeit, als er noch keine Waffen hatte, um den Zustand der Natur zu stören.
Als die Menschen an die Wände der Höhlen malten, war das ein Ritual, um die Natur zu bitten und ihr zu danken. Hier sind unsere Wurzeln. Der Mensch wurde zum Diktator auf unserem Planeten und begann, alles mit künstlicher Intelligenz zu regieren, basierend auf Profit und der Zerstörung des Gleichgewichts der Natur für unser Konsumfieber, unser Wohlbefinden und unseren Komfort.
Tiere sind in meiner Arbeit Boten. Sie sind gleichzeitig Demonstranten und Revolutionäre, die sich gegen die Zerstörung der NATUR wehren.
Deshalb nenne ich dieses Ensemble Demonstration der Natur. (übersetzt mit DeepL)
We need to talk, 2018, Teil eines Triptychon
Hirvimäki wendet sich also dem Thema Natur und Tier zu und stellt seine Tierskulpturen zu Triptychen, aber auch zu rudelartigen Installationen zusammen. Wölfe, Füchse, Elche, Vögel und Reptilien erinnern uns an die Verwundbarkeit der Natur und daran, dass der Mensch ehemals Teil der ihn umgebenden Natur war, mit den Jahreszeiten und Tieren koexistierte.
Wenn seine Tiere jetzt "demonstrieren", dann deshalb, weil ihr Lebensraum in Gefahr ist. "We need to talk", fordert uns der Wolf auf, während er den menschlichen Galerieraum durchbricht. Er symbolisiert nicht die mehr die Wildnis, sondern deren Gefährdung; erhebt seine Stimme, um eine gemeinsame Lösung zu finden und uns zum Handeln aufzurufen.
Die Skulpturen, die direkt an den Wänden angebracht sind, erinnern nur im ersten Moment an Jagdtrophäen, denn Hirvimäki stellt die Tiere ganz lebendig und spürbar präsent dar.
Hirvimäkis Kunst drückt eine große Sorge über die Umweltkrise und die Zukunft unseres Planeten aus: Der Titel der Skulptur unten "On Thin Ice" kann als Verweis auf die riskante Lage der Menschheit und der Tierwelt interpretiert werden, die beide buchstäblich auf immer dünnerem Eis laufen.
Seine Skulpturen erscheinen grob und unfertig, ihre Form folgt so weit wie möglich der Form des Holzes. Mit einer kleinen Axt bearbeitet, bleiben Äste, Unebenheiten und knorrige Strukturen sichtbar, ihre raue unbehandelte Oberfläche wird mit einer lebendigen Farbschicht überzogen. Das Holz erwacht in der Skulptur zu neuem Leben.
Schamanismus und Mythologie inspirieren seine Skulpturen. Auf den ersten Blick erinnern Hirvimäkis Werke an die finnisch-ugrische Volkstradition, doch scheint er in seinen Arbeiten Fragmente verschiedener Kulturen und Zeitabschnitte zu Bildern universeller Natur zu verbinden. Seine Werke sind erdig, mystisch und primitiv und vermitteln das Interesse des Künstlers an der Natur, ihrer Bedeutung und ihrer Erhaltung.
Die bizarren Kreaturen führen ein Eigenleben, zeigen und behaupten sich an ungewohnten Plätzen; ragen aus der Wand, recken sich auf dem Boden oder zeigen sich in bunter Verkleidung.
"Images of memory" nennt der Künstler seine Installationen, die er aus mehreren Einzelstücken an Wände drapiert und die seine Erinnerungen verkörpern.
"Song" besteht aus 24 Einzelobjekten bzw. Erinnerungsstücken: verkohlten Werkzeugteilen, einem Spielzeugauto sowie Utensilien, die nicht auf direkte Nutzanwendung abzuzielen scheinen. Er ergänzt diese Gegenstände mit Tieren, die sich auf der Wand winden oder sich einen Weg aus der Wand bahnen.
Urtümliches Material und zeitgenössische Form der Installation treffen hier aufeinander, Wie traditionelle Vanitas-Stillleben verkörpern die Erinnerungsbilder die Vergänglichkeit allen Seins und aller Materie. (vgl. Dr. Sonja Lechner)
Um einen Eindruck von der Größe seiner Arbeiten zu bekommen, zeige ich Ihnen eine Ansicht der Ausstellung "Veikko's Wild Friends" in München, 2021.
Veikko Hirvimäki (*1941 in Petäjävesi/Finnland) stellt europaweit aus. Seine Arbeiten sind in bedeutenden öffentlichen Sammlungen Finnlands vertreten. Hirvimäki lebt in Ballaigues, Schweiz, und verbringt die Sommermonate in seinem Atelier in der Nähe seines Elternhauses in Petäjävesi.
Quellen: Galerie Forsblom, Galerie Stefan Vogdt, Auszug aus der Rede der Kunsthistorikerin Dr. Sonja Lechner
Kommentare