Buch

23. Februar 2012 - 10:26

Erst seit wenigen Jahren wird der inzwischen 88 Jahre alte Saul Leiter und sein Werk in all seiner Bedeutung gewürdigt. Mir war er bisher gänzlich unbekannt. Der New Yorker Maler und Fotograf nimmt Zeit seines Lebens die New Yorker East Side auf (und lebt dort auch seit über 65 Jahren). Als Fotograf ist er nicht nur ein Meister der Straßenfotografie, sondern vor allem ein Pionier der Farbfotografie. Er verwendete schon in den 1940er Jahren den Farbfilm und durchbrach damit die Vorherrschaft der Schwarz-Weiß-Fotografen, lange bevor die "New Color Photography" in den 1970er Jahren bekannt wurde.

Saul Leiter hat einen Hang zur Abstraktion und zur Flächigkeit. Glücklicherweise hat er mindestens ein Foto mit Hund aufgenommen, an dem man diese formale Herangehensweise erkennt.

 

 

Saul Leiter, Dog in Doorway, 1962
© Saul Leiter, Dog in Doorway, 1962

 

Bis 15. April 2012 findet eine große Retrospektive mit über 400 Arbeiten in den Hamburger Deichtorhallen statt. Aus diesem Anlass erscheint auch eine Monographie im Kehrer Verlag.

 

Saul Leiter Buchcover im Kehrer-Verlag
© Kehrer-Verlag

 

Haus der Photographie / Deichtorhallen Hamburg. Saul Leiter – Retrospektive. Leineneinband mit Banderole, 296 Seiten, ISBN 978-3-86828-258-0
 
Ausstellung, Buch, Fotografie
6. Februar 2012 - 10:05

John A.Rowe, Jap, der Hund

 

Beim Betrachten des unvergleichlich melancholischen Hundes von Fabian Jean und seiner Kombination westlicher und östlicher Bildelemente hat sich die Erinnerung an eines der ersten Bilderbücher von John A. Rowe eingeschllchen, das noch immer zu meinen liebsten gehört: "Jap, der Hund" (1993). Der Londoner Jap reist im Traum nach Japan und möchte dort nur eine Tasse Tee trinken. Auch Jap trifft auf Objekte beider Kulturen, auch er sieht ein bisschen hilflos aus der Wäsche.

 

 

John Rowe, Jap, der Hund

 

John Rowe, Jap, der Hund

 

John Rowe, Jap, der Hund

 

John Rowe, Jap, der Hund

 

Die Scans stammen von meinem Jap-Buch, der Moiré-Effekt geht natürlich auf mein Konto.

 

John A. Rowe war übrigens zwei Jahre Gaststudent an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien und hat auch 16 Jahre in Wien gelebt: "...and finally I spent 2 years as a guest student at The College of Applied Arts in Vienna, Austria. I lived in Vienna for 16 years where, after numerous exhibitions of my paintings, I illustrated my first children's book in 1988...", schreibt er auf seiner Homepage. Allen Eltern seien die Bilderbücher von John A. Rowe ans Herz gelegt und natürlich allen kinderlosen Bilderbuchsammlern.

 

 

Buch, Grafik
22. Januar 2012 - 16:39

Arnold Corey, Crazy the dog and finnmark boulder, 2008

 

Ein charmantes Foto - der anmutige Hund balanciert würdevoll und formvollendet auf einem Stein – farblich eingepasst in den Hintergrund einer kargen arktischen Landschaft: Mich hat dieses Foto so angesprochen, dass ich die Printausgabe des Temp Magazins #2 bestellt habe und seit ein paar Tagen in Händen halte. Vielleicht, so war meine Hoffnung, fänden sich noch mehr Aufnahmen dieses Fotografen darin.

 

Das Temp Magazin ist ein Web-to-Print-Magazin, die Leser der Online-Ausgabe bestimmen durch Voting die Inhalte der Print-Ausgabe mit. 40 Künstler, Fotografen, Designer und Typografen erhielten für ihre Arbeiten die meisten Stimmen der User und schafften es von der Temp Website ins gedruckte Magazin.

 

 

TEMP MAGAZIN, Cover, 2011
© Temp Magazin

 

Corey Arnold heißt der Fotograf des Titelbildes, der tatsächlich im Inneren eine Bildstrecke hat, zum Thema Fish-Work. Corey ist ein alaskischer Berufsfischer, der jährlich zwei bis drei Monate beim kommerziellen Fischfang in Alsaka und Europa arbeitet und die restliche Zeit des Jahres unter anderem mit Reisen und Ausstellen seiner Fotografien bestreitet. Sein Lebenswerk bzw. Dauerprojekt ist das fotografische Darstellen des weltweiten Fischfangs.

 

 

Arnold Corey, Loneliness 2, 2008
"Loslassen!" würde der Fisch wohl schreien, könnte er...

Arnold Corey, Loneliness, 2008
... und "verpiss dich".

 

Eine Wekgruppe zeigt Fischer, die in liebevoller zärtlicher Inszenierung ihre toten Opfer umarmen. Für mich sind diese Darstellungen an Obszönität kaum zu überbierten, erst töten, dann liebkosen, dazu noch ein unverständlicher Titel wie "Loneliness". Corey selbst beschreibt sein Werk als Auslotung und Untersuchung der Mensch-Tier-Beziehung in der modernen Welt. Die Untersuchung eines Mannes, der schon seinen ersten Fisch fing, als er noch eine Windelhose trug und der das Fischen als identitätsstiftend beschreibt! Ich kritisiere an dieser Stelle nicht primär das Töten, sondern die pervertierte Inszenierung der Tiere, die noch nach ihrem Tod missbraucht werden.

Unten ein paar weitere Hundebilder Coreys:

 

Arnold Corey, Crazy and Camilla, 2008

Arnold Corey, Escaping Finnmark, 2008

Arnold Corey, Pure Seine Guardian, 2010

Arnold Corey, Dog Hopping, 2008
alle Fotos (mit Ausnahme des Temp Magazin Covers)  © Arnold Corey

 

2011 erschien bei Nazareli Press das Buch "Corey Arnold, Fish-Work: The Bering Sea". Zahlreiche Besprechungen gaben näheren Einblick in Coreys Arbeit (z.B. GoSee und derFreitag) und gingen auch auf die Problematik der Hochseefischerei ein, wie z.B. die NZZOnline. Im Blog my love for you. finden sie ein längeres Interview mit Corey.

 

Buch, Fotografie
13. Januar 2012 - 12:52

Die Hundebilder von Titanilla Eisenhart gehören, neben denen von Alois Mosbacher, zu meinen liebsten Hundedarstellungen, wenn auch ihr malerischer Ansatz ein ganz anderer Ist. Erstmals aufgefallen sind mir ihre großen Gemälde 2006 bei einer Ausstellung in der Schmuckgalerie "Stoß im Himmel". Seit damals besitze ich den kleinen Leporello "HUND, mattschwarz", der Bilder schwarzer Hunde versammelt (Labradore?), deren Augen und Schnauzen man nur subtil erkennt und die fast reine Silhouetten bleiben. Dort findet sich auch Titanilla Eisenharts Motto: "For me, the dogs are both an excuse and a reason for painting these pictures".

 

 

Titanilla Eisenhart, Leporello 'HUND, mattschwarz'
Titanilla Eisenhart: Leporello 'HUND, mattschwarz'

Titanilla Eisenhart: 'Afra Adalgard', 1999
Titanilla Eisenhart: 'Afra Adalgard', 1999

Titanilla Eisenhard: 'Ford', 2000
Titanilla Eisenhard: 'Ford', 2000

Titanilla Eisenhart: 'Ich selbst', 2002
Titanilla Eisenhart: 'Ich selbst', 2002

Titanilla Eisenhart: 'Elsa', 2003
Titanilla Eisenhart: 'Elsa', 2003

Titanilla Eisenhart: 'Helmut' als Cover
Titanilla Eisenhart: 'Helmut' als Cover des
The All Season Fashion Paper - FallWinter Magazins

Titanilla Eisenhart: 'Ewald', 2003
Titanilla Eisenhart: 'Ewald', 2003

Titanilla Eisenhart: 'Silvie und die Wolke des Grauens', 2004
Titanilla Eisenhart: 'Silvie und die Wolke
des Grauens', 2004

Titanilla Eisenhart: Katalog Cover, 2007
Titanilla Eisenhart: 'Lárrangement du jour', Katalog Cover, 2007

Titanilla Eisenhart: 'All my love', 2006
Titanilla Eisenhart: 'All my love', 2006

Titanilla Eisenhart: 'Wittigo' oder 'Because you are a lady and I am a man', 200
Titanilla Eisenhart: 'Wittigo' oder 'Because you are a lady and I am a man', 2007

Titanilla Eisenhart: 'Mortimer', 2007
Titanilla Eisenhart: 'Mortimer', 2007

Titanilla Eisenhart: 'L'arrangement du jour', 2007
Titanilla Eisenhart: 'L'arrangement du jour', 2007

Titanilla Eisenhart: 'Wittigo' oder 'Der Tag an dem Mucha freundlich wurde', 200
Titanilla Eisenhart: 'Wittigo' oder 'Der Tag an dem Mucha freundlich wurde', 2007

Titanilla Eisenhart: 'Buffalo Bob', 2007
Titanilla Eisenhart: 'Buffalo Bob', 2007

Titanilla Eisenhart: 'Die Gegenwart', 2007
Titanilla Eisenhart: 'Die Gegenwart', 2007

Titanilla Eisenhart
Titanilla Eisenhard: Foto via "esel"

Titanilla Eisenhart: 'L'obsession'
Titanilla Eisenhart: 'L'obsession', Foto: Artothek des Bundes

 

Neben den großformatigen Acrylbildern beherrscht sie auch die (dem Format nach) kleinen Sujets: Collagen, Weinetiketten, anlassbezogene grafische Arbeiten wie z.B. die Bilderbuchhochzeit.

 

Titanilla Eisenhart, Weinettiketten
Titanilla Eisenhart, Weinettiketten

Titanilla Eisenhart: Bilderbuchhochzeit
Titanilla Eisenhart: Bilderbuchhochzeit

Titanilla Eisenhart: Bilderbuchhochzeit
Titanilla Eisenhart: Bilderbuchhochzeit

Titanilla Eisenhart: Bilderbuchhochzeit
Titanilla Eisenhart: Bilderbuchhochzeit; Fotos via "Alessandrini Design"

 

Titanilla Eisenhart, 1961 in Wien geboren, studierte an der Akademie der bildenden Künste bei Prof. Kogler. Sie selbst unterrichtet an der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg und an der Wiener Kunstschule.

Mit dem letzten Bild möchte ich den Leserinnen und Lesern meines Blogs ein gesundes und erfolgreches Jahr 2012 wünschen!

 

Titanilla Eisenhart: 'Such luck' oder 'Herr Titanilla im Glück', 2008-2009
Titanilla Eisenhart: 'Such luck'
oder 'Herr Titanilla im Glück', 2008-2009

 

Wenn nicht anders angegeben, stammen die Bllder von Titanilla Eisenharts Homepage.

 

Buch, Grafik, Malerei
10. Januar 2012 - 1:05

Auf das Werk des 1954 im steirischen Strallegg/Österreich geborenen Alois Mosbacher stoße ich seit über 25 immer wieder. Schon in den 80er Jahren, die von den "Neuen Wilden" - einer sehr expressiven gestischen Malerei - , volkommen bestimmt waren, hat mir Mosbachers mehr poetischer und figurativer Zugang immer sehr gut gefallen. Auch damals hat er sich inhaltlich schon mit der Natur, Pflanzen und Tieren, auseinandergesetzt. Unten habe ich zwei Beispiele aus dem Katalog "Mosbacher" von 1985 ausgewählt.

 

Alois Mosbacher, Die Waage, 1985
Alois Mosbacher: Die Waage, 1985

Alois Mosbacher, Die Brücke, 1985
Alois Mosbacher: Die Brücke, 1985

 

Von 2000-2003 malte Mosbacher Hunde(köpfe). Anlass dazu waren zwei Hunde, die er während eines Aufenthalts in Los Angeles im Haus eines Freundes betreuen musste. Er malte allerdings nicht bestimmte Hunde mit dem Ziel der Ähnlichkeit oder mit dem Anspruch den Typus Hund schlechthin zu malen. Er nahm sich vielmehr auch Plastikspielzeugtiere als Vorlage, sogar verschwommene Fotos dieser Plastikfiguren, ja sogar Figuren, die keine Hunde darstellten. Dann begann das Malen als haptische, skulpturale Sache: "[..] die Schnauze mehr nach vorn ziehen, dazu jetzt große Kulleraugen, einmal die Ohren tief hinuntergezogen, dann wieder steif stehend...und die Lust das zu tun und die Willkür, mit der man das machen kann". Die Parameter Schnauze, Augen, Ohren wurden zu immer neuen Gesichtern verschoben. Dabei steht nicht das Interesse am Hund im Vordergrund, schon gar nicht mit seinen emotionalen Beziehungen oder ikonographischen Bestimmtheiten, ebensowenig der Hund als Projektionsfläche, sondern die Malerei "an sich". Alles nachzulesen in dem wunderschön gestalteten Buch "Hund", das neben Mosbachers Malereien und Zeichnungen auch Texte von Elfriede Jelinek, Wolf Haas, Franzobel u.a. enthält sowie das Gespräch zwischen Martin Walde und Alois Mosbacher. aus dem obiges Zitat entnommen ist. (S 115 ff)

 

Alois Mosbacher, Bera
Alois Mosbacher: Bera

Alois Mosbacher, Andritz
Alois Mosbacher: Andritz

Alois Mosbacher, Conrads
Alois Mosbacher: Conrads

Alois Mosbacher, Gordon
Alois Mosbacher: Gordon

Alois Mosbacher, Lola
Alois Mosbacher: Lola

Alois Mosbacher, Haller
Alois Mosbacher: Haller

Alois Mosbacher, Morales
Alois Mosbacher: Morales

Alois Mosbacher, P3
Alois Mosbacher: P3

Alois Mosbacher, Selma
Alois Mosbacher: Selma

Alois Mosbacher, Raab
Alois Mosbacher: Raab

Alois Mosbacher, Sing
Alois Mosbacher: Sing

Alois Mosbacher, Jagger
Alois Mosbacher: Jagger

Alois Mosbacher, Rust
Alois Mosbacher: Rust

alle Bilder © Alois Mosbacher, 2000-2003

 

Hund. Alois Mosbacher. Cover

 

Hund. Alois Mosbacher, Jung und Jung, Salzburg und Wien, 2003, ISBN-10: 3-902144-63-7

 

Buch, Malerei
7. Januar 2012 - 10:40

Vorgestern hatte mein Freund Geburtstag und wir spazierten durch den Wiener 7. Bezirk, was eher selten vorkommt, weil dort die Gelegenheiten zum Geldausgeben sehr breit gestreut sind. So führten uns seine Füße auch in die Bilderbox, ein gut sortiertes Geschäft, das Comics und Artbooks und Cans (zum Graffitisprayen) führt – wir verließen es mit seinem neuen Jodorovsky/Fructus. Überrascht war ich, als ich in der Bilderbox Bücher von Anke Feuchtenberger sah, derern "hollandische Schachtel" ich zuletzt vorstellte, so zum Beispiel "Die Hure H". Außerdem fiel mir mein letzter Besuch dort ein. Ich war auf der Suche nach Comics mit Hunden, fand aber nur "Laika" (dazu vielleicht ein anderes Mal), was ich nicht kaufen wollte, da ich nicht den halben Tag verweint zu Hause sitzen wollte – es handelt von der Hündin Laika, die 1957 an Bord des sowjetischen Flugkörpers Sputnik II ins Weltall geschossen wurde und dort qualvoll starb.

Doch dann fiel dem freundlichen, hilfsbereiten und charmanten Verkäufer noch etwas ein – und er schenkte mir Mimi's Couch.

 

Mimi's Couch Cover

Mimi's Couch 1

Mimi's Couch 2

Mimi's Couch 3

Eine Ode an die Reinlichkeit:

Mimi's Couch 4

Mimi's Couch 5

In dem Heftchen findet sich als Kontaktangabe nur folgende email-Adresse: gordon_shumway [at] lavabit [dot] com. Ob sie auf dem Melmac, bei den Tanners oder bei Lukas Ettl landen, weiß ich allerdings nicht.

Bilderbox: Kirchengasse 40, A-1070 Wien, Mo-Fr 11.00-19.00, Sa 12.00-18.00, Facebook.com/Bilderbox

 

Buch, Grafik
4. Januar 2012 - 12:47

Zwei Frauen mit Fächer, ein rätselhafter Titel: Nichts deutet beim Betrachten des Buchcovers von "Die hollandische Schachtel" an eine Erzählung mt Hund hin: Das kann neugierig machen – es wäre allerdings Schade, wenn Hundefreunden dieses kleine Buch entginge, denn unerlässlich ist es für jeden, der Hunde liebt: Spricht doch durch die Hand der Zeichnerin aus jeder Seite tiefes Verständnis und Zuneigung für Hunde. Und dieses Verständnis, durch die Stimme der holländischen Hündin Yette dargeboten, ist es, was dieses Buch ausmacht.

 

 

Feuchtenbergerowa, Die hollandische Schachtel

 

Anke Feuchtenberger erzählt aus der Sicht ihrer Hündin und erspart uns Lesern und Vorlesern Verniedlichungen und Vermenschlichungen jeder Art. Vielmehr erfahren wir von Yettes Alltag und vom Lauf des Lebens, so auch sehr berührend, aber gleichzeitig unsentimental und lapidar von ihrem tot geborenen Welpen. Jeder, der sich mit Tieren beschäftigt, weiß - auch ohne verhaltenspsychologische Untersuchungen zu bemühen - , dass Tiere trauern können, und Yette drückt es ganz simpel aus: "Mein Mensch weinte. Wir hingegen wissen nicht, wie man Tränen macht". Vielleicht hätten manche Menschen mehr Empathie für Tiere, besäßen sie diese Möglichkeit ihr Leid auszudrücken.

Nun, der Hund ist gut aufgehoben in diesem Buch, Yette in ihrer Familie, in der die Hündin als Partnerin von ihren Menschen angenommen, getröstet und umsorgt wird.

 

 

Feuchtenbergerowa, Die hollandische Schachtel

 

Das Buch wird zweifelsohne jeden Hundeliebhaber begeistern. Anke Feuchtenberger bezeichnet es allerdings als "Bildgeschichte für Kinder", das spricht für sie, sollte man Kindern doch nur das ästhetisch Beste anbieten. Da ich mich - neben Hunden - auch sehr für Bilderbücher interessiere und gerade ein Skriptum zur Rolle der Kinder- und Jugendliteratur in Lese- und Mediensozialisation lese, folge ich ihrer Zuordnung gerne. Denn:

"Kinder finden im Bilderbuch konstruierte Modelle für Lebenswirklichkeiten und darüber denken sie nach", lese ich auf Seite 11 (Literaturangabe ganz unten): Richtig, denke ich, das Bilderbuch soll nur nicht didaktisch daherkommen (macht "Die hollandische Schachtel" keinesfalls) oder nach potenziellem Lernzuwachs ausgewählt werden; im Sinne eines "Vorlesens im Dialog" und des "Buchs als Erzählanlass" eignet sich "Die hollandische Schachtel" gut, um über Hunde als eigenständige, individuelle Lebewesen (und nicht als funktionalisierte Bedürfnisbefriedigungsmaschinen für Kinder und Eltern) zu sprechen.

Kinder brauchen "eine große Vielfalt von unterschiedlichsten und bildnerisch wie inhaltlich herausfordernden Bilderbüchern" (S 12): Auch in bildästhetischr Hinsicht ist "Die hollandische Schachtel" ein Gewinn für Kinder: Es ist ästhetisch nicht 'herausfordernd' im Sinne von formaler Neuartigkeit oder Irritation, aber es ist provozierend in seiner Schlichtheit und in seinem Realismus. Wohltuend hebt es sich sowohl in Format, Lese- und Blätterrichtung als auch stilistisch vom kulleräugigen Hundebilderbuchramsch à la Struppi auf dem Bauernhof, der Kindern oft vorgesetzt wird, ab. In kleinen, manchmal hintergrund- und perspektivelosen Zeichnungen, mit Buntstift koloriert, gelingt es Anke Feuchtenberger Yettes Universum - ausgedrückt vor allem durch ihre Mimik und Körpersrache, ihre Vorstellungen und Interaktionen - sichtbar werden zu lassen.

Ein "Bilderbuch für Kinder"? Ja. Ein "Bilderbuch für Erwachsene"? Auf alle Fälle!

Hier einige eingescannte Beispiele aus dem Buch, die hoffentlich nicht zu viel von Yettes Leben verraten:

 

Feuchtenbergerowa, Die hollandische Schachtel 1

Feuchtenbergerowa, Die hollandische Schachtel 3

Feuchtenbergerowa mit Yette und Ada: Die hollandische Schachtel

Feuchtenbergerowa, Die hollandische Schachtel

Feuchtenbergerowa, Die hollandische Schachtel

Feuchtenbergerowa, Die hollandische Schachtel

 

Anke Feuchtenberger unterrichtet seit 1997 in Hamburg an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Zeichnen und Illustration, ihr vielfältiges Werk umfasst Gemälde, Zeichnungen, Comics, Plakate, Druckgraphik, Kostüme sowie Marionetten und wurde mehrfach ausgezeichnet. Das und viel mehr können sie auf Wikipedia nachlesen.

Besser gefällt mir ihre Selbstdarstellung am Klappentext: "Anke Feuchtenberger wurde 1963 in Berlin/Ost geboren und wuchs in Gärten und in der Nähe von Wäldern mit Seen auf [...] Sie lebt nun mit ihrem Freund und zwei Hündinnen in Gärten und in der Nähe von Wäldern mit Seen." Verwundert es, dass ein derart eingerahmtes Leben solch ein Kleinod wie "Die hollandische Schachtel" hervorbringt?

Anke Feuchtenberger: Die hollandische Schachtel, MamiVerlag, Quilow, 2011. Erhältlich über den MamiVerlag und in ausgewählten Buchläden und Geschäften in Hamburg, Berlin, Greifswald und Bologna.

Zitate aus: Christine Benthin: (Medien)-Kontexte des Lesens. Zur Rolle der Kinder- und Jugendliteratur in Lese- und Mediensozialisation (=Basics 02), Studienstelle für Kinder und Jugendliteratur (Hg.), Wien, 2011

 

Buch, Grafik
28. Dezember 2011 - 13:30

Die Blogeinträge über Rob Clarke und Charming Barker, die beide auch Vögel gemalt hatten, waren eigentlich nur Umwege oder besser Zubringer zu Edwyn Collins und seinen "Some British Birds", über die ich unbedingt berichten will – nur selten und in ganz wichtigen Fällen wird der Bereich der Hunde verlassen.

Zum Beispiel im Falle Edwyn Collins! Diesen wunderbaren Musiker (ehemals Orange Juice), dessen Fan ich seit über 25 Jahren bin, habe ich zuletzt im Februar 2011 im Wiener Porgy & Bess gesehen, erstmals nach seiner schweren Krankheit.

 

 

© petra hartl
Edwyn Collins am 26.2.2011 im Porgy & Bess in Wien

 

2005 erlitt Collins zwei Hirnblutungen, die zur Folge hatten, dass er weder sprechen, lesen, schreiben, gehen noch seine rechte Hand benutzen konnte. Nicht zuletzt mit dem Gitarrespielen war es damit für den Rechtshänder vorbei.

Während der folgenden drei Jahre hat Edwyn Collins, angeregt durch seine Frau, begonnen, Vögel nach Vorlagen zu zeichnen - und zwar mit seiner linken Hand. Das Buch "Some British Birds" gibt Einblick in diesen Prozess der Erholung; die Zeichnungen spiegeln seine Genesungsschritte wieder: Mit Collins wachsender Zuversicht schauen auch die Bleistift-Vögel zuversichtlicher von ihrem billigen Zeichenpapier herunter. Was anfänglich als Therapie gedacht war, wurde bald zum Vergnügen. Collins ging im ungestörten Zeichnen auf, er selbst beschrieb es als Wiedererlangung von Individualität und Würde.

 

Edwyn Collins: Some British Birds

Edwyn Collins: Some British Birds

Edwyn Collins: Some British Birds

Edwyn Collins: Some British Birds

Edwyn Collins: Some British Birds

Edwyn Collins: Some British Birds

Edwyn Collins: Some British Birds

 

(Wie Sie sehen, habe ich die Zeichnungen aus meinem Buch abfotografiert, die ersten ganz zarten Zeichnungen habe ich dilettantisch "verbessert", damit man sie erkennt. Bitte entschuldigen Sie die Qualität, hätte ich mich noch länger damit beschäftigt, wäre der Beitrag immer noch nicht feritg.)

Edwyn Collins hatte bereits als Kind gezeichnet, er kommt aus einer künstlerischen Familie, und er hatte schon immer Vögel geliebt und sie auch an ihren Flügeln erkannt. Mit acht Jahren hatte er einen verwaisten Grünfink aufgezogen, Jahrzehnte später retten ihm seine gefiederten Freunde wenn schon nicht das Leben, so doch das Überleben, geben ihm Freude und Optimismus zurück.

Mehr zu Edwyn Collins und seiner Genesung mit Hilfe des Zeichnens erfahren Sie zum Beispiel im Guardian-Beitrag "My feathered friends", im VICE-Interview "Edwyn Collins and His Birds of Recovery" oder im Quietus-Feature.

Collins Zeichnungen wurden 2008 auch in einer Einzelausstellung in der Londoner Smithfield Galerie präsentiert und natürlich war er Teilnehmner der Ausstellung "Ghosts of Gone Birds".

Kataj Behre, Creative Director des Labels "Elli Popp" verwendete in einer Kooperation mit Collins seine Vogelmotive zuerst für hochwertige Tapeten, dann auch für feines Porzellan.

 

 

Tapete mit Vogelmotiven von Edwyn Collins

 

Teller mit Vogelmotiven von Edwyn Collins

 

Teller mit Vogelmotiven von Edwyn Collins

 

Tapeten- und Teller-Fotos von craft2eu.net
 

Buch, Musik, Zeichnung
20. Dezember 2011 - 19:22

Bis vorgestern waren die 15 Interventionen von Marianna Gartner "An Eye For An Eye" im oberen Belvedere zu sehen. Eigentlich wollte ich schon im September davon berichten; im November habe ich zur Einstimmung ein Bild Waldmüllers im Blog präsentiert, aber erst letztes Wochenende fand ich Zeit die Ausstellung anzusehen. Die Bilder, die Marianna Gartner großteils zu ausgewählten Werken der Sammlung gemalt hat - sie hat am Artist-in-Residence-Programm im Augarten Contemporary teilgenommen - waren über das ganze Belvedere verteilt, ich musste also beide Stockwerke aufmerksam abgehen, um die Exponate zu finden. Deshalb war ich auch erstmals in der Mittelalterabteilung, die mich wirklich begeistert hat (und nicht nur, weil in vielen mittelalterlichen Tafelbildern auch irgendwo ein Hund herumläuft). Gartners tätowierter Jesus (Tattooed Jesus, 2004) hat sich wunderbar in die gotische Bilderwelt eingefügt.

Die Arbeit der 1963 in Winnipeg geborenen kanadischen Künstlerin Marianna Gartner thematisiert und reflektiert die europäische Porträtmalerei und die beginnende Porträtfotografie des 19. Jahrhunderts. Damals wurden die Fotografierten noch vor bemalten Hintergründen abgelichtet. Auch die Porträtmaler dieser Zeit setzten ihre Modelle oft in erfundene Umgebungen.

 

Marianna Gartner und Ferdinand Georg Waldmüller

 

Gut erkennbar ist das bei Waldmüllers "Julia Comptesse Apraxin" von 1835, die in einer undefinierten Landschaftsidylle sitzt. Gartner bezieht sich in ihrer einzigen Intervention mit Hund auf dieses Bild. Ihr "Dogwalker" ist allerdings auf zwölf flache Holzquader gemalt, wobei in der untersten Reihe die Ordnung der Anordnung gestört wird - Mädchen- und Hundefüße werden vertauscht. Auch eine eindeutige Zeitebene wird destruiert: Der "Lassie" der 60er Jahre trifft auf ein Kind der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert.

 

Marianna Gartner, Dogwalker, 2011

 

Alte Fotografien anonymer Menschen, von namenlosen Fotografen aufgenommen, auf Flohmärkten und in Antiquariaten aufgestöbert, bilden also die Vorlage für Gartners Arbeiten. Diese werden für ihre Bilder natürlich nicht zur Gänze verwendet und 1:1 malerisch wiedergegeben, das hieße ja nur die Technik ändern, sondern aus unterschiedlichsten Ausgangsmaterialien präzise kombiniert. Sie erschafft durch diese Montage neue surreale und hintergründige Bildinhalte, die verstören und irritieren. Dabei hat sie ein Repertoire an Figuren, Attributen und Interieurs entwickelt, die immer wieder kehren: Soldaten, Matrosen, Kinder, Tiere - nicht zuletzt Hunde.

Im Folgenden sehen sie ihre Bilder mit Hund, die sie ab 2004 gemalt hat:

 

Marianna Gartner, Seated child with dog, 2004

Marianna Gartner, Somewhere in Europe, 2005

Marianna Gartner, Green chair soldier, 2005

Marianna Gartner, Pretty boy soldier with dog, 2006

Marianna Gartner, Soldier with girl and dog, 2007

Marianna Soldier, Sailor Gabor, 2007

Marianna Gartner, Double Whammy, 2007

Marianna Gartner, I hate birds, 2008

Marianna Gartner, Hinterlist, 2008

Marianna Gartner, Napoleon figure with Solomon, 2008

Marianna Gartner, Dog with butterfly, 2008

Marianna Gartner, Bad Friedrich, 2008

Marianna Gartner, Scene Mythologique, 2010

 

Zur Ausstellung erschien ein Katalog, der sehr informativ in Gartners Werk und Methode einführt und Sammlungsstücke und Interventionen nebeneinander stellt: Marianna Gartner. An Eye For An Eye, Hrsg. Agnes Husslein-Arco, Margrit Brehm, Verlag das Wunderhorn, ISBN: 9-783884-233856 (Deutsch/Englisch)

Alle Bilder © Marianna Gartner

Weitere Werke zum Beispiel auf der Homepage der Galerie Michael Haas.

 
Ausstellung, Buch, Malerei
19. Dezember 2011 - 10:22

Gundula Schulze Eldowy
© Gundula Schulze Eldowy

 

Ich kann nicht beschreiben, weshalb mich dieses Bild so unsäglich bewegt, schon beim ersten Ansehen rührte es mich zu Tränen: Liebe und Verzweiflung. Die knochigen großen Hände, die die Tasche mit dem Hund umklammern, der Hund – ruhig und entspannt hängen die Pfoten - lehnt sich vertrauensvoll an seinen Menschen, nur der Blick drückt Skepsis aus. Was mag die Geschichte hinter diesem Foto sein - hoffentlich ist alles gut gegangen!

Das Buch zum Foto: Gundula Schulze Eldowy: "Berlin in einer Hundenacht", Lehmstedt Verlag; 245 Seiten;  ISBN-10: 3942473151, ISBN-13: 978-3942473156; 29,90 €

 

Gudrun Schulze Eldowy, Berlin in einer Hundenacht - Buchcover

 

Zwei Ausstellungen in Berlin zeigen zur Zeit das Werk der herausragenden, sozialkritischen Fotografin Gudrun Schulze Eldowy, die im Ostberlin der späten siebziger und achtziger Jahren die ärmliche Welt von Arbeitern, Rentnern und gesellschaftlich Deklassierten dargestellt hat und nach dem Ende der DDR nach New York zog.

"Die frühen Jahre. Fotografien 1977 bis 1990" bei C/O Berlin, vom 10. Dezember 2011 bis zum 26. Februar 2012 sowie die Doppelausstellung "Verwandlungen: Fotografische Serien nach 1990" im Kunst-Raum des Deutschen Bundestages und "Den letzten beißen die Hunde. Eine Fotoinstallation der Wendezeit" im Mauer-Mahnmal im Deutschen Bundestag, beide vom 29. September 2011 bis zum 26. Februar 2012.

Mehr über die Fotografin z.B. auf Spiegel Online.

 

Ausstellung, Buch, Fotografie